Protokoll der Sitzung vom 13.07.2016

Damit wir sicher und schnell in alle Ecken unseres sehr schönen Landes kommen, werden die verschiedenen Verkehrsmittel auf der Schiene, Straße, zu Wasser und in der Luft gut miteinander verzahnt. Dabei müssen wir uns, wenn wir reale Verbesserungen umsetzen und nicht in der Theorie die Forderungshöhe vergrößern wollen, nach unserer finanziellen Decke strecken. Träume dürfen gerne geträumt werden, sie lassen aber keinen einzigen Bus nach dem Erwachen aus dem Traum von A nach B fahren. Deshalb begrüßen wir diesen enormen Fortschritt der besseren Verzahnung aller Verkehrsmittel und Aufgabenträger in zukünftig engerer verpflichtender Kooperation.

Am Ende - der Kollege Bierbaum hat das, denke ich, zu Recht angesprochen - geht es aber auch um die Menschen, und das hat auch der Kollege Hilberer gesagt trotz der kritischen Grundhaltung, die im Dienst unserer Mobilität arbeiten. Nicht zuletzt deshalb wird die Vielfalt der Aufgabenträger auch zukünftig erhalten. Denn natürlich ist es verkehrsmäßig wünschenswert, das alles enger zu verzahnen, immer mehr in eine Hand zu bringen, man muss dabei nur aufpassen, dass das nicht zu nicht vertretbaren Rationalisierungsmaßnahmen im Personalbereich führt.

Da kucken die Kolleginnen und Kollegen auch sehr genau darauf. Deshalb ist es manchmal besser, sich einem großen Ziel in mehreren Zwischenschritten zu nähern, lieber Michael, als gleich mit einem großen Wurf alles klären zu wollen, und das auch noch landesgesetzlich. Im Übrigen wäre dann die Beteiligungsorientierung auch nicht so intensiv, wie sie jetzt von uns vorgesehen ist.

(Abg. Hilberer (PIRATEN) : Weil es nicht so viel Zeit hat.)

Wenn es um Existenzen geht, muss man sich die Zeit nehmen - um auf diesen Zwischenruf einzugehen. Das kann man nicht einfach ratzfatz machen, sondern es muss sinnvoll sein, es muss allerdings auch den Beschäftigten gerecht werden. Dies wird im Übrigen auch von unseren Gebietskörperschaften und Zweckverbänden als Aufgabenträger so unterstützt.

Wir sind gespannt auf die Anhörung. Ein wichtiger Schritt in die Zukunft unseres kleinen Landes getreu dem Motto „Großes entsteht immer im Kleinen“ wird heute Morgen aller Voraussicht nach zumindest mit den Stimmen der Großen Koalition, vielleicht auch mit anderen, getan. Wir sind optimistisch, dass wir künftig Auswärtige und auch Einheimische im öffentlichen Personennahverkehr in unserem schönen Land besser an alle schönen Ziele bringen können. Hier wurde hart gearbeitet. Allen ein herzliches Dan

keschön, die daran mitgewirkt haben und sofort, nachdem die Kohle da war, den Plan vorgelegt haben. So schaffen wir, so liefern wir.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/GRÜNE Herr Abgeordneter Michael Neyses.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten heute einen Gesetzentwurf, der mit drei Jahren Verspätung vorliegt. Ministerin Rehlinger hatte ja den Entwurf 2013 noch vor der Sommerpause angekündigt.

(Ministerin Rehlinger: Es ist vor der Sommerpau- se!)

Es ist vor der Sommerpause, in der Tat. Wir dachten damals, es sei das Jahr 2013 gemeint, da wurden wir nun eines Besseren belehrt. In dieser Verzögerung sehen wir wieder mal das Unvermögen der Landesregierung, Probleme im Land anzupacken und Strukturen zu verbessern, Verbesserungen, die noch nicht einmal erfordern, dass Geld in die Hand genommen werden muss. So hat die Landesregierung viele Probleme des saarländischen ÖPNV vor sich hergeschoben, die viel früher hätten angepackt werden können. Eine schlechte Abstimmung zwischen Bus und Bahn, eine unsystematische Tarifstruktur, die in vielen Teilen zu unfairen Preisen führt, dazu eine Verteilung der Ausgleichsmittel für Schülerverkehre nach Gutsherrenart und eine ineffiziente Finanzierung, die bisher dazu führte, dass die Saarländerinnen und Saarländer zu wenig ÖPNV für ihr Geld erhalten haben.

(Beifall von B 90/GRÜNE und den PIRATEN.)

Schon zu Beginn der Gesetzesberatung wird man in seinen Erwartungen gebremst. Der ÖPNV soll als Alternative zum motorisierten Individualverkehr dienen. Falsches Paradigma!

(Beifall von B 90/GRÜNE und den PIRATEN.)

Im 21. Jahrhundert sollte es klar heißen, dass der ÖPNV Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr haben und dementsprechend Beachtung bei der Verausgabung öffentlicher Mittel finden müsste. Die Landesregierung erklärte die Verzögerung immer wieder mit der ausstehenden Einigung über die Verteilung der vom Bund zugewiesenen Regionalisierungsmittel. Für das Saarland ging es um 10 Millionen Euro mehr oder weniger. Das war aber nicht, wie von der Regierung immer behauptet, entscheidend für das ÖPNV-Gesetz. Der Gesetzentwurf, den unsere Fraktion bereits zwei Mal einbrachte, zeigt deutlich, dass bessere Strukturen möglich sind bei gleichbleibender Finanzierung.

(Abg. Roth (SPD) )

Dass es für das Gesetz nicht auf den Finanzierungsunterschied ankommt, zeigt nun auch der Entwurf, über den wir heute sprechen. Die Grundlagen, die damit geschaffen werden, sind losgelöst von der Finanzausstattung, mit der Sie das Parlament und die saarländische Bevölkerung immer vertröstet haben. Wie viele Mittel überhaupt anteilmäßig dem SPNV und dem üblichen ÖPNV zukommen sollen, dazu liefert das Gesetz gar keine Informationen.

(Ministerin Rehlinger: Das gehört auch nicht da rein!)

Dann war aber die Begründung für die Verzögerung falsch! - Für die ÖPNV-Pauschale für Ausbildungsverkehre schreiben Sie einen festen Beitrag von 8 Millionen Euro pro Jahr fest, obwohl Sie mittlerweile wissen, dass die Regionalisierungsmittel, die das Land pro Jahr erhält, mit einer Rate von 1,8 Prozent dynamisiert werden. Dann sollten Sie auch die ÖPNV-Pauschale dynamisieren.

Auch bei der Höhe der Ausgleichsleistungen für Ausbildungsverkehre besteht keinerlei Bezug zur Anzahl der beförderten Schüler. Das wäre aber einer gerechten Mittelverteilung geschuldet. Wir sehen ganz klar: Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum Sie so lange gewartet haben. Die Regionalisierungsmittel können jedenfalls nicht der Grund gewesen sein.

(Beifall von B 90/GRÜNE und den PIRATEN.)

Die Wabenstruktur soll überarbeitet werden und gemeinsame Tarife mit angrenzenden Regionen sollen entwickelt werden. Das begrüßen wir, ebenso dass die Verkehrsmanagementgesellschaft als heutiger externer Dienstleister in den Zweckverband als Geschäftsstelle überführt werden soll und dort die laufenden Geschäfte des Verbandes wahrnehmen und Beschlüsse umsetzen wird.

Mit der geplanten Gesetzesnovelle wird aber auch künftig kein echter Verkehrsverbund im Saarland geschaffen. Das Saarland behält die Entscheidungshoheit über die vom Bund bereitgestellten Mittel, bleibt alleine für den Schienenpersonennahverkehr verantwortlich und wird auch künftig einen Großteil der Regionalisierungsmittel einbehalten. Die Landkreise bekommen die Verantwortung für die üblichen Verkehrsleistungen zugeteilt.

Vor diesem Hintergrund ließ dann auch die Kritik der Oberbürgermeisterin der Stadt Saarbrücken nicht lange auf sich warten. Die Kollegen Bierbaum und Roth haben gesagt, dass die Kritik durchaus ernst genommen wird, dass die Stellungnahme noch mal neu besprochen und verhandelt wird. Denn mit dem ÖPNV-Gesetz wälzt die Große Koalition immer mehr Kosten auf die Kommunen und die beteiligten Verkehrsunternehmen ab. Wie so eine durchdachte

Verknüpfung von Bussen und Zügen entstehen soll, bleibt fraglich.

Eine grundlegende Strukturreform, wie wir uns das gewünscht hätten und die wir auch in unserem Gesetzentwurf schon zwei Mal vorgeschlagen haben, wird mit dieser Novellierung nicht erreicht. Wir bleiben bei unserer Forderung, den Zweckverband Personennahverkehr grundlegend zu reformieren. In ihm sollen sich das Land und die kommunalen Aufgabenträger zusammenschließen und bei jeweils gleichen Stimmanteilen über die Verteilung der Finanzmittel entscheiden. Das gilt sowohl für den ÖPNV als auch für den schienengebundenen Nahverkehr. Nur auf diese Weise können die Finanzmittel wirklich effektiv eingesetzt und kann der ÖPNV leistungsfähiger werden.

Die Landesregierung muss bei ihrem Gesetzentwurf deutlich nachbessern. Zur Orientierung kann sie dabei auf den Entwurf unserer Fraktion zurückgreifen, den wir schon zwei Mal ins Plenum eingebracht haben. Die jetzige Fassung werden wir wie schon die Stadt Saarbrücken ablehnen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von B 90/GRÜNE und den PIRATEN.)

Das Wort hat für die CDU-Landtagsfraktion Herr Abgeordneter Peter Strobel.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Kern des Gesetzes, das die Landesregierung heute vorgelegt hat, ist die Strukturveränderung und die damit verbundene Weiterentwicklung der bisherigen Verkehrskooperation zum pflichtigen Verbund der Aufgabenträger. Die Gestaltung des ÖPNV wird nunmehr pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe der Kommunen im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit. Die PIRATEN wollten seinerzeit eine kommunale Pflichtaufgabe daraus machen, was ein schlimmer Mühlstein um den Hals unserer Kommunen gewesen wäre. Ich glaube, sie sind mit der Regelung, die wir heute gewählt haben, ganz zufrieden, Herr Hilberer.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen. - Abg. Hil- berer (PIRATEN) : ÖPNV nach Kassenlage!)

Nein, nein. - Im neuen Zweckverband Personennahverkehr Saarland sind alle Aufgabenträger Mitglieder, also die Landkreise als die bisherigen Aufgabenträger, das Saarland und jetzt neu die Kommunen mit eigenen Verkehrsbetrieben, derzeit die Städte Saarbrücken und Völklingen. Die VGS wird in die Funktion der neuen Geschäftsstelle des ZPS (neu) überführt.

(Abg. Neyses (B 90/GRÜNE) )

Dort werden folgende Leistungen erbracht: die integrierte und koordinierte Verkehrsgestaltung des ÖPNV, die Fortentwicklung des Gemeinschaftstarifs, die einheitliche Gestaltung von Beförderungsbedingungen, einheitliche Produkt- und Qualitätsstandards wie zum Beispiel Fahrgastinformationssysteme und Betriebssysteme. Dort soll auch ein einheitliches Marketing geschaffen werden, die einheitliche Gestaltung der Kundenpartizipation ist Thema, die Ausschreibung der Verkehre und daraus resultierend auch die Vergaben mit Ausnahme der Inhouse-Vergaben werden dort stattfinden. Es wird ein permanentes Controlling der Verträge geben. Die Entwurfsbearbeitung der Nahverkehrspläne der Aufgabenträger wird in der neuen Geschäftsstelle stattfinden ebenso wie die Mittelzuweisung und die Verwendungskontrolle der Ausgleichszahlungen im Ausbildungsverkehr. Diese Struktur verfolgt im Großen und Ganzen das gleiche Ziel, wie es die GRÜNEN in ihrem Gesetzentwurf aus dem vergangenen Jahr vorgesehen hatten.

Anders gestaltet sich im Regierungsentwurf jedoch die Frage der Zuständigkeit für die Finanzmittel. Die GRÜNEN, Herr Neyses, wollten auch die gesamten Finanzmittel in die Entscheidungskompetenz des neuen Zweckverbandes einbringen, sowohl die Regionalisierungsmittel als auch die Entflechtungsmittel. Die Ausgleichsleistungen im Ausbildungsverkehr wollten Sie pauschaliert an die Aufgabenträger weitergeben. Wie die Verteilung dann vorgenommen wird, ist mir in Ihrem Entwurf nicht ganz klar geworden.

Der Regierungsentwurf sieht vor, diese Ausgleichsleistungen nach Preis-Kosten-Ausgleich mit einer ÖPNV-Pauschale und damit künftig absolut transparent an die Aufgabenträger auszuzahlen. Regionalisierungsund Entflechtungsmittel bleiben beim Land, was auch durchaus Sinn macht, weil die Regierung bei Projekten von übergeordnetem Landesinteresse Herrin des Verfahrens bleiben muss.

Was die Sonderlasten der BOStrab-Strecke für die Landeshauptstadt Saarbrücken und die Gemeinde Riegelsberg angeht, sieht das Verkehrsministerium keinen finanziellen Spielraum für eine Änderung der bisherigen Regelung. Das Anliegen der beiden Kommunen, hier eine Veränderung herbeizuführen, ist natürlich absolut nachvollziehbar, keine Frage. Aus der Gesetzesmechanik heraus wird der ÖPNV für die Landeshauptstadt Saarbrücken in der Zukunft wahrscheinlich sogar noch teurer werden. Das kann ja nicht in unserem Interesse sein, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Deswegen ist es wichtig, dass wir in Gesprächen eine Klärung herbeiführen und zusehen, wie wir möglicherweise an anderer Stelle behilflich sein können.

Das ÖPNV-Gesetz gibt also den Rahmen für die Organisation und die Finanzierung des ÖPNV im Saar

land vor. Konkrete Vereinbarungen zum operativen Geschäft werden in einem Kooperationsund Dienstleistungsvertrag geregelt, der flexibel angepasst werden kann. Hierin wird unter anderem das Tarifsystem geregelt, natürlich mit Veränderungen im Wabensystem. Es soll Kurzstrecken geben. Ich glaube, da ist vieles denkbar. Leider liegt uns der Vertragsentwurf noch nicht vor.

Die Systematik von Gesetz und Vertrag folgt dem Vorbild der Organisation des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar, den man aufgrund seiner Nutzerzahlen als durchaus erfolgreiches Beispiel bezeichnen darf. Im Sinne der Attraktivität des ÖPNV und der damit verbundenen Möglichkeiten für die Nutzer im Saarland halte ich im Übrigen den mittel- bis langfristigen Anschluss des saarländischen ÖPNV an den Verkehrsverbund Rhein-Neckar für einen reizvollen Gedanken. Dem saarländischen ÖPNV entstünden damit ganz neue Möglichkeiten. Deswegen ist das eine Möglichkeit, die man zumindest im Auge haben sollte.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Im Rahmen des Anhörungsverfahrens wird es sicher noch eine ganze Reihe interessanter Ansätze geben, über die man reden kann und muss. Ich denke dabei an eine stärkere Rolle der grenzüberschreitenden Verkehre als Verkehre innerhalb der Großregion, ganz im Sinne der Frankreichstrategie der Landesregierung. Wir sollten uns auch offen zeigen für die Möglichkeiten und Chancen, die uns die zunehmende Digitalisierung bietet, beispielsweise beim Ticketing. Denken wir auch an das Thema autonomes Fahren; in Nürnberg gibt es bereits eine fahrerlose U-Bahn. Der moderne ÖPNV, wie wir ihn uns vorstellen, orientiert sich in allererster Linie am Nutzer beziehungsweise an denjenigen, die bisher keinen Gebrauch von den ÖPNV-Angeboten gemacht haben. Sie könnten bei einem attraktiveren Angebot jedoch potenzielle Kunden für den ÖPNV sein. In diesem Sinne sollten die Nutzer eng in Entscheidungsprozesse einbezogen werden.

Herr Hilberer, noch ein Wort an Sie. Sie haben eben wieder von einer Leitmobilität ÖPNV gesprochen. Da gibt es offensichtlich einen großen Unterschied zwischen dem, was Sie denken, und dem, was wir denken.

(Abg. Hilberer (PIRATEN) : Offensichtlich. - Sprechen.)

Wir gehen mit 0,0 Ideologie heran. Wir sagen vielmehr, alle Verkehre sollen gleichberechtigt nebeneinander existenzberechtigt sein. Das gilt genauso für den ÖPNV als wichtiges und tragendes Element; keine Frage. Aber das gilt genauso für den motorisierten Individualverkehr, für das Fahrrad und jeden einzelnen Fußgänger. Wir machen keinen Unterschied. Sie machen ein Fass auf mit einer besonde

(Abg. Strobel (CDU) )

ren Schwerpunktlegung, die der Sache eigentlich nicht gerecht wird.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Alles in allem ist der Gesetzentwurf eine gute Grundlage für eine gedeihliche Entwicklung des ÖPNV in unserem Land. Wir werden dem Gesetzentwurf in Erster Lesung zustimmen und sind gespannt auf die Anhörung. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)