Verantwortungsvolle Politik sieht anders aus. Natürlich wissen wir alle, dass im Frühjahr 2022 die nächste Landtagswahl ansteht und die Parteien der Regierungskoalition unliebsame Haushaltsdebatten im Vorwahlkampf gerne vermeiden. Durch einen Doppelhaushalt kann man das natürlich elegant umgehen. Das ist immerhin gute alte Tradition, nicht nur im Saarland. Doch bei aller Nachvollziehbarkeit, dass die Regierung in der Wahlkampfzeit keine für sie unbequemen Debatten mit der Opposition führen will, ist momentan doch wirklich nicht die Zeit für parteipolitische oder wahltaktische Spielchen. Das hat man doch tagaus, tagein insbesondere bei Vertretern Ihrer Parteien in der aktuellen Corona-Situation und den damit verbundenen Demonstrationen von Bürgern gesehen.
Lassen wir diese Spielchen heute einfach mal sein. Geben Sie sich einen Ruck und stimmen Sie für das einzig Vernünftige, was man derzeit in diesem Punkt machen kann: eine seriöse Planung der Landesfinanzen, die zwangsläufig flexibel auf heute nicht absehbare Entwicklungen der Einnahmen und Ausgaben reagieren muss. - Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass der geschätzte Herr Finanzminister bei allem Informationsvorsprung, den er gegenüber einer kleinen Oppositionsfraktion hat, das heute anders sehen kann. Genauso wenig kann ich mir vorstellen, dass heute nur einer von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, heute wissen kann, wohin die Reise geht bezüglich unserer Einnahmen und Ausgaben im Jahre 2022.
Verantwortung für das Saarland zu übernehmen bedeutet, Entscheidungen zu treffen auf der Basis seriöser Informationen. Diese seriösen Informationen, um Entscheidungen über den Haushalt 2022 zu treffen, liegen weder heute noch im Sommer noch im Oktober zur Ersten Lesung vor. Es würde dem Landtag gut zu Gesicht stehen, dieser Landesregierung eindringlich darzulegen, in stürmischen Zeiten weiterhin auf Sicht zu fahren. Ich erinnere noch einmal an die Zitate von Oskar Lafontaine und Alexander Funk von heute Morgen. Ja, wir stochern im Nebel und tasten uns voran. Ja, wir befinden uns in einer Wirtschaftskrise, deren Ausmaß heute nicht abzuschätzen ist. Sehr geehrter Herr Finanzminister, bitte stochern Sie nicht im Nebel. Legen Sie uns einen separaten Haushalt für das Jahr 2021 und das Jahr 2022 vor. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.
Danke, Herr Abgeordneter. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat nun für die CDU-Fraktion der Kollege Marc Speicher.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Heute ist ein besonderer Tag, da wir meines Wissens erstmals in der Geschichte des Landes außerhalb des Plenargebäudes tagen.
Zu den ureigenen Aufgaben eines Parlaments gehört das Budget-Recht. Deswegen finde ich es auch in Ordnung, dass wir darüber debattieren - das ist durchaus nicht unangebracht -, ob man einen Doppelhaushalt aufstellt oder ob man den Haushalt für ein Jahr aufstellt. Trotzdem glaube ich, dass man am Ende zum Schluss kommen muss, dass die Vorteile eines Doppelhaushaltes überwiegen.
Wir sind auch nicht allein damit, einen Haushalt so aufzustellen, denn ein Doppelhaushalt ist mittlerweile gängige Praxis. Das betrifft viele Kommunen, nicht nur hier bei uns im Saarland, sondern auch darüber hinaus in der Bundesrepublik. Denn es betrifft eben auch viele Bundesländer, beispielsweise Bayern, Thüringen, Hessen und auch Sachsen. In Sachsen ist es sogar gängige Praxis, nur Doppelhaushalte aufzustellen. Auch wir im Saarland betreten kein Neuland, wenn wir einen Doppelhaushalt verabschieden: Auch in den Jahren 2016/2017 gab es bereits einen Doppelhaushalt, und wir hier in diesem Parlament sind es gewesen, die für die Jahre 2019/2020 einen Doppelhaushalt verabschiedet haben.
Lage, dass die Corona-Krise langfristige Planung nicht verbietet, sondern sie geradezu gebietet. Der Nachtragshaushalt wird bereits in wenigen Wochen, im Juni 2020, hier beraten und verabschiedet werden. Es geht eben darum, möglichst viel Planungssicherheit zu schaffen in jenen Bereichen, in denen das möglich ist, und sich gleichzeitig Instrumente zu schaffen, mit denen flexibel auf die kommenden Ereignisse reagiert werden kann. Mit dem sogenannten Corona-Sondervermögen haben wir Möglichkeiten der Flexibilisierung und der kurzfristigen Reaktion; das ist auch Folge der sogenannten Schuldenbremse. Die Schuldenbremse hat dazu geführt, dass wir heute gut dastehen. Ich erinnere an die Diskussionen, die es vor einigen Wochen gab, wonach die Schuldenbremse obsolet sei, die Diskussionen, wonach die aktuelle Krise ja zeige, dass die Schuldenbremse falsch sei - das Gegenteil ist der Fall. Die aktuelle Krise ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Paradebeispiel dafür, dass die Schuldenbremse richtig ist und dass sie gerade in solchen Krisensituationen greifen.
Mit dem Sondervermögen Corona haben wir die Möglichkeit, Spielräume zu nutzen. Wir werden darin die Folgen dessen, was als externer Schock durch die Corona-Pandemie auf uns zugekommen ist, abbilden. Auch das ist nun keine Innovation oder grundlegende Erneuerung, es ist vielmehr in der Haushaltswirtschaft Tradition, externe Schocks großen Ausmaßes so abzubilden. Das gilt in der Bundespolitik, ich erinnere an das Sondervermögen Deutsche Einheit. Ich erinnere aber auch an entsprechende Sondervermögen hier bei uns im Landeshaushalt.
Darüber hinaus gebietet es der Grundsatz der Haushaltsklarheit, planbare Ausgaben im eigentlichen Kernhaushalt darzustellen. Wenn Sie, Kollege Hecker, sich den Landeshaushalt anschauen, werden Sie feststellen, dass mehr als 40 Prozent der Ausgaben allein auf Personalausgaben entfallen; die sind fix, die stehen fest, die kann man inklusive der entsprechenden Erhöhungen planen. Rechnet man noch die Pensionsausgaben hinzu, liegt man bei weit über 50 Prozent. Hinzu kommen die Investitionen, die wir ohnehin tätigen. Und es sei der Hinweis gestattet, dass die aktuellen Schwierigkeiten in der Konjunktur auch dadurch aufgefangen werden, dass wir in diesem Jahr im Kernhaushalt ein Rekordvolumen investieren werden - ein Plus von 20 Prozent, also 60 Millionen Aufwuchs auf über 400 Millionen Euro im aktuellen Kernhaushalt. Wir müssen eben den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch der Wirtschaft und der Landesverwaltung die Möglichkeit eröffnen, langfristig zu planen. Wir müssen im Rahmen des Möglichen Verlässlichkeit schaffen.
Das werden wir in einer Debatte im Juni aufgreifen, und sicherlich auch noch in vielen weiteren Debatten. Mit dem Argument, das Anfang der Woche von der LINKEN genannt wurde, es sei nur im Rahmen einer Generaldebatte möglich, Grundsatzfragen der Politik zu klären, damit würden wir uns alle ein schlechtes Zeugnis ausstellen, nicht nur die Opposition sich selbst, sondern auch wir uns als Regierungsfraktionen, also wir alle uns als Parlamentarier. Tatsächlich besteht doch alle vier Wochen hier im Plenum die Möglichkeit, Debatten über die Grundsatzfragen der Politik zu führen. Dafür bedarf es keiner Haushaltsberatungen. Insofern greift auch das Argument, dies hätte etwas mit der Landtagswahl 2022 zu tun, zu kurz. Debatten werden geführt, wann immer sie notwendig sind. Dafür ist das Parlament der richtige Ort.
Wir glauben, dass die Argumente dafür überwiegen, das Mögliche fortzusetzen und dies im Kernhaushalt abzubilden. Die Möglichkeit der flexiblen Reaktionen haben wir uns durch das Einhalten der Schuldenbremse, durch den Weg der Konsolidierung ermöglicht. Und das werden wir im Sondervermögen Corona abbilden. Deswegen werden wir den Antrag ablehnen.
Herr Kollege Hecker hat eine Kurzintervention signalisiert, und zwar nach dem Redebeitrag des Kollegen Speicher. Ich erteile ihm hierfür das Wort. Sie müssen aber bitte die rote Karte hochhalten, anderenfalls kann ich nicht erkennen, ob Sie - da das während der Rede war - eine Zwischenfrage stellen wollen oder eine Kurzintervention beabsichtigen. Bitte schön, Sie haben das Wort!
Frau Präsidentin, nach meiner Kenntnis ist das Zeichen „Aufstehen“ das Zeichen für „Zwischenfrage“. Ist nun aber gleichgültig, ich mache eine Kurzintervention daraus. Die Zwischenfrage hätte so gelautet: Herr Kollege Speicher, Sie haben gesagt, das habe mit wahltaktischen Spielchen überhaupt nichts zu tun. Sie haben des Weiteren gesagt, wir hätten ja auch in der Vergangenheit schon mehrfach Doppelhaushalte aufgestellt, unter anderem 2016/2017 und dann auch wieder 2019/2020. Die Frage ist aber doch: Warum haben wir im Jahr 2018 keinen Doppelhaushalt aufgestellt?
Ich bedauere, dass es keine Zwischenfrage geworden ist, da ich nun drei Jahre hier im Parlament bin und mir noch keine Zwischenfrage gestellt wurde. Ich hätte das gerne genutzt. Erlauben Sie mir die Bemerkung: Ich vermute, mit Fünfjahresplänen kennen Sie sich aus, weil Sie ja auch schon mal zwei Jahre einer Partei angehört haben, die diese Fünfjahrespläne gemacht hat.
Aber der Hinweis ist doch richtig: Hier ist der Ort, Debatten zu führen, unabhängig davon, ob gerade Haushaltsberatungen sind. Wir als Parlament kommen überein, dass es sinnvoll ist, einen Doppelhaushalt aufzustellen oder einen Einzelhaushalt. Andere Länder machen das ähnlich. Aber es ist doch eine Tatsache und es bleibt richtig zu sagen: Das, was abbildbar ist, das, was planbar ist, das bilden wir im Kernhaushalt ab. Das schafft im Rahmen des Möglichen Verlässlichkeit. Das, was externen Schocks geschuldet ist, das, was mehr Investitionen als ursprünglich geplant erfordert und was auch Hilfsmaßnahmen möglich und planbar macht, das bilden wir in einem Sondervermögen ab. Das ist eine Folge des Prinzips der Haushaltsklarheit, dazu stehen wir. Das wird, so glaube ich, auch in der Debatte im Juni nochmals deutlich werden.
Danke, Herr Kollege Speicher. Wir fahren in der Reihenfolge der Wortmeldungen fort. - Das Wort hat nun der Kollege Jochen Flackus für die Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus ordnungspolitischen Gründen möchte ich am Anfang eines sagen: Der Antrag lautet dahingehend, der Landtag möge der Landesregierung empfehlen, keinen Doppelhaushalt aufzustellen. - Ich möchte doch eines klarstellen: Wir hier sind der Gesetzgeber, und zwar auch Haushaltsgesetzgeber. Ich sage das auch einmal in meiner Funktion als Vorsitzender des Haushaltsausschusses: Wir bestimmen immer noch, ob die Regierung einen Haushalt als Doppeloder Einzelhaushalt aufstellt!
Dass wir einen Doppelhaushalt haben werden, ist schlicht wahrscheinlich aufgrund der Mehrheiten, aber nicht, weil wir das der Landesregierung so empfohlen haben. Ich glaube, der Finanzminister sieht das auch so.
Auch wir sehen den Doppelhaushalt von der Sache her sehr kritisch, unabhängig von Wahlindikationen oder Ähnlichem. Denn wir haben ja tatsächlich ein Datenproblem, das ist gar nicht wegzudiskutieren. Wir wissen nicht, wie Konjunktur und Wachstum sich nun entwickeln werden, wir wissen nicht, wie die Steuerschätzung morgen ausgehen wird. Wir wissen nicht, was der Bund unternehmen wird; auch das ist ja ein großer Faktor, wenn es zum Beispiel um die Finanzierung der Kommunen geht. Und wir haben eben das Problem auf kommunaler Seite.
Angesichts all dessen werden wir zwar den Antrag der AfD ablehnen, raten gleichwohl sehr zur Vorsicht bei der Haushaltsaufstellung. Kollege Speicher sprach eben von der Haushaltsklarheit, es gibt aber auch die Haushaltswahrheit. Wir müssen uns natürlich auf das beziehen, was wir an Daten haben werden. Der Finanzminister hat nun angekündigt, im Juni einen Nachtragshaushalt vorlegen zu wollen. Diesen werden wir uns in Ruhe anschauen und ihn selbstverständlich auch diskutieren. Das ist völlig in Ordnung, wir brauchen nun einen Nachtragshaushalt. Aber bezüglich des Jahres 2022 im Herbst schon die diesbezüglichen Daten zu diskutieren, das wird wohl eng werden. Das ist, so denke ich, gar nicht zu bestreiten. Wir müssen nun einfach schauen, was auf dem Tisch liegen wird, dazu sind wir gerne bereit. Liegen die Daten auf dem Tisch, werden wir sie uns ansehen und bewerten, wie sie aussehen.
Der zweite Grund für unsere Haltung ist etwas fundamentaler. Eigentlich sollte, so zumindest unser Verständnis, ein Doppelhaushalt die Ausnahme sein, nicht aber der Regelfall. Der Regelfall sollte nach unserer Auffassung ein jährlich aufgestellter Haushalt sein, dies umso mehr jetzt, da wir einen Ausnahmezustand in der Finanzpolitik sowohl beim Bund als auch bei den Ländern haben.
Herr Speicher hat eben ausgeführt, wir hätten immer Zeit, um Grundsatzdebatten zu führen. Ich möchte aber doch darauf hinweisen, dass es gute Tradition des deutschen Parlamentarismus ist, sich im Rahmen der Haushaltsdebatten zum Grundsätzlichen zu streiten. Das handhabt der Bundestag seit vielen Jahren so, die Bevölkerung und die Medien sind immer gespannt, was dabei an Generaldiskussionen geführt wird. Auch wir gehen ja, wenn wir im Herbst die Erste Lesung des Haushaltes hatten, jedes Ressort im Einzelnen durch und nehmen uns für die abschließende Aussprache zwei Tage Zeit. Dies ist also nicht nur einfach Tradition, sondern hat auch eine sehr gute politische Begründung. Davon nun ohne Not abzuweichen - das wäre ja zum zweiten Mal in Folge der Fall -, da haben wir Bauchschmerzen.
Gleichwohl, ich habe es eben gesagt, machen wir das Angebot: Der Finanzminister soll mal einen Haushalt vorlegen, wir gehen aber bitte Schritt für Schritt vor. Wir schauen zunächst einmal, was wir im
Juni an Nachtragshaushalt haben. Bis dahin wissen wir vielleicht auch, was der Bund über den Sommer hinweg zu unternehmen gedenkt, ob wir von dort etwas erwarten können, das wir in unsere Überlegungen einbauen können.
Auch das Sondervermögen werden wir uns anschauen; darüber haben der Finanzminister und ich in meiner Rolle als Ausschussvorsitzender auch schon diskutiert. Das ist, so glaube ich, ein Instrument, das funktionieren kann. Ich möchte aber noch einmal darauf hinweisen: Ich halte die Begrifflichkeit für nicht gut gewählt, denn tatsächlich handelt es sich nicht um ein Sondervermögen, sondern um Sonderschulden. Wie auch immer wir das am Ende finanzieren, wir sollten das auch unter dem Gesichtspunkt der Haushaltsklarheit tun.
Unser Angebot ist jedenfalls klar. Wir schauen uns die Daten und Fakten an und dann entscheiden wir. Und darüber diskutieren wir hier selbstverständlich auch. - Vielen Dank!
Danke, Herr Kollege Flackus. - Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 16/1311. Wer für die Annahme dieser Drucksache ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 16/1311 mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt hat die AfD-Fraktion, dagegen gestimmt haben die Koalitionsfraktionen sowie die Fraktion DIE LINKE.
Beschlussfassung über den von der AfDLandtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Helfen, einen Versandhandel mit saarländischen Produkten zu gründen (Druck- sache 16/1312)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den 1970er-Jahren habe ich ein Buch von Daniel Bell gelesen:
gewohnt, dass eine Gesellschaft von der Industrie lebt, die sie hat. Bei uns war das ja ganz einfach: Wir haben Kohle gegraben, die uns mit Kusshand von jedem abgenommen wurde. Wir mussten uns keinen Kummer machen, dass wir die Kohle nicht loswürden. Und wir haben Stahl produziert. Das war es im Wesentlichen. Damit waren wir zufrieden, das war unsere Mentalität. Wir waren keine Händler.
In diesem Buch wurde aber geschildert, wie die Gesellschaften von dieser Industriegesellschaft überwechseln zu einer Dienstleistungsgesellschaft. Die erschien mir eher nicht so vollwertig wie eine Industriegesellschaft. Ich habe aber, wie gesagt, das Buch gelesen und habe die Entwicklungen verfolgt und festgestellt, dass dieser Herr Bell zu 100 Prozent Recht gehabt hat - inzwischen ist das Buch auch ein Standardwerk - und dass wir zunehmend zu einer Dienstleistungsgesellschaft geworden sind.