Protokoll der Sitzung vom 25.01.2008

Es ist an die Fachministerkonferenz der Auftrag ergangen, mithilfe eines Arbeitsgremiums diese Dinge für die nächsten Wochen und Monate vorzubereiten, und wenn Sie meinen Ausführungen gefolgt sind, haben Sie festgestellt, dass besonders die sozialversicherungspflichtigen Beiträge eine Rolle spielen und damit ein Stück weit die Verantwortung in unserer Länderkompetenz, sprich: der Fachminister, liegt, hier dem Finanzressort einen adäquaten Vorschlag zu unterbreiten. Dieser wird entsprechend vorbereitet. Ich hoffe, dass wir mit der vorgetragenen Lösung auch eine Lösung für die angesprochenen sächsischen Probleme finden.

Ich bin dankbar, dass alle Redner in ihren Beiträgen noch einmal darauf hingewiesen haben, dass die Kindertagespflege in Sachsen ein wichtiges Qualitätsangebot für die Kinderbetreuung darstellt, das aus der Landschaft nicht mehr wegzudenken ist, und dass wir gemeinsam die Aufgabe haben, dieses zu erhalten.

Lassen Sie mich noch einen Satz zum Antrag der Linksfraktion sagen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir heute schon Vorkehrungen treffen können, um eventuellen Ergebnissen aus der von mir eben genannten Arbeitsgruppe vorzugreifen und diese sicherzustellen. Das scheint mir ein wenig schwierig.

(Beifall der Abg. Margit Weihnert, SPD)

Ich hoffe bzw. ich bin überzeugt, dass die Koalitionsfraktionen dieser abstrusen Idee nicht zustimmen werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Herr Abg. Neubert, Sie möchten noch einmal in die Debatte eingreifen? – Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie noch einige Bemerkungen zur Debatte und zu dem, was Frau Ministerin zum letzten Punkt unseres Änderungsantrages gesagt hat. Ich denke, es ist die Verantwortung des Sozialministeriums, in Anbetracht einer möglichen Änderung in diesem Bereich bereits die Kommunikation mit den Landkreisen und Kommunen zu suchen, wie man dem begegnen kann. Deshalb halte ich es nicht, wie Sie es gesagt haben, für unnötig, weil man noch gar nicht wüsste, was kommt, denn irgendetwas wird im Jahre 2009 schon kommen.

(Zuruf der Staatsministerin Helma Orosz)

Ein zweiter Punkt. Herr Krauß, Sie sagen, der Bund bestellte und müsse es auch bezahlen. Dabei müssen wir aber auch ehrlich sein. Sicherlich haben Sie das Schreiben aus dem Jahre 1990 gelesen. Man muss darauf hinweisen, dass das bereits 18 Jahre her ist und die Zeit sich um einiges verändert hat, auch in diesem Bereich. Die Diskussion um frühkindliche Bildung hat heute einen ganz anderen Stellenwert als damals. In diesem Schreiben steht

Ich rufe nun zum Schlusswort auf. Herr Krauß, bitte.

bezüglich der Steuerfreiheit der Einnahmen aus der Kindertagespflege: „Voraussetzung ist jedoch, dass es sich um eine auf Dauer angelegte Pflege handelt und die Pflege nicht erwerbsmäßig betrieben wird. Erwerbsmäßig wird die Pflege betrieben, wenn das Pflegegeld die wesentliche Erwerbsgrundlage darstellt.“ – Davon sprechen wir doch. Deshalb müssen wir diesbezüglich ehrlich sein. „Bei einer Betreuung von bis zu fünf Kindern kann jedoch ohne nähere Prüfung unterstellt werden, dass die Pflege nicht erwerbsmäßig betrieben wird.“

Wir wissen, dass dieser Text nicht mehr in unsere heutige Zeit und auch nicht in diese Diskussion passt. Deshalb ist es nur konsequent, in diesem Bereich einkommenssteuerrechtliche und sozialversicherungspflichtige Angebote zu unterbreiten.

Ich komme zum nächsten Punkt. Wir wissen doch, dass die Kommunen für die Kindertagespflege und die Kindertagesstätten das gleiche Geld erhalten. Wir wissen auch, dass die Kommunen Geld einsparen, wenn sie Tagespflege statt Krippe anbieten. Wir sprechen von 350 Euro pro Monat. Das ist der Mittelwert. Das heißt, wir sprechen von 4 200 Euro pro Jahr, die die Kommunen einsparen, wenn sie Tagespflege anstatt Krippe anbieten. Das bedeutet doch nicht ein Abwälzen dieser Dinge auf die Kommunen, sondern das heißt, dass die Kommunen der Verantwortung gerecht werden und das nicht als Sparmaßnahme begreifen.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion – Beifall der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Noch eines zu unserem Antrag und zu dem, was Sie in der Begründung geschrieben haben: dass man perspektivisch schauen müsse, wie man damit umgehe. Deshalb ist der Antrag zielgenau. Wir werden uns daher bei Ihrem Punkt 1 enthalten. Ich möchte Sie aber trotzdem noch fragen, ob der zweite Punkt von Ihnen wirklich für erledigt erklärt werden soll, weil genau das der spannende Aspekt wäre, das heißt, die Änderungen aufzudröseln, um zu schauen, mit welchen Belastungen Tagespflegepersonen konfrontiert werden, um dann die Diskussion zu führen, in welcher Höhe die Zuschüsse hochgeschraubt werden.

Eine abschließende Bemerkung. In Dresden wurden die Zuschüsse für Tagespflegepersonen schon verändert. Hier ist man den Weg gegangen, den wir vorschlagen.

Danke.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will es kurz machen. Wir halten an dem vorgeschlagenen Weg fest: Punkt 1 wollen wir zur Abstimmung stellen, Punkt 2 wollen wir nicht zur Abstimmung stellen. Noch einmal für Herrn Neubert zur Erklärung: Wir haben darin den 1. Januar 2008 stehen und halten es für merkwürdig, wenn wir im Futur sprechen. Der 1. Januar 2008 ist nun einmal vorbei. Deswegen hat sich diese Angelegenheit auch erledigt. Außerdem findet die Besteuerung zurzeit nicht statt. Deshalb ist es meiner Meinung nach unsinnig, einen solchen Antrag zur Abstimmung zu stellen. Also noch einmal: Punkt 1 bleibt bestehen und Punkt 2 fällt weg.

Dann treten wir in die Abstimmung ein. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihnen liegt ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE vor. Ich betrachte ihn schon als eingebracht. Herr Neubert, kann ich das so sehen?

Er wurde schon mit der Rede eingebracht. Der Änderungsantrag hat die Drucksachennummer 4/11075, der ein Punkt angefügt werden soll. Ich frage, ob sich dazu noch jemand äußern möchte. – Das ist nicht der Fall.

Dann stimmen wir darüber ab. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 4/10075, zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei 3 Stimmenthaltungen und einer größeren Anzahl von Stimmen dafür ist dieser Änderungsantrag dennoch abgelehnt worden.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD, Drucksache 4/10580. Wir stimmen nur über den Punkt 1 ab. Der Punkt 2 wurde für erledigt erklärt. Wer dem Punkt 1 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Ohne Gegenstimmen und bei einer größeren Anzahl von Stimmenthaltungen ist der Punkt 1 mehrheitlich beschlossen worden. – Wir können somit diesen Tagesordnungspunkt beenden.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 8

Keine Verschärfung des Jugendstrafrechts – jugendkriminalpolitische Konzeption der Staatsregierung auf den Tisch legen

Drucksache 4/10837, Antrag der Linksfraktion

Prävention und schnelle Intervention bei Kriminalität von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden statt Strafverschärfung

Drucksache 4/10890, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: Linksfraktion, GRÜNE, CDU, SPD, NPD, FDP und die Staatsregierung, wenn gewünscht. – Ich erteile der Linksfraktion das Wort; Herr Abg. Bartl, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Anlass und Grund dafür, dass die Linkspartei heute den in der Drucksache 4/10837 vorliegenden Antrag eingereicht hat, sind allenthalben bekannt. In Not und Pein, die SPD mit Frau Ypsilanti, die GRÜNEN mit Tarek Al-Wazir und zu guter Letzt noch die inzwischen bei 5 % gehandelte Linkspartei könnten ihn vom Hof der Macht vertreiben, startete Hessens Ministerpräsident Roland Koch just zu Beginn des neuen Jahres seine Kampagne zur komplexen Verschärfung des Jugendstrafrechts. Wie bestellt kam ihm die natürlich verabscheuungswürdige, aber nun wahrlich keinen eklatanten Einzelfall darstellende U-BahnSchlägerei im Berliner Stadtteil Schöneberg zum Silvesterabend zu Hilfe, um nun von seiner Seite aus an elementare Besitzstände des deutschen Jugendstrafrechtes Hand anzulegen.

Wie weiland zu den Landtagswahlen 1999, als Koch mit seiner Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft am inneren Frieden der Bundesrepublik Deutschland herumzündelte, startete er mitten in der heißen Phase des Wahlkampfes in Hessen, für welchen ihm die Demoskopen einen sehr unsicheren Ausgang voraussagen, eine riesige und im doppelten Sinne plakative Aktion zum Thema Innere Sicherheit, in deren Mittelpunkt ein 6-Punkte-Plan für ein schärferes Jugendstrafrecht steht:

1. Warnschussarrest für Serienstraftäter;

2. die durchgängige Anwendung des Erwachsenenstrafrechts ausnahmslos auf alle Täter jenseits von 18 Jahren, also 18 bis 25 Jahre, die sogenannten Heranwachsenden;

3. Erhöhung der derzeitigen Höchststrafe für Jugendliche von zehn auf 15 Jahre;

4. Einführung der Möglichkeit der gegebenenfalls lebenslangen Sicherungsverwahrung auch für Jugendliche;

5. Fahrverbot als Sanktionsmöglichkeit, quasi als Sonderstrafe für Jugendliche sowie

6. die Möglichkeit einer unbürokratischen – sprich: formlosen – Ausweisung von Ausländern bei einer Mindeststrafe von einem Jahr.

Eine Woche darauf dann die Zusage, die Strafmündigkeitsgrenze, die in Deutschland aus vielerlei guten Gründen bei 14 Jahren liegt, abzusenken – von vielen Kommentatoren als der dreiste Ruf zur Einführung eines Kinderknastes apostrophiert.

Nun könnte uns das, was in Wiesbaden geschieht und was sich Koch ausdenkt, der nun wahrlich nicht in Anspruch nehmen kann, der Gralshüter des Rechtes zu sein – siehe seinerzeit die Spendenaffäre –, wenig interessieren. Was uns beschwert, ist, dass unser eigener Justizminister, Herr Mackenroth, sich sofort dranhängte und begann, sein eigenes Süppchen in puncto Halali auf das Jugendstrafrecht zu kochen. Am 4. Januar 2008 hat uns der Herr Justizminister auf der Neujahrs-Politmatte seine Position verkündet, dass nach seiner Überzeugung die Jugendlichen, die zur Bewährung verurteilt wurden, dies als reinen Freispruch betrachten – woher er diese Überzeugung hat, hat er allerdings nicht argumentiert –, weshalb es einen sogenannten ergänzenden Warnschussarrest geben müsse. Herr Mackenroth forderte, nur noch in Ausnahmefällen Heranwachsende nach dem deutschen Jugendstrafrecht zu verurteilen, so als ob er nie die gegenteilige Auffassung der Richterschaft – immerhin war er einmal Vorsitzender des Deutschen Richterbundes – zur Kenntnis genommen hätte.

Nach den Berichterstattungen der Medien hat sich unser Justizminister auch den Ruf nach speziellen Erziehungslagern nach dem Beispiel der amerikanischen Bootcamps zu eigen gemacht. Hierzulande sollen sie „geschlossene Erziehungsstätten“ genannt werden und außerhalb von Gefängnissen mit geordnetem Tagesablauf, klaren Regeln und sinnvoller Tätigkeit funktionieren. Laut Medien begründet Herr Mackenroth dies so: Die Jugend müsse wieder mehr Autorität des Staates zu spüren bekommen.

(Karl Nolle, SPD: Das ist Ihre Privatmeinung!)

Privatmeinung. – Als dann noch der Schulterschluss mit Koch und Kohl in puncto Wortführung für die Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters folgte – zumindest wiederum laut Presseberichterstattung – mit dem verqueren Zungenschlag unseres Justizministers mitten auf dem Dresdner Schlossplatz, dass dies zur Bekämpfung von Kinderbanden nötig sei – obgleich er auf die Frage, wo

wir in Sachsen Kinderbanden hätten, antwortete, wir hätten keine –, war für uns das Maß voll.

Nunmehr schien es uns schon notwendig, Kollege Mackenroth, dass wir nochmals die Debatte eröffnen, die wir bereits zu Beginn dieses 4. Sächsischen Landtages geführt hatten, nämlich im Herbst 2004 bis hinein ins Jahr 2005, zur Drucksache der Linksfraktion zum Antrag „Aufgabe des in der bisherigen“ – gemeint ist: von der 3. –„Wahlperiode von der Staatsregierung verfolgten Konzeptes zur Verschärfung des Jugendstrafrechtes“. Was uns beim Nachlesen erstaunt, Herr Staatsminister: Sie haben seinerzeit in der Stellungnahme zu diesem Antrag vom 16. Dezember 2004 mitgeteilt, dass Sie als Leiter der Arbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses der Justizministerkonferenz zum Reformbedarf und zur Änderung des Jugendstrafrechtes zu der Erkenntnis gelangt seien – ich zitiere –: „..., dass sich das Jugendstrafrecht in seiner Grundstruktur und in seinen Leitprinzipien bewährt hat und insoweit nicht veränderungsbedürftig ist“. Weiter heißt es in der Stellungnahme, dass „... insbesondere der Erziehungsgedanke im Jugendstrafrecht beizubehalten ist und dass Änderungen nicht einseitig auf eine Verschärfung oder Milderung des Jugendstrafrechtes abzielen, sondern auf eine sinnvolle Erweiterung des Sanktionsspektrums, wobei der Jugendrichter mit seiner breiten Palette möglicher Reaktionen einzelfallbezogen sowie tat- und schuldangemessen dem Erziehungsgedanken bereits heute genügen kann.“ – Also ein Standpunkt, von dem wir meinten: Alles klar, wir haben ein ordentlich funktionierendes Jugendstrafrecht; es geht darum, die Anwendung zu perfektionieren und dabei voranzukommen.

Wir waren auch guter Hoffnung, dass die am 9. Mai 2005 vor dem Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss durchgeführte Anhörung mit wahrlich namhaften Experten aus Wissenschaft und Praxis – ich nenne einmal den Dresdner Landgerichtspräsidenten, der hier war, gleichzeitig Verfassungsrichter in Sachsen, Herrn Lips; die Oberstaatsanwältin Dr. Claudia Laube aus Leipzig, Christian Avenarius aus Dresden, Herrn Hochschulprofessor Sonnen, zugleich Vorsitzender des Bundesvorstandes der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen; sie alle waren dabei.

Der eindeutige Tenor war, unser Jugendstrafrecht biete genügend Möglichkeiten, dem Erziehungsgedanken zu genügen. Es geht darum, dass den aktuellen Erscheinungsformen der Jugendkriminalität in Aktion und Prävention durch die Anwendung des geltenden Rechtes besser begegnet wird.

Genau diese Ignoranz, genau diese völlige Abstraktion dessen, was die Praktiker und einschlägigen Wissenschaftler bundes- und landesweit sagen – nämlich: es gibt keinen vernünftigen Grund, am Jugendstrafrecht herumzubasteln –, das ist es, was uns die Frage aufdrängt: Woher nehmen Sie die Notwendigkeit und das Recht, als Justizminister des Freistaates nun von Sachsen aus herumzuzündeln?