Protokoll der Sitzung vom 29.05.2008

(Jürgen Gansel, NPD: Sie sind‚ so dämlich, Herr Porsch!)

Herr Prof. Porsch, ich denke, es würde diese Debatte überfordern, wenn wir jetzt –

Herr Gansel, Sie bekommen von mir einen Ordnungsruf.

– über die Grundlagen merkantiler Wirtschaftsbeziehungen diskutieren würden. Aber eines ist ganz klar: Sie haben vollkommen recht. Wenn man auf den Handel mit anderen verzichtet – seien es andere Länder, andere Städte, andere Bundesländer –, hat man nur das zur Verfügung, was man selbst hat.

(Jürgen Gansel, NPD, steht am Mikrofon.)

Dann hat man die Möglichkeit, auf das andere zu verzichten oder es sich, wie Sie es angesprochen haben, mit Gewalt zu holen. Das ist nicht unser Weg. Wir treten dafür ein, im internationalen Handel unsere Wettbewerbsvorteile in verschiedenen Bereichen zu nutzen, die wir auch haben und die wir dort zum Wohle der Bürger des Freistaates einsetzen sollten. Deswegen ist eine Exportorientierung der sächsischen Wirtschaft im Interesse der Bürgerinnen und Bürger im Freistaat.

(Beifall bei der FDP)

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Herr Morlok, eine Frage: Wie kommentieren Sie die Untersuchungen zahlreicher Wirtschaftsinstitute, die darauf hinweisen, dass nach vielen Jahren der gerade auch von Ihrer Partei geforderten Neoliberalisierung und Marktöffnung die reale Arbeitslosenzahl in der Bundesrepublik Deutschland bei sechs bis sieben Millionen liegt, wenn zu den offiziellen Zahlen nämlich die Ein-Euro-Jobber, die Frührentner, die ABMler und diejenigen hinzugerechnet werden, die sich in

Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen befinden? Wie bewerten Sie diese Zahlen als Endergebnis der von Ihnen geforderten radikalen Marktöffnungspolitik?

(Karl Nolle, SPD: Welche Institute sind das denn?)

Herr Gansel, auch diese Äußerung zeigt, dass Sie es nicht verstanden haben.

(Beifall bei der FDP – Jürgen Gansel, NPD: Sie verstehen alles, das ist klar!)

Sie sollten einfach mal zur Kenntnis nehmen, dass sich gerade in Deutschland in den letzten 20 Jahren tiefgreifende Veränderungen vollzogen haben,

(Jürgen Gansel, NPD: Auf Kosten der Menschen, ja!)

die ihren Ausgang in der ehemaligen DDR hatten, indem Menschen auf die Straße gegangen sind und ein totalitäres System abgeschüttelt haben.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Wir haben schmerzlich erlebt, was passiert, wenn ein solches System wirtschaftlich auf internationalen Märkten nicht konkurrenzfähig ist. Denn der Zusammenbruch der Wirtschaft der DDR und die in der Folge entstehende Arbeitslosigkeit waren ja gerade das Problem einer nicht an die Weltwirtschaft angepassten Wirtschaft.

(Jürgen Gansel, NPD: Das können Sie uns nicht vorwerfen!)

Wir haben nach wie vor das Problem, dass wir diese Erblast des totalitären Systems hier abtragen müssen. Da unterscheiden sich eben totalitäre Systeme leider relativ wenig. Wenn Sie sich anschauen, wie die wirtschaftliche Situation des von Ihnen immer so favorisierten Dritten Reiches ausgesehen hat,

(Jürgen Gansel, NPD, steht am Mikrofon.)

das letztendlich nur in der Lage war, die eigene Bevölkerung durch Kriege von der wirtschaftlichen Misere abzulenken, dann zeigt das, wo es hinführen würde, wenn man Politik machen würde, wie Sie sie hier vorschlagen.

(Beifall bei der FDP)

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

(Martin Dulig, SPD: Herr Gansel, das geht Ihnen ja richtig nahe!)

Ja, mitunter schon. – Herr Morlok, zwei Fragen, wenn sie mir gestattet sind.

Erstens. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir nicht die Nachfolgepartei der SED sind und dass wir als Nationaldemokraten nicht für gewisse Strukturmängel der DDR-Wirtschaft in Haftung zu nehmen sind? Diese Kritik müssen Sie an die Fraktion links vom Rednerpult richten,

nicht an uns. Also, bitte die Parteizuordnung und die Grobchronologisierung der deutschen Geschichte einhalten. Die erste Frage ist, ob Sie bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir als NPD für die DDR-Wirtschaft

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

und ihre Wettbewerbsmängel definitiv nicht in Haftung zu nehmen sind. Ich denke, da geht Ihnen ein einfaches Ja über die Lippen. Oder?

Die Frage ist verstanden worden.

Dann möchte ich noch einmal auf die erste Frage zurückkommen, weil diese mit keinem Wort beantwortet wurde: Wie bewerten Sie die Zahlen von Wirtschaftsforschungsinstituten, aber auch – weil Herr Nolle nachfragte – von vielen gewerkschaftsnahen Wirtschaftsforschungsinstituten, die davon ausgehen, dass die reale Arbeitslosenzahl in diesem Land, wenn man einmal statistische Tricks weglässt, bei bis zu sieben Millionen liegt?

Das ist das Ergebnis einer neoliberalen Politik, wie sie seit 1982 gerade durch CDU/CSU und FDP unter Helmut Kohl in die Wege geleitet worden ist.

(Beifall bei der NPD – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Anscheinend sind Sie, Herr Gansel, nicht in der Lage, sich von Ihrer Ideologie zu verabschieden.

(Jürgen Gansel, NPD: Sagen Sie doch einmal etwas zu den Arbeitslosenzahlen!)

Ich gebe Ihnen insofern recht, als die NPD nichts für die Wirtschaftspolitik der DDR kann.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Allerdings trägt der Faschismus natürlich eine Mitverantwortung für das, was auf dem Boden der DDR passiert ist, weil das totalitäre System auf dem Boden der DDR letztendlich eine Folge des von den Nazis angezettelten Krieges gewesen ist. Deswegen gibt es schon einen Sachzusammenhang.

(Beifall bei der FDP)

Kollege Gansel, wenn ich höre, was Sie und Ihre Kollegen uns hier in diesem Parlament zumuten, dann komme ich schon zu dem Ergebnis, dass Sie sehr, sehr nah bei den Nazis stehen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion – Jürgen Gansel, NPD: Fragen Sie lieber einmal, was Ihre Politik den Menschen zumutet!)

Kollege Gansel, Sie sollten auch zur Kenntnis nehmen, dass wir zwar darüber diskutieren können, wie hoch hier

in Deutschland die Schattenarbeitslosigkeit ist. Dass aber selbstverständlich durch die verstärkte Exportorientierung der deutschen und der sächsischen Wirtschaft diese Arbeitslosenzahlen, ob versteckt oder offen, abgenommen haben, sollten Sie zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der FDP – Zurufe der Abg. Jürgen Gansel, NPD, und Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Aber lassen Sie mich nun zum eigentlichen Thema kommen. Wir haben gehört, dass wir in Sachsen im vergangenen Jahr eine beträchtliche Steigerung der Exporte hatten. Mit 23,4 Milliarden Euro ist das eine Steigerung von 19,1 %. Wir haben einen Exportüberschuss von 8,5 Milliarden Euro erzielt, das ist eine erfreuliche Entwicklung, die wir ausdrücklich begrüßen. Wir haben in Sachsen bei einem BIP von 92,4 Milliarden Euro gut 25 % im Export erwirtschaftet. Hier muss ich allerdings schon etwas Wasser in den Wein gießen, denn deutschlandweit waren es 40 % des BIP, die im Export erwirtschaftet werden konnten. Deshalb müssen wir sehen, dass wir in Sachsen einen Aufholbedarf haben.

Auch wenn wir uns unsere Exportstrukturen ansehen, erkennen wir, dass einige Probleme auf uns zukommen. Herr Kollege Grapatin hat das angesprochen. Schwerpunkte sind der Fahrzeugbau und die Elektronik. Wir erwirtschaften 31 % der Exporte im Fahrzeugbau, 11 % im Bereich der Mikroelektronik. Das sind 42 % der Exporte in zwei Branchen. Es ist an sich natürlich ein Erfolg, dass wir es geschafft haben, diese Unternehmen hier anzusiedeln; es zeigt jedoch auch, dass die Exportwirtschaft in Sachsen relativ einseitig aufgestellt ist. Man muss auch sagen, dass diese Unternehmensansiedlungen eine Erfolgsgeschichte der Ära Biedenkopf sind, weil dort die Voraussetzungen dafür gelegt wurden. Diese Erfolge kann sich die jetzige Staatsregierung bestimmt nicht an die Brust heften.

(Beifall bei der FDP)