Protokoll der Sitzung vom 16.03.2016

Der Großen Koalition im Saarland liegt sehr daran, dass die Verbreitung von Betriebsrenten auch in kleinen und mittleren Betrieben steigt. Meine Damen und Herren, wir, die politisch Verantwortlichen, sind alle gefordert, Altersarmut vorzubeugen und geeignete Lösungen zu entwickeln. Reformbedarf entsteht vor allem dadurch, dass im Versicherungsprinzip niedrige Beiträge automatisch zu niedrigen Zahlungen führen, was bei nicht linearen Erwerbsverläufen mit zum Risiko der Altersarmut beiträgt. Wir werden daher nicht umhin kommen, die Konzepte der Alterssicherung im Hinblick auf Umverteilung und individueller Versorgung zu überdenken.

Nach meiner Wertevorstellung und der meiner Fraktion ist die Vermeidung von Armut im Alter für die Sozialpolitik eine der größten Herausforderungen. Lebensleistung und langjährige Beitragszahlung müssen sich auszahlen. Deshalb plant die Bundesregierung, ab 2017 eine solidarische Lebensleistungsrente einzuführen. Die Einführung dieser Rentenart könnte Abhilfe schaffen und den Anreiz zur zusätzlichen Altersvorsorge bei Geringverdienern erhöhen. Beim Modell der solidarischen Mindestrente für Geringverdienende in Höhe von monatlich 1.050 Euro, wie sie die Partei DIE LINKE vorschlägt, stellt sich allerdings die Frage der Finanzierbarkeit. Eine Mindestrente passt nicht in unser Rentensystem, in dem sich die Ansprüche nach der Höhe der Beiträge richten. Im Endeffekt privilegiert diese Rente diejenigen, die nicht, wenig, in Teilzeit oder selbstständig gearbeitet haben und sich, wenn überhaupt, nur in geringem Umfang an der Finanzierung der Rentenversicherung durch Beiträge beteiligt haben. Im Gegensatz zu der von Ihnen geforderten solidarischen Mindestrente sollen bei der Lebensleistungsrente die Personen, die langjährig in der Rentenversicherung versichert waren und private Vorsorge getroffen haben, durch eine Aufwertung der erworbenen Rentenentgeltpunkte besser gestellt werden. Diese Regelung wird vor allem Geringverdienern und Men

schen zugutekommen, die Angehörige gepflegt oder Kinder erzogen haben.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Meine Damen und Herren, die politische Entscheidung für einen gesetzlichen Mindestlohn ist nicht nur ein wichtiger Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit in unserem Land, sondern der Mindestlohn trägt auch mit dazu bei, dass das Armutsrisiko zukünftig reduziert werden kann. Allerdings, meine Damen und Herren der LINKEN, ist Ihr Antrag an die saarländische Landesregierung, sich für eine Erhöhung des Mindestlohns einzusetzen, nicht nur unrealistisch, sondern er widerspricht auch dem Prozedere, das der Deutsche Bundestag 2014 beschlossen hat. Es wurde eine Mindestlohnkommission gesetzlich verankert, die die Aufgabe hat, die angemessene Mindestlohnhöhe zum Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer festzustellen. Hierbei hat sie die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und auch mögliche Beschäftigungsgefährdungen im Blick zu haben. Wer das Mindestlohngesetz ernst nimmt, dem muss es ein besonderes Anliegen sein, dass die Mindestlohnkommission diese Aufgabe unabhängig und neutral wahrnimmt. Da steht diese Große Koalition voll dahinter.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Angesichts der aktuellen Situation der Flüchtlinge nimmt die Armutsbekämpfung für Menschen mit Migrationshintergrund eine wichtige Rolle ein. Die Gestaltung von Migration und Integration ist eine besondere politische Herausforderung, der sich alle in unserem Land Verantwortlichen mit großem Ernst und ohne ideologische Vorprägungen stellen müssen. In einem Gespräch mit Vertretern der Saarländischen Armutskonferenz wurde mir folgender Satz mit auf den Weg gegeben: Achte darauf, dass wir Armen und Flüchtlinge nicht gegeneinander ausgespielt werden. - Dieser Wunsch sollte uns alle sehr nachdenklich machen. - Herzlichen Dank.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat nun Jasmin Maurer von der PIRATENFraktion.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Altersarmut ist ein Thema, welches uns immer mehr beschäftigt. Von Altersarmut spricht man, wenn die Nettorente unter 856 Euro im Monat fällt. Im Saarland sind knapp 16 Prozent der Menschen von Altersarmut betroffen, im Bundesdurchschnitt sind es knapp 13 Prozent. Rund 80 Prozent der von Altersarmut betroffenen Personen sind Frauen. Das ist zum Großteil historisch bedingt, es war früher normal, dass eine Frau nicht ar

(Abg. Scharf (CDU) )

beiten geht, und wenn sie doch arbeiten ging, war ihre Tätigkeit sehr lange durch Kindererziehung unterbrochen oder fand nur im Aushilfsbereich statt. Wie gesagt, es ist der Großteil, es heißt nicht, dass es bei allen so ist.

Die heutigen Gründe für Altersarmut kommender Generationen haben sich hingegen verändert. Zwar spielen Erwerbslosigkeit und Arbeitsunterbrechung für Kindererziehung und Pflege von Angehörigen noch immer eine Rolle, aber weitere Gründe sind hinzugekommen wie Leiharbeit, Minijobs, Teilzeitarbeit, ein niedriges Lohnniveau, insbesondere bei Frauen, und Absenkung des Rentenniveaus. Herr Blüm, der ehemalige Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung sagte einmal: Die Renten sind sicher. Er sprach jedoch nicht von der Höhe dieser Renten, denn die Höhe der Renten ist nicht so sicher. Wenn sich nicht dringend etwas ändert, wird die Höhe der Renten weiter fallen und es werden mehr Menschen von Altersarmut betroffen sein.

Die heutige Altersarmut ist auf Verfehlungen der Politik früherer Generationen zurückzuführen, die die Rentner heute ausbaden müssen. Es ist daher unsere Pflicht, bereits heute dafür zu sorgen, dass künftige Generationen nicht in Altersarmut rutschen, und dafür zu sorgen, dass die Verfehlungen früherer Politik ausgebessert werden, um unsere heutigen Rentner zu unterstützen. Die Einführung des Mindestlohns von 8,50 Euro ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Allerdings kann von dem derzeitigen Mindestlohn keine auskömmliche Rente erworben werden. Vor allem wird Mindestlohn meistens bei Teilzeitarbeit gezahlt. Somit ist es schwer, überhaupt auf die geforderten 45 Jahre Erwerbsleben zu kommen. Somit ist trotz des Mindestlohns immer noch mit Altersarmut zu rechnen. Aufstockungen, die zulasten des Sozialstaates gehen, sind vorprogrammiert. Anstatt den Sozialstaat durch die Aufstockung zu belasten, sollten eher die Arbeitgeber für die Differenz bei den Renten herangezogen werden. Die Aufstockungen belasten nicht nur den Steuerzahler, sondern auch viele ältere Menschen, die aus Scham nicht aufs Amt gehen, um sich die ihnen zustehende Stütze abzuholen.

Viel eklatanter ist aber auch der Berechnungsmodus von 45 Erwerbsjahren. Diese 45 Erwerbsjahre sind ausdrücklich männlich konnotiert! Die meisten Frauen kommen aufgrund von Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, Teilzeitarbeit und so weiter kaum dahin, 45 Jahre gearbeitet zu haben. Eine Erwerbsbiografie von mindestens 45 Jahren in Vollzeit ist für Frauen schwerer nachzuweisen als für Männer. Bei der Berechnung von Renten müssen alle gesellschaftlich notwendigen Tätigkeiten einfließen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass bis 2030 das Rentenniveau auf 43 Prozent abgesenkt wird. Ein erster wichtiger Schritt ist die Mütterrente, jedoch

fehlt immer noch ein entsprechendes Pendant für die Pflege von Angehörigen. Das würde auch zu einer besseren Chancengleichheit von Mann und Frau führen.

Es gibt viele Punkte, die wichtig sind, um gegen Altersarmut vorzugehen. Zum einen ist dies ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bürger, was auch Rentner einschließt. Ein weiterer Punkt ist das Modell der Mindestrente. Ich sehe hier keine Ungleichbehandlung von Menschen, die viel gearbeitet haben, und solchen, die wenig gearbeitet haben. Ebenfalls sehr wichtig sind eine Aufstockung des gesetzlichen Mindestlohns und eine Anhebung des Rentenniveaus. Wichtig ist ebenso eine Bekämpfung von Leiharbeit, die nichts anderes als moderne Sklaverei ist. Sie wird nun einmal - das ist Fakt - in vielen Unternehmen missbraucht.

Ich sehe in den Anträgen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sehr gute Ansätze, die es zu verfolgen gilt. Deshalb werden wir auch beiden zustimmen. Im Antrag der Großen Koalition wird zu zaghaft vorgegangen. Auch dort ist man zwar um eine Verbesserung bemüht, aber mir fehlen die entscheidenden Impulse. Deshalb werden wir uns bei diesem Antrag enthalten. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Vielen Dank. Das Wort hat nun der Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE Oskar Lafontaine.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich mache es relativ kurz. Ich kann anknüpfen an meine Vorrednerin, die an die Adresse der Koalitionsparteien gerichtet gesagt hat: Sie gehen etwas zu zaghaft vor. Das möchte ich nachdrücklich unterstreichen. Ich möchte Ihnen nur eine Zahl nennen, die Sie vielleicht veranlasst, einmal nachzudenken über das, was in Deutschland in den letzten Jahren gelaufen ist. Ich beziehe mich auf eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung - die dürfte zumindest teilweise hier bekannt sein - und eine Studie der Arbeiterkammer von Wien, die vor Kurzem in der Frankfurter Rundschau veröffentlicht wurde. Sie können das sofort im Handy überprüfen. Dort ist festgestellt worden - ich wollte zunächst meinen Augen nicht trauen -, dass jemand, der 2013 in Österreich in Rente geht, bei einer durchschnittlichen Erwerbsbiografie - nun hören Sie bitte genau zu - 1.560 Euro Rente bekommt, und das 14-mal im Jahr. Der, der mit der gleichen Biografie in Deutschland in Rente geht, bekommt 1.050 Euro und bekanntlich zwölfmal im Jahr. Also weit über 500 Euro fehlen einem Rentner mit durchschnittlicher Erwerbsbiografie. Das sind für mich

(Abg. Maurer (PIRATEN) )

wirklich erschütternde Zahlen. Wenn Sie weiter so zaghaft da rangehen, ist das eine Katastrophe.

(Beifall von der LINKEN und den PIRATEN.)

Ich will niemanden auf die Anklagebank setzen. Sie alle, wie Sie hier sitzen, waren da ja auch nicht die Hauptmitwirkenden. Ich kenne ja die Hauptmitwirkenden. An die Adresse der Union will ich sagen, dass der mit mir immer noch politisch befreundete Norbert Blüm nur noch den Kopf schüttelt über die Rentenpolitik, die jetzt gemacht wird. Bei der SPD könnte ich reihenhaft Zeugen aufrufen wie zum Beispiel meinen Freund Rudolf Dreßler. Was sich hier getan hat, ist entsetzlich. Ich nenne noch einmal die Zahl: 1.560 für den Österreicher mit derselben Erwerbsbiografie und 1.050 für den deutschen Arbeitnehmer. Ist das nicht eine unglaubliche Entwicklung? Dass in Österreich die Wirtschaft zusammenbricht, habe ich noch nicht gehört. Die Zahlen könnte ich auch alle abrufen. Wir haben also eine Entwicklung bei den Renten in Deutschland, die eine einzige Katastrophe ist. Wenn wir weiter zaghaft herangehen - um die Formulierung meiner Kollegin aufzugreifen -, werden wir millionenfache Altersarmut haben. Das kann doch niemanden ruhen lassen! Das ist der Grund, warum wir noch einmal gesagt haben, vielleicht können wir da oder dort überzeugen.

Zweitens zum Mindestlohn. Hier verweise ich auf den KfW-Bericht. Die KfW ist eine Institution, in deren Verwaltungsrat ich auch einmal war. Da sitzen überwiegend Vorstände, die Ihnen sehr nahestehen; ich könnte sie alle aufzählen. Es ist also keine Institution revolutionärer Gesinnung. Die KfW hat festgestellt, dass 40 Prozent der deutschen Haushalte heute weniger Geld haben als vor 20 Jahren. Ich wiederhole es: 40 Prozent der deutschen Haushalte - nicht gerade die Hälfte der Bevölkerung, aber 40 Prozent - haben heute weniger Geld als vor 20 Jahren. Und - oh Wunder! - 38 Prozent Erhöhung haben die oberen Einkommensgruppen. Das ist die Entwicklung der letzten 20 Jahre, KfW-Bericht. Und an der Stelle ist etwas zum Mindestlohn zu sagen. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass die Volkswirtschaft, die im europäischen Konzert derzeit am besten läuft - dazu könnte ich jetzt vieles sagen -, immer noch einen Mindestlohn hat, der gegenüber den Nachbarn ein Dumpinglohn ist, denn selbst Sarkozy - auch das will ich abkürzen - hat einen höheren Mindestlohn beschließen lassen, als deutsche Arbeitnehmerschaften ihn gefordert haben. Da stimmt doch irgendetwas nicht!

(Beifall von der LINKEN.)

Wir können nicht millionenfache Altersarmut tolerieren und wir können auch nicht über den Mindestlohn in ganz Europa bei den Nachbarn Sozialdumping betreiben.

(Beifall von der LINKEN und den PIRATEN.)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Klaus Kessler von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. - Die Wortmeldung hat sich erledigt? - Dann hat das Wort die Ministerin für Wirtschaft. - Auch nicht? Dann hat sich alles erledigt, wunderbar. Es sind keine Wortmeldungen mehr eingegangen. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung zunächst über den Antrag der DIE LINKE-Landtagsfraktion, Drucksache 15/1728. Wer für die Annahme des Antrags der DIE LINKE-Landtagsfraktion ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Dann stelle ich fest, dass der Antrag mit Stimmenmehrheit abgelehnt wurde. Zugestimmt haben die DIE LINKE-Landtagsfraktion und die PIRATEN-Landtagsfraktion. Dagegen gestimmt haben die CDU-Landtagsfraktion, die SPD-Fraktion und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Koalitionsfraktionen, Drucksache 15/1738. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Dann stelle ich fest, dass der Antrag mit Stimmenmehrheit angenommen wurde. Zugestimmt haben CDU- und SPD-Fraktion, enthalten haben sich die PIRATEN und dagegen gestimmt haben die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion, Drucksache 15/1741. Wer für die Annahme des Antrags Drucksache 15/1741 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Dann stelle ich fest, dass der Antrag mit Stimmenmehrheit abgelehnt wurde. Dagegen gestimmt haben die CDU- und die SPD-Fraktion, enthalten hat sich die Fraktion DIE LINKE. Zugestimmt haben die Fraktionen der PIRATEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Wir kommen nun zu den Punkten 7, 8 und 14 der Tagesordnung:

Beschlussfassung über den von der CDULandtagsfraktion und der SPD-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Allianz für einen europaweiten Atomausstieg; gegen eine Renaissance der Atomkraft und für die Energiewende in Europa (Drucksache 15/1735 - neu)

Beschlussfassung über den von der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Schnellstmögli

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

che Abschaltung des Atomkraftwerks Cattenom! (Drucksache 15/1730)

Beschlussfassung über den von der PIRATEN-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Atomausstieg europaweit - Energiewende in Europa forcieren, neue Technologien nutzen (Drucksache 15/1739)

Zur Begründung des Antrags der Koalitionsfraktionen erteile ich Herrn Abgeordnetem Dr. Magnus Jung das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu diesem Themenkomplex haben heute vier von fünf Fraktionen des saarländischen Landtags einen Antrag vorgelegt. Die Fraktion der LINKEN war zumindest heute per Pressemitteilung über die Saarbrücker Zeitung an der Debatte beteiligt. Das zeigt, dass wir uns, glaube ich, einig sind in einer zentralen Botschaft in diesem Hause. Wir wollen, dass die Atomanlagen in Cattenom, in Fessenheim und in Tihange umgehend abgeschaltet werden. Wir sind uns einig in der Zielsetzung, dass das Atommüllendlager in Bure nie gebaut werden darf. Ich hoffe, wir unterstützen einmütig die Politik der saarländischen Landesregierung und von Umweltminister Reinhold Jost, mit der wir im Konzert mit anderen in Europa eine Renaissance der Atomenergie verhindern wollen.

Dies alles ist nicht neu. Aber es ist dennoch notwendig, dass wir diese Debatte immer wieder führen gerade heute, fünf Jahre nach der Katastrophe von Fukushima und 30 Jahre nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl. All das, was uns vor fünf Jahren in Deutschland zur Entscheidung zum Ausstieg aus der Atomenergie bewogen hat, sind Gründe, die damals richtig waren und die heute immer noch gelten. Das ist zum einen die einfache Erkenntnis, dass der Betrieb dieser Anlagen, auch wenn er nur ein Restrisiko darstellt, nicht zu verantworten ist. Eine Technologie, bei der nichts schiefgehen darf, die nicht scheitern darf, ist nicht zu verantworten, weil die Katastrophe nicht auszuschließen ist.

(Vizepräsidentin Spaniol übernimmt den Vorsitz.)

Diese Technologie ist auch unwirtschaftlich. Von Anfang an wurden riesige Subventionen in die Atomenergie gesteckt, Subventionen, die in den Preisen nicht abgebildet sind. Die Kosten, die diese Energieform noch produzieren wird, selbst wenn die Anlagen längst abgeschaltet sind, sind ebenfalls nicht in den Strompreisen enthalten. Es bleibt nach wie vor bei der ungeklärten Frage der Entsorgung. Sie alle wissen, dass sich derzeit in Deutschland Expertenkommissionen mit der ungelösten Frage der Endla

gerung auseinandersetzen und dass wir auch eine Kommission haben, die prüft, inwieweit die Atomenergiekonzerne überhaupt in der Lage sind, mit den Rückstellungen, die sie für die Finanzierung in den nächsten Jahrhunderten gebildet haben, tatsächlich zurechtzukommen.

Neben diesen allgemeinen Gründen, die für einen schnellen Ausstieg aus der Atomenergie sprechen, gibt es auch ganz konkrete Mängel bei den Anlagen in unserer Region. Mit Blick auf Cattenom können wir immer wieder darauf hinweisen, dass die Stromversorgung durch Notkühlsysteme nicht ausreichend gesichert ist, dass die Frage der Erdbebensicherheit nicht hinreichend geklärt ist, dass das Risiko bei Überschwemmungen nicht ausgeschlossen werden kann, dass - was uns im letzten Jahr noch mal deutlich vor Augen geführt wurde - auch eine Gefährdung durch den Überflug von Drohnen besteht und dass auch die Gefahr von Terroranschlägen beispielsweise aus der Luft oder durch Flugzeugabstürze nicht ausgeschlossen werden kann. Deshalb ist es das Mantra der saarländischen Landespolitik, immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Anlagen in Cattenom, Fessenheim und Tihange umgehend abgeschaltet werden müssen.

Eine weitere Frage, die uns beschäftigt, lautet: Wie setzen wir diesen festen politischen Willen durch? Das erste, was wir dafür bräuchten, wäre Geschlossenheit in der Landespolitik. Deshalb hätte es die Große Koalition auch gerne gesehen, wenn wir einen gemeinsamen Antrag im Plenum hinbekommen hätten. Wir haben beispielsweise mit den GRÜNEN versucht, über dieses Thema zu sprechen, sind jedoch nicht zu einer Einigung gekommen. Ich möchte auch mit Blick auf vergangene Debatten davor warnen, dass wir versuchen uns gegenseitig Schuld in die Schuhe zu schieben, nach dem Motto: Der eine oder andere, der hier im Land Verantwortung trägt oder der aus diesem Land stammt und nun in Berlin Verantwortung trägt, würde nicht genug tun. Das schwächt nur unsere Position. Deshalb können wir Ihren Antrag, der entsprechende Hinweise liefert, nicht unterstützen. Das sei an die Adresse der GRÜNEN gesagt. Weil er sehr konstruktiv formuliert ist, werden wir hingegen dem Antrag der PIRATEN zustimmen können.

Nun stellt sich mit Blick auf das, was wir heute in der Saarbrücker Zeitung lesen konnten, die Frage, ob man sozusagen im Wege einer Scheckbuchdiplomatie dafür sorgen könnte, dass die Franzosen Cattenom abschalten. Herr Kollege Lafontaine, ich glaube, dieser Vorschlag ist unterm Strich zunächst einmal völlig unrealistisch. Er ist aber auch nicht seriös und nicht sachgerecht. Denn was ist denn das für eine politische Vorgehensweise, wenn wir in Deutschland und Frankreich unterschiedlicher Auffassung sind - das kann man ja mit Fug und Recht in dieser

(Vizepräsidentin Ries)

energiepolitischen Frage feststellen - und man dann sagt: Wenn wir euch schon nicht überzeugen können, dann bezahlen wir einfach dafür, dass ihr unseren Wünschen folgt? Ich glaube, das ist keine Art, wie man in Europa auch grenzüberschreitend mit politisch unterschiedlichen Auffassungen umgehen kann. Das ist vor allem auch keine Art, die die Franzosen - und Sie kennen sie ja wirklich sehr gut - akzeptieren würden.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)