Protokoll der Sitzung vom 04.12.2019

Deshalb kann es für beide Seiten nur ein Gewinn sein, wenn es gelingt, jungen Menschen eine Tür zum grenzüberschreitenden Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu öffnen und Betriebe und Jugendliche von diesseits und jenseits der Grenze zusammenzubringen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Heutzutage nimmt man die Grenze zwischen Deutschland und Frankreich im alltäglichen Leben kaum noch wahr. Aber eine Ausbildung im Nachbarland? Das stellt für viele Jugendliche auch heute noch eine große Hürde dar! Aber warum ist das so? Neben Fragen der Sprachkompetenz und der Mobilität liegt das vor allem daran, dass die Ausbildungssysteme in Deutschland und Frankreich nicht identisch sind. In Deutschland hat das System der dualen Ausbildung mit den Lernorten Betrieb und Berufsschule einen besonderen Stellenwert. In Frankreich hingegen findet berufliche Bildung überwiegend schulisch statt.

Trotz dieser Unterschiede bietet gerade der Bereich der beruflichen Bildung vielfältige Chancen - etwa durch Praxisphasen und Ausbildungsabschnitte im Nachbarland -, die Arbeitswelt des Nachbarn kennenzulernen sowie sprachliche und interkulturelle Kompetenzen zu vertiefen. Und genau das sind die Kompetenzen, die gerade in unserer Grenzregion von besonderer Bedeutung sind! Deshalb ist es im Sinne der Jugendlichen, aber auch im Interesse unserer Unternehmen, die bestehenden Hürden abzubauen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Vor diesem Hintergrund hat die Landesregierung in den letzten Jahren einige Initiativen auf den Weg ge

(Abg. Herrmann (CDU) )

bracht. Ich will hier exemplarisch drei Beispiele nennen. Erstens die „Fachstelle für grenzüberschreitende Ausbildung“. Sie wurde im Jahr 2013 bei dem Bildungsträger „VAUS“ in Dillingen ins Leben gerufen. Das Angebot richtete sich zunächst schwerpunktmäßig an lothringische Lycée-Schülerinnen und -Schüler im grenznahen Bereich, die einen Teil ihrer vorgeschriebenen Praxisphasen in einem saarländischen Betrieb absolvieren wollten und an saarländische Auszubildende, die einen Teil ihrer Berufsausbildung in einem französischen Betrieb verbringen wollten. Sie wurden und werden während des gesamten Prozesses von der Fachstelle unterstützt und begleitet.

Im Zeitraum 2013 bis Mitte 2016 konnten so rund 200 Praktika und Ausbildungsabschnitte im Nachbarland durchgeführt werden. Aufgrund der positiven Erfahrungen wurde das Projekt räumlich auf ganz Lothringen und die Westpfalz sowie auf die Zielgruppe der saarländischen Fachoberschüler ausgeweitet und wird seitdem über das INTERREG V A-Programm gefördert. Zahlreiche Partner aus der Großregion sind daran beteiligt.

Im August wurde uns im Wirtschaftsausschuss berichtet, dass seit Mitte 2016 244 Ausbildungsabschnitte und Praktika grenzüberschreitend vermittelt werden konnten. Ich denke, das ist ein schöner Erfolg!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Daneben wurde eine Reihe von Informationsveranstaltungen, grenzüberschreitenden Betriebsbesichtigungen und interkulturellen Seminaren organisiert.

Zweitens. Das Abkommen über die grenzüberschreitende Berufsausbildung Saarland - Lothringen. Es wurde 2014 nach dem Vorbild der Oberrheinkonferenz unterzeichnet. Dieses ermöglicht es saarländischen und lothringischen Jugendlichen, den kompletten theoretischen Teil ihrer Ausbildung in ihrem jeweiligen Heimatland und den kompletten praktischen Teil in einem Betrieb des jeweiligen Nachbarlandes zu absolvieren. Bisher konnten knapp 70 grenzüberschreitende Ausbildungsverträge abgeschlossen werden, davon 22 im Jahr 2019. Seit 2017 wird dieses Modell durch die beiden Ausbildungsvermittler für grenzüberschreitende Ausbildung der Agentur für Arbeit Saarland flankiert. Sie werden durch die Region Grand Est kofinanziert und informieren und beraten sowohl die Jugendlichen als auch die Schulen gezielt über diese Ausbildungsmöglichkeit und vermitteln die entsprechenden Ausbildungsstellen.

Drittens, die deutsch-französischen Berufsschulzweige. Zum Schuljahr 2015/2016 startete am BBZ

St. Ingbert der deutsch-französische Berufsschulzweig „Automobil“. Weitere folgten in den Bereichen „Tourismus“, „Hotellerie und Gastronomie“ sowie „Bauwesen, Energie und Informationssysteme“ an verschiedenen Standorten im Saarland. Wesentliche Elemente dieser Kooperationen sind der verstärkte Fachunterricht in der jeweiligen Partnersprache sowie die verstärkten Austausche mit Fachpraktika.

Hervorzuheben ist auch das Engagement der Wirtschaft, was die grenzüberschreitende Ausbildung angeht. Insbesondere die Industrie- und Handelskammer des Saarlandes und die Handwerkskammer des Saarlandes sind in diesem Bereich sehr aktiv und beraten und unterstützen junge Menschen bei der grenzüberschreitenden Mobilität. Außerdem sind sie ja bekanntlich Partner beziehungsweise Unterstützer der vorgenannten Maßnahmen.

Besonders erwähnt sei an dieser Stelle auch die Mobilitätsberatung der IHK Saarland, die Teil der bundesweiten Initiative „Berufsbildung ohne Grenzen“ ist und die vom BMWi und dem saarländischen Europaministerium kofinanziert wird. Die Mobilitätsberaterin berät und unterstützt sowohl Auszubildende als auch Betriebe bei der Realisierung von Auslandsaufenthalten.

(Präsident Toscani übernimmt den Vorsitz.)

Ich glaube, als Saarländer können wir ganz besonders stolz darauf sein, dass die deutsch-französische Agentur für den Austausch in der beruflichen Bildung, ProTandem - vormals Deutsch-Französisches Sekretariat für den Austausch in der beruflichen Bildung - ihren Sitz in Saarbrücken hat. Seit 1980 organisiert und fördert die Agentur Austausche - hier insbesondere Gruppenaustausche von Jugendlichen während der Ausbildung - sowie von Erwachsenen in der beruflichen Bildung. Jährlich nehmen rund 3.000 Personen teil.

Ich glaube, es besteht Einigkeit darüber, dass sich alle diese Maßnahmen sinnvoll ergänzen und von daher zu begrüßen sind. Durch sie konnten jungen Menschen in den letzten Jahren mehr Möglichkeiten zur grenzüberschreitenden Ausbildung sowie zur Absolvierung von grenzüberschreitenden Ausbildungsabschnitten und Praktika eröffnet werden.

Daneben gibt es noch eine Reihe weiterer Projekte und Institutionen, die sich um die grenzüberschreitende Mobilität verdient machen, wie beispielsweise das Deutsch-Französische Jugendwerk, die EURES-T-Berater oder die Task Force Grenzgänger der Großregion, deren Aufgabe die Erarbeitung von juristischen und administrativen Lösungsvorschlägen für Grenzgängerhemmnisse ist und die bereits

(Abg. Herrmann (CDU) )

ihre Expertise auch im Bereich der grenzüberschreitenden Ausbildung eingebracht hat.

Es ist dringend geboten, dass die Zielsetzungen, die der Aachener Vertrag im Bereich der Bildung und der Mobilität aufgreift, weiterhin aktiv unterstützt werden. Ein guter Ansatz wäre, diese Themen in den neu einzurichtenden Ausschuss für grenzüberschreitende Zusammenarbeit einzubringen und sie dort mit den relevanten Akteuren zu beraten. Dabei wird es insbesondere darauf ankommen, den für die prioritären Maßnahmen des Aachener Vertrages angekündigten Ausbau der Mobilitätsprogramme für Praktikanten und Auszubildende intensiv zu begleiten und Beteiligungsmöglichkeiten insbesondere für Teilnehmerinnen und Teilnehmer der saarländischen Grenzregionen auszuloten und zu nutzen.

Was gibt es noch zu tun? Zukünftig sollten noch mehr junge Menschen von den Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Ausbildung Gebrauch machen und davon profitieren. Leider ist diese Möglichkeit nicht allen Unternehmen und jungen Menschen bekannt. Daher müssen die Chancen, die das „Abkommen über die grenzüberschreitende Berufsausbildung Saarland - Lothringen“ bietet, noch stärker kommuniziert und beworben werden. Von daher bin ich sehr froh, dass die Landesregierung auf ihrer Klausurtagung am Wochenende beschlossen hat, die grenzüberschreitende Berufsausbildung gemeinsam mit den Unternehmen offensiv zu bewerben.

(Beifall von der CDU.)

Aber wir dürfen uns nicht mit dem Erreichten zufriedengeben. Es ist zu prüfen, wie die Anerkennung bei der grenzüberschreitenden Ausbildung weiter verbessert werden kann und am Ende der Ausbildung jeweils integrierte gemeinsame Ausbildungsabschlüsse angeboten werden können.

Mit der Rahmenvereinbarung über die grenzüberschreitende Berufsausbildung in der Großregion wurde 2014 erstmals ein gemeinsamer Rahmen zur Förderung der beruflichen Mobilität in der Berufsbildung geschaffen. Gerade unter der saarländischen Gipfelpräsidentschaft gilt es, diesen weiter mit Leben zu füllen und die entsprechenden Maßnahmen fortzuschreiben. Auch gilt es, die Kammern weiterhin bei ihren grenzüberschreitenden Aktivitäten zu unterstützen, um zukünftig weitere Betriebe für die Bereitstellung entsprechender Praktikumsplätze und für die grenzüberschreitende Ausbildung zu gewinnen und um diese Stellen dann auch mit den entsprechenden Bewerbern passgenau besetzen zu können.

Bei der Fachstelle für grenzüberschreitende Ausbildung handelt es sich ebenso wie bei der Task Force Grenzgänger um bewährte Projekte, die derzeit über INTERREG finanziert werden. Diese sollten fortgeführt und auch in Zukunft unterstützt werden. Außerdem ist auf eine enge Verzahnung der vorgenannten Projekte hinzuwirken, um so Synergien zu heben. Schließlich sollten die Förderchancen des EU-Programms zur Förderung von allgemeiner und beruflicher Bildung, Jugend und Sport, Erasmus+, beworben und aktiv genutzt werden.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Aus all diesen Gründen bitte ich um Zustimmung zum Antrag der Koalitionsfraktionen. - Vielen Dank!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich eröffne die Aussprache. - Die erste Wortmeldung kommt von der Abgeordneten Astrid Schramm für die DIE LINKE-Landtagsfraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer in diesem Haus sollte etwas gegen eine verstärkte grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich der Ausbildung haben? Es ist völlig richtig - eben ist es gesagt worden -, dass wir integrierte gemeinsame Ausbildungsabschlüsse brauchen und eine bessere Anerkennung der grenzüberschreitenden Ausbildung und dass die Fachstelle für grenzüberschreitende Ausbildung und die Task Force Grenzgänger auch künftig unterstützt und gefördert werden sollen. Ja, wir leben mitten in Europa und sollten die Chancen, die uns diese europäische Großregion bietet, stärker nutzen.

Es ist gut, dass junge Menschen heute ihre Ausbildung grenzüberschreitend machen können, dass sie in ihrem Heimatland die Berufsschule besuchen und im Nachbarland den Betrieb für die Praxisphasen nutzen können, dass sie einen Abschluss im Heimatland und einen Abschluss aus dem Partnerland erwerben können. Für die Auszubildenden erweitert dies den Horizont, verbessert die Sprachkenntnisse und erhöht die Karrierechancen. Und für die Betriebe ist es auch von Vorteil, weil sie so zweisprachige Mitarbeiter gewinnen und den eigenen Fachkräftebedarf sichern können. Wir stimmen hier also durchaus überein, dass diese Möglichkeiten über die Grenzen hinweg positiv sind und ausgebaut werden sollen.

(Abg. Herrmann (CDU) )

Es gibt allerdings einen Punkt, den man dabei nicht vergessen darf: Für eine verstärkte Zusammenarbeit in der Großregion brauchen wir auch einen besseren grenzüberschreitenden ÖPNV. Es ist auch angesichts des Klimawandels und der nötigen Verkehrswende überhaupt nicht zeitgemäß, diejenigen, die eine grenzüberschreitende Ausbildung machen, mehr oder weniger in das Privatauto zu drängen. Die Wirtschaftsministerin, die ja nebenbei auch noch Verkehrsministerin ist, hat bisher leider keine Planung und Konzepte für eine Verbesserung des grenzüberschreitenden Nahverkehrs vorgelegt. Es reicht eben nicht aus, nur die Großregion in Sonntagsreden zu beschwören, sondern es muss auch montags noch gute Bus- und Bahnverbindungen vom Saarland nach Luxemburg oder nach Lothringen geben, natürlich zu bezahlbaren Preisen.

Auch der Verweis im Antrag auf die sogenannte Frankreichstrategie des Landes irritiert uns da schon etwas. Schließlich hat die Bildungsministerin, Frau Streichert-Clivot, hier ja völlig zu Recht ein paar Fragezeichen gemacht und gesagt: Das Ziel der Zweisprachigkeit ist gut. Ob es realistisch ist, bezweifle ich stark. - Ich glaube, das war ehrlich.

Die Frankreichstrategie der Regierung lautet ja - ich sage es etwas verkürzt -: Zweisprachigkeit bis 2043. Aber was wird denn dafür getan, dieses Ziel zu erreichen? Wo ist das Extrabudget? Und wo sind die zusätzlichen Stellen, um dies durchzuführen? Die Arbeitskammer kritisiert zu Recht, die Strategie brauche mehr Geld und müsse in allen Bereichen des Saarlandes durchgängig sichtbar sein. Das ist nämlich nicht so. Im Alltag der meisten Saarländerinnen und Saarländer spielt die Frankreichstrategie keine große Rolle. Ähnlich argumentiert Hans-Jürgen Lüsebrink, Professor für interkulturelle Kommunikation. Er sagt: Die Frankreichstrategie ist sehr ambitioniert, ist aber mit zu geringen Mitteln für eine ganzheitliche Umsetzung ausgestattet. Unter diesen Umständen ist das Ziel, Französisch bis 2043 als Verkehrssprache im Saarland zu etablieren, nicht realistisch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Antrag der Regierungsfraktionen enthält relativ wenig konkret Neues, dafür viel Selbstlob und Selbstbestätigung. Sie werden nicht damit rechnen, dass das sonderlich viel Zustimmung und Begeisterung bei der Opposition auslöst.

(Abg. Renner (SPD) : Wieso nicht?)

Ja, unsere Jugend sollte als Europäer im Herzen Europas die bestmögliche Ausbildung und die besten Chancen erhalten. Deshalb müssen wir auch über die Grenzen hinweg immer stärker zusammen

arbeiten, auch bei der Ausbildung. Ob es reicht, das Bestehende fortzusetzen, oder ob nicht auch neue Impulse und Ideen nötig wären, ist eine Frage, über die wir hier im Hause zukünftig auch noch diskutieren müssen.

Der ehemalige französische Kulturminister Jack Lang hat es vor ein paar Jahren auf den Punkt gebracht: Tatsächlich geht es darum, das besondere Verhältnis zwischen den beiden Nationen mit frischem Enthusiasmus zu erfüllen, mit handfesten Projekten. Wir brauchen ehrgeizige Ziele, die beide Gesellschaften noch enger aneinanderbinden. Dafür bedarf es eines Zeitplans über zwei, drei oder fünf Jahre und darüber hinaus vieler neuer origineller Institutionen.

Wir wollen diese Diskussion gerne führen, wir wollen das Bestehende verbessern. Und weil der Antrag neben allem Selbstlob auch Punkte enthält, die wir teilen,

(Abg. Renner (SPD) : Na also!)

werden wir ihm zustimmen.

(Beifall von der LINKEN und dem Abgeordneten Renner (SPD).)

Für die SPD-Landtagsfraktion spricht nun der Abgeordnete Jürgen Renner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Frau Schramm! Ja, was macht man als Opposition, wenn man an einem Antrag nichts zu kritisieren hat? Dann sagt man, das ist alles schon da und es gibt keine neuen Impulse. Da haben Sie der Kollegin Herrmann, die heute ihre erste Rede gehalten hat, nicht zugehört. Sie hat das in nahezu erschöpfender Art und Weise alles dargestellt.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)