Protokoll der Sitzung vom 18.06.2008

(Widerspruch bei der NPD)

Wir haben uns vieles vorgenommen, was wir in den verbleibenden 459 Tagen dieser Legislaturperiode schaffen wollen.

(Jürgen Gansel, NPD: Die Fünf-Prozent-Hürde!)

Dabei stehen für uns Sozialdemokraten immer die Menschen im Mittelpunkt unserer Politik. Wir wollen größere Gerechtigkeit und Lebenschancen für immer mehr Menschen. Wir machen die Menschen stark, damit unser Land stark ist. Dazu laden wir Sie alle recht herzlich ein.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und des Staatsministers Thomas Jurk – vereinzelt Beifall bei der CDU)

Die NPD-Fraktion erhält das Wort. Herr Apfel, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident! Zumindest eine gehörige Portion Mut will ich nicht in Abrede stellen, denn an der Erblast, die Sie von Ihrem Vorgänger übernommen haben, werden Sie schwer zu tragen haben. Ich sage Ihnen: Sie werden sich daran verheben.

In den letzten zwölf Monaten wurde Sachsen mit voller Wucht von den Segnungen der von Ihnen täglich gerühmten Globalisierung getroffen. Spätestens seit 2003 lief im Auftrag und auf Risiko der Sächsischen Landesbank und damit auf Risiko der Steuerzahler und unter den Augen eines mit sächsischen Spitzenpolitikern gespickten Verwaltungsrates ein gefährliches Kapitalmarktschwindelgeschäft ab, das außerbilanziell in ausländischen – genauer gesagt Dubliner – Zweckgesellschaften betrieben wurde, um es aus den Bilanzen herauszuhalten. Das finanzpolitische Schicksal Sachsens wurde für eine Fata Morgana aus dem Fantasiereich des internationalen Börsenrouletts verspielt, denn durch die Tätigkeit ihrer Zweckgesellschaften hat die eigentlich für die Pflege des sächsischen Kapitalkreislaufs geschaffene SLB auf den internationalen Kapitalmärkten hauptsächlich Geld für amerikanische

Häuslebauer organisiert, die aufgrund ihrer schlechten Bonität lieber in einer preiswerten Mietwohnung als in einem Eigenheim wohnen sollten.

Man braucht kein Prophet zu sein um festzustellen, dass diese verfehlte Politik, die sich gegen die Interessen unserer Volkswirtschaft und gegen das Wesen eines volkswirtschaftlichen Kapitalkreislaufs richtet und zudem gegen Gründungsauftrag und Satzung der Landesbank verstößt, auch unter einem Ministerpräsidenten Tillich betrieben worden wäre.

Die Zerstörung unserer raumorientierten Finanzierungssysteme wie der Sparkassen, der Genossenschaftsbanken, der Landes- und der Förderbanken durch die Missachtung des Regionalprinzips ist heute ein parteienübergreifender Konsens – außer der NPD natürlich. Die internationale Kreditkrise ist gerade dabei, in eine zweite Runde zu gehen, und wenn die im Zuge dieser Krise anfallenden Wertpapierverluste verbucht sein werden, wird Sachsen einer bitteren Zukunft entgegensehen. Denn diese Verluste werden unsere Bürger über die Schließung von sozialen und kulturellen Einrichtungen, den Verfall von Schulen, und zwar nicht nur der Gebäude, sondern auch der Unterrichtsqualität, den Abbau von Arbeitsplätzen, den Anstieg der Gebühren und eine aus Geldmangel nicht mehr vorhandene Wirtschaftsförderungspolitik bezahlen müssen.

Zur Erblast der Sächsischen Landesbank kommen weitere Hinterlassenschaften Ihres Vorgängers. Zum Teil sind Sie selbst dafür mitverantwortlich, weil Sie seinem Kabinett von Anfang an angehörten. Sie werden auch das Scheitern der Verwaltungs- und Funktionalreform zu verantworten haben, weil die in vielen Bereichen erfolgte Kompetenzzersplitterung bei Spezialaufgaben Sachsen den administrativen Gau bescheren wird.

Um nur ein Beispiel unter vielen herauszugreifen: Allein die in die Kleinstaaterei zurückgefallene Straßenbauverwaltung wird schon aufgrund des vorhersehbaren Fachkräftemangels zum Erliegen kommen und über ein Jahrzehnt Aufbauarbeit konterkarieren. Sie werden unterdessen von fiskalpolitischen Konfliktszenarien zwischen den Landkreisen wegen der Unterhaltung und dem Freistaat wegen der Erneuerung der Straßen gelähmt sein. Diese drohende infrastrukturelle Rolle rückwärts wird den Standort Sachsen nachhaltig schwächen und jegliche ansiedlungspolitische Hoffnung bitter enttäuschen.

Diese trüben Zukunftsaussichten werden durch den negativen Synergieeffekt mit den hohen Gewerbesteuersätzen in Sachsen nur noch wahrscheinlicher. Seit circa zehn Jahren ist in Sachsen bei der Gewerbesteuer die Hebesatzentwicklung ansteigend und die schlechte Steuerdeckungsquote – unsere Kommunen erreichen gerade einmal noch 48 % des bundesdurchschnittlichen Steueraufkommens – lässt keine Trendwende erwarten. Darüber hinaus werden Ihre künftigen haushaltspolitischen Spielräume, über den kommunalen Finanzausgleich entgegenzuwirken, gleichfalls geringer. Unter dem Lichte der abflauenden konjunkturellen Entwicklung und der

inflationären Tendenz betrachtet, werden Sie mit den Rezepten der Kabinettspolitik Milbradts ebenso scheitern wie Ihr Vorgänger.

Die Eigenkapitalstruktur der kleinen und mittelständischen Betriebe in Sachsen ist nach wie vor schwach, die Kreditfinanzierung zunehmend schwieriger, der Wettbewerb umso härter und die Unternehmensnachfolge vielfach fragwürdig, wodurch analog das Bild des Arbeitsmarktes skizziert wäre.

Vermutlich kamen exakt aufgrund dieser Rahmenbedingungen die Untersuchungen des sogenannten sozioökonomischen Panels im Gegensatz zum offiziellen Armutsbericht zu dem 2-%-Anstieg.

Dass Herrn Milbradts Leuchtturmpolitik nicht bis in die Oberlausitz strahlt, hat sich inzwischen nicht nur unter den Verbliebenen in den sogenannten Entleerungsräumen herumgesprochen. Ich hoffe sehr, dass Sie, Herr Tillich, sich dessen bewusst sind, nicht Leuchtturmwächter oder Ministerpräsident einer Metropolregion Sachsendreieck zu sein, sondern sich als Ministerpräsident und Verantwortlicher für ganz Sachsen sehen. Als solcher müssten Sie aber auch bestrebt sein, gleichberechtigt in den Räumen der ländlichen Peripherie eine Basisinfrastruktur der Daseinsvorsorge vorzuhalten, die eine langfristige Perspektive zulässt und einer Abwanderung entgegenwirkt.

Eng verwoben mit der Wirtschaftspolitik kann man der Koalition auch auf dem Gebiet der Sozialpolitik nur ein Armutszeugnis ausstellen. Blühende Landschaften auf den Ruinen der einstigen Wirtschaftsstandorte sind das einzig Sichtbare. So ist von 1991 bis heute ein Bevölkerungsverlust von 600 000 Menschen zu verzeichnen. Ein weiterer Rückgang von 300 000 bis 400 000 bis zum Jahre 2020 wird prognostiziert. Hinzu kommt eine gesellschaftliche Überalterung. 2020 wird das Durchschnittsalter bei knapp 50 Jahren liegen.

Statt den Realitäten ins Auge zu sehen, kommen Ihrerseits nur Durchhalteparolen wie einst von General Wenck. Die Fakten, die Sie, Herr Ministerpräsident, geflissentlich außen vor gelassen haben, sprechen indes für sich. Während Sie vom Aufschwung am Arbeitsmarkt schwadronieren, handelt es sich dabei hauptsächlich um sogenannte Ein-Euro-Jobs, Arbeitsplätze mit geringfügiger Beschäftigung bzw. im Niedriglohnbereich. So verwundert es nicht, dass über eine halbe Million Sachsen in einer Bedarfsgemeinschaft leben und damit auf Sicherung ihres Lebensunterhalts nach SGB II angewiesen sind. Über 50 000 sind geringfügig, annähernd 80 000 sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Fast 60 000 Sachsen sind trotz Vollzeitarbeit auf ergänzende Leistungen angewiesen.

Statt Lehren aus dieser Entwicklung zu ziehen, springen Sie nur noch von einer Wahl zur nächsten. Auch das lässt sich mit einem Beispiel untermauern, das am Freitag noch auf der Tagesordnung steht, dem Kommunal-Kombi. Was als sozialpolitisches Instrument kurzfristig gut ist, hat wirtschaftlich keinerlei nachhaltige Wirkung. Im Gegenteil, die Menschen werden oft in Programme dubioser

Vereine gesteckt, die ihrerseits dem linksradikalen und globalisierungsextremistischen Zeitgeist nachgehen können. Das erfüllt natürlich zweierlei Zwecke: Zum einen bringt es eine Beschäftigung für gescheiterte Existenzen; zum anderen dient es auch der Vorbereitung der Akzeptanz billiger osteuropäischer Arbeitskräfte, vor allem im Altenpflegebereich. Die jüngste Forderung auf Legalisierung der etwa 100 000 illegal Beschäftigten in der Altenpflege aus Polen, Tschechien und der Ukraine unterstreicht das nachhaltig.

Solch eine Politik, meine Damen und Herren, ist nicht ausländerfreundlich, sie ist wahrhaft inländerfeindlich.

(Beifall bei der NPD)

Ähnlich inländerfeindlich ist Ihre Sicherheitspolitik. Hier werden mit Unterstützung von Herrn Schäuble im Inneren umfangreiche Überwachungsmechanismen eingeführt und wird das Privatleben der Bürger ausgespäht. Nach außen werden jedoch dank der Europäischen Union die Grenzen geöffnet, was zu einem erheblichen Kriminalitätsanstieg führt. Oder ist es etwa wirklich nur „gefühlte Kriminalität“, wie der Generalsekretär Michael Kretschmer kurz nach der Wahl als Reaktion auf die Wahlergebnisse der NPD in den Grenzregionen behauptete? Ist es wirklich nur gefühlte Kriminalität, wenn wir feststellen müssen, dass sich die Anzahl der Autodiebstähle nach der Grenzöffnung in Görlitz im Vergleich zum Vorjahr verzwanzigfacht hat?

Ich mache mir ernstlich Sorgen um Ihren politischen Verstand, Herr Tillich, wenn ich registrieren muss, dass Sie Herrn Buttolo wieder zum Innenminister ernannt haben. Dieser Mann erklärte noch am Vorabend der Grenzöffnung: „Es wird keinen Anstieg der Kriminalität in den grenznahen Gebieten geben.“

Abgesehen davon, dass es immer mehr Anzeichen dafür gibt, dass Ihre Kriminalitätsstatistik geschönt wird, sprechen selbst die offiziellen Zahlen eine klare Sprache: Im I. Quartal 2008 haben in Görlitz allein die Autodiebstähle um 1 700 % zugenommen.

Alles nur gefühlt? Nein, ganz so gefühlt kann die Kriminalität doch nicht sein, denn die örtlich zuständige Polizeidirektion hat bekanntlich eine Sonderkommission eingesetzt, die seither eifrig, aber bisher nur mit mäßigem Erfolg die ausländischen Autodiebe jagt. Herrn Buttolo selbst fiel als Erklärung damals nur ein, dass es wohl an den zur Hälfte nachts ausgeschalteten Laternen in Görlitz liege. Aus Äußerungen wie diesen sprechen der Hohn und die Verachtung einer abgehobenen Politikerkaste hier im Lande. Sie wissen doch gar nicht mehr, was die Bürger draußen im Lande bewegt!

Wenn in Sachsen in den Dörfern zum Beispiel die Schule geschlossen wird, weil es aufgrund Ihrer Verweigerung einer aktiven Bevölkerungspolitik keinen Nachwuchs mehr gibt, dann erlischt langsam, aber sicher das Leben in den ländlichen Regionen. Lange Schulwege für Kinder gehören inzwischen genauso zur verbreiteten Realität wie lange Anfahrtswege für die Eltern zum Arbeitsplatz.

Allein im Kreis Meißen pendelten täglich mindestens tausend Menschen mehr als im Vorjahr.

Für Sie sind das nur gefühlte Probleme, aber Sachsens Bürger betreffen sie Tag für Tag. Deshalb gilt es, diese Probleme zu lösen und in diesem Haus keine Scheingefechte anzufachen, wie wir es von Plenarwoche zu Plenarwoche erleben. Scheingefechte sind auch die periodischen Hysterieschübe, die im Zuge des Kampfes gegen Rechts die ganze Nation immer wieder durchzucken.

Erinnern wir uns an den Mügelner Bürgermeister Gotthard Deuse, einen der wenigen aufrechten FDPPolitiker, der nach der medialen Hetzjagd gegen seine Gemeinde von einem neuen Sebnitz sprach.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Mensch, hör auf!)

Herr Deuse hat recht. Gleich einem Pawlowschen Reflex beteten Presse und Politik nach der Meldung einer Dorffestschlägerei das Thema der vermeintlichen Gefahr von Rechts herauf und herunter, obwohl es sich nicht um eine politisch motivierte Schlägerei handelte.

Mügeln, meine Damen und Herren, ist ein Synonym für den mentalen und geistigen Zustand unseres Landes.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Während linkstotalitäre Traditionspflege und Geschichtsdeutung, die unter dem Mantel des verharmlosenden Begriffes des Antifaschismus praktiziert werden, öffentlich akzeptiert sind, wie jüngst erst wieder die Diskussion um die Sprengung der Paulinerkirche und die Wiederaufstellung des Leipziger Marxdenkmals zeigte, fällt Sachsen von einer Hysterie über die potemkinsch-virtuelle Gefahr von Rechts in die nächste.

Aber wie, meine Damen und Herren von der Union, halten Sie es eigentlich mit der Abgrenzung nach Links und der Aufarbeitung des SED-Unrechts? In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage: Was ist, meine Damen und Herren der Union, bei Ihnen in Chemnitz los? Ist es wahr, dass ein ehemaliger Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft Karl-Marx-Stadt und heutiger Kandidat der Linken mit den Stimmen der CDU zum neuen Chemnitzer Ordnungsbürgermeister gewählt wurde?

(Zuruf von der NPD: Unverschämt!)

Ja, meine Damen und Herren, das ist wahr, auch wenn es kaum zu glauben ist. Und Sie, Herr Tillich, schauen dem dunkelroten, dem schwarzroten Treiben nur zu. Kein Mensch, Herr Tillich, wird Ihnen vor diesem Hintergrund Ihr Interesse an einer neuen Patriotismusdebatte abnehmen, denn die Chemnitzer Blockflötenallianz ist die Krönung des Verrats der Union an all ihren konservativen Werten und die offene Anbiederung an eine frühere Stütze des DDR-Unrechts.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Genauso unglaubwürdig ist es, wenn Sie am Tag Ihrer Kabinettsbildung verkünden, künftig soziale Gerechtigkeit in den Vordergrund stellen

zu wollen, und dann einen Herrn Beermann als Staatskanzleichef aus dem Hut zaubern. Wird Herr Beermann eigentlich nebenbei als Pressesprecher der Dürener Fundus-Gruppe arbeiten, jener Gruppe, die 1996 den auf einen Verkehrswert von 250 Millionen Euro geschätzten Bäderkomplex Heiligendamm für schlappe 9 Millionen Euro erwarb, um dann nicht nur die vertraglich zugesicherte Sanierung aller Gebäude schuldig zu bleiben; der gleichen Fundus-Gruppe, die geschlossene Immobilienfonds anbietet und die mit Schadenersatzklagen von Anlegern überhäuft wird, weil diese teilweise um den Verlust ihrer gesamten Einlagen fürchten? Herr Tillich, gerade nach dem Debakel um die SLB ist die Berufung eines Herrn Beermann in Ihr Kabinett eine Provokation für alle Bürger, die nach dem Zusammenbruch der Landesbank auf einen ehrlichen Neuanfang gehofft haben.

„Eine reine Phrase“ kann man von Ihrer heutigen Regierungserklärung sagen, die Sie kraft- und überzeugungslos vorgetragen haben. Sie zeigt nur eines: Die CDUKarawane zieht weiter. Die Hauptdarsteller wurden zwar ausgewechselt, sonst ändert sich aber nichts. Sie stehen in der Tradition Ihrer beiden Vorgänger Biedenkopf und Milbradt und wollen sparen und investieren. Ja, sparen an Sozial- und Bildungspolitik und investieren auf den internationalen Finanzmärkten!

Und noch eines zum Abschluss: Auch die noch so häufige Verwendung des Wortes „Heimat“, Herr Tillich, wird nicht dazu führen, –

Kommen Sie bitte zum Schluss.

– dass die CDU als Heimatpartei wahrgenommen wird, ganz im Gegensatz zur NPD.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Kommen Sie zum Schluss!