Protokoll der Sitzung vom 29.05.2008

Aus eigenem Erleben kann ich über diese Reise berichten, dass der russische Markt für uns in Sachsen sehr wichtig ist. Das wird auch belegt. Ich war auf der ersten Reise mit dem Minister in Nischni Nowgorod. Damals waren zwölf Unternehmer in der Delegation, heute 40. Das zeigt eigentlich die positive Bilanz, dass mehr Unternehmen an Exportkraft gewonnen haben.

Natürlich hat das auch mit der weltweiten Konjunktur zu tun. Die Exportsteigerungen in Sachsen sind kein Ruhekissen, zumal sich der Wettbewerb auf den internationalen Märkten verschärft, wie es das Beispiel der Thüringer zeigt. Wir sind also auch zu unserem Nachbarland Konkurrent.

Man könnte sich an den hohen Steigerungsraten berauschen; sieht man aber tiefgründiger unsere Exportquoten an, so konnte der Rückstand gegenüber den alten Bundesländern nicht verringert werden. Die neuen Bundesländer,

so auch Sachsen, haben das Problem, zu wenig vom Konjunkturaufschwung zu profitieren. Immer noch liegen Produktivität und Einkommen in Sachsen um 20 % unter dem westdeutschen Niveau.

Insgesamt werden in Ostdeutschland bei einem Anteil von 20 % der Bevölkerung nur 15 % des Bruttoinlandsproduktes produziert, während gleichzeitig 30 % Arbeitslose zu verzeichnen sind. Das hat strukturelle Gründe, die sich in der Exportquote widerspiegeln. Es fehlt vor allem eine breite Basis von Unternehmen mit hohem Produktivitäts-, Einkommens-, Export- und Beschäftigungsniveau. Es fehlen in Sachsen noch immer eine umfangreiche selbsttragende Industrie, insbesondere Großbetriebe, Produktionsnetzwerke und komplexe Standorte mit betrieblichen F- und E-Abteilungen sowie die schon von Herrn Pecher genannten Leistungszentralen internationaler Konzerne.

Das hat Auswirkungen auf die außenwirtschaftlichen Stärken. Wer außenwirtschaftliche Erfolge will, der muss zuallererst die Anstrengungen in der inländischen Industrie Sachsens erhöhen. Wirtschaftspolitisch sind deshalb regionale Eigenleistungen zu verbessern, industrielle Strukturen mit Forschungskapazitäten weiter aufzubauen und vorhandene regionale Potenziale zu fördern.

Die gestrige Diskussion über die Verbundinitiativen findet heute insofern ihre Fortsetzung, als die KMUs durch branchenbezogene Netzwerke so unterstützt werden, dass sie über Innovation den Weg auf die Exportmärkte finden. Dazu gibt es keine Alternative. Es ist eine alte Weisheit: Firmen, die nicht auf internationalen Märkten agieren, leben stets in der Gefahr, wieder vom Markt zu verschwinden.

(Unruhe und Gespräche zwischen Abgeordneten)

Sie bieten Sachsen keine Gewähr für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung. Für die sächsischen Branchen des Maschinen- und Anlagenbaus,

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion, diskutiert bei Abgeordneten der SPD – Glocke der Präsidentin)

der erneuerbaren Energien – –

Ja, wenn DIE LINKE mit der SPD zusammenkommt, dann gibt es Krach.

(Lachen des Staatsministers Thomas Jurk – Karl Nolle, SPD: Da ertönt die Glocke, die Warnglocke!)

Vielleicht kann ich weitermachen.

Für die sächsischen Branchen des Maschinen- und Anlagenbaus, der erneuerbaren Energien, der Mikroelektronik, der Umwelttechnologie und natürlich des Fahrzeugbaus ist der Weltmarkt ein unbedingtes Muss. Darauf ist – auch in Vorbereitung der Haushaltsdiskussion – der effizientere Einsatz der Fördermittel zu konzentrieren.

Ich will die sächsische Entwicklung nicht kleinreden, einen qualitativen Durchbruch sächsischer KMUs können wir dennoch nicht verzeichnen.

(Sven Morlok, FDP: Das ist wahr!)

Das wird auch in den Leitlinien zur Außenwirtschaft von Ihnen, Herr Minister Jurk, klar belegt. Sachsen wie der gesamte Osten bleiben bei der Zahl der exportierenden Unternehmen und teilweise auch bei der Exportquote weit hinter den westlichen Ländern zurück, und das seit Jahren. Die Leuchttürme in Sachsen verdecken nur das wirkliche Bild. Das ist der Unterschied zu den anderen ostdeutschen Ländern.

Das Institut für Wirtschaft Halle hält eine Vervierfachung der Exportleistung in Ostdeutschland bis 2020 für möglich. Damit ist für Sachsen eine klare quantitative Zielstellung als Minimum vorgegeben. Die Leitlinien des SMWA nehmen diese Zielstellung auf. Neue Strukturen und die Bündelung aller Kräfte sind eingeleitet.

Was haben wir, die Linksfraktion, um Veränderung der Aufgaben und effizientere Strukturen in der WFS gestritten! Nun endlich wird die WFS in die zentrale Verantwortung genommen. Der Außenwirtschaftsbeirat nimmt die einzelbetriebliche Sichtweise exportierender Unternehmen zur Grundlage seiner Arbeit und ist das zentrale Koordinierungsgremium unter Leitung des Ministers.

Abgerechnet wird die zunehmende Internationalisierung der sächsischen KMUs, das heißt der Ausweis einer zunehmenden Anzahl von KMUs, am Export. Ich unterstütze diese Maßnahmen ausdrücklich.

Herr Jurk, zum Schluss noch Folgendes: Mir ist bei der Recherche zur heutigen Unterrichtung eine Kleine Anfrage vom Dezember 2001 in die Hände gekommen. Sie fragten damals die Staatsregierung als Mitglied des Landtages nach den Zielen in der Außenwirtschaftspolitik. Ihr heutiger Chef, Ministerpräsident Tillich, antwortete Ihnen unter anderem: „Die Sächsische Staatsregierung verfolgt mit ihrer Außenwirtschaftspolitik vorrangig das Ziel, die sächsischen KMU beim Zugang zu ausländischen Märkten zu unterstützen.“

Am Ziel, Herr Minister, hat sich nichts geändert. Wie sollte es auch?! Ich hoffe, die Ergebnisse werden sich zum Besseren entwickeln. Dafür wünsche ich uns, das heißt der Opposition wie auch der Regierung, Erfolg und Ausdauer bei der Umsetzung der außenwirtschaftlichen Leitlinien.

(Beifall bei der Linksfraktion – Zuruf des Staatsministers Thomas Jurk)

Die NPD-Fraktion erhält das Wort; Herr Delle, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die CDU und die SPD wollen durch eine forcierte Globalisierung der Wirtschaft – ich zitiere aus dem Papier des Wirtschaftsministeriums – den Internationalisierungsgrad der heimischen Wirtschaft erhöhen. Was es mit diesem Internationalisierungsgrad auf sich hat, wissen wir nur zu gut, zum Beispiel aus Bochum, wo nach dem verächtlichen Bye-bye der Nokia

Manager den Politikern die euphorischen Lobeshymnen auf die vermeintliche Hightech-Metamorphose der Stadt und die Segnungen der Globalisierung mittlerweile im Halse stecken bleiben dürften. Wie eine nicht mehr zu gebrauchende Fabrikhalle wurde der Standort Bochum mitsamt 2 000 Nokia-Arbeitern abgestoßen. Weitere Beispiele gebe es leider genug.

Meine Damen und Herren! Es ist doch eine Tatsache, dass die deutschen Politiker nur Arbeitsplätze schaffen können, indem sie die Globalisierung forcieren und unsere sozioökonomischen Lebensgrundlagen im Basar der Weltfinanzen und der internationalen Firmenhändler feilbieten. Es ist aber nicht wahr, dass das die einzige Möglichkeit wirtschaftlicher Entwicklung ist. Es ist lediglich die Folge aus dem Umstand, dass ein Großteil der Güter – und künftig wahrscheinlich auch der Dienstleistungen – des alltäglichen Bedarfs nicht mehr aus der heimischen Wirtschafts- und Leistungsgemeinschaft, sondern aus der Ferne stammt. Dann ist es kein Wunder, dass Arbeitsplätze nur entstehen können, wenn die Exportquote der Industrie nach oben getrieben wird – und sei es durch Kolonialisierung durch ausländische Konzerne. Diese sind aber bekanntlich wieder so schnell weg, wie sie gekommen sind, wenn die Launen der Weltkonjunktur oder die Verlockungen anderer profitablerer Produktionsstandorte ihnen das als geboten erscheinen lassen.

Meine Damen und Herren! Heute besteht das deutsche Bruttoinlandsprodukt zu 20 bis 25 % aus sogenannten exportinduzierten Leistungen und zu einem wachsenden Anteil aus Dienstleistungen. Es verbleibt ein bedenklich schrumpfender Teil Produktion für die heimischen Märkte. Wer also eine relativ niedrige Exportquote hat, schaut bei diesem globalisierten System in die Röhre. Deswegen will die Staatsregierung auf Biegen und Brechen die sächsische Exportquote zumindest auf den bundesdeutschen Durchschnitt von etwa 43 % anheben, am liebsten natürlich noch deutlich höher. Im Eifer des Gefechts scheint sie sich dabei aber selbst nicht so richtig schlüssig zu sein, wo wir im Augenblick eigentlich liegen. Zumindest nennt sie in den „Leitlinien der Außenwirtschaft“ vom März 2008 für das Jahr 2007 die Zahl von 38,5 %, während in anderen Darstellungen des SMWA von 35,5 %, also ganzen drei Prozentpunkten weniger, die Rede ist.

Meine Damen und Herren! Sie vergessen bei Ihrer Exportquoteneuphorie vor allem eines: Die exportorientierte Industrie wird immer stärker den Zwängen des Share Holder Value, den internationalen Finanzmärkten und der komparativen Kostenverteilung unterworfen. Deswegen nimmt ihre Standortfestigkeit rapide ab; außerdem baut sie im mittelfristigen Trend Arbeitsplätze ab.

Ich weiß, dass die etablierte Wirtschaftspolitik im Moment keine andere Wahl hat als die Flucht nach vorn. Wir als NPD-Fraktion können es uns aber leisten, davor zu warnen, meine Damen und Herren. Wir warnen davor, dass diese Politik zu einer immer höheren Sockelarbeitslosigkeit, zu immer mehr sozialer Ungerechtigkeit und zu

immer mehr Niedriglohnjobs führen wird und auch schon geführt hat. Deswegen treten wir als NPD-Fraktion für eine Umorientierung ein – weg von der internationalen Basarökonomie, hin zu einer raumorientierten nationalen Volkswirtschaft. Die Wirtschaft muss endlich wieder den Menschen dienen, nicht umgekehrt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD und des Abg. Klaus-Jürgen Menzel, fraktionslos)

Herr Morlok für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Am Beitrag von Herrn Delle haben wir wieder einmal gesehen, dass die NPD das Thema überhaupt nicht verstanden hat, dass sie überhaupt keine Ahnung von volkswirtschaftlichen Zusammenhängen hat und uns ihre platte Ausländerfeindlichkeit auch bei diesem Thema wieder zum Besten gibt.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Wenn Sie mal darüber nachdenken würden, was Sie sagen, würden Sie vermutlich selbst zu dem Ergebnis kommen, dass das so nicht sein kann. Wir haben hier in Sachsen nach wie vor trotz aller Anstrengungen eine relativ hohe Arbeitslosenquote.

(Zuruf des Abg. Alexander Delle, NPD)

Die Arbeitslosenquote ist nur dadurch zu senken, dass wir hier in Sachsen Wirtschaftswachstum generieren und neue Arbeitsplätze schaffen. Nur eines ist klar: Solange wir uns – ich übertreibe das mal ein bisschen – hier in Sachsen alle immer nur gegenseitig die Haare schneiden, werden wir kein Wachstum generieren.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Karl Nolle, SPD – Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Ich bin jetzt nicht so bewandert, Frau Hermenau, ob es bei den Haaren wie bei den Sträuchern im Garten gilt, dass mehr Schneiden zu mehr Wachstum führt. Ich fürchte aber, eher nicht.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Sie haben doch ein paar auf dem Kopf, Sie können es doch testen!)

Ich bin mir aber als biologisches Versuchsobjekt etwas zu schade.

Aber zurück zum Thema. Wenn wir das volkswirtschaftlich so sehen – ich denke, die Mehrheit der demokratischen Fraktionen hier im Hause sieht das auch so –, dann führt an einer internationalen Vernetzung der Wirtschaft nichts vorbei. Das heißt, eine internationale Vernetzung der Wirtschaft ist eine Chance für Sachsen und keine Gefahr. Wir sollten alle gemeinsam daran arbeiten, dass die Vernetzung noch viel stärker wird.

(Beifall bei der FDP)

Herr Morlok, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Morlok, Sie verstehen viel von Wirtschaft, darum will ich jetzt Ihre Kompetenz für mich abrufen und fragen, ob ich recht habe.

Geben Sie mir recht? Wer auf Export verzichtet, wer auf Verkauf von Gütern auf der Welt verzichtet, dem fehlen jene Mittel, die er braucht, um sich Dinge auf dem Weltmarkt zu holen, die er selbst nicht hat. Wenn er diese Dinge nicht bekommt, sie aber dringend braucht, wenn er keine Mittel hat, sie zu kaufen, dann kann er am Ende nur auf die Idee kommen, sich das kriegerisch zu holen. Und ich glaube, die Vorgeschichte dieser Partei beweist, dass ich recht habe.

(Jürgen Gansel, NPD: Sie sind‚ so dämlich, Herr Porsch!)