Bei uns geht es darum, Zerschneidung durch Trassen und damit Verinselung von Lebensräumen durch Zertrennung zu vermeiden und den Flächenverbrauch zu reduzieren. Nicht zuletzt geht es um eine wirksame Bildungsvermittlung in allen Ebenen, damit der Stellenwert der Artenvielfalt in der Öffentlichkeit größer wird.
Was heißt das nun konkret für Sachsen? Knapp die Hälfte aller Farn- und Blütenpflanzen ist gefährdet. Der Gefährdungsgrad liegt im Offenland generell über 25 % höher
Während zunächst nach 1990 als Folge der Verbesserung der Umweltqualität und einer wirksamen Naturschutzpolitik ein Rückgang der Gefährdungsgrade festzustellen war, ist etwa seit knapp zehn Jahren der Trend entgegengesetzt, und bestimmte Lebewesen wie Brutvögel – denken Sie an Steinkauz, Kiebitz oder Rebhuhn, Tagfalter, Lurche und viele andere – verzeichnen dramatische Rückgänge ihrer Bestände und sind zum Teil echt vom Aussterben bedroht. Die Ursachen bleiben die gleichen, die ich vor einem Monat hier an diesem Pult schon einmal genannt habe. Sie sind hauptsächlich in der Intensivierung der Nutzung durch gesteigerte Düngungs- und Pestizideinsätze, Vergrößerung von Ackerschlägen mit gleichzeitigem Rückgang von Samenstrukturen, veränderten Schnittterminen und Zerschneidung und Verinselung naturnaher Lebensräume zu suchen. Aber auch der Flächenverlust ist und bleibt ein entscheidender Faktor.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit 1990 haben wir in Sachsen rund 72 000 Hektar ehemals land- oder forstwirtschaftlich genutzte Flächen zubetoniert, asphaltiert oder anderweitig den Funktionen des Naturhaushaltes entzogen. Um das zu vergegenständlichen, sage ich Ihnen, dass diese Fläche die Fläche der beiden Landkreise Stollberg und Annaberg einnimmt, die quasi für eine naturbezogene Nutzung in Sachsen verloren gegangen ist.
Nun haben wir zu einer solchen Thematik heute hier zwei Anträge. Es muss in unserer Debatte geklärt werden, welche parlamentarische Initiative uns ein Stück weiterbringt. Ich will gar nicht von der Entstehungsgeschichte des Antrags der Fraktion Bündnis 90/GRÜNE sprechen, denn dieser Antrag existierte schon einmal im Juni 2006. Dann wurde er im Dezember 2006 ohne nähere Begründung von der Tagesordnung des Landtages genommen und ist nun in einem leicht abgewandelten Gewand wieder in den Geschäftsgang eingegangen.
Ich frage also die Fraktion allen Ernstes: Wem nützen solche apodiktischen Forderungen, von denen meines Erachtens die Einreicher selbst wissen, dass es nur Phrasen sind, selbst wenn sie in der EU gebraucht worden sind? Wem nützt es also, von der Staatsregierung zu fordern, sie möge bis 2010 das Artensterben in Sachsen stoppen?
Meine Damen und Herren, die Forderung, zu einem willkürlich gewählten Zeitpunkt das Verschwinden von
Arten zu verbieten, widerspricht jeder biologischen Erfahrung. Unter Beachtung der gerade von den Bündnisgrünen geforderten Praktik des Prozessschutzes – –
Es widerspricht also diesen Erfahrungen gerade das, was auch die Fraktion der GRÜNEN viel fordert, nämlich Prozessschutz, oder gar unter Beachtung klimatischer Veränderungen wird es so sein wie schon seit Millionen von Jahren auf der Erde. Das bedeutet, dass es laufend Veränderungen im Artenbestand gibt, und zwar nicht nur als Folge menschlicher Einwirkungen, selbst wenn diese überwiegen. Deshalb sollte man auch politische Forderungen ein wenig an die wissenschaftlichen Erkenntnisse anlehnen.
Der Antrag der Koalition hingegen hat zum Ziel, von der Regierung Handlungsstrategien zu erfragen, wie in der kommenden Zeit der Erfolg beim Artenschutz größer und dauerhafter wird, und im Umkehrschluss darzulegen, wie nachteilige Auswirkungen der Nutzungseinflüsse verringert werden können. Dazu wird in der Drucksache eine Fülle von Aktivitäten und Anstrengungen genannt, die durchaus lobenswert sind. Aber hinsichtlich der notwendigen Details zur Erhaltung der Biodiversität bleibt einiges noch zu unverbindlich. Deshalb bitten wir das zuständige Ministerium, das unter Ziffer 1 erstmals genannte Programm zur Erhaltung der biologischen Diversität in Sachsen eben so rasch wie tiefgründig erarbeiten zu lassen. Vielleicht kann aber der Staatsminister in seinen Ausführungen die Absicht auch hierzu hinsichtlich des Zeithorizontes etwas konkretisieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einen Hinweis zu einer Beschlussempfehlung möchte ich Ihnen in meinem Schlusswort geben.
Danke schön. Die zweite einreichende Fraktion, die SPD-Fraktion, vertreten durch Frau Dr. Deicke, hat das Wort; danach folgen die GRÜNEN.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum wiederholten Male reden wir hier im Plenum über dieses wichtige Thema. Dass wir dies gerade heute tun, hat auch noch einmal eine besondere symbolische Bedeutung, durch die unterstrichen wird, dass wir uns für den Erhalt der biologischen Vielfalt einsetzen und dass wir auch hier in Sachsen alle Anstrengungen unternehmen müssen, um die Vielfalt der Arten zu sichern.
Zurzeit findet in Bonn die 9. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt statt bzw. neigt sich gerade dem Ende zu. Es ging darum, das im Jahr 1992 in Rio de Janeiro beschlossene UN-Abkommen weiterzuentwickeln. An dieser Stelle begrüße ich ausdrücklich, dass die Bundesregierung die finanzielle Zusage zum globalen Umweltschutz gegeben hat.
Die Länderumweltminister waren sich kürzlich auf der stattgefundenen Sonderumweltministerkonferenz einig, dass der Erhalt der biologischen Vielfalt eine wesentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge ist. Die verabschiedete Mainzer Erklärung zur Artenvielfalt beinhaltet die Verpflichtung zur Unterstützung der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt. Genau darum geht es uns, der Koalition, in unserem Antrag.
Was tun wir in Sachsen, um diese nationale Strategie umzusetzen? Das gleiche Ziel verfolgt auch der Antrag der GRÜNEN zu diesem Punkt. Allerdings sprechen sie in diesem Zusammenhang von einem Landesaktionsplan. Die Stellungnahme der Staatsregierung zu unserem Antrag sehe ich vor dem Hintergrund, dass ein Handlungsprogramm in Arbeit ist, als eine Zwischenantwort. Unsere Forderungen sind damit noch nicht erledigt. Es bedarf aber heute eigentlich nicht der Forderung der GRÜNEN nach einem Landesaktionsplan. Allerdings wäre es schön, wenn uns die Staatsregierung einen realistischen Termin hierfür benennen könnte. Wenn das Handlungsprogramm der Staatsregierung vorliegt, sollten wir uns in diesem Hause erneut damit beschäftigen.
Meine Damen und Herren! Eines müssen wir uns jedoch bewusst machen – das richtet sich speziell an die Fraktion der GRÜNEN: Wir werden das Artensterben als solches nicht stoppen können, so wie Sie es in Punkt 1 fordern. Vielmehr geht es darum, das Artensterben wieder auf ein natürliches Maß zurückzuführen. Dieses Maß ist aktuell circa tausendfach überschritten, durch den Menschen verursacht. Um diesen Anteil geht es.
Wir in Sachsen haben noch einige Arbeit vor uns, denn beim Artensterben haben wir bisher noch keine Trendumkehr erreicht. Eine Artenschutzstudie des Magazins „GEO“ sieht Sachsen auf Platz 7 beim BundesländerVergleich. Als positiv wurde in dieser Studie hervorgehoben, dass hohe Investitionen in den Nationalpark Sächsische Schweiz geflossen sind. Im Rahmen der globalen Strategie zum Erhalt der Pflanzen, die während der Konferenz behandelt wurde, wurden unter anderem Steckbriefe für den Erhalt der einheimischen Flora gefordert.
Im Freistaat Sachsen gibt es, vergleichbar mit solch einem Steckbrief, Informationsblätter, allerdings fast ausschließlich nur für den Faunabereich. Ich gehe davon aus, dass sukzessive auch der Bereich Flora insgesamt noch besser abgedeckt wird. Diese sollten nach dem bayerischen Beispiel in einer Kurzbeschreibung nach Art, Ökologie, Biologie und Verbreitung Informationen über den Schutzstatus sowie zugrunde liegende Gefährdungsursachen enthalten. Schwerpunkt dabei sollte die Beschreibung von
Abschließend möchte ich noch kurz den Punkt Biodiversität als Ressource ansprechen, weil ich oft die Erfahrung mache, dass sich zwar viele Menschen zum Artenschutz, zur Biodiversität bekennen, aber oft gar nicht so richtig klar ist, welche Notwendigkeit für uns Menschen dahintersteht. Oft sind wir uns gar nicht bewusst, dass die biologische Vielfalt nicht nur unser Ökosystem stabilisiert, sondern dass auch die Natur für den Menschen eine Vielzahl von Leistungen erbringt.
Nach ersten Schätzungen einer Studie zur Ökonomie von Ökosystemen und Biodiversität, die im Rahmen der UNNaturschutzkonferenz vorgestellt wurde, liegt der wirtschaftliche Wert der biologischen Vielfalt bei etwa 5 Billionen Dollar jährlich.
Meine Damen und Herren, ich möchte mit einem Zitat von Albert Schweitzer schließen, der einstmals gesagt hat: „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“
Beim Thema Artenschutz geht es also um nichts Geringeres als unsere eigenen Lebensgrundlagen – genauso, wie es beim Klimaschutz der Fall ist.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Woche treffen sich die Regierungsvertreter in Bonn zur UN-Vertragsstaatenkonferenz der Konvention über die biologische Vielfalt. Die Weltgemeinschaft berät unter deutschem Vorsitz Maßnahmen gegen die anhaltende Naturzerstörung und für eine gerechte Nutzerverteilung. Das sollten wir hier – auch wenn wir über Sachsen sprechen – nicht vergessen.
Ziel dieser Konferenz und der ihr zugrunde liegenden Konvention ist es, den rapiden Verlust der biologischen Vielfalt bis zum Jahr 2010 wenigstens zu bremsen. Das war ein Kerninhalt der CPD, der Convention on Biological Diversity, die im Jahr 1992 in Rio verabschiedet wurde. Meine Damen und Herren, ich lasse es Ihnen nicht einfach so durchgehen, wenn Sie hier sagen, es sei völlig irrelevant und völlig unmöglich, innerhalb der nächsten zwei Jahre das Artensterben aufzuhalten. Sie können sicher sein, dass mir das durchaus bekannt ist; nur, was ich Ihnen nicht durchgehen lasse, ist, dass Sie – wie so oft bei Umweltzielen –, wenn Sie diese Umweltziele nicht erreicht haben, diese dann einfach mal unter den Tisch fallen lassen und so tun, als ob sie nie bestanden hätten.
In den Diskussionen um das Artensterben wird das Problem häufig in ferne Länder verschoben. Die tropischen Regenwälder werden oft genannt, auch zu Recht. Wir dürfen aber nicht vergessen: Der Verlust an biologischer Vielfalt ist auch ein sehr ernstes deutsches Problem.
Wir begrüßen ausdrücklich, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel diese Woche verkündete, künftig 500 Millionen Euro für den internationalen Artenschutz bereitzustellen. Aber wir vermissen hier in Deutschland die Ansätze, entschlossen gegen das Artensterben und den Verlust von geeigneten Lebensräumen vorzugehen.
Ich möchte auf einen Bereich unserer Kulturlandschaft eingehen, in dem das Artensterben, das Aussterben von Individuen, mittlerweile beängstigende Züge angenommen hat: die intensiv genutzte Agrarlandschaft. Spätestens seit den Siebzigerjahren ist hier eine dramatische Verringerung der Bestände zu beobachten. Seit der Wende läuft diese Tendenz weiter, auch wenn ich einzelne Erfolge nicht bestreiten will.
Der NABU Sachsen spricht von 50 % gefährdeter Arten im Freistaat. Meine Damen und Herren, ich halte das für eine sehr hohe Ziffer. Für den Agrarraum Sachsen kommt der NABU sogar zu noch dramatischeren Zahlen: Über zwei Drittel der Arten der intensiv genutzten Agrarlandschaft sind gefährdet.
Ich möchte Ihnen beispielhaft vier Arten aus der Agrarlandschaft mit rapiden Rückgangstendenzen vorstellen:
Der Feldhamster steht in Sachsen kurz vor dem Aussterben. Das einzig nennenswerte Vorkommen im Landkreis Delitzsch steht vor dem Zusammenbruch. Von 1990 bis 2007 ist eine Abnahme um 90 % zu beobachten – von mehreren Tausend auf heute nur noch wenige Hundert Exemplare. Ob die Rettung des Feldhamsters im Freistaat Sachsen noch gelingt, ist bei diesem vereinzelten Lebensraum sehr fraglich. – Frau Kagelmann, Herr Mannsfeld, wir haben am 4. April den Vortrag dazu gehört und auch zwischen den Zeilen gelesen, dass die Beteiligten wissen, dass es eigentlich schon zu spät ist.
Der Bestand des Rebhuhns ist von 1990 bis 2007 in Sachsen stark zurückgegangen. Lebten 1990 noch 2 500 Brutpaare in Sachsen, so gibt es heute nur noch circa 200 bis 400. Eine Ursache ist die Beseitigung von Ruderalstreifen, etwa durch eine unangemessene Asphaltierung von Feldwegen. Der ehemalige Umweltminister Tillich hat es sich vor anderthalb Jahren nicht nehmen lassen, auf meine Kleine Anfrage hin den Medien noch als einen besonderen Erfolg seiner Politik zu vermelden, dass jetzt auch Feldwege asphaltiert werden.
Der Kiebitz, ehemaliger Charaktervogel der Agrarlandschaft, ist heute sehr selten. Lebten in den Achtzigerjahren etwa 2 500 Brutpaare in Sachsen, so sind es heute nur noch beängstigende 400 bis 800. Als Grund für die Abnahme nennt die Staatsregierung die Beseitigung von Feucht- und Nassgrünland. Das ist sicher richtig.
Selbst für einen ehemals häufig vorkommenden Vogel wie die Feldlerche wird in Sachsen ein dramatischer Bestandseinbruch um 60 bis 70 % gemeldet. Vielerorts kann der Gesang der Feldlerche nicht mehr gehört werden. Lebten 1990 noch 100 000 bis 300 000 Brutpaare in Sachsen, so sind es heute nur noch 45 000 bis 90 000 Exemplare.
Ich habe mit den Bestandsdaten der Vogelarten bewusst den Rückgang der Artenvielfalt verdeutlichen wollen. Vögel sind als endständige Glieder der Nahrungskette exzellente Bioindikatoren für die Qualität der Lebensräume. Ihr Rückgang dokumentiert daher gleichzeitig den Rückgang ganzer Artengruppen in deren Lebensräumen.
Meine Damen und Herren, der gewaltige Verlust von Lebensräumen, der Rückgang und das Artensterben in der Agrarlandschaft Sachsens dürfen nicht länger hingenommen werden. Besonders bedenklich stimmt mich, dass sich die Bestandsrückgänge in den letzten 15 Jahren fortgesetzt haben. – Es ist immer wieder erstaunlich – Herr Prof. Mannsfeld, ich muss Sie jetzt auch wieder für den ersten Teil Ihrer Rede loben –: Ich glaube, wir sind in der Analyse völlig einig. Was ich aber tatsächlich erwarte, ist, dass Ihre Fraktion und die von Ihnen getragene Staatsregierung endlich einmal entschlossene Maßnahmen ergreifen, anstatt das eine oder andere Körnchen, was man an unserem Antrag kritisieren könnte, herauszuklauben.