Protokoll der Sitzung vom 30.05.2008

Weil die NPD erst im April in der Debatte zu Natura2000-Gebieten ihre Position zum Natur- und Artenschutz deutlich gemacht hat, möchte ich mich heute nur zum Inhalt der vorliegenden Anträge äußern.

Die Koalitionsfraktionen versuchen wie so oft, aber eben immer leicht durchschaubar, einem Berichtsantrag einen etwas grünen Anstrich zu verpassen. Das Ministerium hat zu den Fragen der Koalition erwartungsgemäß Stellung genommen und die Gelegenheit zu nutzen versucht darzustellen, welche übergroßen Anstrengungen es unternimmt.

In der Stellungnahme der Staatsregierung ist dann zu lesen, dass das SMUL derzeit an einem Programm zur Erhaltung der biologischen Vielfalt für Sachsen arbeitet. Darin werden die erbrachten Leistungen und künftig geplante Maßnahmen aufgeführt. In diesem Moment frage ich mich, was die bisher erbrachten Leistungen in einem Programm für die Zukunft zu suchen haben. Es gibt eben kaum etwas, worauf sich die Regierungskoalition ausruhen könnte.

Es ist wohl unbestreitbar, dass wir dringend einen besseren, also weiter reichenden Biotop- und Artenschutz für Pflanzen- und Tierarten benötigen als bisher. Die ständig länger werdende Rote Liste und der fortlaufende Verlust der biologischen Vielfalt in Sachsen geben Anlass genug. Aus diesem Grund – das wurde von unserer Fraktion auch in der Debatte zur Natura 2000 deutlich – sehen wir beispielsweise keinen Grund, mit der Sicherung dieser Gebiete bis 2009 zu warten. Die Unterschutzstellung wäre ein wirklich erster Schritt zur Erhaltung der biologischen Vielfalt in Deutschland.

Der Antrag der Koalition ist es sicher nicht. Wir werden uns deshalb enthalten, weil er nicht schadet.

Der Antrag der GRÜNEN ist inhaltlich fundiert und stellt im Gegensatz zur Koalition klare Zielstellungen und Fristen auf. Die Forderung, bis zum Jahresende eine eigene Landesstrategie vorzulegen, begrüßen wir von der NPD-Fraktion ausdrücklich.

Ich betone für meine Fraktion, dass wir keine langatmige Selbstbeweihräucherung über die bereits durchgeführten Programme haben wollen, sondern einen konkreten Plan mit Handlungsschwerpunkten für die nächsten Jahre.

Die Forderung, ebenfalls bis zum Jahresende einen Bericht über den Umsetzungszustand vom Natura-2000Netz zu erhalten, unterstützt unsere Fraktion daher ebenso. Wir hätten diesen Bericht allerdings gern noch in einem weiteren Punkt ergänzt, nämlich um die Frage, welche Gebiete in welcher Art und Weise bis dahin rechtlich gesichert wurden.

Der zweite Punkt des Antrages, wonach Sachsen zur Mitgliedschaft im Netzwerk „Countdown 2010“ aufgerufen wird, findet nicht unsere Zustimmung, weil unsere Fraktion derartige Bündnisse für wenig hilfreich hält. Für uns ist es viel wichtiger, die biologische Vielfalt vor unserer eigenen Haustür in unserer Heimat zu sichern und zu erhalten. Wir bitten daher, den Antrag der GRÜNEN punktweise abzustimmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Die Runde wird von Herrn Günther von der FDP-Fraktion geschlossen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schon lange Zeit sind sich die Forscher einig: Biodiversität ist eines der wichtigsten Themen, die in Zukunft in das politische Handeln fließen müssen, um die Lebensgrundlage der Menschen zu erhalten. Biologische Vielfalt ist notwendige Grundlage für die langfristige stabile Erhaltung der Biosphäre und damit für das menschliche Überleben.

Das Verschwinden einer Art ist die einzige Form von Umweltzerstörung, die der Mensch nicht rückgängig machen kann. Verseuchte Flüsse und belastete Wälder können sich regenerieren, wie wir es hier in Sachsen erlebt haben. Ausgestorbene Pflanzen und Tiere sind unwiederbringlich verloren. Jede natürliche Art, die durch menschlichen Einfluss verloren geht, ist ein Verlust. Deshalb ist die Erhaltung der biologischen Vielfalt generationsübergreifende Verpflichtung.

In der Geschichte der Erde hat es im Hinblick auf die Biodiversität immer auch ohne menschliches Zutun gravierende Veränderungen gegeben. Dabei sind neue Arten entstanden und andere verschwunden. Das Entstehen und das Verschwinden von Arten ist Teil der Natur. Der Klimawandel verdeutlicht, dass die Anpassung von Ökosystemen an neue Verhältnisse zum Teil sogar nötig, also nicht per se negativ zu bewerten ist.

Beim Schutz der Biodiversität geht es also nicht darum, Momentaufnahmen von Artenspektren zu konservieren. Problematisch wird es im Gegenteil dann, wenn aufgrund menschlichen Einflusses eine Anpassung der Arten nicht möglich ist. Beim Schutz der Biodiversität gilt für uns Liberale das Vorsorgeprinzip, das Erfassen, Erhalten, Alternativen abwägen, Beschränken und Ausgleichen. Das Verursacherprinzip sollte für die Reparatur zerstörter Eingriffe maßgeblich sein. Neben der Bewahrung von Reservaten müssen vor allem auch die nachhaltige Naturnutzung, bessere Umweltnutzung und die Nutzung von Eigentumsrechten für den Naturschutz gesetzt werden. Möglichst wirksam durchzusetzende Nutzungsverbote sollten nicht Leitlinie einer ökologisch wirksamen und rationalen Biodiversitätspolitik sein. Vielmehr geht es um die Indienstnahme von Naturnutzungen. Naturnutzer, wie zum Beispiel Landwirte, Förster, Jäger, Fischer, Wanderer, Reiter, Sportler und Erholungssuchende, sind aus unserem Verständnis Partner und nicht Gegner im Naturschutz.

Wir setzen erstrangig verstärkt auf freiwillige Maßnahmen und den Vertragsnaturschutz und nachrangig auf den klassischen Naturschutz mit hoheitlichen Schutzgebietsverordnungen und Verboten.

Wie der Klimaschutz ist auch der Schutz der Biodiversität eine globale Aufgabe. Internationale Natur- und Artenschutzabkommen sind bedeutend für die Koordination der Maßnahmen und müssten weiterentwickelt werden. Ein wichtiges Ziel des weltweiten Schutzes der biologischen

Vielfalt besteht auch darin, das gentechnische Reproduktionspotenzial von Flora und Fauna für kommende Generationen zu erhalten. Zumindest müssen irreparable Schädigungen durch den Menschen auch im Interesse kommender Generationen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung so gering wie möglich gehalten werden. Nur Menschen, die die Natur kennen und mit ihr vertraut sind, haben aus eigenem Erleben eine positive Beziehung zur Natur und schützen sie besser als jegliche Verordnung.

Naturschutzgebiete können unterschiedliche Eigentumsformen haben, müssen also nicht ausschließlich staatlich organisiert sein. Bemühungen zum Schutz der Biodiversität dürfen sich dabei nicht im Reservatdenken erschöpfen. Wir begrüßen daher den Antrag der Koalition, da wir hoffen, dass mit dem Bericht zu Ziffer 1 des Antrages eine Gesamtstrategie über das bloße Natura-2000-Netz hinaus erkennbar wird. Wir werden dem Antrag zustimmen.

Zum Antrag der Fraktion der GRÜNEN bleibt mir nur so viel anzumerken: Ich habe bei Ziffer 1 Punkt A aufgehört, den Antrag weiter zu lesen. Wer schon in seiner ersten Forderung eine Regierung auffordert, verbindlich bis zum Tag X das Artensterben zu stoppen, hat offensichtlich in der Schulzeit die Biologiestunden geschwänzt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Artensterben ist seit Millionen Jahren ein natürlicher Vorgang, der nicht zu stoppen ist. Jedes menschliche Handeln stellt einen Eingriff in Natur und Umwelt dar und wird irgendwelche, auch schädliche Konsequenzen haben. Die Auswüchse zu reduzieren oder einzustellen sollte Maßstab des Handelns sein. Wenn Sie dies so gemeint haben, hätten Sie Ihren Antrag auch so formulieren müssen; denn wie er jetzt vorliegt, kann man ihn nur ablehnen.

Noch ein Tipp an die Staatsregierung: Lieber Staatsminister Wöller, Ihr Kollege, mein liberaler Freund in Niedersachsen, hat eine Weiße Liste der Brut- und Gastvögel erstellt. Sonst gibt es nur Rote Listen, aber er hat eine Weiße Liste darüber erstellt, was schon geschafft wurde. Wir in Sachsen haben seit 1990 das Zunehmen vieler Arten zu verzeichnen. Deswegen wäre es ein Tipp an die Staatsregierung: Erstellen auch Sie einmal eine Weiße Liste für Sachsen, damit sich die Sachsen des Natur- und Artenschutzes annehmen und über Erfolge freuen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Danke schön. – Das war die erste Runde der Fraktionen. Gibt es weiteren Aussprachebedarf? – Jawohl, Herr Clemen für die CDUFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ohne Sie zeitlich extrem strapazieren zu wollen, würde ich gern frei nach Tucholsky mit dem Spruch „Meine Herren, wo bleibt das Positive?“ einige Beispiele von Wiedereinbür

gerungen zum Besten geben. Man kann dem Verschwinden von Arten nicht nur dadurch begegnen, indem man Lebensraum vorhält, sondern auch darin eine Chance sehen, in Sachsen verschwundene Arten wieder einzubürgern oder am Verschwinden befindliche Arten in ihrer Population zu stärken.

So möchte ich mich ganz besonders bei meinem Kollegen Rolf Jähnichen bedanken, der sich Anfang der Neunzigerjahre von einer Handvoll von Enthusiasten hat überreden lassen, in Sachsen wieder Lachse „einzubürgern“.

(Beifall der Abg. Rita Henke, CDU)

Wir haben mittlerweile das erfolgreichste Lachsprojekt Deutschlands in Sachsen. Genauso war es mir eine große Freude, mit unserem ehemaligen Umweltminister und jetzigen Fraktionsvorsitzenden Steffen Flath

(Dr. Fritz Hähle, CDU: So?)

die Würfelnatter wieder in den Elbauen ansiedeln zu dürfen oder bei der Eröffnung der Initiative „Fledermaus, komm ins Haus“ der Landesstiftung für Natur und Umwelt festzustellen –

(Rita Henke, CDU: Aber nicht ins Haus, ans Haus!)

so hieß nun mal die Kampagne, liebe Freunde –, dass sie ihre positiven Ergebnisse gezeitigt hat. Wir konnten uns mit dem Arbeitskreis für Umwelt und Landwirtschaft am Montag vergangener Woche in Rietschen von dem Erfolg des sächsischen Wolfsprojektes überzeugen und auch die Flussperlmuschel ist im Vogtland wieder heimisch geworden.

(Stefan Brangs, SPD: Wer?)

Die Flussperlmuschel. Ebenso verfügen die Striegis und die Freiberger Mulde im Regierungsbezirk Leipzig jetzt wieder über eine Population von Äschen, wenngleich die Populationsgröße durch die Flutkatastrophe und ähnliche unglückliche Umstände noch nicht die gewünschte Größe hat. Auch die in Sachsen sehr stark heimisch gewordenen Kormorane haben dazu sicherlich ihren Beitrag geleistet.

(Frank Kupfer, CDU: So ist es!)

Die Elche in der Oberlausitz sind ebenfalls ein sehr positives Beispiel dafür, dass sich einstmals verschwundene Arten in Sachsen wieder angesiedelt haben. Ich hatte vor drei Jahren die interessante Begegnung mit Elbebibern, die sich im Ketzerbach von einer Rampe in das Wasser herunterrutschen ließen. Das platschte immer so, als hätten sich mittlere Kühe im Wasser getummelt.

Das heißt also, liebe Freunde, meine Damen und Herren, es ist durchaus Positives zu vermelden, wenngleich die Sorge darüber überwiegen muss, dass in Sachsen in den letzten Jahren viel zu viele Arten vom Aussterben bedroht sind bzw. unter Umständen als verschwunden angesehen werden können.

Als Letztes möchte ich noch auf folgenden Punkt hinweisen: Wir haben es an einzelnen Stellen mit einem starken

Überhandnehmen von Neophyten und Neozoen zu tun. Deren ungehinderte Ausbreitung stellt für einige in Sachsen ansässige Arten eine große Gefahr dar. Wir müssen uns unserer Verantwortung als Pfleger der Kulturlandschaft bewusst werden und an bestimmten Stellen die vorhandenen Handlungsspielräume nutzen, um das Überhandnehmen von Neophyten und Neozoen zurückzudrängen.

Ganz herzlichen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Danke schön. Gibt es daraufhin weiteren Aussprachebedarf? – Das kann ich nicht sehen. Herr Staatsminister Wöller, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erich Kästners „Konferenz der Tiere“ lehrt uns, dass Tiere doch manchmal klüger als wir Menschen sind. Am Ende der Geschichte werden die Menschen von den Tieren gezwungen, zum Wohle ihrer Kinder zu handeln.

Das Handeln zum Wohle unserer Kinder war auch Ziel der 9. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt, die heute zu Ende geht. Die Konferenz hat auf jeden Fall bewirkt, dass die Bedeutung der biologischen Vielfalt als Lebensgrundlage für uns und unsere Kinder stärker im öffentlichen Bewusstsein verankert ist. Deshalb begrüße ich, dass sich auch der Landtag der Thematik annimmt. Jede Fraktion muss allerdings selbst wissen, mit welcher Art von Initiativen und Fragen sie dem Grundsatz des wohl gemeinsam getragenen Anliegens tatsächlich dient.

So haben es die Bündnisgrünen als zielführend erachtet, ihr Interesse in einer Großen Anfrage mit über 200 Fragen und zahlreichen Kleinen Anfragen zu dokumentieren. So wird, um nur ein kleines Beispiel zu geben, in der Großen Anfrage minutiös die Bestandsentwicklung und Verbreitung von 16 verschiedenen Tierarten, zum Teil seit 1960 und kreisweise, gefragt. Die jüngste Kleine Anfrage vom 16. Mai thematisierte Bestandsrückgänge des Kuckucks in Sachsen. Um nicht missverstanden zu werden: Das ist Ihr gutes parlamentarisches Recht.

(Beifall der Abg. Kathrin Kagelmann und Elke Altmann, Linksfraktion)

Allerdings gehört nach meinem Verständnis zu einem verantwortungsbewussten parlamentarischen Handeln sich die Frage zu stellen, ob es wirklich sinnvoll ist, die Naturschutzverwaltungen nicht nur im Ministerium, sondern auch über die Regierungspräsidien bis hin zu den Landkreisen damit zu beschäftigen, diesen überbordenden Wissensdurst zu stillen. Etwas Augenmaß bei der Fragestellung würde den Naturschutzverwaltungen mehr Arbeitszeit lassen, um den Rückgang der biologischen Vielfalt mit konkreten Maßnahmen bekämpfen zu können.