Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Augustin, es liegt kein Antrag der GRÜNEN vor, es ist ein Gesetz, das hier eingebracht wurde, und die Koalition hat einen Antrag eingebracht. Ich bitte, das zu unterscheiden. Nach so vielen Wochen, die Sie im Parlament sind, müssten Sie den Unterschied zwischen einem Antrag und einem Gesetz erkennen können.
Herr Kollege Pauluhn hat schon vieles von dem vorweggenommen, was ich zu dem Gesetz sagen wollte. Ich kann nur feststellen, mit dem Gesetz zur Änderung des Saarländischen Polizeigesetzes wollten die GRÜNEN ursprünglich § 10 Abs. 2 gänzlich streichen - das war hier schon mehrfach Thema gewesen -, das hat mich etwas verwirrt. Das hätte zu einer unzulässigen Vorratsdatenspeicherung geführt, und das von den GRÜNEN hier im Parlament, Hut ab!
Ich gebe zu, Sie haben das gemerkt, und dadurch hat sich natürlich der Spaßfaktor an meinem Beitrag heute Morgen erheblich minimiert, das muss ich jetzt auch sagen.
Jetzt wollen Sie lediglich die Wörter „oder Speicherung in Dateien“ streichen. Ansonsten steht in Ihrem Gesetz nichts drin, was nicht schon vereinbart wäre. Es geht um § 10, der die erkennungsdienstliche Behandlung zur Identitätsfeststellung nach § 9 des Saarländischen Polizeigesetzes regelt. Die hierbei erhobenen Daten sind nach derzeitiger Rechtslage
gemäß Absatz 2 zu vernichten, es sei denn, sie dürfen zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten weiterhin gespeichert werden. Die weitere Speicherung ist aber nur dann zulässig, wenn dies durch andere Rechtsvorschriften erlaubt ist. § 10 Abs. 2 statuiert vor allem einen Zweckbindungsgrundsatz, das heißt, eine weitere Aufbewahrung der Daten, die ausschließlich zur Identitätsfeststellung erhoben werden, ist nur dann möglich, wenn sie nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 oder nach anderen Rechtsvorschriften zulässig ist. - An dieser Regelung wollen wir auch in Zukunft festhalten, und zwar in dem engen Rahmen, den das Gesetz zulässt. Aus diesem Grund werden wir Ihren Änderungswunsch ablehnen. Die übrigen Punkte in Ihrem Gesetz entsprechen voll und ganz dem, worauf wir uns bereits in der letzten Legislaturperiode geeinigt hatten und was auch in dem neuen Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD festgeschrieben ist. Vorgesehen ist die Abschaffung der Videoüberwachung, der Kennzeichenerfassung und Speicherung sowie Regelungen bezüglich der längerfristigen Observation. Nach der derzeitigen Rechtslage sollten Kennzeichen erfasst, mit einer Suchdatei abgeglichen und sofort wieder gelöscht werden. Es war nie eine Vorratsdatenspeicherung vorgesehen, das hat das Gesetz nicht hergegeben. Aber auch das wollen wir jetzt ändern.
Meine Damen und Herren, fest steht, dass eine Reform des Saarländischen Polizeigesetzes ansteht, der Kollege Pauluhn hat bereits darauf hingewiesen, das haben wir im aktuellen Koalitionsvertrag vorgesehen. Bei der Überarbeitung des Saarländischen Polizeigesetzes soll der Gedanke der Sicherheit im Zentrum stehen; es werden Pflöcke eingeschlagen: Opferschutz geht vor Täterschutz. Dieser Grundsatz muss sich in einem leistungsstarken Polizeigesetz niederschlagen. Es muss genau hingeschaut werden, welche Änderungen für den Schutz der Bevölkerung und für die Arbeit der Polizei sinnvoll und erforderlich sind. Es muss genau geprüft werden, welche Instrumentarien zukünftig gebraucht werden, damit die Polizei ihre Arbeit zum Wohle und im Interesse der saarländischen Bevölkerung ausüben kann. Was notwendig ist, muss im Gesetz bleiben! Regelungen wie die automatisierte Kennzeichenerfassung können ohne Probleme aus dem Polizeigesetz gestrichen werden, da sie im Saarland nie zur Anwendung kamen. Zudem ist die bisherige Regelung verfassungsrechtlich bedenklich, da eine normenklare Definition nicht gegeben war.
Den Ortspolizeibehörden wurde die Videoüberwachung an besonderen Kriminalitätsschwerpunkten unter dem Aspekt des Opferschutzes per Gesetz ermöglicht. Dabei ging es nicht um eine flächendeckende Bespitzelung der Bürgerinnen und Bürger, sondern um den Schutz der Menschen vor Gewalttaten an Brennpunkten. Von dieser Befugnis wurde jedoch nur selten Gebrauch gemacht, in der Praxis
spielt sie keine sehr große Rolle. Der Koalitionsvertrag sieht nun vor, die Möglichkeit der Bild- und Tonaufzeichnung durch die Ortspolizeibehörden im öffentlichen Raum abzuschaffen. Das Instrument der Videoüberwachung bleibt fortan der Vollzugspolizei vorbehalten. Zukünftig entfällt die Befugnis der Ortspolizeibehörden, an öffentlich zugänglichen Orten offen Filmaufzeichnungen anzufertigen. Die Regelung folgt somit dem Kerngedanken, dass eine solche Maßnahme der Vollzugspolizei vorbehalten bleiben soll. Für die Städte und Gemeinden entsteht hierdurch aber keine unvertretbare Kontrolllücke, die wir einmal schließen wollten, weil - insofern die engen Voraussetzungen vorliegen - in der Regel das in § 34 des Saarländischen Datenschutzgesetzes geregelte und diesbezüglich restriktiv anzuwendende Hausrecht Rechtsgrundlage für die Videoaufzeichnungen auf kommunaler Ebene ist. Den Kommunen ist somit weiter gestattet, Videokameras aufzustellen, soweit sie in Wahrnehmung ihres Hausrechtes mit Hilfe dieser Kameras Menschen oder ihr Eigentum schützen. Es wird also weiterhin möglich sein, Gerichte, Polizeidienststellen und andere gefährdete Objekte durch Kameras zu sichern.
Der von den GRÜNEN vorgelegte Gesetzentwurf ist zu kurz gegriffen und übereilt, es ist Stückwerk. In einer umfassenden Reform des Saarländischen Polizeigesetzes soll genau geprüft werden, wo und in welcher Form Änderungen und Anpassungen vorzunehmen sind, so wie es der Koalitionsvertrag auch vorsieht. Gründlichkeit geht hier wie immer vor Schnelligkeit, deshalb lehnen wir den Gesetzentwurf zum heutigen Zeitpunkt ab. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir noch einen kurzen Einschub zu den Äußerungen von Herrn Pauluhn und Herrn Becker. Herr Pauluhn, wir haben sicher nichts dagegen, dass Sie in der Regierung eine Politik der ruhigen Hand vollziehen, im Gegenteil, aber es sollte nicht in eine Politik des Stillstands münden. Wir erleben es seit 100 Tagen: 100 Tage regiert, 100 Tage ist nichts passiert!
Ja, 100 Tage kein Skandal, aber auch keine Inhalte präsentiert. Wir wollen natürlich nicht einer sorgsamen Überprüfung mancher Dinge widersprechen, aber eine Koalition kann schneller vorbei sein, als man manchmal denkt. Deswegen sollten Sie nach
100 Tagen jetzt langsam in die Puschen kommen und unser Gesetz unterstützen! Sie haben sehr schnell gehandelt, als es darum ging, einen entsprechenden Antrag vorzulegen, darüber freuen wir uns auch.
Lassen Sie mich ganz konkret zu einem Punkt Stellung nehmen. Sie haben eben gesagt, dass durch die Änderungen beziehungsweise die Streichung in § 10 Abs. 2 der Formulierung „Speicherung in Dateien“ grundsätzlich der Verzicht auf Speicherung von Daten geregelt würde. Ich möchte den entsprechenden Redebeitrag von Herrn Becker erwähnen, der das 2007 bei der Begründung zur Gesetzesänderung genau anders herum formuliert hat. Ich zitiere wörtlich aus dem Protokoll, Herr Präsident, wenn Sie erlauben: „Zum anderen soll mit den Änderungen klargestellt werden, dass auch erkennungsdienstliche Unterlagen und Daten von Kindern, die als Intensivtäter ermittelt werden, unabhängig von dem Alter der Kinder gespeichert werden können.“ - Es wurde damals genau das gegenteilige Argument genutzt. Es war nicht von allgemeinen Tätern, sondern von Kindern die Rede. Deswegen können wir eine Änderung nur durch die Streichung der entsprechenden Passage erreichen. In diesem Sinne bitte ich um Unterstützung des Antrages. - Vielen Dank.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zu den Abstimmungen, zunächst über den Gesetzentwurf von der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion. Es ist vorgeschlagen, den Gesetzentwurf zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Inneres und Sport zu überweisen. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfes 15/88 - neu - unter gleichzeitiger Überweisung an den Ausschuss für Inneres und Sport ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Dann stelle ich fest, dass der Gesetzentwurf 15/88 - neu - in Erster Lesung mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt haben die Oppositionsfraktionen bei Ablehnung der Koalitionsfraktionen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Koalitionsfraktionen Drucksache 15/102. Wer für die Annahme dieses Antrages ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Dann stelle ich fest, dass der Antrag der Koalitionsfraktionen mit Stimmenmehrheit angenommen ist. Zugestimmt haben die Koalitionsfraktionen plus die Fraktion DIE LINKE. Dagegen gestimmt haben die PIRATEN bei Enthaltung der GRÜNEN.
Erste Lesung des von der Regierung eingebrachten Gesetzes zur Verbesserung der sektorenübergreifenden Versorgungssteuerung
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf der Landesregierung zur Schaffung eines gemeinsamen Landesgremiums zur Verbesserung der sektorenübergreifenden Abstimmung in Versorgungsfragen legt die Koalition bereits nach 100 Tagen einen wichtigen Punkt, der in den Koalitionsverträgen festgehalten ist, zur Verbesserung der Situation der Patientinnen und Patienten im Gesundheitswesen vor.
Wir machen Gebrauch von einer Regelung, die den Ländern seit Beginn dieses Jahres eingeräumt ist. Als Vorsitz-Land im Bereich der Gesundheitsministerkonferenz haben wir die Chance, als erstes Land mit dieser neuen Regelung zu starten. Es geht darum, dass wir eine Versorgung der Menschen in unserem Land aus einem Guss bekommen, wenn sie einen medizinischen Versorgungsbedarf haben. Es geht darum, dass von der Diagnose bis zur Nachbehandlung die Versorgung aufeinander abgestimmt ist.
Wie ist die Situation bisher? - Wir haben im ambulanten Bereich, also bei den Hausund den Fachärzten, vor Ort eine Versorgungssteuerung, die von der Selbstverwaltung durch die Leistungserbringer und die Krankenkassen erbracht wird. Die Kassenärztliche Vereinigung wird mit den Landesverbänden der Krankenkassen und der Ersatzkassen die Aufstellung der Bedarfspläne auf der Grundlage einer Bedarfsplanungsrichtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses vornehmen. Es war bislang ein unspektakuläres Geschäft, bei dem es aber keinerlei Gestaltungsspielraum auf der Landesebene gegeben hat. Das hat sich ein Stück weit geändert. Seit dem Beginn dieses Jahres haben die Länder die Möglichkeit, hier mitzuwirken.
Im stationären Bereich, also bei den Krankenhäusern, sind die Länder in der Verantwortung bei der Aufstellung der Krankenhauspläne. Es sind zwar die Kostenträger und die Krankenhäuser zu beteiligen, aber die letztliche Entscheidungskompetenz liegt bisher alleine beim Land. Das bedeutet, der ambulante und der stationäre Bereich werden von verschiedenen Akteuren nach eigenen Regeln mit unterschiedlichen Zielsetzungen beplant. Wir haben aber gesehen, dass wir in den letzten Jahren immer mehr Schnittstellen zwischen den Versorgungsberei
chen haben. Ich nenne nur wenige Beispiele: das Belegarztwesen, das ambulante Operieren, ambulante Behandlung durch Krankenhausärzte, die neue ambulante spezialfachärztliche Versorgung - bei der wir darum ringen, dass sie nicht nur eine absolute Ausnahme bleiben wird -, psychiatrische Institutsambulanzen, oder auch die Verträge zur integrierten sektorenübergreifenden Versorgung.
All das hat dazu geführt, dass im Juni der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen nachdrücklich in einem Sondergutachten gefordert hat, dass sektorenübergreifende Versorgungsfragen gemeinsam gelöst werden sollen, denn sonst besteht die Gefahr, dass Fehlplanungen und Verteilungskonflikte am Ende zur Verschwendung von Ressourcen führen, aber auch das ist natürlich das Entscheidende - zu einer suboptimalen Versorgung der Patienten. Deshalb muss die Versorgungssteuerung der Zukunft die Sektorengrenzen im Interesse der Versorgungsqualität für die Patientinnen und Patienten ein Stück weit überwinden.
Entscheidend zur Modernisierung dieser Versorgungssteuerung ist das gemeinsame Landesgremium, das wir nun errichten wollen, bei dem stimmberechtigt neben dem Land die Kassenärztliche Vereinigung, die Kostenträger, also die Krankenkassen, und die Landeskrankenhausgesellschaft dabei sein werden. Wir haben uns beim Stimmrecht an denjenigen orientiert, die im ambulanten und im stationären Bereich die Finanz- und vor allen Dingen die Umsetzungsverantwortung haben. Es ist aber wichtig, dass die weiteren Akteure im Gesundheitswesen in diesem Gremium die Möglichkeit haben, umfassend mit zu beraten, das heißt zum Beispiel die kommunale Seite, die Heilberufekammern, also die Ärztekammer, die Psychotherapeutenkammer und die Apothekerkammer, die Vertreter der Pflege und - ganz wichtig - die Patientenorganisationen.
Wir wollen neben den ständigen Vertretern der Patientenseite im Bedarfsfall auch Vertretern der Selbsthilfegruppen die Möglichkeit geben, ihre Anliegen einzubringen. Ein Beispiel: Wenn das Thema Rheumaversorgung ansteht, kann dann auch ein Vertreter der Rheuma-Liga an den Beratungen fallweise teilnehmen.
Es ist ein Gremium, das am Ende Empfehlungen abgeben kann, die rechtlich nicht bindend sein werden. Das Gremium ist in besonderer Weise auf die Erreichung eines breiten Konsenses angelegt. Deshalb haben wir vorgesehen, dass für diese Empfehlungen eine Dreiviertelmehrheit der stimmberechtigten Mitglieder erforderlich ist. Die Vorgespräche mit den Akteuren haben gezeigt, dass eine große Bereitschaft da ist, ein solches Gremium nicht nur zu installieren, sondern auch zu einem Erfolg zu führen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir bei der Bera
tung im Landtag die Grundlage dafür schaffen, dass dieses Gremium zu seinen ersten Sitzungen noch in diesem Jahr zusammenkommen kann.
Ich danke dem Herrn Minister und eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist vorgeschlagen, den Gesetzentwurf zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie zu überweisen. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfes Drucksache 15/86 unter gleichzeitiger Überweisung an den zuständigen Ausschuss ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ist jemand dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Dann stelle ich fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache 15/86 in Erster Lesung einstimmig, mit den Stimmen aller Abgeordneten, angenommen und an den zuständigen Ausschuss überwiesen ist.
Erste Lesung des von der CDU-Landtagsfraktion und der SPD-Landtagsfraktion eingebrachten Gesetzes über die Sicherung von Sozialstandards, Tariftreue und Mindestlöhnen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge im Saarland (Saarländisches Tariftreuegesetz - STTG) (Drucksache 15/96 - neu)
Erste Lesung des von der DIE LINKE-Landtagsfraktion eingebrachten Gesetzes betreffend: Saarländisches Mindestlohngesetz
Beschlussfassung über den von der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Alle Spielräume zur Durchsetzung eines gesetzlichen Mindestlohns ausnutzen - hilfsweise Landesmindestlohn einführen! (Drucksache 15/90)
Zur Begründung des Gesetzentwurfs der Koalitionsfraktionen Drucksache 15/96 - neu - erteile ich Herrn Abgeordneten Roth das Wort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich habe heute die Freude und Ehre, diesen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen von CDU und SPD einbringen zu dürfen. Ich möchte vorweg darauf hinweisen, dass die Drucksache 15/96 - neu - inhaltlich keine Veränderungen erfahren hat. Es geht vielmehr um Begründungen und