Das kommt auch überdeutlich in der Koalitionsvereinbarung von SPD und CDU heraus. Da steht nämlich wenig davon drin, dass die Lebensverhältnisse in Deutschland angeglichen werden sollen, sondern da spricht man auch von Angleichung an Böhmen und Polen, was dann auch zur Folge haben müsste, dass natürlich die Sozialleistungen und alles andere auch nivelliert werden.
Wir Nationaldemokraten verwahren uns gegen diese unsozialen Interessen, diese unsoziale Globalisierungsstrategie. Ich möchte noch einmal zitieren: „Mit Regelungen wie dem so genannten Herkunftslandprinzip ist die neue europäische Dienstleistungsrichtlinie mit uns nicht machbar.“ Das hat nun wiederum der europapolitische Sprecher der SPD im Bayerischen Landtag gesagt. Mit diesen Worten möchte ich schließen und denke, dass ich da besonders die Zustimmung der SPD habe.
Das war die erste Runde der Fraktionsdebatte, meine Damen und Herren. Ich frage die Staatsregierung. – Entschuldigung. Es spricht zuvor noch Herr Dr. Schmalfuß von der FDPFraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich würde gerne noch etwas zur europäischen Einigung auch vor dem Hintergrund der Ausführungen des Abg. Leichsenring sagen. Die Einigung Europas, die 1945 begonnen hat, ist der Grundstein für Freiheit und Liberalismus.
Auch Ihre Partei, Herr Apfel, wird die europäische Einigung nicht aufhalten können, dass Rumänien und Bulgarien unter dem Dach Europas Einzug halten werden.
Ich möchte jetzt gern zu dem eigentlichen Antrag kommen – Zwischenbilanz zum Lissabon-Prozess. Mir ging es hier genauso wie dem Kollegen Schowtka, dass ich mich gefragt habe, was diese Vereinbarung, die von den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaft vom Frühjahr 2000 getroffen worden ist, mit der weiteren Entwicklung des Freistaates Sachsen zu tun hat. Es ist ein Katalog konkreter strategischer Ziele vereinbart worden, die sich bis 2010 realisieren lassen sollten – zum Thema Wirtschaftspolitik, zum Thema Sozialpolitik und zum Thema Umweltpolitik.
Die nächsten Ziele waren, dass wir stärkeres, nachhaltigeres Wachstum, das heißt, einen Konjunkturaufschwung, Innovationsstärken und ein Binnenwachstum, haben wollen, darüber hinaus die Schaffung von Arbeitsplätzen durch eine Steigerung der Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Ich frage mich wirklich, Frau Hermenau, warum Sie hier die Debatte führen. Ihre Regierungspartei in Berlin kann doch diese Ziele hervorragend mit umsetzen. Ich verstehe nicht, dass wir hier die Debatte führen.
Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sollten im Lissabon-Prozess 3 % betragen. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung, seit Sie Verantwortung mit Ihrer Partei in Berlin mittragen, bewegen sich im Zeitraum von 1998 bis 2003 zwischen 2,3 und 2,5 %. Ihre Partei hat es in der Hand, hier Mehrausgaben für Forschung und Entwicklung im Haushalt einzustellen. Das nenne ich ein sehr dürftiges Wachstum.
Was können wir hier in Sachsen und auf Bundesebene tun, um den Lissabon-Prozess zu beschleunigen? Wir können zum einen Unterstützung von Innovation sowie Forschung und Entwicklung vorantreiben. Innovationsfelder wie Gentechnik im Sinne des Lissabon-Prozesses sollten wir fördern und nicht behindern. Ich erinnere hier nur an das Gentechnik-Gesetz der Grünen. Innovation sollten wir in Deutschland halten: Transrapid, die Kerntechnik. Hier kann man sagen, dass Rot-Grün Technologie aus Deutschland vertreibt.
Ich möchte mich an dieser Stelle auch noch einmal bei unserem Wirtschaftsminister, Herrn Staatsminister Jurk, bedanken, dass er den Mittelstandsfonds von 30 auf 35 Millionen Euro aufgestockt hat.
Wir haben hier ein Instrument in der Hand, technologieorientierten Unternehmen ab 1. April – so habe ich Sie verstanden – Eigenkapital zur Verfügung zu stellen. Sie sollten vielleicht als Anregung noch einmal darüber nachdenken, dass man diesen Fonds öffentlich ausschreiben könnte und nicht unbedingt bei der Landesbank Sachsen ansiedeln muss. Wir sollten darüber hinaus nicht nur selektiv Innovation fördern wie beispielsweise die Windenergie, was das Lieblingskind von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist, oder Dieselruß-Partikelfilter, mit dem wir uns gestern beschäftigt haben. Es gibt in Sachsen eine Reihe von Technologiefeldern, die wir weiterhin unterstützen sollten. Ich nenne hier nur ausgewählte Bereiche: die Biotechnologie, die Nanotechnologie mit dem Kompetenzzentrum an der TU Chemnitz und an der TU Dresden, die Mikrosystemtechnik in Chemnitz, den Standort Freiberg für neue Materialien und Werkstoffe. Nicht zuletzt hat Sachsen einen Nachholbedarf im Bereich der Gentechnologie.
Technologieförderung, Frau Hermenau, darf nicht Behinderung von Forschung und Wissenschaft sein, sondern Technologieförderung heißt, dass ich finanziell und natürlich auch die Rahmenbedingungen dafür schaffe, dass Forscher ihre Entwicklungen vorantreiben können und auch in den Markt hineintragen.
Wir haben im Freistaat Sachsen und in Ostdeutschland noch einen sehr geringen Anteil an Beschäftigten in Forschung und Entwicklung. Dieser liegt etwa 50 % niedriger als in vergleichbaren alten Bundesländern. Wir haben von 100 Beschäftigten in der Wirtschaft in Sachsen zwei in der Forschung und Entwicklung und in vergleichbaren Flächenländern der Bundesrepublik alt etwa vier von einhundert. Hier haben wir Nachholbedarf.
Ich komme zum letzten Punkt, zur Stärkung der Binnenkonjunktur. Was können wir tun? Es heißt weitere Liberalisierung, unter anderem auch der Energiemärkte. Themen sind weiterhin die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der sächsischen Wirtschaft durch Abbau der Bürokratie und nicht zuletzt die Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten nicht nur für mittelständische Unternehmen, sondern auch für Forschung und Entwicklung.
Das war in der ersten Runde die FDP-Fraktion. Nun bitte ich die Staatsregierung, das Wort zu nehmen. Herr Staatsminister Winkler, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben es gehört: Es ist fünf Jahre her, dass der Europäische Rat auf seinem Frühjahrsgipfel in Portugal die so genannte LissabonStrategie beschloss. Das Ziel wurde auch schon genannt. Die Union sollte bis zum Jahr 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt gemacht werden – hehre Ziele, aber ich glaube, bis zum heutigen Zeitpunkt haben es die Letzten gemerkt, dass Deutschland von diesen ehrgeizigen Zielen der Lissabon-Strategie weit entfernt ist. Gewiss – das wurde auch schon genannt – gibt es Faktoren, die extern gewirkt haben, wie zum Beispiel die Krise in der New-Economy oder der 11. September des Jahres 2001, der Irak-Krieg und die Ölpreissteigerungen. Die eigentlichen Gründe für das Scheitern der Strategie sind hausgemacht. Die ursprünglichen Ziele der Lissabon-Strategie, nämlich Wettbewerbsfähigkeit und wissenschaftliche Leistungsfähigkeit, sind auf nachfolgenden Gipfeltreffen durch soziale und ökologische Komponenten regelrecht verwässert worden. Es fehlt an einer klaren Verantwortungsteilung zwischen der EU und den Mitgliedsstaaten für das Erreichen der eingegangenen Verpflichtungen. Entscheidend sind vor allem fehlende Reformen in den Mitgliedsstaaten der EU.
Für den Erfolg der Lissabon-Strategie ist substanziell, dass jeder einzelne Mitgliedsstaat, also auch Deutschland, die notwendigen wirtschafts-, sozial- und steuerpolitischen Hausaufgaben unter Berücksichtigung der nationalen Besonderheiten zügig und konsequent erledigt. Das fehlt bei uns. Ich darf die Kollegin Hermenau darauf hinweisen, dass meines Erachtens die Grünen in der Bundesregierung mit in der Verantwortung sind. Das heißt, dass bei der regionalen Umsetzung auch diese Seite gefragt ist.
Ich weiß, dass mit der überhäuften Visa-Erteilung ganz schöne Kräfte gebunden sind, aber man muss sich eben auch um die eigentlichen Aufgaben kümmern. Die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit Deutschlands als der größten europäischen Volkswirtschaft ist im internationalen Standortwettbewerb im Vergleich zu den USA und den asiatischen Staaten weit zurückgefallen und die EUErweiterung hat die strukturellen Defizite Deutschlands nun offen gelegt. Die hohen Lohn- und Lohnnebenkosten sowie die Überregulierung des Arbeitsmarktes führen zu hoher Arbeitslosigkeit und einer schwachen Investitionstätigkeit in Deutschland; steuerliche Nachteile gegenüber Standortkonkurrenten begünstigen zudem den Trend zu Unternehmensverlagerungen. Die Zahl hatten wir heute auch schon einmal: Es finden zurzeit, wenn man es auf die Tage berechnet, täglich 49 Unternehmensverlagerungen statt. Das ist einfach zu viel, weil wir hier in Deutschland bzw. in Sachsen jeden Arbeitsplatz dringend brauchen.
Die hohe Staatsverschuldung entzieht dem Wirtschaftskreislauf Geld, das dann natürlich bei Investitionen, die weitere Arbeitskräfte schaffen, fehlt.
Was ist nun zu tun? Die Agenda einfach so zu den Akten legen? – Ich glaube, das ist der falsche Weg; das wäre für die weitere Entwicklung Deutschlands, auch der EU fatal. Angesichts des weiter zunehmenden globalen Wettbewerbs und der demografischen Entwicklung in Europa sind weder die Zielsetzungen noch der zeitliche Rahmen der Lissabon-Strategie zu ehrgeizig. Vielmehr muss gerade angesichts der mageren Zwischenbilanz ohne Abstriche an den Zielen Lissabons festgehalten werden.
Die Kommission sieht diesen Grundsatz genauso. Sie wird dem Europäischen Rat Ende März unter dem etwas farblosen Titel einer „Partnerschaft für Wachstum und Arbeitsplätze“ ein komplexes Paket zur Annahme empfehlen. Im Kern besteht es aus einer Rückbesinnung auf die Schaffung eines beschäftigungswirksamen Wirtschaftswachstums und einer Zuweisung der Verantwortung für den Reformprozess richtigerweise ganz wesentlich auf die Mitgliedsstaaten.
Die Sächsische Staatsregierung begrüßt diese überfällige Konzentration der Lissabon-Strategie. Natürlich soll und muss Wachstum umwelt- und sozialverträglich gestaltet werden. Aber es gehört zu den Lehren der vergangenen Jahre, dass zuerst die Voraussetzungen für Wachstum gelegt sein müssen, bevor man sich an die Gestaltung des Wachstumsprozesses macht. Lange bevor der Weg in die wissensbasierte Wirtschaft in Lissabon beschlossen wurde, sind die hierfür erforderlichen strategischen Entscheidungen in Sachsen bereits getroffen worden. Lissabon ist für die Sächsische Staatsregierung kein politisches Schlagwort; es ist seit 1990 bereits Programm.
Mit einer konsequenten Orientierung auf Zukunftstechnologien und Unternehmenswachstum sind schon damals die zwingend erforderlichen Weichenstellungen vollzogen worden. Sachsen wendet heute 2,5 % des Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Entwicklung auf. Damit ist Sachsen das einzige östliche Bundesland, das den gesamtdeutschen Wert überhaupt erreicht.
Auch aus diesem Grund arbeiten gut 40 % der ostdeutschen Industrieforscher auf sächsischem Boden – dies sind immerhin mehr als 10 000 hoch qualifizierte Arbeitskräfte. 95 % der Forschung und Entwicklung betreibenden Unternehmen in Sachsen sind allerdings kleine und mittlere Unternehmen, die ihre größenbedingten Nachteile dadurch ausgleichen, dass sie Forschungsarbeiten im Verbund mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen durchführen.
Für die neu entstandene Klein- und mittelständische Struktur der neuen sächsischen Wirtschaft hat die Staatsregierung frühzeitig eine Cluster- und Netzwerkpolitik konzipiert; ich nenne an dieser Stelle einmal fünf der bereits existierenden und gut funktionierenden Netzwerke – wir kennen sie alle: Das sind die Automobilzulieferinitiative AMZ 2005, die Verbundinitiative Maschinenbau Sachsen, die Silicon Saxony für die Mikroelektronik und die Informationstechnologie und die Verbundinitiative Sächsische Medizintechnik und beispielsweise auch das Netzwerk Biosaxony für Biotechnologie und Umwelttechnik.
Im Ergebnis ist zu konstatieren, dass die sächsische Lissabon-Strategie die erhofften Früchte trägt. Mit einem Zuwachs der Bruttowertschöpfung von rund 13 % erreichte Sachsens Industrie 2004 den Spitzenwert aller ostdeutschen Länder.
Im gleichen Jahr erzielten wir dann 2,3 % – gemeinsam mit Bayern ist das erneut die höchste Wachstumsrate beim Bruttoinlandsprodukt und wir lagen als einziges der neuen Länder deutlich über dem gesamtdeutschen Durchschnitt.
Jetzt will ich noch etwas sagen zu dem Problem Arbeitslosigkeit und zu der Rede von Herrn Leichsenring und dem Auftreten der NPD. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Mit Ihrer grundsätzlichen Politik – gegen Globalisierung, gegen die EU und mit plumpen Sprüchen wie „Grenzen dicht!“ – schaffen Sie keinen einzigen Arbeitsplatz in Sachsen. Sie sind der größte Arbeitsplatzvernichter, den es hier gibt.
Ich sage noch einmal: Sie sind der größte Arbeitsplatzvernichter, den es hier gibt, und ich untermaure das mit einem ganz konkreten Beispiel.
So witzig finde ich das im Übrigen nicht, wenn es hier um Arbeitsplätze und um Menschen und um Einkommen von Familien in Sachsen geht!
Ich zitiere Ihnen aus einem Schreiben. Eine Berliner Firma, die für einen US-amerikanischen Partner eine Tagung organisieren wollte, schickte an die Regierung einen Brief, in dem sie schreibt: „Unser Kunde aus den USA hat nach Nachrichtenberichten bezüglich den Ereignissen im Landtag Sachsen in der letzten Zeit beschlossen, die Tagung auf einen anderen Ort zu verlegen. Man wolle einfach einen geeigneteren Ort für die wichtige Tagung finden und zieht hiermit die Anfrage bei Ihnen zurück.“ Und der Generaldirektor des „Hilton Dresden“ schreibt an uns: „Dieser Event hätte unserem Haus einen fünfstelligen Umsatz beschert und ich möchte Ihnen mit dieser Information verdeutlichen, welche ernsthaften Konsequenzen die aktuelle Situation auch künftig für die Tourismusbranche haben wird.“
Das ist Ihre Politik, das ist das Ergebnis Ihres Tun und Wirkens hier, und da sollten Sie in sich gehen und sich in Zukunft danach richten!