Protokoll der Sitzung vom 16.10.2012

Durch die Veröffentlichung von Verträgen sind diese einer präventiven Kontrolle der Bürgerinnen und Bürger unterworfen. Das schafft nicht nur Vertrauen, das schafft auch Möglichkeiten der Teilhabe bis hin zu einer indirekten Gestaltungsmöglichkeit. An der Offenlegung der Verträge zwischen Staat und Unternehmen besteht ein hohes Interesse der Bevölkerung, dem wir als Parlament verpflichtet sind. Es ist notwendig, umfassend Transparenz zu schaffen, da der Umfang des Outsourcings von verschiedenen Aufgaben in der Verwaltung ständig zunimmt und auch vermehrt zentrale Felder der staatlichen Daseinsvorsorge umfasst werden.

Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, vollständig und umfassend über die Verwendung öffentlicher Gelder für bestimmte Leistungen informiert zu werden. Das dient der Haushaltstransparenz und verhindert Korruption. Die Einrichtung eines öffentlichen Informationsregisters bietet eine neue Qualität der Informationsverbreitung und entspricht sicherlich den Ansprüchen der Bevölkerung an eine innovative Informationstechnologie. Auch das wird ein probates Mittel sein zu einer qualifizierten demokratischen Teilhabe. Das wird für uns in der saarländischen Gesetzgebung ebenfalls eine ganz wichtige Rolle spielen. - So weit, so gut. Das können wir alle sicherlich mittragen.

Lassen Sie uns aber im Lobgesang auf den hamburgischen Gesetzgeber, wie er im Antrag der LINKEN gesungen wird, nicht unsere saarländischen Bürgerinnen und Bürger und auch nicht die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verwaltungen, den Landesbetrieben, den öffentlichen Anstalten, dem Rundfunk und so weiter vergessen, die eine sehr gute Arbeit leisten, die sich als Dienstleister verstehen und sich ständig bemühen, den vielfältigen Interessen gerecht zu werden. So ist einer Pressemitteilung wie auch dem Vortrag von Herrn Linsler zu entnehmen, dass Hamburg einen großen Schritt vom Amtsgeheimnis zur transparenten Verwaltung macht. An dieser Stelle muss aber deutlich gesagt werden: Das Amtsgeheimnis ist doch kein Übel. Es ist ein wichtiger Schutz für unsere Bürgerinnen und Bürger im Umgang mit der öffentlichen Verwaltung und eine unabdingbare Grundlage in Angelegenheiten, die in die Privat- und Intimsphäre eingreifen und Persönlichkeitsrechte betreffen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Das Amtsgeheimnis ist auch eine wichtige Grundlage der weiteren vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen den Bürgern und der Verwaltung. Dieser Schutz genießt Priorität. Meine Damen und Herren, es geht doch nicht immer und ausschließlich um Elbphilharmonien, es geht doch auch um ganz alltägliche Dinge in den Verwaltungen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Es gibt auch sicherlich viele Bereiche, in denen Persönlichkeitsrechte oder sonst schützenswürdige Interessen nicht tangiert werden. Überall dort ist vollständige Transparenz absolut erforderlich. Im Saarland gibt es aber bereits vielfältige Möglichkeiten, Einsicht in Verwaltungsakten zu nehmen und Zugang zu Informationen öffentlicher Stellen zu erhalten. So werden umweltrelevante Informationen, Gerichtsentscheidungen, Parlamentsdokumente und vieles mehr frei zugänglich ins Netz gestellt.

Leider ist die Grundlage hierfür auf eine Vielzahl von Einzelvorschriften verteilt, wie zum Beispiel das Informationsfreiheitsgesetz, das Umweltinformationsgesetz, das Verbraucherinformationsgesetz. Wir haben sogar ein Saarländisches Geodateninfrastrukturgesetz, mit dem wir eine Grundlage geschaffen haben, Geodaten auf europäischer Ebene zu standardisieren. Das ist ja durch das Hamburger Transparenzgesetz möglich geworden, das haben wir hier schon. Das alles zusammen genügt sicher noch nicht dem Anspruch an Transparenz, da besteht ein ganz erheblicher Verbesserungsbedarf. Aber im Saarland braucht das Rad doch nicht neu erfunden zu werden. Diese Einzelvorschriften müssen überarbeitet und in einem Gesetz gebündelt werden mit dem Ziel, ein Höchstmaß an Transparenz und Bürgerfreundlichkeit zu erreichen.

(Abg. Berg (SPD) )

Das übersieht der hier vorliegende Antrag meiner Meinung nach völlig. Die Anlehnung an Hamburg, so wie Sie dies in Ihrem Antrag fordern, meine Damen und Herren von der Linksfraktion, geht auch aus folgendem Grund an den saarländischen Interessen vorbei. Bislang sind nämlich nicht die Regelungen in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt, die jetzt die Ausnahmen von der Informationsfreiheit einschränken und die Regelungen zum Datenschutz und zum Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verändern. Das ist eine gute, aber sehr folgenreiche Ausweitung des freien Informationszugangs. Es hat hier ein Paradigmenwechsel stattgefunden, der den saarländischen Gesetzgeber verpflichten wird, den Schutz aller beteiligten Interessen auszuloten und mit Augenmaß umzusetzen.

Sicher ist doch, meine Damen und Herren, dass Transparenz nur dort Vertrauen in staatliches Handeln schafft und der Politikverdrossenheit entgegenwirken kann, wo auch die Grenzen dieser Transparenz eingehalten werden.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Die Grenzen der Transparenz finden sich in den informationellen Selbstbestimmungsrechten der Bürgerinnen und Bürger. Vertrauen schaffen, aber auch Vertrauen erhalten, das ist ganz wichtig auf dem Weg zu mehr Transparenz. Dieser Antrag, der dem Parlament vorliegt, bietet inhaltlich keine ausreichende Grundlage, mehr Transparenz zu schaffen und gleichzeitig den Schutz wichtiger, grundgesetzlich geschützter Grundrechte zu wahren.

Herr Lafontaine, der leider nicht mehr da ist, hat in seinem Redebeitrag zu diesem Thema in der 11. Sitzung der 14. Wahlperiode vom 16.06.2010 gesagt - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin -: „Machen Sie ruhig ein Transparenzgesetz, aber es wird überhaupt nichts nutzen. (...) Es sind Machtfragen, die beantwortet werden müssen.“

Meine Damen und Herren von der LINKEN, Wissen ist Macht, Informationen sind Macht, und mit Informationen und Wissen werden wir unseren Bürgerinnen und Bürgern ein Instrument der Macht vertrauensvoll anhand geben, aber basierend auf rechtlichen Grundlagen, die durchdacht sind und auch den individuellen Schutz unserer Saarländerinnen und Saarländer beinhalten, unter Einbeziehung einer datenschutzrechtlichen Kontrolle. Das bietet Ihr Antrag sicherlich nicht. Deshalb werden wir ihn ablehnen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. - Das Wort hat nun der Vorsitzende der PIRATEN-Fraktion Michael Hilberer.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie können sich natürlich vorstellen, dass wir die Forderung nach einem Transparenzgesetz mit Freude aufgenommen haben. Schließlich ist Transparenz im Staatswesen eine unserer Kernforderungen, eben mit der angesprochenen Idee im Hintergrund, verlorenes Vertrauen wiederherzustellen. Da sind wir uns alle einig, da besteht Konsens. Die Frage ist, wie man das ausgestaltet.

Es war nur relativ wenig Zeit, sich in die Thematik einzuarbeiten; wir haben erst diese Woche von diesem Antrag erfahren. Ich persönlich beschäftige mich schon etwas länger mit dem Hamburger Transparenzgesetz und muss mit ein paar Vorurteilen aufräumen, die hier genannt wurden, denn es ist ein sehr gutes Transparenzgesetz. Das Transparenzgesetz in Hamburg wurde von einer breiten Mehrheit von Bürgern erarbeitet, mit Verfassungsrechtlern überarbeitet und in einer breiten Koalition aller Fraktionen in der Bürgerschaft beschlossen, eben auch mit Augenmaß beschlossen.

Das Hamburger Transparenzgesetz hat zwei Fassetten. Auf der einen Seite ist es das Vertragsregister als ein Informationsregister im Internet, in dem Verträge öffentlich gemacht werden müssen. Das ist genau der Punkt, bei dem es darum geht, Vertrauen zurückzugewinnen. In Hamburg war der Anstoß ohne Frage das Fiasko um die Elbphilharmonie. Aber auch im Saarland gibt es Projekte, mit denen wir Vertrauen verspielt haben. Von daher haben auch wir hier eine Möglichkeit, Vertrauen zurückzugewinnen, und da muss man eben einen Schritt in diese Richtung machen und nicht mit einer Burg-Mentalität hinter die Mauer zurückgehen und sagen: Aber bitte nicht zu transparent!

Im Gegensatz zu den bestehenden Informationsfreiheitsgesetzen ist das Wichtige hier die Bringschuld. Das heißt, ich muss die Daten in dieses Informationsregister bringen. Jetzt kommen wir zu einem ganz wichtigen Teil - und da möchte ich Ihnen widersprechen -, das Hamburger Transparenzgesetz kümmert sich genau um dieses Spannungsfeld Transparenz und Vertraulichkeit. Es definiert nämlich im Gegensatz zu den Informationsfreiheitsgesetzen die schützenswerten Daten relativ klar. Es setzt auch feste Kriterien für den Datenschutz fest. Genau darüber habe ich die Möglichkeit, diese Information zu veröffentlichen.

Das ist nicht einfach für die Verwaltung. Das ist momentan bei der Einführung auch noch ein sehr schwieriger Punkt, der sehr ausführlich diskutiert werden muss: Wie muss ich Verträge gestalten, um sie dann auch öffentlich machen zu können? Aber ich habe jetzt Richtlinien, an denen ich mich orientieren kann. Ich kann mich als öffentliche Verwaltung auch nicht mehr auf den Standpunkt zurückziehen,

(Abg. Berg (SPD) )

ich kann das nicht veröffentlichen, weil es sich um vertrauliche Daten handelt.

Ein weiterer wichtiger Punkt, den wir nur am Rande angesprochen haben, ist in diesem Hamburger Transparenzgesetz der Bereich Open Data. Das heißt, wie bei den Katasterdaten kurz angesprochen, der Staat stellt die Datenbasis, die er hat, zur Verfügung. Er macht staatlich erzeugte Daten strukturiert und maschinenlesbar verfügbar. Das ist wirklich eine sehr interessante Geschichte. Die kommt aus Amerika, wird dort seit einigen Jahren auf Kommunalebene gemacht und findet zunehmend Anhänger. Da hat man erkannt, dass Daten ein neuer Rohstoff sind. Daten sind der Rohstoff der Wissensgesellschaft. Und sie sind - verzeihen Sie mir die PIRATEN-Metapher - tatsächlich ein Schatz, den es an der Stelle zu heben gilt.

(Heiterkeit und Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN.)

Es ist tatsächlich so, dass ich von diesem Schatz nichts habe, wenn ich ihn schütze. Das ist so, wie wenn ich sage: Ich möchte mein Erdöl behalten und fördere es deshalb nicht an die Oberfläche. Es handelt sich um einen Schatz, der zur Verfügung gestellt werden muss. Wir reden also von den Datenschätzen, wir reden nicht von den Verträgen.

(Zuruf des Abgeordneten Waluga (SPD).)

Das Hamburger Transparenzgesetz ist ein sehr komplexes Thema. In Hamburg wurde es sehr schnell beschlossen, aber durchaus nach einer sehr breiten gesellschaftlichen Debatte. Etwas Ähnliches würde ich mir für das Saarland auch wünschen. Ich muss auch ganz ehrlich sagen, unser Plan war, im ersten Quartal 2013 mit den relevanten gesellschaftlichen Gruppen die Diskussion zu suchen, um zu sehen, wo der Bedarf im Saarland ist, mehr Transparenz herzustellen, auch unsere eigene Definition zu finden.

(Weiterer Zuruf des Abgeordneten Waluga (SPD).)

Das zu schaffen, was eine außerparlamentarische Initiative in Hamburg geschafft hat, schaffen wir zusammen im Saarland auch, wenn wir es alle wollen, keine Frage. Es geht hier aber um die Sache, nicht darum, dass ich es gerne im ersten Quartal gehabt hätte. Es ist jetzt auf der Tagesordnung durch einen Antrag der LINKEN. Von daher bin ich auch total schmerzfrei und sage: Gerne darf die Landesregierung federführend die gesellschaftliche Debatte übernehmen. Wir können diesem Antrag zustimmen. Die Landesregierung kann die Debatte anstoßen. Wir sehen uns dann trotzdem genötigt, uns einzubringen; da sehe ich kein Problem.

Wichtig ist aber: Wir müssen die Chance nutzen, wir müssen das Vertrauen in staatliches Handeln zu

rückgewinnen, und wir sollten den Schatz, der in Open Data liegt, heben. Deshalb empfehle ich Ihnen, dem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN.)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - Das Wort hat nun Dr. Simone Peter von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stimmen dem Antrag auf ein weitreichendes Saarländisches Transparenzgesetz zu, wie ihn die LINKEN einbringen, um die demokratische Meinungs- und Willensbildung sowie die Kontrolle staatlichen Handelns zu fördern. Wir fordern mit den LINKEN zusammen die Landesregierung auf, zeitnah in Anlehnung an das Hamburgische Transparenzgesetz vom Juni 2012, den Entwurf eines Saarländischen Transparenzgesetzes vorzulegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, finanzieren sich Unternehmen der öffentlichen Hand aus öffentlichen Mitteln oder trägt die öffentliche Hand das Risiko unternehmerischen Handelns, kommt dem Informationsanspruch der Allgemeinheit ein besonderer Stellenwert zu. Die Bürgerinnen und Bürger haben definitiv einen berechtigten Anspruch darauf zu erfahren, wofür die öffentlichen Gelder eingesetzt werden. Dies gilt insbesondere auch für die Personalkosten in öffentlichen Unternehmen. Deswegen geht meinem Eindruck nach auch die Debatte, die von Herrn Bouillon angestoßen wurde, in die richtige Richtung. Es geht darum, Transparenz bei den Kosten in öffentlichen Unternehmen herzustellen. Derzeit besteht gerade hier im Saarland für Unternehmen mit öffentlich-rechtlicher Organisationsform sowie öffentlichen Unternehmen in privatrechtlichen Organisationsformen keine Verpflichtung, die Bezüge der Mitglieder ihrer Leitungsebene auszuweisen. Mit der Schaffung eines entsprechenden Transparenzgesetzes kann dem legitimen Informationsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger entsprochen werden. Die öffentliche Transparenz wird auch einer verantwortungsund leistungsbezogenen Entlohnung in öffentlichen Unternehmen förderlich sein. Auch das sollte ein Aspekt sein, den wir hier berücksichtigen sollten.

Mit ihrem einstimmigen Beschluss für ein Transparenzgesetz hat die Hamburgische Bürgerschaft die Tür zu einer Weiterentwicklung des Informationsfreiheitsrechts in Deutschland aufgestoßen. In Berlin wird derzeit von verschiedenen Parteien diskutiert, ein entsprechendes Transparenzgesetz vorzulegen. Das Hamburger Gesetz geht in mehrfacher Hinsicht über die bisherigen Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und der Länder hinaus. Das Saarländische

(Abg. Hilberer (PIRATEN) )

Informationsfreiheitsgesetz ist an das Bundesgesetz angelehnt. Neben dem Individualrecht auf Zugang zu behördlichen Informationen tritt die Pflicht öffentlicher Stellen, umfassende Informationen über ihr Handeln aktiv der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Die Informationen sollen in elektronischer Form in einem öffentlichen Informationsregister zusammengefasst und erschließbar werden. Der Zugang zum Informationsregister ist kostenlos und anonym. Bemerkenswert ist auch, wie das Gesetz in Hamburg zustande kam. Die Initiatorin des Vorhabens war eine Volksinitiative für mehr Transparenz, die in der Hamburger Öffentlichkeit eine breite Unterstützung erlangen konnte. Angesichts des großen Rückhalts erschien es wahrscheinlich, dass ein entsprechender Volksentscheid erfolgreich verlaufen würde. Vor diesem Hintergrund entschlossen sich auch diejenigen Parteien, die der Initiative zunächst kritisch gegenüberstanden, dem Anliegen der Volksinitiative im Wesentlichen Rechnung zu tragen.

Ich denke, das Resultat kann sich sehen lassen. Ich sehe auch nicht, inwieweit Sie mit einer Zusammenfassung der bestehenden vorliegenden Gesetze wie Sie das, Frau Berg, eben angesprochen hatten ein Transparenzgesetz in diesem Sinne hinbekommen können, denn allein das Zusammenschließen dieser vielen Einzelgesetze, die der Öffentlichkeit so gar nicht bekannt sind, ist in meinen Augen ein Hemmschuh für eine entsprechende Transparenz und die öffentliche Wahrnehmung. Ob das wirklich ein Widerspruch zum Amtsgeheimnis sein muss, das sehe ich auch infrage gestellt. Ich glaube, wir haben viel Nachholbedarf, was die Veröffentlichung von Informationen gerade bezüglich der Gehälter in öffentlichen Unternehmen angeht. Wir sollten hier Transparenz schaffen und in diesem Sinne plädiere ich auch dafür, dem Antrag der LINKEN zuzustimmen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme des Antrags Drucksache 15/175 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 15/175 mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Dagegen gestimmt haben die Koalitionsfraktionen, zugestimmt haben die Oppositionsfraktionen.

Wir kommen zu Punkt 15 der Tagesordnung:

Beschlussfassung über den von der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion und der PIRATEN-Landtagsfraktion eingebrachten

Antrag betreffend: Betreuungsgeld stoppen! (Drucksache 15/179 - neu)

Zur Begründung erteile ich Frau Abgeordnete Dr. Simone Peter das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte um das umstrittene Betreuungsgeld hält an und hält an und hält an. Die Befragung von Experten im Familienausschuss des Bundestages vor wenigen Wochen hat gezeigt, dass es eher mehr Zweifel statt Klarheit über dieses Vorhaben der Bundesregierung gibt. Die Anhörung hat unsere Einwände gegen das Betreuungsgeld in Bezug auf Fehlanreize und verfassungsrechtliche Zweifel bestätigt. Deutlich wurde eine ganz praktische Hürde. Keine Kommune kann Eltern eine umfassende Nichtinanspruchnahme eines öffentlichen Kita-Platzes bescheinigen. Damit wäre einem Missbrauch des Betreuungsgeldes Tür und Tor geöffnet. Auch die diskutierten Kompromissvarianten zwischen FDP und CDU - man weiß ja nicht, in welche Richtung es sich am Ende entwickeln wird - machen das Betreuungsgeld nicht zu einem sinnvollen Instrument. Die Verknüpfung mit Vorsorgeuntersuchungen wird so gut wie nichts bringen. In dieser Altersklasse nehmen ohnehin schon fast 100 Prozent der Kinder an den Untersuchungen teil.

Diese Kompromissdebatte wird offenbar weitergeführt, denn eigentlich sollte dieses Gesetz beziehungsweise das Vorhaben diese Woche im Bundestag landen. Es ist wieder verschoben worden. Die FDP sucht nach einer Rechtfertigung für ihre Zustimmung und die CSU muss ihre Klientel vor der Landtagswahl noch bedienen. Von daher ist es wahrscheinlich schwierig, diese beiden Interessen unter einen Hut zu bekommen. Geplant ist, dass vom 01. Januar 2013 an für Eltern, die ihre Kinder nicht in einer staatlichen Betreuung unterbringen, ein monatlicher Betrag zur Verfügung steht. Ab dem 01.01.2013 sollen dies zunächst 100 Euro monatlich für Kinder im zweiten Lebensjahr sein, ab 2014 dann 150 Euro monatlich für Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir lehnen diese Herdprämie klar ab. Das Betreuungsgeld ist nicht nur aus familien- und frauenpolitischer Sicht eine Katastrophe, sondern auch aus sozial-, integrations-, bildungs- und arbeitsmarktpolitischer Sicht. Es schafft insbesondere für bildungsferne und einkommensschwache Familien einen Anreiz, ihren Kindern frühkindliche Bildung vorzuenthalten. Soziale Benachteiligungen werden verfestigt, das Potenzial dieser Kinder bleibt ungenutzt. Und für junge Mütter setzt es den Anreiz, nicht beziehungsweise später in den Beruf zurückzukehren. Wir hatten gerade beim letzten Mal eine Debatte über Altersarmut, die vor

(Abg. Dr. Peter (B 90/GRÜNE) )