Protokoll der Sitzung vom 05.03.2008

(Beifall der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir könnten auch aus Dresdner Sicht fragen – ich bin Dresdnerin und darf das deshalb –: Wie können wir verhindern, dass das Weltkulturerbe politischen Interessen geopfert wird? So

stehen doch im Moment die Fragen in Dresden, verdammt noch mal!

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Die Antwort kann doch wirklich nicht sein, dass wir gar nichts tun und nur hier sitzen und philosophieren, ob das Gesetz passend ist oder nicht. Die oft wiederholte, rein juristisch indizierte Antwort, dass Sachsen nicht verpflichtet sei, ein solches Gesetz wie das vorliegende aufzulegen, bringt uns doch keinen Millimeter weiter. Die neue Brücken-Variante in Dresden folgt dem Prinzip „dünnere Elefantenbeine“; etwas anderes ist es nicht! Man muss genau hinsehen, was den alten vom neuen Brücken-Entwurf unterscheidet. Manchmal finden Spiele statt nach dem Motto: „Kreuzen Sie an, was neu ist!“ Ich habe kaum Unterschiede zwischen beiden Brückenmodellen gefunden. Sollte die UNESCO nun entscheiden, dass der Bau der Waldschlößchenbrücke in Dresden auch in der leicht retuschierten Variante zur Aberkennung des Welterbetitels für das Dresdner Elbtal führt, dann ist das eine weltweite Blamage für uns alle in dieser Republik.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Insofern hat Ihre hochgeschätzte Frau Merkel durchaus unrecht, wenn sie hierbei von einem „regionalen Konflikt“ spricht, der regional gelöst werden müsse. Der Verlust des Welterbetitels ist auch Bruch von Völkerrecht. Entschuldigung, aber das muss auch die Bundesebene in gewisser Weise interessieren!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind hier, um als Parlament Vorkehrungen zu treffen, das Kulturerbe zu schützen, um es Generationen nach uns weitervererben zu können. Wir sind hier, um politisch zu entscheiden und nicht tatenlos zuzuschauen, wie in der Landeshauptstadt der Welterbetitel verspielt wird. Sie warten und warten ab. Sie sitzen immer nur da und bewegen sich nicht. Das ist doch das Problem der CDU!

Machen Sie doch die Augen auf, damit Sie sehen, was gegenwärtig in der Landeshauptstadt passiert! Das ist doch absurd: Ein neuer Bürgerentscheid über einen Tunnel statt einer Brücke zur Rettung des Welterbetitels wird durchgeführt. Ich will ganz ehrlich sagen, es ist die letzte Gelegenheit, um überhaupt noch den Welterbetitel zu retten. Das muss man sich einmal überlegen. Da muss man einen erneuten Bürgerentscheid durchführen. So ist die Sachlage. Da fragt keiner mehr nach verkehrspolitisch sinnvollen Lösungen. Das interessiert gar keinen mehr. Das ist weg! Wir werden irgendetwas bauen, egal ob es vernünftig ist oder unvernünftig, ob es gebraucht wird oder nicht. Diese Diskussion gibt es schon lange nicht mehr in Dresden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich können wir mit diesem Gesetzentwurf nicht alle Probleme lösen. Das hat auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht behauptet. Ich kann auch die Kritiken aus der Anhörung durch und durch nachvollziehen. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat vieles davon aufgenommen und ihren Entwurf geändert. So wird

nunmehr die oberste Denkmalschutzbehörde durch Rechtsverordnung ermächtigt, Maßnahmen zu kennzeichnen, die dem denkmalschutzrechtlichen Eingriffsinstrumentarium zu unterwerfen sind. Auf diese Weise kann man kennzeichnen, welche Maßnahmen denkmalschutzrechtlichen Eingriffen unterliegen und welche nicht. Das macht die Sachlage bei 20 Kilometern Dresdner Elbtal etwas leichter.

Ich kann nur sagen: Wer bessere Ideen hat, möge sie doch äußern. Die CDU-Fraktion hat dafür nichts getan, weder im Land noch in der Stadt – im Gegenteil, sie bewegt sich nicht, führt Eiertänze auf und die Betonpolitik der Landes-CDU findet sich auch in der Stadt wieder.

(Widerspruch des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Ich denke, dass das verantwortungslos ist. Meine Fraktion ist der Auffassung, dass der vorliegende Gesetzentwurf ein Schritt in die richtige Richtung ist – gut genug, um ihn zu unterstützen.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Für die SPDFraktion spricht Herr Bräunig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man dieser Debatte folgt, kommt das Gefühl auf, dass das Dresdner Elbtal das Welterbe in Deutschland schlechthin ist. Ich will zur Versachlichung der Debatte darauf hinweisen, dass es noch 31 andere Welterbestätten in Sachsen und auch außerhalb von Sachsen gibt. 184 Staaten, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben sich bisher vertraglich an die UNESCO-Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt gebunden, und zwar aus dem Selbstverständnis heraus, dass der Schutz einmaliger Zeugnisse der menschlichen Kulturgeschichte Aufgabe und Verpflichtung für die gesamte Menschheit sind. Auch die Bundesrepublik Deutschland – das haben wir gehört – befindet sich unter den Vertragsstaaten und verpflichtet sich damit, das auf ihrem Gebiet befindliche Welterbe selbst zu erfassen, zu schützen und für die zukünftigen Generationen zu erhalten.

In der Tat ungeklärt ist – da muss ich Ihnen leider widersprechen, Frau Hermenau –, ob die Welterbekonvention für die einzelnen Bundesländer, die ja nach dem Grundgesetz die Kulturhoheit besitzen, unmittelbare Geltung hat und damit die Konvention für die in Deutschland gelisteten Stätten überhaupt ihre Schutzfunktion entfalten kann. Dass es diese ungeklärte rechtliche Situation gibt, daran ändern auch das Lindauer Abkommen und der Einigungsvertrag erst einmal nichts. Wegen der in der Konvention zwingend enthaltenen Verbindung von völkerrechtlichen und nationalen Verpflichtungen lässt sich diese Frage nicht allein landesrechtlich lösen, sondern es muss entsprechend der Kompetenzordnung im Grundgesetz von allen Bundesländern und vom Bund gemeinsam beantwortet werden.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Schon mal was vom Kulturerbe der Länder gehört?)

Im Falle der fehlenden unmittelbaren Geltung muss das Problem im Einvernehmen zwischen Bundesländern und Bund gelöst werden. Die Ministerpräsidentenkonferenz versucht gerade – Herr Bandmann hat darauf hingewiesen –, auf eine bundeseinheitliche Bewertung hinzuwirken. Auch die Kulturminister und die Justizminister der Länder sind in diese Planungen einbezogen. Das ist das Problem des Gesetzentwurfes, über den wir heute debattieren. Sie setzen auf einen sächsischen Alleingang, der sich aber mit dem internationalen Wesen und den völkerrechtlichen Folgen dieser Konvention nur unzureichend auseinandersetzt. Wir können auch die Folgen für die Welterbestätten in den anderen Bundesländern nicht absehen. Wir setzen uns nicht ausreichend damit auseinander.

Deshalb ist es aus unserer Sicht zum jetzigen Zeitpunkt zu früh, die rechtliche Notwendigkeit einer Gesetzesaktivität abschließend zu beantworten. Wir möchten zunächst die Ergebnisse des Abstimmungsprozesses, die Ergebnisse der Konsultationen von Bund und Ländern abwarten und uns dann eine Meinung bilden, ob es eine rechtliche Notwendigkeit für eine gesetzliche Regelung gibt. Wir gestehen durchaus zu, dass politischer Handlungsbedarf besteht. Das Thema Waldschlößchenbrücke ist nach wie vor ungelöst. Ich persönlich – das ist ganz ausdrücklich meine Meinung und nicht die Meinung meiner Fraktion – halte den Hype um diese Brücke für maßlos übertrieben.

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion: In der Stadtratsfraktion reden alle anders, alle!)

Wir sind hier nicht im Dresdner Stadtrat, sondern im Landtag, Frau Dr. Ernst. – Ich hoffe dennoch, dass es gelingen wird, eine welterbeverträgliche Elbquerung auf den Weg zu bringen. Schließlich hat sich auch, und das erkenne ich an, der Sächsische Landtag mehrheitlich zur Suche nach einer welterbeverträglichen Lösung bekannt. Ich bin auch sehr froh, dass mein Fraktionsvorsitzender Martin Dulig heute in Paris zu Gesprächen bei der UNESCO ist. Er trägt durch sein eigenes Engagement dem Willen des Sächsischen Landtages und auch der SPD-Fraktion Rechnung, auf eine welterbeverträgliche Elbquerung für Dresden hinzuwirken.

Um noch einmal zum Gesetzentwurf zurückzukommen und die Sache abzurunden: Der vorliegende Gesetzentwurf kommt meiner Fraktion derzeit zu früh. Er ist auch handwerklich nicht ausgereift. Deshalb gibt es für uns nur ein Votum, und das ist Ablehnung.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und der CDU)

Die NPD-Fraktion erhält das Wort. Herr Apfel, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der heute zur Debatte stehenden Gesetzesini

tiative wird wahrlich eine neue Sternstunde im Parlament eingeläutet. Nach dem Willen der GRÜNEN soll der Landtag heute per Gesetz beschließen, wie die Welterbekonvention der UNESCO zu verstehen und umzusetzen ist. Das bedeutet letztendlich nichts anderes, als dass die GRÜNEN den Landtag auffordern, von Sachsen aus die Welterbekonvention als völkerrechtlichen Vertrag auszulegen.

An dieser Stelle will ich für die NPD-Fraktion klarstellen, dass wir nicht nur über Ihr seltsames Rechtsverständnis erstaunt sind, sondern auch Ihren langsam einsetzenden Größenwahn für bedenklich halten.

(Widerspruch bei der Linksfraktion und den GRÜNEN – Lachen der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Wenn diese Entwicklung so weitergehen sollte, werden Sie in einem Ihrer nächsten Gesetzentwürfe auch noch die Klarstellung der Genfer Konvention und deren Umsetzung in Landesrecht fordern. Die Welterbekonvention der UNESCO ist und bleibt ein überstaatliches Übereinkommen. Auch wenn es uns nicht passt, ist festzustellen, dass sie unmittelbar so gilt, wie sie von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert wurde. Wie Sie in der Begründung Ihres Gesetzentwurfes folgerichtig darstellen, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Völkerrecht bei der Auslegung und Anwendung von innerstaatlichem Recht nach Möglichkeit zu beachten ist. Die Betonung liegt dabei auf den Worten „nach Möglichkeit“, was bedeutet, dass dies nicht immer der Fall sein muss.

Des Weiteren haben Sie richtig erkannt, dass das Völkerrecht laut Bundesverfassungsgericht bei der Anwendung von Gesetzen zu beachten ist – hier liegt die Betonung auf „Anwendung“ – und keinesfalls bei der Verabschiedung von nationalen Gesetzen. Ihr Gesetzentwurf ist folglich von seiner rechtlichen Stellung gesehen vollkommen überflüssig.

Ungeachtet dessen stellt sich für die NPD-Fraktion aber auch die Frage der praktischen Notwendigkeit der von Ihnen vorgeschlagenen Änderungen. Kulturgüter und Naturgebilde, die für die Aufnahme in die Liste des Welterbes in Frage kommen, sind ohnehin durch die nationale Gesetzgebung ausreichend geschützt. Das Denkmalschutzgesetz umfasst bereits die derzeitigen oder in Zukunft möglicherweise relevanten Kulturgüter. Vom Gesetz wird bereits jetzt auch die Umgebung der Kulturgüter erfasst. Gleiches gilt für Gebiete, die als Naturerbe relevant sind. Solche Gebiete, die für eine Aufnahme in die Weltnaturerbeliste infrage kommen, erfüllen in ihrem Status gleichzeitig die Kriterien für die bereits entstehenden Schutzgebietskategorien des Naturschutzgesetzes. Der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf ist also nicht nur aus rechtlicher, sondern auch aus fachlicher Sicht vollkommen überflüssig. Der wirksame Schutz von Natur- und Kulturgütern bedarf aus Sicht der NPD-Fraktion keiner überstaatlichen Verträge, sondern wird am besten durch nationale Gesetze erreicht.

Letzten Endes ist der Gesetzentwurf nichts anderes als ein neuer Akt in dem seit Jahren andauernden Schmierentheater um den Bau der Waldschlößchenbrücke sowie dem damit verbundenen Verlust des Welterbetitels für das Dresdner Elbtal.

In Bezug auf Ihren Gesetzentwurf sei eines mit aller Deutlichkeit gesagt: Selbst wenn Ihr Gesetz in Kraft getreten wäre, bevor überhaupt an den Bau der Waldschlößchenbrücke gedacht wurde, hätte das rein gar nichts an der derzeitigen Situation geändert. Im Kern war es einzig und allein das Welterbekomitee der UNESCO, das die Brücke als eine Gefährdung für den Welterbestatus eingestuft hat, und nicht etwa die Denkmalschutzbehörden. Ich bin sicher, dass die hiesigen Denkmalschutzbehörden keine Einwände gegen den Vollzug des Bürgerentscheids und gegen den Bau der dringend benötigten Brücke gehabt hätten, und ich bin auch sicher, dass die Brücke der Schönheit der Altstadt mit ihren Baudenkmälern keinen Abbruch tun wird.

Ihren überflüssigen Gesetzentwurf braucht Sachsen nicht, und wir werden ihn deshalb ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Für die FDP-Fraktion Herr Zastrow, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zählen Sie eigentlich noch? Ich habe es aufgegeben. Ich habe es aufgegeben zu zählen, wie oft wir hier im Sächsischen Landtag oder auch im Dresdner Stadtrat, dem ich ebenfalls angehöre, bisher über Weltkulturerbe, über Brücke oder so etwas diskutiert haben. Mindestens gefühlte 40 Mal! Mindestens! Ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich bin mir ziemlich sicher, dass auch der durchschnittliche vernunftbegabte Dresdner Bürger keine Lust mehr auf diese Debatte und keine Lust mehr darauf hat, sich die immer gleichen Argumente und die immer gleichen falschen Behauptungen anhören zu müssen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU sowie des Abg. René Despang, NPD)

Liebe Kollegen von PDS und von den GRÜNEN, zum Teil auch der SPD – –

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Linke!)

Wie bitte?

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Linke!)

Ach so. „Linke“ heißen Sie jetzt. So oft, wie Sie Ihren Namen wechseln, da kann man schon durcheinander kommen.

(Zurufe von der Linksfraktion)

Ja, da kann man bei Ihnen ins Grübeln kommen. Im Dresdner Stadtrat gibt es sogar zwei PDS-Fraktionen. Wie hätten Sie es denn gern? Wie soll ich Sie nennen?

(Antje Hermenau, GRÜNE: Römisch I, römisch II, ergibt zwei!)

Römisch I, römisch II. Akzeptieren Sie doch endlich einfach eine Tatsache: Die Dresdner haben entschieden: Die Brücke muss gebaut werden, und jeder, der die Elbe hinaufschaut, sieht auch, dass sie gebaut wird.