Das kann man nur machen, wenn man über ebendiese 15 Jahre, wozu Sie die Antworten haben wollen, langfristige Rahmenbedingungen hat, wie es sie vielleicht früher einmal beim Reichsnährstand gab.
Ich möchte Sie alle, meine Damen, meine Herren, von dieser Stelle aus zum Abschluss meines Redebeitrages auffordern, die sächsische Milchwirtschaft zu unterstützen. Solange ich noch irische Butter in den Regalen sächsischer Verkaufsstellen sehe, gibt es, so denke ich, noch Reserven. Also von dieser Stelle aus der Aufruf: Kaufen Sie sächsische Produkte zu fairen Preisen!
Danke schön. – Nach den vorliegenden Wortmeldungen ist nur noch Herr Dr. Martens für die FDP-Fraktion zu erwarten; bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu dem vorliegenden Antrag so viel: Im Teil 1 werden aus Anlass der gegenwärtigen Diskussion in der Öffentlichkeit über die nicht kostendeckenden Milchpreise, die von einigen Verarbeitern gezahlt werden, und den heftigen Schwankungen auf dem Milchmarkt, der natürlich auch Sachsen nicht außen vor lässt, Abschätzungen verlangt. Aber fragen wir uns, wie diese Abschätzungen, diese Prognosen aussehen sollen. Wie sollen auf einmal realistische Werte erarbeitet werden? Kollege Heinz hatte es schon gesagt, dass dies etwas anderes ist als die Schlimmstfallannahmen eines Worst-Case-Szenarios. Dann fragen wir uns, welches Szenario Sie haben möchten. Sie möchten Szenarien bei unterschiedlichen Kosten, bei Futtermitteln, bei Energiekosten, bei Arbeitskosten – und das außerdem noch unter Berücksichtigung einer weiter fortschreitenden Deregulierung, was auch immer das sein mag.
Meine Damen und Herren! So etwas werden Sie nicht erhalten, so etwas wollen Sie wahrscheinlich auch gar nicht haben; denn es geht Ihnen weniger um eine tatsächliche Aufnahme von Fakten und das Ausloten politischer Handlungsmöglichkeiten als vielmehr darum, einen Antrag einzureichen, um eben auch einmal dabei zu sein.
Eine solche Prognose, wie Sie sie hier haben möchten, bekommen Sie nicht. Sie könnten ebenso gut eine Glaskugel aufstellen und hineinsehen, dann werden Sie genauso schlau. Sie selbst führen es an: Die Milchleistung der Kühe ist seit 1990 um 100 % gestiegen. Das war damals genauso wenig vorhersehbar, wie heute die weitere Entwicklung vorhersehbar ist. Die Kostenentwicklung ist auch nicht vorhersehbar, schon gar nicht bei den vielen verschiedenen Faktoren, die Sie bemessen haben wollen. Ebenso wenig finden sich irgendwelche Hinweise in Ihrem Antrag darauf, wie die unterschiedlichen Betriebsstrukturen, Mischstrukturen und Betriebsabläufe und deren mögliche Veränderung in einer solchen Abschätzung Platz haben sollen. Diese Prognosen, die Sie gern hätten, werden Sie nicht erhalten, und ich befürchte, Sie wissen das. Sie werden sie schon gar nicht durch eine lineare Projektion der von Ihnen genannten Faktoren und mit Sicherheit nicht für die Dauer von 15 Jahren erhalten.
Kommen wir zum zweiten Teil dessen, was Sie gern möchten: eine Sicherungsstrategie der Milchwirtschaft. Getreu dem Spruch „Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis“ laden Sie gleich noch die Milchindustrie, den Einzelhandel, die Verbraucher und Konsumenten dazu ein. Was sollen die dort? Wie sollen die Konsumenten die Milchindustrie in Sachsen in ihrer jetzigen Struktur weiter sichern? Mit welchen Beiträgen erwarten Sie das eigentlich?
Nicht einmal diese Frage können Sie in irgendeiner Weise beantworten. Sie stellen etwas in den Raum, von dem Sie wissen, dass es gar nicht funktioniert. Genauso ist es auch mit den Zielen Ihres Antrages. Hier soll eine regional gleichmäßig verteilte Milchwirtschaft errichtet werden, als ob diese den Milchbedarf besser decken könnte als eine regional diversifizierte Milchwirtschaft. Das Ganze soll bedarfsdeckend auf Sachsen bezogen passieren. Wahrscheinlich fordern Ihre Parteikollegen in Mecklenburg-Vorpommern dann eine auf Mecklenburg-Vorpommern bezogene bedarfsdeckende Milchwirtschaft und in Thüringen das Gleiche für Thüringen.
Das Gleiche in Bayern für Bayern und das Gleiche in Baden-Württemberg für Baden-Württemberg. Dann bleibt nur noch die Frage: Mit welcher bedarfsdeckenden Milchversorgung aus den jeweiligen Ländern werden dann Hamburg und Berlin versorgt?
Das stört Sie aber auch nicht weiter. Die Milchversorgung werden Sie so nicht sichern, und schon gar nicht heimatnah und bedarfsgedeckt.
Meine Damen und Herren! Eines erstaunt mich auch, wenn Sie sich hier zum Retter der sächsischen Milchwirtschaft in den derzeitigen Betriebsstrukturen aufspielen. Das sind Kolchosstrukturen, die im Wesentlichen in der DDR in den Fünfziger- und Sechzigerjahren eingeführt und nach 1990 fortgeführt worden sind. Das widerspricht doch diametral Ihren Auffassungen. Unterhalten Sie sich einmal mit Herrn Schützinger darüber, was er davon hält, wenn Sie hier die Kolchosstrukturen der ehemaligen sowjetischen Landwirtschaft als weiterhin geltendes Modell der sächsischen Milchwirtschaft anpreisen.
Da darf man einmal aus dem NPD-Programm zitieren, in dem es heißt, dass der bäuerliche kleine Familienbetrieb der Kern einer gesunden Volksernährung ist. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Was Sie hier erzählen, gilt in Baden-Württemberg wiederum nicht, in Rheinland-Pfalz sowieso nicht.
Sie wollen nach dem Motto „Hauptsache wir sind dabei“ immer auf dem Trittbrett fahren, und sei es mit der Milchkanne in der Hand.
Die Studien, die Sie zur Begründung anführen, sind dazu nicht tauglich. Die Studie vom Jahr 2000, die Sie benennen, arbeitet mit Zahlen, die heute völlig überholt sind. Sie berücksichtigte übrigens nicht die Entwicklung in den neuen Bundesländern, sondern basierte ausschließlich auf Zahlenmaterial, das in den alten Ländern erhoben worden ist und deswegen für uns überhaupt nicht taugt.
Wenn Sie 5 000 Betriebsschließungen anführen, dann betrifft dies vor allen Dingen Nebenerwerbslandwirtschaften im Milchwirtschaftsbereich, aber nicht die großen Milcherzeuger in Sachsen. Hier stehen übrigens 75 % der Milchkühe in 300 Betrieben. Und alle diese Betriebe werden in der Rechtsform der juristischen Person geführt, meine Damen und Herren. Die durchschnittliche Zahl der Milchkühe pro Betrieb ist in Sachsen übrigens von 135 auf 153 gestiegen. Das ist alles andere als eine kleinteilige Struktur.
Sie werden die Marktentwicklung weder mit diesem Antrag erkennen, noch werden Sie sie beeinflussen können, meine Damen und Herren.
Um es abzuschließen: Dieser Antrag verweist die Staatsregierung auf einen untauglichen Weg. Die Kenntnisse, die Sie angeblich gern haben möchten, werden Sie so nicht erlangen. Das Ziel ist unklar und die Begründung zeigt, dass Sie das Problem nicht wirklich erkannt haben oder nicht wirklich erkennen wollen.
Wenn der Sächsische Bauernverband davon spricht, dass das an die Wiederauferstehung des Reichsnährstandes erinnert, dann hat er damit recht, meine Damen und Herren. Sie brauchen sich nicht zu wundern, wenn dieser Antrag hier keine Mehrheit findet.
Danke schön. Möchte noch jemand zur allgemeinen Debatte sprechen? – Herr Müller? – Sie können das selbstverständlich gern im Rahmen Ihrer Redezeit tun.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Martens, einen gewissen Unterhaltungswert hat Ihre Rede jetzt gehabt. Aber wenn ich Ihre Rede und die von Kollegen Heinz hernehme, dann gibt es ja gar kein Problem, sondern alles ist in Butter.
Aber nicht umsonst sind am Montag 7 000 Milchbauern und 1 000 auch in Leppersdorf auf die Straße gegangen. Es scheint also doch ein Problem zu geben.
Dass wir sowohl die zu erwartenden realen Zahlen als auch eine Worst-Case-Variante wissen wollten, ist wohl verständlich. Sie haben das „und“ einfach nicht interpretieren können. Aber ich helfe Ihnen selbstverständlich weiter. Wir hätten gern beide Varianten gewusst.
Nun zu dem eigentlichen Debattenbeitrag: Die EU hat jahrzehntelang durch eine groteske Brüsseler Agrarordnung, die nichts anderes als reine Planwirtschaft ist, die Abkopplung der Landwirtschaft von den nationalen Volkswirtschaften betrieben. Nun sollen die unter dieser Agrarordnung immerhin eingeführten Schutzfunktionen in kurzer Zeit beseitigt werden, natürlich ohne dass an deren Stelle nationale Marktordnungen zugelassen werden. Dadurch werden die Betriebe den Schwankungen und Verwerfungen der internationalen Märkte mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert. Dies wird keineswegs die Existenz der deutschen Landwirte sichern oder sie dazu befähigen, einen besseren Beitrag zur Beseitigung des Hungers in der Welt zu leisten – ganz im Gegenteil. Die Schocktherapie durch den Wegfall der Mengenregulierung bei Milch, der produktionsbezogenen Direktzahlungen und jetzt auch der flächenbezogenen Direktzahlungen wird bei den ohnehin an der Rentabilitätsgrenze arbeitenden Betrieben zu Betriebseinstellungen führen, insbesondere beim Produktionszweig Milch. Dieser kann in den meisten sächsischen Verbundbetrieben eindeutig als Problembereich identifiziert werden.
Die Bundesregierung geht bei ihren aktuellen Meldungen davon aus, dass allein die jetzt anstehenden Kürzungen der Direktzahlungen die Großbetriebe in den neuen Bundesländern mindestens 400 Millionen Euro kosten
werden. Der sächsische Landwirtschaftsminister Wöller hat in diesen Tagen vor dem Verlust von 10 000 Arbeitsplätzen in der sächsischen Landwirtschaft gewarnt. Das kann doch nur bedeuten, dass ein Großteil der Betriebe vor dem Ende steht, wenn die jetzige Agrarpolitik so weitergeführt wird. Gerade die Milchwirtschaft, die heute vielerorts querfinanziert ist, wird dabei am stärksten abgebaut werden.
Das Ziel der EU ist in Übereinstimmung mit der WTO letzten Endes eine zu Weltmarktpreisen produzierende Landwirtschaft. Das kann in Deutschland nur funktionieren, wenn die Betriebe völlig auf die internationalen Agrarmärkte ausgerichtet werden, und zwar entweder durch einseitige Massenproduktion oder in Verbindung mit der Lebensmittelindustrie durch die Konzentration auf wenige Spezialitäten. Auf jeden Fall wird es dazu führen, dass die flächendeckende Landwirtschaft als Ernährungsbasis für unser Volk und als prägendes Element der ländlichen Gebiete der Vergangenheit angehören wird. Was das für dieses Land bedeuten wird, kann man sich am besten ausmalen, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass heute circa 50 % unseres Landes aus landwirtschaftlicher Fläche bestehen, und zwar sowohl in Bezug auf Sachsen als auch das gesamte Bundesgebiet.
Haben wir es eigentlich nötig, die vorhersehbare Vernichtung der traditionellen Landwirtschaft und die damit verbundenen gigantischen strukturellen Verwerfungen in Kauf zu nehmen? Ich frage mich: Wofür eigentlich?
Betrachten wir wieder speziell die Milchwirtschaft, so können wir feststellen, dass laut Landwirtschaftsministerium die sächsischen Milcherzeuger heute für jeden Sachsen rund 369 Liter Milch produzieren. Das entspricht in etwa dem sächsischen Konsum. Da die meisten Milchprodukte ausgesprochene Frischwaren sind, bietet es sich außerdem an, diese Produktion in räumlicher und zeitlicher Nähe zum Konsum zu betreiben. Eine derartige raumorientierte Milchproduktion haben wir in der Tat derzeit noch in Sachsen, meine Damen und Herren, zumindest zum großen Teil. Kann mir jemand erklären, warum wir sie durch die EU-Bürokratie und einen zum Selbstzweck erklärten europäischen und internationalen sogenannten Wettbewerb gängeln und existenziell aufs Spiel setzen lassen müssen? Bezahlen müssen wir unsere Lebensmittel so oder so, ob nach normalen marktwirtschaftlichen Regeln über die Preise oder bei der vorherrschenden EU-Agrarordnung zu einem erheblichen Teil über Steuergelder, die zuerst den Umweg über Brüssel nehmen.
Im Gegensatz zu dieser Brüsseler Planwirtschaft treten wir Nationaldemokraten für eine raumorientierte Volkswirtschaft ein. Das ist im Grunde nichts anderes als eine funktionierende Marktwirtschaft, und zwar mit Märkten, die deshalb gut funktionieren, weil sie mit dem Volk, mit Leistungsgemeinschaft, mit Kultur und Umwelt ein organisches Ganzes bilden. Es gibt dafür kaum ein besseres Anschauungsbeispiel als die sächsische Milchwirtschaft mit ihren bäuerlichen Betrieben, regionalen Molke
Dieses wegen eines ideologischen Hirngespinstes namens „europäische oder internationale Wettbewerbspolitik“ aufs Spiel zu setzen und die damit verbundenen verheerenden Folgen für unsere ländlichen Siedlungsgebiete, unsere Kulturlandschaft und nicht zuletzt unserer Ernährungsbasis in Kauf zu nehmen, halte ich für Wahnsinn. Wir Nationaldemokraten fordern dazu auf, diesen Irrweg zu verlassen, solange es noch möglich ist. Das ist unser Grundanliegen. Der erste Schritt zu seiner Verwirklichung kann aber nur durch eine ehrliche Abschätzung der mit der Fortsetzung der bisherigen Politik verbundenen Gefahren erfolgen. Genau dazu fordern wir im vorliegenden Antrag die Staatsregierung auf.
Ich möchte noch kurz auf den Zwischenruf „Bäuerliche Betriebe“ eingehen: Natürlich haben die LPG-Betriebe in Sachsen nach der Wende immense Anstrengungen auf sich genommen, um bei den marktwirtschaftlichen Strukturen als bäuerliche Betriebe existieren zu können. Ob sie sich nun zusammengeschlossen organisiert oder es einzeln betrieben haben, sei dahingestellt. Deswegen sind es trotzdem bäuerliche Betriebe und regionale Betriebe.
Meine Damen und Herren! Gibt es seitens der Fraktionen daraufhin noch einmal Aussprachebedarf? – Das kann ich nicht sehen. Dann hat die Staatsregierung das Wort, vertreten durch Herrn Prof. Wöller.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! NPD und Zukunft sind etwas, was nicht zusammenpasst.