Protokoll der Sitzung vom 13.05.2020

men, genauso auch, dass diese Entscheidung damals die Gesetze von Bayern und Baden-Württemberg betraf. Das betraf darüber hinaus auch für uns den Bedarf zur materiellrechtlichen Anpassung für unser Unterbringungsgesetz.

Die Grundrechte, die hier besonders im Fokus stehen, sind zum einen die Unverletzlichkeit der Freiheit der Person und das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Beides findet sich in den Sätzen 1 und 2 von Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz. In den betreffenden Fällen geht der Eingriff über die bloße Unterbringung hinaus. Das Recht auf Freiheit der Person ist so stark tangiert, dass ein Richtervorbehalt eingeführt wird. Ein Richter muss über diese Maßnahmen entscheiden. Nur wenn es sich beispielsweise um wutentfesselte oder aggressive Personen handelt davon spricht man bei Gefahr in Verzug -, ist es möglich, die Maßnahme ohne richterlichen Vorbehalt durchzuführen. Aber die richterliche Zustimmung kann auch unverzüglich nachgeholt werden.

Sollten die Maßnahmen über eine längere Dauer vorgenommen werden, so kann eine regelmäßige gerichtliche Überprüfung der Maßnahme erfolgen im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Maßnahmen. Die normierte Dokumentationspflicht, die ich genannt habe, und die Informationspflicht dienen gerade dem Grundrechtsschutz der Betroffenen insbesondere im Rahmen der richterlichen Überprüfung. Gründe für Fesselung oder zur Berechtigung der Anwendung des unmittelbaren Zwangs werden normiert. Auch das ist wichtig.

Das Gesetz, das wir heute in Zweiter Lesung diskutieren und verabschieden wollen, ist vor allem zeitlich erforderlich. Wir haben derzeit keine Rechtsgrundlage für die zuständigen Richter, die diese Fälle bearbeiten und entscheiden müssen. Deshalb gibt es den zeitlichen Druck, um diese Rechtssicherheit geben zu können.

In diesem Zusammenhang ist Folgendes wichtig. Der uns vorliegende Gesetzentwurf ist eng abgestimmt mit den zuständigen Richtern der Amtsgerichte, den Amtsrichtern. Das war letztendlich ein Ergebnis der externen Anhörung, die vom Ministerium durchgeführt worden war. Ich glaube, das gibt uns Sicherheit in der Frage, dass dieses Gesetz genau dort ansetzt und die Formulierung und Änderungen beinhaltet, die für die Praktiker, die damit arbeiten müssen, wichtig sind.

Sie haben in Ihrem Änderungsantrag Anregungen aus der Anhörung aufgenommen, zum Beispiel, dass Fixierungen von Frauen nur durch weibliches Personal und von Männern nur durch männliches Personal durchgeführt werden sollen. Ich glaube, Sie verkennen in dieser Situation, dass es vielleicht gerade beruhigend oder förderlich sein kann, dass eine Person des anderen Geschlechts dabei ist. Sie verkennen auch, dass es in der Praxis durchaus

möglich ist, dass in einer solchen Situation derart Kräfte freigesetzt werden und dass vielleicht auch eine Frau solche Kräfte freisetzen kann, die eine Mitarbeiterin in der Situation gar nicht beherrschen kann. Dann kann es durchaus notwendig sein, dass ein männlicher Kollege zu Hilfe gezogen wird. Von daher ist eine Festschreibung, wie Sie sie vorsehen, nicht zielführend, weil es durchaus Fälle geben wird, bei denen es anders nötig sein wird.

Sie spezifizieren, dass der Arzt oder die Ärztin entsprechend telefonieren muss; das sehe ich nicht als zielführend an. Im Gesetzentwurf ist von der behandelnden Einrichtung die Rede. Meines Erachtens sollte das so beibehalten werden. Es kann in der Situation sogar erforderlich sein, dass gerade eine andere Person - zweifelsohne vom Arzt beauftragt diesen Anruf tätigen muss, weil der Arzt oder die Ärztin gefordert ist, um in der Situation bei dem Betroffenen zu bleiben.

Die Anhörung hat gezeigt, dass es mehrere Gründe gibt, die für eine Weiterentwicklung unseres Unterbringungsgesetzes sprechen. Diesbezüglich spreche ich gar nicht dagegen, dass es da einen Bedarf gibt. Wir sind das einzige Bundesland, das ein Unterbringungsgesetz hat. Alle anderen Bundesländer haben ein Psychisch-Kranken-Gesetz auf den Weg gebracht. Es gab in der Anhörung zum Beispiel die Anregung für eine Besuchskommission. Es ist eine wertvolle und wichtige Entscheidung, eine Besuchskommission auf den Weg zu bringen. Davon kann man profitieren. In den anderen Ländern wird das auch so gesehen. Mittlerweile hat es sich dort gezeigt, dass es wichtig ist, gerade die Rechte der Betroffenen zu stärken.

Zum heutigen Zeitpunkt ist es notwendig, diesen Gesetzentwurf zu verabschieden, damit die rechtliche Grundlage da ist. Wir sollten eine grundlegende Neuregelung unseres Unterbringungsgesetzes im Hinblick auf ein Psychisch-Kranken-Gesetz im Saarland auf den Weg bringen. Ich fühle mich dazu verpflichtet. Ich glaube, dass man das in Zukunft angehen kann. Heute bitte ich darum, diesen Gesetzentwurf zu verabschieden, damit für unsere Amtsrichter eine gesetzliche Grundlage zum Treffen ihrer Entscheidungen gegeben ist. - Vielen Dank.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Danke, Frau Kollegin. - Für die Fraktion DIE LINKE hat nun Herr Abgeordneter Dennis Lander das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen heute über das Unterbringungsgesetz reden, weil das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2018 die Regelungen aus Baden-Württemberg und

(Abg. Heib (CDU) )

Bayern für teilweise verfassungswidrig erklärt hat. Das Unterbringungsgesetz regelt grob gesagt den Umgang mit Menschen in psychiatrischen Einrichtungen. Im Detail muss man sagen, dass auch eine kurzzeitige Fixierung einen enormen Eingriff in die Grundrechte einer Person darstellt.

Man könnte meinen, dass die Änderungen das entkräften würden, aber leider ist im Entwurf so keine Stärkung der Patientenrechte vorgesehen. Ganz im Gegenteil. Auch Prof. Dr. Riemenschneider vom Universitätsklinikum kritisiert den an mehreren Stellen auftretenden Tenor des Entwurfs, „demzufolge Menschen mit psychischen Erkrankungen mit psychisch kranken Straftätern und Kriminellen gleichgesetzt werden (…). Die Gruppe gefährde weder per se die Sicherheit der Bevölkerung noch dürfen psychiatrische Kliniken als Verwahranstalten verstanden werden.“ Prof. Dr. Riemenschneider vermisst Maßnahmen zur flächendeckenden Stärkung der psychiatrischen Versorgung.

Genau diesen falschen Tenor erkennt man beispielsweise an den Vorschriften zur Fesselung während Ausgängen bei Gefahr von Entweichung. Zu Recht weist Prof. Dr. Riemenschneider darauf hin, dass der Ausgang praktisch den Einstieg in die Wiedereingliederung in die Gesellschaft vorbereiten soll. Wir müssen uns nichts vormachen, es werden natürlich keine Ausgänge genehmigt, wenn beispielsweise bei einer Person akute Fluchtgefahr bestehen würde.

Im vorliegenden Entwurf ist unserer Meinung nach völlig unklar, wer denn jetzt genau die Maßnahmen, zum Beispiel Fesselungen, anordnen oder umsetzen soll. Die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie im Saarland fordert, dass Rettungsdienste oder Pflegepersonal keine Handschellen ansetzen dürften. Dieses sei eine hoheitliche Aufgabe und solle dementsprechend von der Vollzugspolizei durchgeführt werden. Dem stimmen wir natürlich zu. Von daher fordern wir die Streichung des entsprechenden Abschnitts.

Im vorliegenden Entwurf sollen Beschäftigte Patientinnen und Patienten festhalten oder zurückbringen, die sich ohne Erlaubnis oder Genehmigung außerhalb der Einrichtung befinden. Wir sprechen von Ärztinnen und Ärzten, von Pflegepersonal oder von technischem Personal, die mit Befugnissen ausgestattet werden, für die unserer Meinung nach die entsprechende Ausbildung fehlt. Das wird auch vom Uniklinikum kritisiert. Dazu meinte Prof. Dr. Riemenschneider, eine solche Regelung würde den allseits bekannten Personalmangel in den Einrichtungen durch die Abwesenheit des verfolgenden Personals verstärken.

Der Entwurf sieht auch vor, dass Patientinnen und Patienten mit Bild oder Videoaufnahmen überwacht werden können. Die Deutsche Gesellschaft für So

ziale Psychiatrie im Saarland weist darauf hin, dass eine „solche Maßnahme einen tiefen und oftmals entwürdigenden Eingriff in die Intimsphäre einer hilflosen Person bedeutet“ und „eine technische Überwachung einer sich in einer Krise befindlichen und hilflosen Person therapeutisch problematisch ist.“

Dem stimmen wir zu. Deshalb lehnen wir die entsprechende Passage ab. Stattdessen sollte man die Patientinnen und Patienten vom geschulten Pflegeoder Fachpersonal beobachten lassen. Das bedeutet im Umkehrschluss wieder, dass man Geld in die Hand nehmen muss, mehr Geld für Personal und weniger Geld für technische Spielereien oder technische Überwachung. Eine ständige Beobachtung bedeutet für die Betroffenen einen massiven Eingriff in ihre Freiheitsrechte. Deshalb sind wir der absolut festen Überzeugung, dass diese Maßnahme letztendlich nur von einer Richterin oder einem Richter angeordnet werden darf.

(Vereinzelt Beifall bei der LINKEN.)

Erwähnenswert in unserem Abänderungsantrag ist im Übrigen, dass wir eine Forderung des Landespolizeipräsidiums aufgreifen. Auch das soll vorkommen. Das LPP sagt, dass nur ein Arzt die Polizei um Unterstützung zur Durchsetzung einer Maßnahme ersuchen kann, wenn dieser Arzt die entsprechende Maßnahme bei der betroffenen Patientin oder dem betroffenen Patienten angeordnet hat.

Schließlich wollen wir klarstellen, dass wir das deutlich anders sehen, was die Kollegin Heib eben angesprochen hat. Wenn Männer bei Fixierungsmaßnahmen fixiert werden sollen, soll das durch männliches Pflegepersonal durchgeführt werden, und bei Frauen soll es durch weibliches Personal durchgeführt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen einen Vorschlag aufgreifen, der hier schon angeklungen ist - und zwar die Besuchskommission. Das werden Sie in unserem Änderungsantrag nicht finden, aber ähnlich wie auch die CDU-Fraktion es angesprochen hat, werden wir diesen Punkt wieder auf die Tagesordnung bringen, weil wir ihn für außerordentlich wichtig erachten. Es geht im Prinzip darum, dass diese Besuchskommission die Einhaltung der Aufgabenerfüllung in psychiatrischen Einrichtungen kontrolliert. Deshalb müssen wir über diesen Punkt auf jeden Fall noch mal sprechen. Alles in allem bitte ich um Zustimmung für unseren Änderungsantrag. Ohne die Zustimmung zu unserem Änderungsantrag können wir dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zustimmen. - Herzlichen Dank.

Vielen Dank, Herr Kollege Lander. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Pia Döring.

(Abg. Lander (DIE LINKE) )

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Anlass für das Gesetz zur Änderung des Unterbringungsgesetzes war eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 2018, wonach äquivalente Gesetze aus anderen Bundesländern teilweise verfassungswidrig waren. Insbesondere ging es hierbei um die Regelung zur Fixierung, welche einen erheblichen Grundrechtseingriff und selbst unter den besonderen Sicherungsmaßnahmen eine Ultima Ratio darstellt, die eine Einordnung als eigenständige Freiheitsentziehung rechtfertigt. Es ist somit nicht von der richterlichen Unterbringungsanordnung gedeckt. Hier haben wir eine Notwendigkeit zum Handeln gesehen, da bei solchen schwerwiegenden Eingriffen in die Grundrechte eines Menschen unbedingt rechtliche Klarheit und Verständlichkeit bei der Handhabe herrschen muss. Wir haben die vielen grundlegenden Probleme, welche von verschiedenen Stellen im Rahmen der ersten externen Anhörung eingebracht wurden, ernst genommen und auf deren Grundlage den ersten Entwurf noch einmal überarbeitet. Ich will nur ein oder zwei Beispiele nennen, da die Kollegin Dagmar Heib schon fast alles abgedeckt hat.

Die größte Änderung ist die Einführung eines § 11a, der besonders die Sicherungsmaßnahmen in Gefahrensituationen umfassend regelt. In diesem Paragrafen wird übersichtlich aufgezählt, welche Sicherungsmaßnahmen zulässig sein sollen. Bei der Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum, bei Fixierungen sowie sonstigen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit darf die Einrichtung im Wege unmittelbaren Zwangs die Hilfe der Vollzugspolizei ersuchen. Die Rechte der untergebrachten Personen werden jedoch nicht unkontrolliert eingeschränkt, da bei einem Eingriff über einen längeren Zeitraum bei gewissen Sicherungsmaßnahmen eine richterliche Anordnung notwendig ist. Auch den gesetzlichen Anforderungen an den unmittelbaren Zwang wird das Gesetz zur Änderung des Unterbringungsgesetzes durch den neu hinzugefügten § 11c gerecht, sowie dem Zitiergebot durch § 11d.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, der Umgang und die Betreuung sowie die Behandlung psychisch kranker Menschen stellt nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für die Menschen in ihrem persönlichen Umfeld, Behörden, Gerichte und die Polizei eine Herausforderung dar. Letztendlich verfolgen aber alle an diesem Verfahren Beteiligten ein Ziel: Im Sinne des kranken Menschen soll dessen optimale Betreuung und Heilbehandlung sichergestellt werden, wenn Gefahren für ihn selbst oder für Dritte drohen. Dazu kann auch eine stationäre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer psychosomatischen Abteilung eines Krankenhauses durchaus notwendig sein. Hier

für bietet das geltende Saarländische Unterbringungsgesetz die Grundlage.

Mit der vorgelegten Änderung des Unterbringungsgesetzes schaffen wir Rechtssicherheit für Anordnungen besonderer Sicherungsmaßnahmen während einer Unterbringung. Das Folgende wird zum Beispiel dann zulässig: die ständige Beobachtung der untergebrachten Personen auch durch technische Hilfsmittel, wenn sichergestellt ist, dass nur befugte Personen den Überwachungsbildschirm einsehen können, die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum ohne gefährdende Gegenstände, Fixierungsmaßnahmen, durch die die Bewegungsfreiheit der untergebrachten Person vollständig aufgehoben wird, und die sonstige Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch eine mechanische Vorrichtung. Da all diese Sicherungsmaßnahmen einen nicht unerheblichen Eingriff in die Selbstbestimmungs- und Freiheitsrechte der untergebrachten Personen darstellen, wurde dem durch weitgehende Normierungen zum Schutz der Rechte der untergebrachten Personen im Gesetz Rechnung getragen. Die Maßnahmen sind des Weiteren hinsichtlich ihrer Anordnung, Begründung, Durchsetzung, Dauer sowie Überwachung je nach Zuständigkeit durch einen Arzt, eine Ärztin oder das Pflegepersonal der behandelnden Einrichtung zu dokumentieren. Gleichfalls zu dokumentieren sind die Nachbesprechungen und der Hinweis auf die gerichtliche Überprüfbarkeit. Damit wird sowohl für die betroffenen Menschen als auch für die behandelnden Ärzte Rechtssicherheit geschaffen. - Ich bitte um Zustimmung für unseren Antrag. Vielen Dank.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Danke, Frau Abgeordnete. Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.

Die Landtagsfraktion DIE LINKE hat mit der Drucksache 16/1309 einen Abänderungsantrag zu dem Gesetzentwurf eingebracht. Wir kommen zur Abstimmung über diesen Abänderungsantrag der Fraktion DIE LINKE. Wer für die Annahme der Drucksache 16/1309 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Danke. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? Ich stelle fest, dass der Abänderungsantrag Drucksache 16/1309 mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt hat die Fraktion DIE LINKE, dagegen gestimmt haben die Koalitionsfraktionen sowie die AfD-Fraktion.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 16/1174. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfes in Zweiter und letzter Lesung ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Danke. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache 16/1174 in

Zweiter und letzter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen ist. Zugestimmt haben die Koalitionsfraktionen sowie die AfD-Fraktion, dagegen gestimmt hat die Fraktion DIE LINKE.

Wir kommen zu Punkt 16 der Tagesordnung:

Beschlussfassung über den von der AfDLandtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Auf Doppelhaushalt 2021/2022 verzichten (Drucksache 16/1311)

Zur Begründung des Antrags erteile ich Herrn Abgeordneten Lutz Hecker das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Unser heutiger Antrag ist ein Appell an die Vernunft in diesem Hause, denn die vergangenen Wochen haben uns eines deutlich aufgezeigt: Es ist kaum etwas vorhersehbar. - Ich möchte gerne Bezug auf Zitate von heute Morgen nehmen, die ich nun leider auf meinem Tisch liegen lassen habe. Der Kollege Funk hat von einer Wirtschaftskrise gesprochen, deren Ausmaß heute noch nicht absehbar ist. Der Kollege Lafontaine hat davon gesprochen, dass wir uns momentan im Nebel bewegen und uns vorantasten. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob wir von Zahlen des RKI, von weiteren Gängelungen der Bevölkerung oder sogar von den in Teilen unverhältnismäßigen Maßnahmen mit all ihren ökonomischen und sozialen Folgen sprechen. Ebenfalls ist nichts vorhersehbar, wenn wir über die Folgekosten der Corona-Zeit oder den Landeshaushalt für die kommenden Jahre sprechen.

Alle Zahlen, die bisher bekannt sind, lassen zumindest Dramatisches erahnen. Bundesweit mussten mittlerweile rund 20 Prozent der Unternehmen Mitarbeiter entlassen, in einigen Branchen noch viel mehr. Wo man hinschaut, gab oder gibt es Kurzarbeit. Viele Branchen mussten wochenlang schließen, dazu kommen all die Menschen, die vor der Arbeitslosigkeit stehen oder den Weg in diese bereits gehen mussten. Viele andere stehen vor dem finanziellen Ruin. Etliche Kommunen, gerade auch im Saarland, mussten bereits drastische finanzielle Folgen ertragen, zum Beispiel massive Einbrüche bei der Gewerbesteuer in Millionenhöhe. Erste Kommunen haben bereits Haushaltssperren verhängt, weitere werden folgen. Die kommunalen Haushalte befanden sich bereits vor Corona zum Teil in einer schlimmen Situation. Die wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen, die sich durch die jüngst getroffenen Corona-Maßnahmen zeigen werden, wird man erst in den kommenden Monaten und Jahren zu spüren bekommen. Der Saarland-Pakt ist an einigen wesentlichen Punkten bereits heute obsolet und muss dringend überarbeitet werden. Die Kommunen

sind einfach nicht in der Lage, die ihnen auferlegten Pflichten zu erfüllen.

Genau in einer solchen Zeit, in der ganz aktuell der Arbeitskreis Steuerschätzung einen Einbruch von mindestens 100 Milliarden Euro für das Jahr 2020 voraussagt und bis ins Jahr 2024 insgesamt bis zu 300 Milliarden Euro, wollen Sie für die kommenden beiden Jahre planen. Mit Verlaub, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist nicht ambitioniert, es ist schlicht und ergreifend unseriös, um nicht zu sagen, es ist Unsinn. Sie wollen also ins Ungewisse planen. Ich kann mich noch an diverse Fünf-JahresPläne erinnern. Bei den Meldungen zur Planerfüllung beziehungsweise in der Regel Planübererfüllung haben sich regelmäßig selbst dickste Eichenbalken heftig durchgebogen. Am Ende der Planübererfüllung stand dann der planmäßige Bankrott.

Die Kollegin Petra Berg von der SPD - zumindest wurde sie in einem Artikel der Saarbrücker Zeitung so zitiert - sagte, dass man bereits wisse, welche Kosten im Wesentlichen entstanden sind. Da kann man wirklich angesichts der Tatsache nur staunen, dass immer noch ganze Branchen geschlossen sind, Kurzarbeit fahren, heftigste Auflagen nach einer Wiedereröffnung erfüllen müssen und für sich selbst den wirtschaftlichen Schaden noch gar nicht abschätzen können. Zahlreiche Schließungen und Pleiten aufgrund des Lockdowns und sonstiger getroffener Maßnahmen drohen unserer Wirtschaft nach wie vor. Was ist eigentlich mit den möglichen Folgen des Schreckgespenstes einer zweiten oder gar dritten Welle, das uns tagtäglich wie ein Mantra gepredigt wird? Und Sie stellen sich hierhin und sagen, dass man bereits wisse, welche Kosten im Wesentlichen entstanden seien. Da kann man den betroffenen Unternehmern wirklich nur empfehlen, sich die Antworten auf ihre vielen Fragen und Lösungsratschläge für ihre vielen Probleme bei Frau Berg zu holen.

Der geschätzte Kollege von der CDU Alexander Funk beruft sich in dem gleichen Bericht der Saarbrücker Zeitung auf ein Sondervermögen Corona, mit dem alle direkten und indirekten finanziellen Folgekosten der Corona-Krise abgedeckt seien und man somit flexibel auf alle Folgen reagieren könne. Richtig ist, dass durch dieses sogenannte Sondervermögen, das im Übrigen durch die Aufnahme neuer Schulden generiert wird, zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung stehen werden. Zur Wahrheit gehört aber auch - da zitiere ich Ihren Landeschef aus NRW, Herrn Laschet -, dass diese Schulden die nächste Generation - ich möchte „die nächsten Generationen“ hinzufügen - bezahlen werden. Schon aus diesem Grund sollte der verantwortungsvolle Umgang mit diesem Geld das Gebot der Stunde sein.

Genau da sind wir wieder beim Thema. Wie wollen Sie wissen, welche tatsächlichen Folgen und Folge

(Vizepräsidentin Spaniol)

kosten das Ganze nach sich ziehen wird? - Selbst für den diesjährigen Nachtragshaushalt wird es nur schwer möglich sein, halbwegs belastbare und seriöse Zahlen zu ermitteln. Demnächst wird die Steuerschätzung kommen. Anfang Juni folgt dann die Regierungsklausur zum Nachtragshaushalt, den Sie wiederum zwei Wochen später durch dieses Haus bringen wollen. Es ist alles sehr kurzfristig, was der Situation geschuldet ist. Das ist im Grunde auch noch nachvollziehbar. Doch eben genau in der Situation, in der man kurzfristig planen sollte oder sogar muss, wollen Sie bereits in diesem Jahr die Einnahmen und Ausgaben für das Jahr 2022 planen. Woher nehmen Sie eigentlich die Sicherheit, dass ab Herbst dieses Jahres oder auch ab dem kommenden Jahr wieder alles in relativ normalen Bahnen oder vorhersehbaren Bahnen ablaufen wird? Wirkliche Verantwortung und der richtige Weitblick in diesen Zeiten würden bedeuten, kurzfristig zu kalkulieren und nicht zu versuchen, in der Glaskugel einen Blick in das Jahr 2022 zu werfen und auf dieser Basis einen Haushalt zu planen. In unseren Augen ist das schlichtweg nicht möglich und nichts als Kaffeesatzleserei.

(Zuruf.)