Protokoll der Sitzung vom 12.02.2020

100-prozentigen Schutz gibt die Bodycam nicht. Das ist klar. Viel wichtiger sind ordentliche Personalisierung und Ausbildung, Einsatztraining und Schulung gewaltdeeskalierender Einsatztaktiken. Aber sie kann in engem Rahmen Hilfe sein. Dies sollten wir unserer Polizei auch im Einsatz nicht verweigern. Die Polizei hat in ihrem täglichen Einsatz im Grunde jedes Hilfsmittel dringend nötig, das wir gesetzlich für diesen Einsatz vertreten können.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Dennoch, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist aus Sicht der SPD-Fraktion die Unverletzlichkeit der Wohnung eine große Errungenschaft, die völlig zu Recht in Artikel 13 des Grundgesetzes ihren Eingang gefunden hat. Eingriffe in die Unverletzlichkeit der Wohnung sind daher nur unter Berücksichtigung anderer hochrangiger Grundrechte rechtens. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass durch den Einsatz von Bodycams in Wohnungen ein zusätzlicher Eingriff in die Unverletzlichkeit dieser Wohnung stattfindet. Alleine der rechtmäßige Zutritt in eine Wohnung rechtfertigt es nicht, darin Aufzeichnungen zu machen, nicht einmal zum Schutz. Dabei handelt es sich um eine schwierige, aber auch um eine wichtige verfassungsrechtliche Frage.

Darum ist § 32 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzentwurfs nach unserer Auffassung nun so formuliert, dass der Einsatz von Bodycams in Wohnungen nur in äußerst schwerwiegenden Fällen, nämlich zur Abwehr einer dringenden Gefahr für Leib und Leben der Polizistinnen und Polizisten rechtens ist. Ich finde, diese hohe Eingriffsschwelle ist wichtig im Gesamtkontext, aber sie rechtfertigt am Schluss auch den Einsatz dort, wo es um Leben, um Gefahr für unsere Beamtinnen und Beamte geht, die das Recht schützen, die uns schützen, die dort Tag für Tag sozusagen durchs Feuer gehen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Wenn wir von Polizeirecht reden, reden wir immer auch von Bürgerrechten. Das ist nun einmal so. Bei allem berechtigten Interesse der Strafverfolgungsbehörden, Lagen möglichst frühzeitig zu erkennen und zu verhindern, müssen wir die Rechte der Bürgerinnen und Bürger, in die eingegriffen wird, immer mitdenken und auch immer mit abwägen. Ich denke, das ist mit dieser Eingriffsschwelle passiert. Insofern können wir damit auch leben. Man wird das sicherlich jetzt in der Anhörung auch noch einmal hinterfragen dürfen und noch einmal genauer untersuchen. Das wird man dann sehen.

Der dritte Knackpunkt des umfassenden Gesetzeswerkes ist in der Tat auch noch einmal der Datenschutz insgesamt. Im vorliegenden Gesetzentwurf geht es ganz allgemein um die Verarbeitung von Daten durch die Polizei. Außerdem wird das Zusammenspiel zwischen der Polizei und dem Unabhängigen Datenschutzzentrum als Aufsicht über die Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen geregelt. Im parlamentarischen Verfahren werden wir ein besonderes Augenmerk darauf legen, ob die Kompetenzen des Unabhängigen Datenschutzzentrums,

(Abg. Pauluhn (SPD) )

dessen Arbeit wir sehr schätzen, entsprechend dem EU-Recht gewahrt sind und gewahrt bleiben.

Es gab in den letzten Tagen, eigentlich müsste ich sagen, vor ein paar Stunden, den Zuruf an mich, dass im Gesamtverfahren - das ist jetzt gar kein Vorwurf; das liegt wahrscheinlich in der Natur der Sache, der Komplexität - auch noch einmal Veränderungen seitens des Ministeriums im Gesetzentwurf eingeflossen sind und die Stellungnahmen der Datenschützer vorgelagert waren. Insofern muss, glaube ich, an der einen oder anderen Stelle auch noch einmal neu eingefordert werden, wie die letztendliche Bewertung des jetzt in das Verfahren gegangenen Entwurfs durch das Datenschutzzentrum ist. Darauf werden wir im Verfahren sicherlich achten. Dazu bekommt das Datenschutzzentrum natürlich auch während der Anhörung ausreichend Gelegenheit.

Für uns bleibt in Anbetracht dieses Gesetzentwurfs eines klar: Unsere Polizistinnen und Polizisten müssen hervorragend ausgebildet sein. Innerhalb kürzester Zeit müssen sie in ernsten Situationen schwerwiegende Entscheidungen treffen, die ihre körperliche Unversehrtheit, die ihrer Kolleginnen und Kollegen und die der Bürgerinnen und Bürger beeinträchtigen können. Angesichts des qualitativen und quantitativen Zuwachses an Aufgaben für die Polizei brauchen wir die bestmöglichste Ausbildung für die Polizistinnen und Polizisten. Wir brauchen eine hochmotivierte Polizei, wir brauchen insbesondere eine Polizei, die sich sicher sein kann, dass die Parlamentarier dieses Landes und das Parlament in Gänze auch hinter ihnen steht. Auch dafür will ich werben. Deshalb finde ich, dass in der Summe der Gesetzentwurf ein guter ist und seine Zustimmung auch in Erster Lesung eingefordert werden darf. Vielen Dank.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Danke, Herr Abgeordneter. Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache. Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Inneres und Sport zu überweisen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 16/1180. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfs in Erster Lesung unter gleichzeitiger Ausschussüberweisung ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache

16/1180 mit Stimmenmehrheit angenommen ist und zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen ist. Zugestimmt haben die Koalitionsfraktionen sowie die AfD-Fraktion, dagegen gestimmt hat die Fraktion die LINKE sowie die fraktionslose Abgeordnete.

Kolleginnen und Kollegen, wir treten nun in die Mittagspause ein und ich unterbreche die Sitzung bis 14.10 Uhr. Ich wünsche einen guten Appetit!

(Die Sitzung wird von 13.09 Uhr bis 14.10 Uhr unterbrochen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir setzen unsere Sitzung nach der Mittagspause fort.

Wir kommen zu Punkt 8 der Tagesordnung:

Erste Lesung des von der Regierung eingebrachten Gesetzes zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in Bereichen besonderen öffentlichen Bedarfs des Saarlandes (Landarztgesetz Saarland) (Drucksache 16/1173)

Zur Begründung des Gesetzentwurfs erteile ich Frau Ministerin Monika Bachmann das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beschreiten im Saarland mit dem Landarztquotengesetz als eines der ersten Bundesländer einen ganz neuen Weg. Es ist ein neuer Weg, jungen Menschen die Tätigkeit als Landarzt oder Landärztin zu ermöglichen und so auch im ländlichen Raum in den vor uns liegenden Jahren gute medizinische Versorgung sicherzustellen. Meine Damen und Herren, das ist wahrlich kein Thema, das etwas mit Romantik und mit Bergdoktor-Idylle zu tun hat. Wer das glaubt oder schreibt, hat den Ernst der Lage absolut nicht verstanden.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Hier geht es nämlich um wohnortnahe medizinische Versorgung und darum, dass man schon heute etwas tun kann, um morgen eine tragfähige und gute nachhaltige Lösung zu haben. Ich bin dankbar, dass mein Haus - ich mit dem Staatssekretär und mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern - sich auf den Weg gemacht hat. Derzeit existiert im Saarland eine gute Versorgung mit niedergelassenen Haus- und Fachärzten, insbesondere was das Verhältnis eines

(Abg. Pauluhn (SPD) )

niedergelassenen Arztes pro 1.000 Einwohner betrifft. Da sind wir bundesweit im guten Mittelfeld. Von einem aktuellen Mangel an niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten könnte also im Saarland eigentlich nicht gesprochen werden.

Während im Facharztbereich teilweise eine Überversorgung besteht, so wird es uns mitgeteilt, gibt es jedoch Gemeinden, in denen nicht alle Hausarztsitze besetzt sind. Der Landesausschuss für Ärzte hat uns mitgeteilt, dass für den Mittelbereich von Wadern eine Unterversorgung vorliegt und im Bereich Lebach eine drohende Unterversorgung. Für die nächsten Jahre wird die Gefahr gesehen, dass wir nicht mehr in dem Umfang eine solch gute Versorgungslage an niedergelassenen Hausärzten haben wie heute. Viele Ärztinnen und Ärzte sind älter als 55 Jahre, sodass heute schon klar und deutlich ist, dass wir junge Leute und Nachwuchs in den Praxen brauchen.

Um einer Unterversorgung im ländlichen Raum vorzubeugen, ist es der Landesregierung ein großes Anliegen, die hausärztliche Versorgung sicherzustellen und damit einhergehend den drohenden Ärztemangel insbesondere im ländlichen Raum zu bekämpfen. Auch wenn die Sicherstellung der ambulanten medizinischen Versorgung gesetzliche Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung ist, müssen wir doch als Landesregierung alles tun, um die hausärztliche Versorgung auf dem Land langfristig zu sichern. Hierzu wurden bereits im Jahr 2017 das Landarztförderprogramm und das Stipendienprogramm initiiert. Beides wird auch gut angenommen, es könnte noch besser sein, aber es wird gut angenommen. Das Stipendienprogramm ist für Medizinstudierende, die bereit sind, sich nach Abschluss des Studiums und der erforderlichen allgemeinmedizinischen Weiterbildung als Hausarzt oder Hausärztin niederzulassen. Weiterhin bietet die Kassenärztliche Vereinigung Saarland Förderungen für Studierende, die ihre Praktika in hausärztlichen Praxen ableisten, um so das Interesse zu wecken. Es geht darum, dass die jungen Menschen sehen, dass man dort gute Arbeit machen und sein Geld verdienen kann.

Die Landesregierung ergreift flankierend dazu Maßnahmen, die einem drohenden Hausarztmangel entgegenwirken. Dabei bedarf es neben den bereits initiierten Maßnahmen, die wir und die KV ergriffen haben, weiterer Förderinstrumente, um die hausärztliche Versorgung nicht nur mittelfristig sicherzustellen, sondern für viele Jahre. Mit dem Masterplan Medizinstudium 2020 wird es den Ländern jetzt ermöglicht, einen weiteren Anreiz für eine hausärztliche Niederlassung im ländlichen Raum mittels Einfüh

rung einer sogenannten Landarztquote zu schaffen. Im Rahmen dieser Landarztquote kann das Saarland bis zu 10 Prozent der Medizinstudienplätze vorab an junge Bewerberinnen und Bewerber vergeben, die sich verpflichten, nach Abschluss des Studiums und der fachlichen Weiterbildung in der Allgemeinmedizin für bis zu zehn Jahre in der hausärztlichen Versorgung im unterversorgten beziehungsweise von Unterversorgung bedrohten ländlichen Raum tätig zu werden. Voraussetzung für die Einführung dieser Vorabquote bei der Vergabe der Medizinstudienplätze ist ein entsprechender öffentlicher Bedarf, der prognostisch zu ermitteln ist.

Wir haben in unserem Haus die notwendigen Daten für die Prognose identifiziert und von der Kassenärztlichen Vereinigung die erforderlichen Daten aufbereiten lassen. Von den rund 660 niedergelassenen Hausärztinnen und Hausärzten haben fast 38 Prozent das 60. Lebensjahr überschritten. Landesweit arbeiten knapp 19 Prozent der Mediziner über das 65. Lebensjahr hinaus. Im vergangenen Jahr sind 23 Hausärzte in den Ruhestand gegangen, aber nur 16 neue Zulassungen hinzugekommen. Das Ergebnis der Datenauswertung zeigt, dass sich die Versorgungslage mittelfristig prognostiziert so gestaltet, dass eine Landarztquote zur Vermeidung von Versorgungsengpässen als geeignetes Instrument erscheint. Um eine Verbesserung der Versorgungssituation zu erreichen, ist daher, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Maßnahme im Rahmen des Medizinstudiums sinnvoll und aus meiner Sicht auch erforderlich.

Auch wenn sich das Studium der Humanmedizin großer Beliebtheit erfreut, entscheiden sich nur wenige für eine Weiterbildung in der hausärztlichen Versorgung. Gleichzeitig gibt es mit Blick auf die Altersstruktur der derzeit tätigen Ärzteschaft steigenden Bedarf an jungen Ärztinnen und Ärzten, insbesondere im ambulanten Bereich im ländlichen Raum. Bereits zu Beginn des Studiums, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind hausärztlich interessierte Bewerberinnen und Bewerber durch die Bereitstellung von ausreichenden Studienplätzen entsprechend zu fördern. Mit der Einführung der Landarztquote stehen dann im Jahr 2031 die ersten Absolventinnen und Absolventen dieses Programms zur Verfügung. Aus diesem Grund gilt es, jetzt zu handeln.

Die vorgesehene Landarztquote zur Vorabvergabe der Studienplätze in Höhe von 7,8 Prozent wird dabei nicht im Landarztgesetz selbst, sondern in der saarländischen Verordnung über die Studienplatzvergabe geregelt werden. Im Koalitionsvertrag ist für die 16. Legislaturperiode des Landtages vereinbart,

(Ministerin Bachmann)

dass die Koalitionspartner die Umsetzung des Masterplans Medizinstudium 2020 aktiv begleiten. Zur Umsetzung dieses Vorhabens darf ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, daher um Zustimmung zu dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf bitten.

Auf die wesentlichen Inhalte dieses Entwurfs will ich jetzt in aller Kürze eingehen. Zu Beginn des Wintersemesters 2020/2021 soll diese Quote für Bewerberinnen und Bewerber des Studiums Humanmedizin eingeführt werden, die sich durch Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages verpflichten, nach Abschluss des Studiums und der fachärztlichen Weiterbildung in der Allgemeinmedizin in der hausärztlichen Versorgung in den unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten ländlichen Regionen des Saarlandes tätig zu sein. Diese Verpflichtung erstreckt sich auf eine Dauer von zehn Jahren. Die Einhaltung dieser Verpflichtung wird mit einer Vertragsstrafe in Höhe von bis zu 250.000 Euro abgesichert. Der spätere Niederlassungsort wird zum Zeitpunkt der Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit - also nach Abschluss der hausärztlichen Weiterbildung - anhand der getroffenen Feststellungen zu den Regionen und Bereichen bestimmt, in denen eine Unterversorgung herrscht oder - wie eben gesagt - eine Unterversorgung droht.

Der Gesetzentwurf sieht dabei vor, dass dieser besondere öffentliche Bedarf unter Berücksichtigung der Prognoseberechnungen der Kassenärztlichen Vereinigung jeweils zum Ende des Sommersemesters durch das für Gesundheit zuständige Ministerium festzustellen ist. Anzumerken ist in verfahrenstechnischer Hinsicht, dass im Falle einer Überschreitung der Anzahl der Bewerberinnen und Bewerber der für die Landarztquote reservierten Anzahl von Studienplätzen ein Auswahlverfahren erfolgt, in welchem die fachliche und persönliche Eignung zur hausärztlichen Tätigkeit festgestellt wird.

In das Auswahlverfahren einbezogen werden die Durchschnittsnote des Abiturzeugnisses, das Ergebnis eines fachspezifischen Studierfähigkeitstests, die Art und Dauer einer einschlägigen Berufsausbildung, Berufstätigkeit oder praktischen Tätigkeit sowie ein strukturiertes Auswahlgespräch. Das Nähere zur Verpflichtung der Bewerberinnen und Bewerber, der Bedarfsfeststellung, der Vertragsstrafe einschließlich ihrer Durchsetzung soll durch Rechtsverordnung erfolgen, deren Ermächtigungsgrundlage zum späteren Erlass in dem Gesetz verankert ist. Hierin sind auch das Bewerbungsverfahren, das Auswahlverfahren sowie die Bestimmung der dafür zuständigen Stelle zu regeln.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte ganz herzlich um Zustimmung zum Gesetzentwurf, der für dieses Land und die Zukunft wichtig ist. Wie ich am Anfang gesagt habe, ist in der Tat überhaupt kein Platz für Romantik und auch nicht für Bergdoktor-Idylle. Insoweit Thema verfehlt. Deshalb muss man es den Leuten, die das so schreiben, deutlich ins Gebetbuch schreiben. - Ich danke Ihnen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich danke der Frau Ministerin und eröffne die Aussprache. - Das Wort hat für die Fraktion DIE LINKE die Kollegin Astrid Schramm.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eben gesagt worden, fast 38 Prozent unserer Hausärztinnen und Hausärzte haben das 60. Lebensjahr überschritten, knapp jeder Fünfte ist älter als 65 Jahre. Schon jetzt gehen mehr Allgemeinmediziner in den Ruhestand als neue Mediziner anfangen. Die Altersstruktur unserer niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte lässt erahnen, dass sich dieses Ungleichgewicht noch verschlimmern wird, und das, obwohl sich das Medizinstudium nach wie vor größter Beliebtheit erfreut. Es bewerben sich immer noch wesentlich mehr junge Menschen um einen Studienplatz in der Humanmedizin, als Plätze an den Universitäten frei sind. Auch an der Universität des Saarlandes beginnen jedes Jahr zum Wintersemester etwa 275 Medizinstudentinnen und Medizinstudenten ihr Studium, aber nur die wenigsten unter ihnen entscheiden sich am Ende für eine Weiterbildung in der Allgemeinmedizin.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung stellt fest, dass das Fach Imageprobleme habe, und folgert in erster Konsequenz, dass die Allgemeinmedizin stärker beworben werden müsse. Uns liegt heute ein Gesetzentwurf vor, der auf Antrag Interessentinnen und Interessenten generieren möchte.

Die Landesregierung möchte 7,8 Prozent der zur Verfügung stehenden Studienplätze an Menschen vergeben, die sich bereit erklären, im Anschluss an ihr Studium und die Facharztausbildung für zehn Jahre als niedergelassene Allgemeinmediziner als sogenannte Landärztin beziehungsweise Landarzt in einer unterversorgten Region des Saarlandes tätig zu sein. Dafür ist man bereit, die Zugangsvoraussetzungen für diese Studienplätze abzuändern, denn für diese Plätze soll die Abiturnote künftig nur noch eine nebengeordnete Rolle spielen. Neben dem No

(Ministerin Bachmann)

tendurchschnitt sollen in einem Bewerberverfahren auch die fachliche und persönliche Eignung der Bewerberinnen und Bewerber, ihre Berufsausbildung und Berufserfahrung sowie ihre Ergebnisse in einem fachspezifischen Fähigkeitstest und in einem Auswahlgespräch über die Vergabe der vorgehaltenen Studienplätze entscheiden.

Wir begrüßen diese Abkehr von der Fixierung auf die Abiturnote ausdrücklich. Für uns bleibt nicht nachvollziehbar, warum jungen, interessierten Menschen der Weg zum Medizinstudium nur deswegen verwehrt wird, weil sie zum Teil nicht ausreichende Leistungen in Schulfächern erbracht haben, die weder etwas mit Medizin noch mit ihrer sozialen Kompetenz für Gesundheitsberufe zu tun haben. Man muss kein guter Schüler in Musik, Erdkunde oder Religion gewesen sein, um ein guter Arzt sein zu können. Daher muss aus unserer Sicht der Numerus clausus generell fallen, nicht nur für angehende Landärztinnen und Landärzte.

Zurück zum vorliegenden Antrag. Wir werden diesem Antrag zustimmen, weil wir ihn als einen Baustein zur Sicherung der hausärztlichen Versorgung anerkennen. Aber alleine wird es die Landarztquote wahrscheinlich auch nicht richten. Wir müssen mittelfristig und langfristig deutlich mehr Studienplätze vorhalten und die Aus- und Weiterbildung in der Medizin reformieren.

Wir müssen uns auch fragen, warum seit 2017 erst 17 Mediziner das Förderprogramm der Landesregierung für Praxisübernahmen und Neuzulassungen in Anspruch genommen haben. Eventuell muss an diesem Programm etwas nachjustiert werden, damit es mehr angehende Ärztinnen und Ärzte anspricht und somit stärker in die Bevölkerung hineinwirken kann.

Zu guter Letzt müssen wir auch etwas für die Attraktivität in unseren ländlichen Regionen tun, wenn wir wollen, dass sich junge Ärztinnen und Ärzte hier niederlassen. Das fängt bei der Nahversorgung und der Verkehrsinfrastruktur an und setzt sich bei Fragen der Krippen-, Kindergarten- und Schulplätze fort. Wenn wir beobachten, dass junge Menschen die für sie unattraktiven Regionen unseres Landes schon jetzt verlassen, weil sie sich dort abgehängt fühlen, dann können wir nicht erwarten, dass sich angehende Medizinstudenten mit 18 oder 19 Jahren für eine zehnjährige Tätigkeit dort verpflichten. Es bleibt also noch viel zu tun, wenn wir eine flächendeckende und wohnortnahe Versorgung sicherstellen wollen.

Wir warten die Anhörung ab und werden uns dann entsprechend äußern. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.