Verzeihung, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich werde meine Rede natürlich in deutscher Sprache halten. Mit meinen Grußworten aus der portugiesischen Hauptstadt Lissabon wollte ich lediglich etwas europäisches Flair in den Landtag bringen, wie es offensichtlich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit dieser Debatte versucht hat.
Meine Damen und Herren! Ob der Sächsische Landtag der richtige Ort für diese Debatte ist, wage ich zu bezweifeln.
Aber Frau Hermenau hat wahrscheinlich Sehnsucht nach dem Bundestag in Berlin und hat uns deshalb mit diesem Thema eine Freude machen wollen, obwohl die Sächsische Staatsregierung im Jahr 2000 in Lissabon gar nicht dabei gewesen ist.
Was man unter dem so genannten Lissabon-Prozess versteht, hat Frau Hermenau schon erklärt. Ich wiederhole: Bis 2010 sollte die EU zum wettbewerbsfähigsten und
dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt gemacht werden. Der Zwischenbericht zur Halbzeit im Auftrag der Kommission zeigt ein erschütterndes und enttäuschendes Resümee. Vom Erreichen der Ziele ist Europa meilenweit entfernt. Deutschland fällt dabei besonders aus dem Rahmen. Die größte Volkswirtschaft ist weder Wachstumsmotor noch Impulsgeber. Im Gegenteil, Deutschland ist Bremser des Wachstums in der Eurozone.
Die strukturellen Nachteile Deutschlands können aufgrund der hohen Arbeitskosten immer weniger ausgeglichen werden. Die Belastung für Unternehmen durch Steuern und bürokratische Hemmnisse ist im internationalen Vergleich zu hoch.
Da setzen die GRÜNEN immer noch eins drauf. EUUmweltschutzrichtlinien werden von Frau Künast und Herrn Trittin noch weiter verschärft. Das fördert das Wirtschaftswachstum immens. Oder vielleicht können Sie, Frau Hermenau, den Unternehmern und Landwirten meines Wahlkreises am linken Ufer der Neiße erklären, warum über die EU-Normen hinausgehende Immissionsschutzregelungen nur für sie und nicht für die Industriebetriebe und Ställe auf der anderen Seite der Neiße, im EU-Mitgliedsland Polen, gelten sollen.
Oder meinen Sie, dass Ihre jüngste Kreation, das Bürokratiemonster mit Namen „Antidiskriminierungsgesetz“, den Wirtschaftsstandort Deutschland attraktiver machen wird? Dieses Gesetz macht Unternehmer zu Archivaren, anstatt dass sie sich um Markt, Produktivität und Innovation kümmern können.
Gutmenschentum zulasten der Wirtschaft – nein, meine Damen und Herren, diese Debatte gehört in den Bundestag und nicht in den Landtag;
denn wir in Sachsen haben unsere Schularbeiten gemacht. In puncto Wirtschaftswachstum, Investitionsrate, Export, Verschuldung, Ausgaben für Hochschulen und Wissenschaft sind wir Klassenerster unter den neuen Bundesländern und können uns auch deutschlandweit sehen lassen.
Was die Zusammenarbeit anbetrifft – das haben Sie, Frau Hermenau, im Bundestag vielleicht nicht mitbekommen –, so haben wir eine hervorragende Zusammenarbeit mit Böhmen und Niederschlesien in Gestalt eines Wirtschaftsdreiecks, das eine ganze Reihe guter Ergebnisse erzielt hat. Ärzte und Wissenschaftler aus Tschechien und Polen können ohne weiteres zu uns nach Sachsen kommen, denn wir sind ein weltoffenes Land.
à la Fischer. Die brauchen wir nicht. Wir wollen Experten haben, wir wollen Menschen, die am Aufbau Sachsens mitwirken und nicht in die Illegalität abtauchen.
Meine Damen und Herren, die Ergebnisse zeigen: Die Lissabon-Strategie wird, wohlgemerkt im Rahmen ihrer Zuständigkeit, durch die Sächsische Staatsregierung konsequent durchgesetzt. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schowtka, ich freue mich über den neuen sprachlichen europäischen Geist, den Sie in die Debatte getragen haben. Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode dazu eine Kontroverse gehabt. Damals waren Sie noch nicht so offen, insbesondere was die Sprache unserer Nachbarn in Tschechien betrifft. Sie haben umgedacht. Das freut mich. Vielen Dank.
Meine Damen und Herren! Ich denke, diese Debatte gehört in dieses Hohe Haus. Ich will im Folgenden versuchen, Ihnen das deutlich zu machen; denn wenn ich zu Beginn jedes Monats die neuen Arbeitslosenzahlen der Oberlausitz wie des gesamten Freistaates lese, zucke ich zusammen: noch mehr Tausende ohne Arbeit, ohne Chance. Eine Region blutet aus. Zur gleichen Zeit lese ich im Entwurf des Vertrages über eine Verfassung für Europa in Artikel 3 die verheißungsvollen Worte: „Die Union strebt die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums an, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt.“ Ich lese weiter im Text der Europäischen Verfassung und dann verliert sich schließlich das Soziale bei der Marktwirtschaft. Ich zucke enttäuscht mit den Schultern. Ich nehme die fünf Jahre alten Papiere zur Lissabon-Strategie zur Hand. Dort sind als Ziele und Methoden der EU genannt: dynamischster Wachstumsraum, lebenslanges Lernen, nachhaltiger Umweltschutz und vor allem Vollbeschäftigung. Ende Januar dieses Jahres schreibt die EU-Kommission in einem Arbeitspapier zur Halbzeitbilanz der Lissabon-Strategie: „Die Wachstumsperformance ist weit hinter den in der Lissabon-Strategie vorgegebenen Zielen zurückgeblieben.“ In einem vier Tage später erstellten Papier erblickt die Kommission dann schließlich deswegen „dringenden Handlungsbedarf“. Ich bin zornig, denn einen solchen Handlungsbedarf gibt es angesichts der Situation in der Lausitz, im gesamten Freistaat, in der ganzen EU bereits seit Jahren. Wenn man sich die Arbeitslosenstatistik der EU, der alten wie der neuen Mitglieder, anschaut, kommt einem das Grauen. Millionen von Menschen sind ohne Arbeit und grassierende Arbeitslosigkeit ist nicht zuletzt auch mas
senweise Entwürdigung. Will die EU das ändern und, meine Damen und Herren, kann und will der Freistaat dazu beitragen?
Zwar wollte und sollte es der Lissabonner Gipfel vor fünf Jahren anders richten und er hielt die Mitgliedsländer an, Aktionsprogramme zu erstellen, um diese Ziele umzusetzen. Zwei Jahre nach dem Gipfel hatten indes nur sieben der damals 15 EU-Mitglieder die Leitlinie zur Vollbeschäftigung in nationale Programme umgesetzt – zu den Säumigen gehörte auch Deutschland –, was die EU dessen ungeachtet als Erfolg zu verkaufen suchte, obwohl es leider nur billige Rhetorik war. So ist es auch zur Halbzeit der Zielstellung des Lissabonner Gipfels geblieben.
Allein der Blick auf Deutschland mit seinen offiziell fünf Millionen Arbeitslosen, wobei die neuen Bundesländer prozentual die Hauptlast tragen, zeigt: Beschäftigungspolitik bleibt ergebnislos, wenn sie anderen Politiken untergeordnet bleibt. Dies gilt auch für Sachsen.
Meine Damen und Herren, man kann es auch anders sagen, nämlich mit den Worten eines spanischen Europapolitikers. Er äußerte, es gebe überhaupt keine europäische Beschäftigungspolitik, sondern nur eine von der EU gewollte neoliberale Politik.
Der Lissabonner Gipfel ist nach fünf Jahren, bezogen auf das gesetzte Ziel der Vollbeschäftigung, reine Makulatur. Leider!
Nun kann man richtigerweise auf die EU und die Bundesregierung verweisen, doch sollte auch vor der eigenen Tür gekehrt werden. Es ist Sachsen nicht gelungen, Wirtschaftspolitik und Beschäftigungspolitik so zu gestalten, dass daraus übers ganze Land Ergebnisse gelingen. Dazu kommt ja noch, dass neben den Leuchttürmen der wirtschaftlichen Entwicklung der beschäftigungspolitische Schattenwurf länger und länger und auch immer sichtbarer wurde. Der Trend geht statt in Richtung Vollbeschäftigung in die verkehrte Richtung des Lohndumpings – und dies keineswegs in dem oft suggerierten Umfang wegen unserer Nachbarschaft zu den EU-Neumitgliedern Polen und Tschechien.
Erhellend in dieser Frage des Lohndumpings ist zum Beispiel folgende Tatsache, auf die DGB-Chef Sommer nach einem Treffen mit seinem tschechischen Amtskollegen Milan Stech hinwies: „Mir drohen sie immer damit, dass die Firmen nach Tschechien auswandern, und Milan drohen sie, dass sie noch weiter nach Osten ziehen.“
Nicht nur deshalb fordern die Gewerkschaften, was auch unlängst in Hoyerswerda auf der deutsch-tschechischpolnischen Integrationskonferenz anklang, europäische Standards in der Lohn- und Sozialpolitik.
Meine Damen und Herren, gerade bei uns in Sachsen in Nachbarschaft zu den zwei neuen EU-Mitgliedern bedarf es zum Erreichen einer höheren Beschäftigung und schließlich auch der Vollbeschäftigung grenzüberschrei
Der DGB plädiert für die Bildung von grenzüberschreitenden Produktions- und Informationsnetzwerken. Eine Sozialunion – und das wäre die wirkliche Erfüllung der Lissabon-Strategie – bedeutet für Sachsen, für Ostdeutschland und für die neuen Mitgliedsländer eine möglichst schnelle Angleichung an das höhere Lohnniveau und mitnichten, wie es einige in Wirtschaft und Politik gern hätten, das Angleichen des westdeutschen an das ostdeutsche, des westeuropäischen an das osteuropäische Niveau. Eine vorgegaukelte Vollbeschäftigung bei fast leeren Lohntüten wäre pervers.
Ich bitte Sie daher, meine Damen und Herren, uns in der Folgedebatte zum Beispiel nicht Ein-Euro-Jobs oder IchAGs als Umsetzung der Lissabon-Strategie schmackhaft machen zu wollen oder die Schuld für Hartz IV auf die EU zu schieben. Die EU selbst spricht in ihren Papieren zur Halbzeitbewertung der Lissabon-Strategie davon, „Arbeit lohnend zu machen“. Um es ganz klar zu sagen: Aus Sicht der PDS muss sich Arbeit zuvörderst für die lohnen, die sie erbringen.
Ich komme zum Schluss. Meine Damen und Herren, ich komme zur Schlussbemerkung. Die Tatsachen, die ich zu schildern versucht habe, erfordern ein Festhalten an den ursprünglichen Zielen der Lissabon-Strategie. Sie erfordern, die durch die Kommission neu vorgeschlagenen Methoden zur Zielerreichung kritisch zu prüfen und Untaugliches, wie zum Beispiel die Erhöhung des Renteneintrittsalters, zu verwerfen. Darüber hinaus gilt es, dem Missbrauch der Lissabon-Strategie zu wehren. Das gilt zum Beispiel für den Versuch der Bundesregierung, mit ihrem im Oktober 2004 zur Halbzeitbilanz der Lissabon-Strategie eingereichten Positionspapier die Stellung der europäischen Rüstungsindustrie zu stärken. Die EU muss ein ziviles Projekt bleiben. Dafür tritt die PDS auf allen Verantwortungsebenen ein.
Abschließend gilt: Jetzt braucht die EU die Sozialunion und der Freistaat Sachsen mindestens eine wirtschafts- und sozialpolitische Partnerschaft mit den uns umgebenden Regionen und Staaten auf gleicher Augenhöhe.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich diesem Thema aus einer anderen Sichtweise nähern. Viele Facetten und Teile sind genannt worden. Lassen Sie mich trotz aller