Protokoll der Sitzung vom 29.08.2012

dings bin ich etwas skeptisch, wenn ich lese, dass alle technischen Möglichkeiten ausgenutzt werden sollen. Das ginge mir deutlich zu weit.

Ich denke, wir sollten das Vorhaben in den Ausschuss überweisen und dort beraten, mit welchen Änderungen wir das Polizeigesetz überarbeiten, wie wir es zu einem modernen, den Bürgerrechten angepassten Polizeigesetz ausgestalten. In diesem Sinne bitte ich um Unterstützung für unseren Gesetzentwurf. - Vielen Dank.

(Beifall von der LINKEN und den PIRATEN.)

Zur Begründung des Antrages der Koalitionsfraktionen erteile ich dem Herrn Fraktionsvorsitzenden der SPD Stefan Pauluhn das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwischen der das Gesetz einbringenden Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Koalition gibt es zumindest bei zwei Punkten eine breite Übereinstimmung: Wir wollen übereinstimmend die Gesetzesnormierungen aus dem Jahr 2007 - zum einen die Möglichkeit der Bildaufzeichnung für Ortspolizeibehörden, Videoüberwachung genannt, zum anderen die Möglichkeit des automatisierten Abgleichs von Kennzeichendaten, als KennzeichenScan bezeichnet - wieder rückgängig machen, diese beiden Gesetzesnormierungen streichen. Die beiden genannten Eingriffsbefugnisse, eingeführt im Jahr 2007, müssen sich aus heutiger Sicht einer kritischen Überprüfung stellen; diesbezüglich sind sich alle hier im Hause vertretenen Fraktionen einig.

Denn dem Grundsatz der Gesetzeswahrheit und klarheit folgend sind neue Gesetzesnormen immer auch auf ihre Praktikabilität hin zu untersuchen. Einige der in den zurückliegenden Jahren neu eingeführten Eingriffsbefugnisse müssen sich aus heutiger Sicht daher kritischer Hinterfragung und kritischer Überprüfung stellen. Unter dem Grundsatz der Gesetzeswahrheit und -klarheit sind Gesetzesnormen immer auch auf ihre Praktikabilität hin zu untersuchen - das war schon im Koalitionsvertrag der Jamaika-Landesregierung so vereinbart, und es ist nun auch im Koalitionsvertrag der Großen Koalition so beschrieben.

Zurzeit laufen im Innenministerium die internen Vorbereitungen für eine Novellierung des Saarländischen Polizeigesetzes. Es ist vollkommen unstrittig, dass mit der anstehenden Novellierung auch diese beiden Punkte, auf die sich die neue Koalition verständigt hat, geregelt werden. Eile besteht indes nicht. Und, Kollegin Peter, die Eilbedürftigkeit wurde

(Abg. Dr. Peter (B 90/GRÜNE) )

ja auch von der alten Landesregierung nicht so wirklich gesehen; ich komme später noch darauf zurück.

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Peter (B 90/GRÜ- NE).)

Sie sagen, es seien ja nur zwei Jahre gewesen. Für Sie war das sicherlich zu kurz, für andere war es noch viel zu lang.

(Vereinzelt Beifall.)

Immerhin haben Sie es aber in diesen zwei Jahren nicht geschafft, diese ach so wichtige Regelung, die Sie nun in einer der ersten inhaltlichen Plenarsitzungen des Landtages in dieser Legislaturperiode als Oppositionsfraktion mit so viel Verve vertreten, umzusetzen.

Es besteht jedenfalls keine Notwendigkeit, das Ganze nun im Eilverfahren durchzubringen. Es gibt keinen Grund für Hektik. Denn die beiden Normierungen sind seit 2007 auch nicht ein einziges Mal zur Anwendung gekommen. Dies war allein schon deshalb nicht möglich, weil der Haushaltssouverän bis heute die für die technische Umsetzung erforderlichen Mittel nicht bereitgestellt hat beziehungsweise die Vorgängerregierungen aus den zur Verfügung stehenden Mittelansätzen die Anschaffung der Technik nicht vorgenommen haben. Also: Keine Technik - keine Anwendung - keine Not, kein Zeitdruck.

Gleichwohl war es den Koalitionsfraktionen wichtig, mit dem vorliegenden Antrag noch einmal die Intention der im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD vereinbarten Veränderungen zu unterstreichen. Das Anliegen ist in den beiden genannten Punkten nachvollziehbar, richtig, und es wird ja auch umgesetzt werden.

Etwas weniger Übereinstimmung oder zumindest noch keine gänzliche Übereinstimmung kann ich für die anderen im Gesetzentwurf der GRÜNEN formulierten Änderungsansätze feststellen. Die einbringende Fraktion hat im Laufe der letzten Tage - Frau Peter, Sie wiesen bereits darauf hin - ja selbst einen Erkenntnisgewinn erfahren. Man hat zumindest einen Fehler, einen, wie ich finde, gravierenden Fehler, der im ursprünglich eingebrachten Text enthalten war, korrigiert. Denn mit Ihrer ursprünglichen Absicht der Streichung des § 10 Abs. 2 wären Sie meilenweit über das von Ihnen erklärte Ziel hinausgeschossen. Wenngleich das mit Ihrer korrigierten Fassung nunmehr verändert wurde, möchte ich doch noch einmal darauf hinweisen, wozu es geführt hätte, wäre das umgesetzt worden, was Sie in Ihrem Gesetzentwurf ursprünglich gefordert haben, nämlich die gänzliche Streichung des § 10 Abs. 2: Man hätte das Gegenteil dessen erreicht, was man erreichen wollte. Es wäre nicht zu weniger Datenspeicherung gekommen, sondern sogar zu einem Auf

wuchs! § 10 Abs. 2 statuiert nämlich - ich sage nachher auch, warum ich dies ausführe - vor allem einen Zweckbindungsgrundsatz. Daten, die ausschließlich zur Identitätsfeststellung erhoben wurden, dürfen nur dann weiter aufbewahrt werden, wenn ihre weitere Aufbewahrung nach geltendem Recht auch zulässig ist. Die von Ihnen zunächst angestrebte Änderung ließe es dem Wortlaut nach zu, dass gerade diese enge Zweckbindung aufgegeben würde und die Daten dann den allgemein-polizeirechtlichen Datenverarbeitungsregelungen unterworfen wären. Es handelte sich daher nach Ansicht der zuständigen Fachabteilung im Innenministerium sogar um eine wesentliche Erweiterung der polizeilichen Speicherbefugnis, nicht um eine Verringerung, so wie Sie das im Gesetzentwurf gewünscht haben. Man kommt im Innenministerium zu dem Schluss, eine derartige Ausweitung stieße auf größte Bedenken. Im Ergebnis würde es sich dann wohl eher um eine unzulässige Vorratsdatenspeicherung handeln. Das will niemand.

Nun, diesen gravierenden Fehler in Ihrem ursprünglichen Text haben Sie korrigiert. Ich weise aber noch einmal darauf hin, weil ich deutlich machen möchte, dass ein solch komplexer Änderungsentwurf auch äußerst sorgsam abgewogen werden muss. Vielleicht geht es der einbringenden Fraktion lediglich darum, nun aus der Opposition heraus das aufzurufen, was man zur Regierungszeit nicht aufrufen konnte, wollte oder durfte. Für uns aber gilt, Kollegin Peter, der Grundsatz: Wir sehen uns die Dinge zunächst einmal sehr genau an, bevor wir mit gesetzestechnischen Schnellschüssen hier über das Ziel hinausschießen!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Solides Regieren ist auch hier die Devise. Ich weise mit Verlaub darauf hin: Auch Ihre neue Version der Änderungen in § 10 Abs. 2 bewirkt nicht allein das, was Sie in Ihrer Begründung angeben. Laut Ihrer aktuellen Begründung wollen Sie mit der Streichung des Ausdrucks „Speicherung in Dateien“ zukünftig verhindern, dass Identitätsmerkmale zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten von Schuldunfähigen, beispielsweise auch Kindern, weiter in Dateien gespeichert werden können. Das ist Ihre Motivation. Das aber regeln Sie mit diesem Änderungsvorschlag überhaupt nicht! Denn nach Ihrem aktuellen Entwurf würde dann der Gesetzestext wie folgt lauten: "Ist die Identität festgestellt, sind in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 die Unterlagen zu vernichten, es sei denn, ihre weitere Aufbewahrung ist nach Absatz 1 Nr. 2 oder anderen Rechtsvorschriften zulässig.“ Sie regeln alleine den Verzicht auf die Speicherung von Daten im Allgemeinen. Von einer Einschränkung auf bestimmte Personenkreise kann in keiner Weise die Rede sein, werte Kollegin.

(Abg. Pauluhn (SPD) )

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte damit deutlich machen, dass eine Novellierung des Polizeigesetzes, die - ich sage es noch mal - sowieso bevorsteht und seitens des Ministeriums bereits in Arbeit ist, auch wirklich sorgsam abgewogen werden muss, um Sicherheit und Freiheit gleichermaßen zu gewichten. Regierungshektik war gestern und vorgestern; die neue Koalition steht für solides Handeln. - Vielen Dank.

(Abg. Spaniol (DIE LINKE) : Politik der ruhigen Hand! - Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat für die Fraktion DIE LINKE Herr Prof. Dr. Heinz Bierbaum.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es besteht Übereinstimmung darin, dass die öffentliche Sicherheit ein hohes Gut ist und dass sie eine Angelegenheit aller Bürgerinnen und aller Bürger ist, dass Sicherheitspolitik bürgerrechtsorientiert sein muss und dass dies eben auch einschließt, dass Bürgerinnen und Bürger auch sicher sein müssen vor unberechtigten und unangemessenen Eingriffen der Polizei beziehungsweise des Staates.

Insofern begrüßen wir generell die Initiative für eine Gesetzesänderung seitens BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ebenso wie wir den Antrag der Koalitionsfraktionen unterstützen, wonach Regeln eingeführt werden sollen, dass auch polizeiliches Handeln unter bestimmte Regeln fallen und begrenzt werden muss. Es ist ja der Hinweis gegeben worden, dass dabei insbesondere die verfassungsrechtliche Entwicklung eine Rolle spielt. Die Koalitionsfraktionen haben in ihren Antrag hineingeschrieben, dass verfassungsrechtliche Weiterentwicklungen in den Entscheidungen mitberücksichtigt werden sollen und dass insbesondere auch Dinge gestrichen werden, die eine Übertreibung darstellen und die zu Missbrauch führen können, wie beispielsweise die automatisierte Abgleichung von KFZ-Daten. Das finden wir richtig.

Im Grunde genommen geht es nur darum, ob wir das jetzt direkt über einen Gesetzentwurf machen oder ob wir die angekündigte Novellierung abwarten. Ich glaube, über die einzelnen Punkte kann man reden. Da geht es um § 10, was vom Kollegen Pauluhn eben angesprochen worden ist; hier wird man sicherlich eine Formulierung finden, um den Missbrauch bei einer generellen Speicherung zu begrenzen.

Ich denke, es ist auch Konsens, dass der Richtervorbehalt bei Observationen mit berücksichtigt werden muss. Das sind alles Dinge, die in dem Gesetzentwurf angesprochen sind. Ich bin aber der Auffas

sung, dass wir es eben nicht nur bei der Ankündigung belassen sollten, dass dieses Polizeigesetz novelliert wird, sondern dass wir die heutige Initiative einer Gesetzesänderung aufgreifen sollten. All das, was Herr Pauluhn eben dargestellt hat, kann in den Ausschüssen mitberücksichtigt werden, das ist ohne Weiteres möglich. Deswegen, meine ich, wäre es sinnvoll, diese Gesetzesänderung, wie sie von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebracht worden ist, hier zu unterstützen und dann in den Ausschussberatungen all die Punkte aufzugreifen, die möglicherweise strittig sind oder einer weiteren Klärung bedürfen.

Ich glaube, es geht jetzt nicht darum, Regieren mit ruhiger oder unruhiger Hand gegeneinander auszuspielen, sondern es geht darum, gemeinsam etwas zu tun. Deswegen bin ich der Auffassung, dass wir den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstützen sollten, weil wir dann einen konkreten Weg aufzeigen, wie wir zu einer rechtsstaatlichen, guten Veränderung des Polizeigesetzes kommen. Die Fraktion DIE LINKE wird grundsätzlich auch dem Antrag der Koalition zustimmen, aber vor allen Dingen unterstützen wir den Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. - Vielen Dank.

(Beifall von der LINKEN und B 90/GRÜNE.)

Das Wort hat für die Fraktion DIE LINKE Herr Abgeordneter Andreas Augustin.

(Heiterkeit und Sprechen. - Abg. Spaniol (DIE LINKE) : So weit ist es noch nicht.)

Es gab ja in letzter Zeit einige Diskussionen über potenzielle Fraktionswechsel von Abgeordneten, aber ich bin immer noch in der PIRATEN-Fraktion, und das durchaus mit Überzeugung!

(Heiterkeit. - Beifall bei den PIRATEN.)

Ich möchte zu dem Thema deshalb auch zunächst einmal die Sicht der PIRATEN-Fraktion darlegen und danach auf die zwei Anträge eingehen. Es ist durchaus ein Thema, das von den PIRATEN bundesweit schon lanciert wurde und das uns auch bundespolitisch dahingehend vorangebracht hat, dass unsere Mitgliederzahlen aufgrund solcher Themen regelrecht explodiert sind. Zur Kennzeichenerfassung auf Vorrat: Wir sind generell gegen Vorratsdatenspeicherung. Ich möchte deshalb drei Dinge abgrenzen, um klar zu machen, wo die Grenze liegt. So etwas wie ein „Blitzer“, der jemanden auf frischer Tat ertappt, ist natürlich in Ordnung. Eine Kennzeichenerfassung, die das Kennzeichen danach mit einer Fahndungs-Datenbank abgleicht, ist in Ordnung, solange es dann nicht gespeichert wird.

(Abg. Pauluhn (SPD) )

(Abg. Pauluhn (SPD) : Genau das war es bis jetzt. - Abg. Meiser (CDU): Mehr war es nicht. Es wird nicht gespeichert.)

Wogegen wir uns wehren, ist Vorratsdatenspeicherung, und das vor allem dann, wenn man danach Bewegungsprofile erstellen kann.

(Abg. Pauluhn (SPD) : Es gab keine Vorratsdatenspeicherung. - Abg. Meiser (CDU): Die gibt es nicht.)

Ein sehr schönes Beispiel für das, was ich meine, ist auch vermutlich der Grund, weshalb der Antrag von der GRÜNEN-Fraktion eingebracht wurde. Sehen Sie sich mal das Bewegungsprofil von Malte Spitz, MdB GRÜNE, an. Da kann man wunderbar nachvollziehen, warum wir gegen eine solche Vorratsdatenspeicherung sind.

Herr Kollege Augustin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Meiser?

Abg. Meiser (CDU) mit einer Zwischenfrage: Herr Kollege, sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen, dass es diese Vorratsdatenspeicherung aufgrund der noch bestehenden Rechtslage nicht gibt und nicht gab? Ich finde es auch interessant, dass Sie offensichtlich weiterhin für die automatisierte Kennzeichenerfassung sind. - Vielen Dank.

Herr Kollege Meiser, ich habe zu Beginn schon gesagt, ich möchte zuerst die allgemeine Sicht formulieren, bevor ich auf die konkreten Anträge eingehe. In diesem Sinn bitte ich Sie, dies zur Kenntnis zu nehmen.

Ich komme zurück zum Thema Kameraüberwachung. Dazu wurde von den Kollegen schon alles gesagt, ich muss nichts mehr hinzufügen. Das ist eine trügerische Sicherheit, kein Ersatz für echte Polizisten, und ist damit für mich erledigt.

Ich finde es darüber hinaus sehr positiv, dass der Begriff der längerfristigen Observation endlich explizit definiert und geregelt wird.

Der Richtervorbehalt ist auch etwas, was die Piraten gestärkt sehen wollen. Ich muss dazu sagen, es ist kein landespolitisches Ding, vor allem auf Bundesebene gab es in den letzten Jahren immer wieder Versuche, den Richtervorbehalt zu schwächen, zu untergraben oder gänzlich auszuhebeln, dass die Exekutive Rechte erhält, mit denen sie ohne Richtervorbehalt vorgehen kann. Das finden wir nicht in Ordnung, insofern finde ich es gut, dass im Antrag der Richtervorbehalt explizit drin ist.

Nachdem dies alles gesagt wurde, komme ich zu den beiden Anträgen. Ich bin mit dem Antrag der GRÜNEN voll und ganz einverstanden. Mit dem Antrag der Koalition kann ich zur Not leben, aber ich sehe keinen Bedarf, dem Antrag zuzustimmen, wenn es einen besseren Antrag gibt. In diesem Sinne plädiere ich dafür, dem Antrag der GRÜNEN zuzustimmen und den Antrag der Koalition abzulehnen. - Danke schön.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat für die CDU-Fraktion Herr Kollege Günter Becker.

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Augustin, es liegt kein Antrag der GRÜNEN vor, es ist ein Gesetz, das hier eingebracht wurde, und die Koalition hat einen Antrag eingebracht. Ich bitte, das zu unterscheiden. Nach so vielen Wochen, die Sie im Parlament sind, müssten Sie den Unterschied zwischen einem Antrag und einem Gesetz erkennen können.