Protokoll der Sitzung vom 16.04.2008

Im Leistungsrecht betreffen mangelnde Gestaltungsmöglichkeiten aber – ehrlicherweise muss man das an dieser Stelle sagen – nicht nur die ARGEn, sondern auch optierende Landkreise. Lassen Sie mich das an einem aktuell zwischen den Beteiligten diskutierten Punkt verdeutlichen.

Den Agenturen für Arbeit steht nach § 10 SGB III bis zu 10 % des Eingliederungstitels zur sogenannten freien Förderung zur Verfügung. In diesem Rahmen können die Agenturen die gesetzlich geregelten Eingliederungsleistungen durch freie Leistungen der aktiven Arbeitsförderung erweitern. Nach § 16 Abs. 2 des SGB II können auch in der Grundsicherung für Arbeitsuchende über die gesetzlich detailliert normierten Leistungen zur Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben hinaus Leistungen erbracht werden.

Der Gesetzestext zählt einige Leistungen auf, zum Beispiel die Schuldner- oder auch die Suchtberatung. Diese Aufzählung ist jedoch nicht abschließend, was durch das vorangestellte Wort „insbesondere“ deutlich wird. Strittig ist nun, welche Leistungen außer den konkret genannten Fällen hinaus zulasten des Bundes erbracht werden können. Während für Kurzzeitarbeitslose die standardisierten Unterstützungsangebote ausreichen, haben Langzeitarbeitslose häufig mit mehreren Vermittlungshemmnissen zu kämpfen. Daher müssen diese komplexe Maßnahmen zur Verfügung bekommen. So kann auch eine Wiedereingliederung in den regulären Arbeitsmarkt erreicht werden.

Die Grundsicherungsträger haben in den vergangenen Jahren bereits erfolgreich neue Ansätze probiert. Es ist erfreulich, dass die Bundesregierung diese Erfahrungen jetzt teilweise bereits in eigenen Gesetzentwürfen aufgreift. So soll mit dem 5. Gesetz zur Änderung des SGB III zum Beispiel ein neuer Ausbildungsbonus für Altbewerber auf dem Ausbildungsstellenmarkt eingeführt werden. Damit haben die Grundsicherungsträger bereits gute Erfolge erreicht. Die Staatsregierung unterstützt diesen Änderungsvorschlag. Sie wird sich darüber hinaus weiterhin dafür einsetzen, dass die Gestaltungsspielräume der Grundsicherungsträger erhalten bleiben.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Zu weiteren angesprochenen Punkten, meine Damen und Herren, verweise ich auf die Stellungnahme der Staatsregierung.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Danke schön. – Meine Damen und Herren! Gibt es daraufhin noch einmal allgemeinen Aussprachebedarf? – Das kann ich nicht feststellen. Dann kommen wir zu den Schlussworten. Wer fängt an? – Herr Brangs? –

(Stefan Brangs, SPD: Ich verzichte auf das Schlusswort!)

Es spricht Herr Krauß von der Fraktion der CDU.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielen Dank für die Aussprache. – Herr Gerstenberg, manche Dinge unseres Antrages sind schon abgearbeitet oder angegangen. Wir haben aber auch gesagt: Wir sind nicht unbedingt hundertprozentig zufrieden. Sie hatten beispielsweise den Kinderzuschlag angesprochen, bei dem wir glauben, dass das eine wichtige Verbesserung ist. Ich hatte aber auch gesagt, man muss dort noch weiter gehen, weil wir noch nicht hundertprozentig zufrieden sind, wie der Kinderzuschlag jetzt geregelt ist. Insofern ist unser Antrag weiterhin sehr aktuell.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich gleich zu dem Änderungsantrag der Linkspartei

etwas sagen, weil dort einfach viele Punkte aufgegriffen sind, Frau Lay, die teilweise richtig sind.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Fünf Punkte haben Sie von unserem Antrag teilweise oder vollständig übernommen. Das ehrt Sie ja. Dazu braucht man aber keinen Änderungsantrag, sondern es würde reichen, wenn Sie unserem Antrag zustimmen.

Einige Punkte sind leider für uns nicht zustimmungsfähig. Das Schöne ist ja immer, dass Sie Forderungen aufstellen, die unbezahlbar sind. Dabei denke ich zum Beispiel an die Erhöhung des Arbeitslosengeldes II. Bei dieser Höhe, die Sie hier eingebaut haben, frage ich mich, wie viele dann einfach sagen: Es lohnt sich für mich überhaupt nicht mehr, zur Arbeit zu gehen. Ich frage Sie: Wie wollen Sie diese Forderung nach dem Motto „Freibier für alle“ finanzieren? Es ist immer das Problem, dass das bei Ihren Anträgen leider nicht vorkommt.

Manchmal sind auch Dinge enthalten, bei denen ich denke, da ist bei den Linken eine Doppelmoral vorhanden, Thema „Mindestlohn“. In Berlin regieren Sie mit. Dort gibt es untere Lohngruppen mit deutlich unter 6 Euro Stundenlohn. Das hätten Sie schon die ganze Zeit verändern können, wenn Ihnen so viel an dem Mindestlohn liegt.

Manchmal ist die Linkspartei selbst Arbeitgeber, Beispiel „Neues Deutschland“, Ihre Parteizeitung. Auch dort verdienen die Leute keinen Mindestlohn, obwohl das Ihre eigene Firma ist.

(Volker Bandmann, CDU: Hört, hört!)

Da frage ich mich dann wirklich allen Ernstes: Wo wollen Sie mit solchen Forderungen hin, wenn Sie diese nicht einmal selbst erfüllen? Deswegen werden wir den Änderungsantrag ablehnen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Das war das Schlusswort und gleichzeitig die Stellungnahme zum Änderungsantrag, der jetzt erst eingebracht wird. Der Änderungsantrag wird durch Frau Lay eingebracht.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, wenn man in Sachsen in der Regierung ist, wie man sich unbedingt bei diesem Thema profilieren kann. Sie wissen ja, dass der niedrigste Tariflohn in Deutschland ein sächsischer Tariflohn ist. Eine sächsische Friseurin verdient 3,05 Euro die Stunde, wenn man sie nach Tarif bezahlt.

Ich glaube auch, bei allen Initiativen, die DIE LINKE gemeinsam mit der SPD in der Berliner Landesregierung eingebracht hat, was Mindestlohn und Tariftreue anbelangt, müssen wir uns vor niemandem in der Bundesrepublik verstecken.

Meine Damen und Herren! Ich komme zu unserem Änderungsantrag. Herr Morlok und ich sind ja gewissermaßen die Pole in der arbeitsmarktpolitischen Auseinan

(Beifall bei der Linksfraktion) dersetzung in diesem Haus. Wenn wir uns einig sind, dann muss es einfach stimmen. (Heiterkeit bei der FDP)

Deswegen bleibe ich dabei: Der vorliegende Antrag ist ein Sammelsurium von Allgemeinplätzen. Versetzen Sie sich mal in die Lage der Staatsregierung, die diesen Beschluss des Sächsischen Landtages umsetzen muss. Sie bekommt das auf den Tisch und stellt fest, dass die eine Hälfte schon erledigt und die andere Hälfte so vage ist, dass man gar nicht weiß, was man damit machen soll. Das kann sicherlich kein konkreter Handlungsauftrag an die Staatsregierung sein. Auch Langzeitarbeitslosen ist mit Ihrem Antrag nicht wirklich geholfen.

Da hilft DIE LINKE. Wir haben einen Änderungsantrag vorgelegt. Wir fordern die Entfristung der bestehenden befristeten Beschäftigungsverhältnisse in den ARGEn. Wir fordern gesetzliche Regelungen, um das Bundesverfassungsgerichtsurteil endlich rechtssicher umzusetzen. Wir wollen, dass auch Nichtleistungsbezieher von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen profitieren können. Wir wollen auch keine weiteren Kürzungen bei den Leistungen des Bundes für die Arbeitsmarktförderung, wie wir sie in den letzten Jahren immer wieder erleben mussten. Wir wollen die Einführung eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors. Wir wollen einen gesetzlichen Mindestlohn, um den Niedriglohnbereich abzuschaffen. Wir wollen mehr Selbstbehalte und Schonvermögen im SGB II. Wir wollen also keine Anrechung auf die Leistungen für Langzeitarbeitslose. Wir wollen eine armutsfeste und diskriminierungsfreie Grundsicherung und eine sofortige Anhebung der Hartz-IVLeistungen auf 435 Euro im Monat. Wir wollen die Gewährung eines Kinderzuschlags in Höhe von 420 Euro im Monat. Wir wollen die Möglichkeit der Zwangsverrentung, wie sie jetzt beschlossen wurde, wieder rückgängig machen. Wir wollen zu guter Letzt auch eine Beteiligung des Bundes an den Kosten für Unterkunfts- und Heizkosten von ALG II.

Das wäre ein Paket von 13 konkreten Forderungen, die den Namen verdienen, tatsächlich Leistungen für Arbeitslose zukunftsgerecht und – ich betone – auch sozial gerecht zu gestalten. Auch unseren Antrag sollten die Staatsregierung und der Sächsische Landtag begrüßen. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung.

Meine Damen und Herren! Möchte noch jemand zu diesem Änderungsantrag Stellung nehmen? – Jawohl, Herr Morlok von der FDPFraktion.

Liebe Kollegin Lay! Leider oder zum Glück, je nachdem, bezieht sich unsere Einigkeit nur auf die Bewertung des Koalitionsantrages. Es ist eben nicht so, wie Sie sagen, dass DIE LINKE hilft; sie schadet. Das sieht man an Ihrem Änderungsantrag. Während sich beim Antrag der Koalition die zustimmungsfähigen und ablehnungswürdigen Punkte noch einigermaßen die Waage halten, sodass wir uns bei diesem Antrag enthalten werden, ist das, was Sie vorgelegt haben, das Typische aus der sozialistischen Mottenkiste, sodass wir den Antrag insgesamt ablehnen müssen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP – Sebastian Scheel, Linksfraktion: Ihnen ist auch nicht mehr zu helfen!)

Gibt es weiteren Aussprachebedarf zum Änderungsantrag? – Das kann ich nicht sehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle jetzt den Änderungsantrag der Linksfraktion in der Drucksache 4/11939 zur Abstimmung. Wer zustimmen kann, der melde sich jetzt. – Danke schön. Wer stimmt nicht zu? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei 2 Enthaltungen und einer größeren Anzahl von Jastimmen ist der Antrag dennoch mit sehr großer Mehrheit abgelehnt.

Meine Damen und Herren! Ich komme jetzt zum Originalantrag. Wir stimmen ab über den Antrag der Koalition in der Drucksache 4/10269. Wer stimmt zu? – Danke schön. Wer stimmt nicht zu? – Niemand. Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer großen Anzahl von Enthaltungen und ohne Gegenstimmen ist dieser Antrag mit großer Mehrheit angenommen. Meine Damen und Herren, damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 16

Aufgabengerechte Sach- und Personalausstattung der sächsischen Polizei dauerhaft gewährleisten – Personalabbau bei der Landespolizei stoppen!

Drucksache 4/11659, Antrag der Linksfraktion

Sicherheit in Sachsen gewährleisten – Stellenabbau bei der Polizei aussetzen

Drucksache 4/11814, Antrag der Fraktion der FDP

Es beginnt die Linksfraktion, danach die FDP und dann die gewohnte Reihenfolge. Frau Dr. Ernst von der Linksfraktion, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer hätte vor ein paar Jahren gedacht, dass sächsische Polizistinnen und Polizisten vor Sicherheitsdefiziten bei der Ausübung ihrer ureigensten Aufgaben warnen, weil Polizeistellen abgebaut werden? Das ist schon ein Novum. Wer hätte gedacht, dass es der demokratischen Opposition bedarf, um dieses existenzielle Thema im Landtag auf die Tagesordnung zu setzen? Wohl niemand, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir sind sehr verwundert, dass in der CDU- und in der SPD-Fraktion dieses Thema ganz bewusst zugedeckt wird.

(Widerspruch bei der CDU)

Womit haben wir uns in den letzten Jahren schon alles beschäftigt? Mit ausgedienten Autos, alten Schreibmaschinen der Polizei, dem immer noch fehlenden Digitalfunk, mit der Bekleidung der Bereitschaftspolizei, mit fehlenden Spezialisten, mit einer kontraproduktiven und an den Bediensteten vorbeigehenden Strukturreform der Bereitschaftspolizei. Seit Jahren, meine sehr verehrten Damen und Herren, treibt die Staatsregierung Raubbau an der Polizei. Das ist doch Fakt!

Wir stehen heute da und müssen über gravierende Defizite in der Personalpolitik reden, die Sie, Herr Staatsminister, zu verantworten haben. Ich will Ihnen auch ganz klar sagen, worüber wir heutzutage reden: über unterbesetzte Reviere, fehlende Einsatzautos und Beamte, die ein zeitnahes Agieren vor Ort ermöglichen. Die Polizisten sind einfach nicht da oder brauchen eine halbe bis Dreiviertelstunde, bis sie vor Ort sind. Wir reden über nicht ausreichende Polizeipräsenz in sächsischen Regionen, wo Nazis ihren Spuk treiben, für Gewalt auf Straßen sorgen und Bürger einschüchtern, wie in Mittweida zum Beispiel.

(René Despang, NPD: Ja, ja!)

Wir reden über fehlende Stellen im Bereich OK, zum Beispiel im grenznahen Raum. Wir reden über die Tatsache, dass beim bewussten und so durch die Medien auch reflektierten Discokrieg 65 Streifenpolizisten einer gut ausgebildeten Truppe von Schlägern gegenüberstanden und kein einziger Bereitschaftspolizist in dieser Nacht in Leipzig verfügbar war. Das sind die Zustände, in denen

wir mittlerweile gelandet sind, meine Damen und Herren! Heutzutage werden Hundertschaften nach Leipzig abgezogen und anderswo fehlen sie. Herr Staatsminister, wir reden mittlerweile über abgesagte Sportveranstaltungen, wie den Sachsenpokal CFC gegen Dynamo am 15. März dieses Jahres, der wegen Personalmangels bei der Polizei ausfiel. Man muss sich einmal vorstellen, wo wir gelandet sind! Das hat den Veranstalter übrigens 30 000 Euro gekostet. Okay, das scheint niemanden zu stören.