Protokoll der Sitzung vom 06.03.2008

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Tischendorf.

Danke. – Kollege Weichert, sind Sie mit mir einer Meinung, dass wir hier darüber debattieren sollten, wie dieser Tarifabschluss aussieht und was er den Beschäftigten bringt, weil für die Finanzausstattung der Kommunen immer noch der Freistaat Sachsen zuständig ist?

(Staatsminister Stanislaw Tillich: Das stimmt nicht!)

Doch! Wir müssen uns ganz schnell über den kommunalen Finanzausgleich unterhalten, wenn die Abschlüsse getätigt sind, damit die Beschäftigten wirklich mehr verdienen.

Der Meinung bin ich und auch gerade dabei, das auszuführen. Bitte verfolgen Sie den Rest meines Beitrages.

Die Konsequenzen, Herr Tischendorf, die in diesem Fall beispielsweise auf die Kommunen zukommen würden, sollten nicht unter den Tisch gekehrt werden. Sie würden in Sachsen mit circa 160 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich belastet. Vor dem Hintergrund einer kommunalen Verschuldung von mehr als 4 Milliarden Euro in Sachsen, meine Damen und Herren, mahne ich zu Augenmaß, um wichtige kommunale Aufgaben, wie Jugendschutz, Kindergärten und öffentliche Investitionen, nicht zu gefährden. Sollen die Personalausgaben der Kommunen pro Einwohner in Zukunft nicht steigen, so müssen wir bis 2020 parallel zum Bevölkerungsrückgang 12 bis 15 % Personalausgaben reduzieren. Auch wenn es den Kommunen derzeit wieder besser geht, sind sie noch lange nicht über den Berg.

Freilich, und darin gebe ich Ihnen recht, ist es unstrittig, dass die Bezahlung im öffentlichen Dienst oft in keinem ausgewogenen Verhältnis zur geleisteten Arbeit steht. Ein Beruf mit so viel Verantwortung, wie zum Beispiel der

einer Erzieherin, ist mit 1 500 Euro brutto im Monat eindeutig unterbezahlt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Darum erinnere ich an die TVÖD, wo für die Leistungsbezahlung die Zielgröße von 8 % avisiert ist. Zum jetzigen Zeitpunkt wird erst 1 % der Löhne leistungsbezogen bezahlt. Die Leistungsbezahlung muss als Anteil des Lohnzuwachses ausgebaut werden. Das Leistungsentgelt bringt einen positiven Imagegewinn für den öffentlichen Dienst, vorausgesetzt, es gibt sinnvolle Kriterien zur Messung der Arbeitsleistung, zum Beispiel Bürgerfreundlichkeit oder Kundendienstorientiertheit. Langfristig stellt sich sogar die Frage, inwiefern die 8 % leistungsabhängiger Anteil überhaupt ausreichen, um auf dem Arbeitsmarkt gegen Unternehmen der privaten Wirtschaft halbwegs konkurrenzfähig zu bleiben. Vor allem in der Wissenschaft, in der es längst einen globalen Wettbewerb um die fähigsten Köpfe gibt, kann ein starres Tarifsystem die Attraktivität der öffentlichen Arbeitgeber nicht sichern. Schon heute ist der Mangel an Ingenieuren und Naturwissenschaftlern in etlichen Branchen unserer Volkswirtschaft ein Problem, das sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen wird.

Meine Damen und Herren! Mit den vielen formalen Kriterien des Tarifsystems kommen wir langfristig nicht voran. Die Diskussion über eine Bezahlung, die sich daran orientiert, was eine Person in den Arbeitsprozess einbringt, ist überfällig und wird uns nicht erspart bleiben.

Als Vertreter der Bürgerinnen und Bürger Sachsens sehe ich auch die Notwendigkeit, die Angleichung der Löhne und Gehälter in Ost und West schnellstmöglich durchzusetzen. In Anbetracht der Abwanderung von circa 70 000 Menschen jährlich aus Sachsen ist dies eine Maßnahme zur Steigerung der Attraktivität des Standortes und ein Signal an die Menschen vor Ort, dass Gleichbehandlung nicht nur eine Phrase ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Obwohl die heutige Debatte zeitlich verfehlt ist, hat sie doch auch ihr Gutes. Sie mahnt uns, die Beschäftigten im öffentlichen Dienst des Freistaates nicht zu vergessen.

Bitte zum Schluss kommen.

Wir brauchen auch in Sachsen praktikable Lösungen, welche sowohl haushaltstechnisch machbar als auch gegenüber den Beschäftigten vertretbar sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile der Linksfraktion das Wort. Frau Falken, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich mit meinem Redebeitrag beginne, möchte ich auf einige Ausführungen eingehen. Herr Zastrow und Herr Weichert,

Sie sagten, die Debatte sei zeitlich verfehlt. Ich glaube, Sie haben in der letzten Zeit nicht in die Zeitung gesehen, sonst hätten Sie gemerkt, dass die Debatte nicht verfehlt ist, überhaupt nicht verfehlt ist.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Erstens. Die Beschäftigten in den Kommunen arbeiten hier in Sachsen. Zweitens. Der Abschluss dieser Tarifverhandlungen für Kommunen und Bund wird die Grundlage für die Herbstverhandlungen sein, die dann für die Länder stattfinden. Er wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht extrem viel höher sein als das, was hier möglicherweise verhandelt wird.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Es ist absolut der richtige Zeitpunkt, weil heute und morgen verhandelt wird und nicht nächste Woche oder irgendwann.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Herr Dr. Rößler, wenn ich Ihren Ausführungen folge, stellt sich mir die Frage: Wollen Sie gar keine Ost-WestAngleichung? Mit den Tarifverhandlungen zum 01.01.2010 ist die Ost-West-Angleichung abgeschlossen. Das ist bis zum jetzigen Zeitpunkt korrekt, weil wir in den unteren Gehaltsgruppen jetzt schon die Ost-WestAngleichung zum 01.01.2008 haben. Aber mit den neuen Verhandlungen bzw. mit den Angeboten, die jetzt gemacht worden sind, reißen wir wieder einen Unterschied zwischen Ost und West auf. Schauen Sie sich das genau an! In diesem Angebot gibt es keine Angleichung für Ost und West. Das ist für uns nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Die Gewerkschaften im Bildungsbereich sind zu diesen Verhandlungen mit dem Slogan „Bildung ist mehr wert“ gegangen. Wir haben zu diesem Thema schon sehr oft im Landtag diskutiert. Heute haben wir einen anderen Schwerpunkt. Mein Kollege Tischendorf hat es ausführlich erläutert, deshalb spare ich mir das. Ich möchte in meinem Redebeitrag ganz gezielt und ganz bewusst auf die Erzieherinnen und Erzieher, die wir hier in Sachsen haben, eingehen.

Wir haben parteienübergreifend, fraktionsübergreifend hier im Landtag sehr oft – und ich halte das auch für sinnvoll – darüber debattiert, wie wichtig die frühkindliche Bildung und Erziehung ist. Wir haben heute in der 1. Aktuellen Debatte auch zu diesem Thema gesprochen. Wir werden heute noch einmal einen Punkt zur Problematik Erzieherinnen und Erzieher haben. Es ist ein ganz wichtiges Thema, das fraktionsübergreifend hier im Landtag besprochen worden ist.

Wir wissen, dass wir gerade in die frühkindliche Bildung zusätzlich investieren müssen, um eine positive Entwicklung für unsere Kinder in diesem Alter zu haben. Gerade heute früh habe ich in der „Sächsischen Zeitung“ von Herrn Dr. Hähle gelesen, dass er das unterstützen wird.

Wie sieht es nun aber konkret aus? Erzieherinnen und Erzieher hier im Freistaat Sachsen haben am Dienstagvormittag gestreikt. Sie haben es eventuell aus den Zeitungen entnommen oder vielleicht war der eine oder andere auch vor Ort bei den Streikenden. Ich war bei den Streikenden vor Ort. In Dresden waren es über 40 Einrichtungen, 500 Beschäftigte im Erziehungsbereich, die gestreikt haben. In Leipzig waren es elf Einrichtungen. Es wurde auch in Plauen und in Freital gestreikt. Erzieherinnen und Erzieher sind nicht damit einverstanden, dass sie an dem Wohlstand, den wir haben, nicht mehr beteiligt werden. Es wird endlich Zeit.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Der Argumentation, die Eltern wollen das nicht, möchte ich hier ganz klar widersprechen. Ich habe es am Dienstag persönlich erlebt, dass Eltern einer Kita-Einrichtung mit einem großen Berg Pfannkuchen gekommen sind und den Erzieherinnen die Pfannkuchen überreicht haben, damit sie ein kleines Frühstück haben, und sie in ihrem Streik eindeutig bestärkt haben.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Aber nun möchte ich Ihnen ein ganz konkretes Beispiel nennen. Wir haben heute noch einmal den Tagesordnungspunkt „Erzieherinnen und Erzieher im Freistaat Sachsen“. Ich denke, es ist ganz wichtig, dass Sie sich das mit anhören. Vor einigen Tagen haben wir in Leipzig eine Diskussionsrunde mit ganz neu eingestellten Erzieherinnen und Erziehern geführt. In der Stadt Leipzig sind die Erzieher teilzeitbeschäftigt. Sie arbeiten 30 Stunden. Diese Kollegen gehen mit 1 030 Euro am Monatsende nach Hause. Ich sage es noch einmal: Mit 1 030 Euro in der Tasche gehen diese Erzieher nach Hause – nach vier Jahren Hochschulstudium als Sozialpädagogen. Das ist ein Verdienst, der natürlich einen vernünftigen Lebensunterhalt –

Bitte zum Schluss kommen.

– nicht gewährleistet. – Den Satz noch zu Ende, Herr Präsident.

Bitte.

Die Motivation der Erzieher ist natürlich äußerst gering, und in der Stadt Leipzig beginnen die freien Träger inzwischen, über Tarif zu bezahlen, weil sie sonst die gut ausgebildeten Erzieherinnen und Erzieher nicht mehr halten können, und die Diskussion, Männer als Erzieher in den Beruf zu bekommen, können wir doch wohl unter diesen Bedingungen vollständig vergessen.

(Beifall bei der Linksfraktion und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Ich erteile das Wort der Fraktion der CDU. Herr Dr. Rößler, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Jetzt sind wir fast mitten in den Tarifverhandlungen. Aber es bleibt dabei: Das ist Sache der Tarifpartner. Heute reden wir über Bund und Kommunen und über deren Haushalte.

(Zuruf der Abg. Cornelia Falken, Linksfraktion)

Ab 2009/2010 sprechen wir dann über unseren nächsten Doppelhaushalt. Es ist auch so, dass es für gute Arbeit gutes Geld geben soll.

Meine Damen und Herren! Das ist hier in Ostdeutschland eben anders als im Westen. Im öffentlichen Dienst kommt es zur Angleichung auf 100 % bis 2010, Frau Kollegin Falken, bei den oberen Gehaltsgruppen, bei den unteren – und zu Recht – musste das früher sein.

Aber wir wollen eigentlich einmal im Blick behalten, dass die anderen, die mit ihren Steuern auch die Löhne im öffentlichen Dienst bezahlen, noch sehr, sehr lange in Ostdeutschland warten müssen, bis sie von ihren 80 % vielleicht einmal in Richtung 100 % kommen.

(Stefan Brangs, SPD: Nicht alle!)