Protokoll der Sitzung vom 18.06.2008

Neben den drei urbanen Kulturräumen, die unverändert bestehen bleiben, werden also künftig fünf ländliche Kulturräume existieren, jeweils aus zwei neuen Landkreisen gebildet. Ihre interne Organ- und Beratungsstruktur bleibt im Wesentlichen unverändert.

Zwei sinnvolle Neuerungen im vorliegenden Gesetzentwurf will ich hervorheben. Die erste Neuerung: Die Erhöhung der Zuweisungen des Freistaates an die Kulturräume um 10 Millionen Euro bis zum Jahre 2005 hatte in einigen Kulturräumen zu der unerwünschten Folge geführt, dass die kulturellen Eigenmittel besonders bei den Sitzgemeinden gekürzt wurden. Um das Prinzip der solidarischen Kulturraumförderung zu befestigen, wurde deshalb im § 6 eine doppelte Sicherung festgelegt. Zum einen darf die Zuweisung der staatlichen Mittel bei den ländlichen Kulturräumen nicht höher sein als das Zweifache der Kulturumlage – eine Regelung, die es schon bisher in einer Verwaltungsvorschrift gab, die allerdings zum Schluss gar nicht mehr galt –; zum anderen darf die Zuweisung der staatlichen Mittel bei den einzelnen Kulturräumen 30 % der Summe der Ausgaben oder der finanzwirksamen Aufwendungen aller vom Kulturraum geförderten Einrichtungen und Maßnahmen nicht übersteigen.

Ich gebe gern zu, dass das ein wenig kompliziert klingt und bei der Berechnung wohl auch sein wird. Auch in der Anhörung fand diese Vorschrift wenig Beifall. Auf meine Nachfrage hin hatte aber auch niemand eine Alternative, wie eine Absenkung kommunaler Kulturausgaben zulasten staatlicher Mittel verhindert werden könnte. Man muss sehen, wie sich diese Bestimmung in der Praxis bewährt.

Die zweite Neuerung enthält der neugefasste § 9. Sie ist Folge des Fortfalls der Befristung. Aller sieben Jahre, erstmals zum Ende des Jahres 2015, soll eine Überprüfung des Gesetzes – Evaluation nennt man das heute – stattfinden.

Wir hatten im Ausschuss eine umfangreiche Anhörung zum Gesetzentwurf. Er fand durchweg hohes Lob und Anerkennung im Grundsatz – übrigens ein überaus

wohltuendes Erlebnis für die Abgeordneten und auch für die Staatsregierung, die ja sonst für ihre Gesetze in aller Regel nur gescholten werden. Freilich hat es auch eine Fülle von höchst bedenkenswerten Vorschlägen im Einzelnen gegeben. Ich gestehe gern, dass ich nach der Anhörung die Lust verspürt habe, mich hinzusetzen und das Gesetz einfach neu zu formulieren. Aber das wäre weder aus zeitlichen noch aus politischen Gründen möglich gewesen und hätte dem von mir selbst gestellten und vorhin zitierten dritten Ziel widersprochen.

So haben wir uns im vorliegenden Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen lediglich vorsichtig bemüht, neben einigen gesetzestechnischen und sprachlichen Veränderungen nur sparsame Ergänzungen aufzunehmen, zumal wir uns ja sorgsam hüten müssen, in die kommunale Zweckverbandshoheit einzugreifen.

Ich will die fünf Ergänzungen hier gleich nennen und erspare mir damit die gesonderte Einbringung des Änderungsantrages.

1. Der Zusatz, dass in der Satzung des Zweckverbandes regionale Besonderheiten berücksichtigt werden können, nimmt Bedenken auf, dass in sehr weitgestreckten Kulturräumen – man denke etwa an den neuen Kulturraum Erzgebirge/Mittelsachsen, der sich praktisch quer durch ganz Sachsen erstreckt – die regionale kulturelle Identität beeinträchtigt werden könne.

2. Der Hinweis, dass bei der Vergabe von Fördermitteln auf ein angemessenes Verhältnis zwischen Projektförderung und institutioneller Förderung zu achten ist, soll die notwendige Fortentwicklung der Kunst- und Kulturszene ins Bewusstsein rücken.

3. Die Erwähnung der Kulturstiftung neben dem Kultursenat als Ratgeberin des Kulturbeirates in künstlerischen Fragen erweitert das Beratungsangebot für die Kulturräume und trägt zur weiteren Vernetzung der kulturellen Institutionen im Lande bei.

4. Der Strukturfonds aus Kulturraummitteln, der beim SMWK verwaltet wird, soll künftig auch für gutachterliche Untersuchungen in den Kulturräumen zur Verfügung stehen können.

5. Ein besonderes Problem bildet der Wegfall der Kreisfreiheit für die Städte, die zugleich Sitzgemeinden für große kulturelle Einrichtungen sind. Es wird nun künftig möglich sein, dass kreisangehörige Oberzentren und Städte des oberzentralen Städteverbundes – den gibt es in der Lausitz – Mitglied in ländlichen Kulturräumen werden können, wenn Stadtrat und Kulturkonvent dies beschließen. Das Gesetz eröffnet hier eine Möglichkeit, ohne in die Entscheidungskompetenz des Zweckverbandes einzugreifen – eine Regelung, die besonders meinen Kollegen Heidan befriedigen wird.

Das sind die fünf Ergänzungen, die sich im Wesentlichen aus der Anhörung ergeben haben.

Schließlich will ich noch auf die „Bepackung“ des Antrages hinweisen. Das verfassungsrechtliche „Bepackungs

verbot“, das für das Haushaltsbegleitgesetz gilt, greift hier nicht. Ich will also auf die „Bepackung“ des Antrages mit einer kleinen, aber wichtigen Korrektur des Verwaltungsneuordnungsgesetzes hinweisen, die eine dienstrechtliche Regelung für ausscheidende, aber wiedergewählte Landräte eher in Kraft treten lässt, damit sie wirksam werden kann.

Es wäre ein schönes Zeichen für Kontinuität und Neuanfang in der sächsischen Kulturpolitik, wenn es uns trotz unterschiedlicher Auffassungen in Einzelfragen auch heute gelänge, diese nun dauerhafte Novellierung des Kulturraumgesetzes ohne Gegenstimme zu verabschieden.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Abg. Bettina Simon, Linksfraktion)

Ich erteile der Linksfraktion das Wort; Herr Dr. Külow, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Anknüpfend an meinen Vorredner gestatte ich mir zunächst eine Vorbemerkung zur Anwesenheit. Sosehr es mich freut, dass die Besuchertribünen gut gefüllt sind, so ist es doch im gewissen Sinne – da bin ich nicht ganz so feinsinnig wie Herr Heitmann – ein Armutszeugnis, dass bei einer so wichtigen Gesetzesdebatte viel weniger Landtagsabgeordnete als Gäste auf der Besuchertribüne anwesend sind – die ich ganz herzlich begrüße. Das haben eigentlich die vielen Tausend Kulturakteure in diesem Land nicht verdient.

(Marko Schiemann, CDU: Das ist nicht zulässig!)

Wissen Sie, Herr Schiemann, was alles nicht zulässig ist, was wir aber trotzdem machen …

(Volker Bandmann, CDU: Das wissen wir in der Tat bei Ihnen! – Weitere Zurufe und Unruhe)

„Was lange währt, wird endlich gut“, heißt es im Volksmund. Für die Politik der Staatsregierung trifft das eigentlich höchst selten zu. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Neuordnung der Kulturräume im Freistaat haben wir es heute mit einer dieser wenigen und damit umso erfreulicheren Ausnahmen zu tun. Während die letzte Novellierung des Kulturraumgesetzes Ende 2007 noch ein Spielball von kleingeistigem Parteienstreit innerhalb der Koalition war, haben sich diesmal CDU und SPD eines Besseren besonnen.

Mit dem vorliegenden, nunmehr entfristeten Kulturraumgesetz hat Sachsen ungeachtet aller noch von mir zu benennenden Kritikpunkte eine der wichtigsten Säulen seiner Kulturpolitik gestärkt und verfügt damit weiterhin über ein deutschlandweit originäres und zukunftsweisendes Modell der Kulturfinanzierung. Der wegweisende Charakter des Kulturraumodells besteht aber nicht nur darin, dass es mit dem Kulturlastenausgleich gelang, eine solide Basis der Finanzierung bedeutender Kulturangebote in Städten und Gemeinden zu etablieren; die besondere

Stärke des Kulturraumgesetzes besteht vor allem in den leistungsfähigen Gremien zur Entscheidungsfindung, die eine demokratische Mitwirkung wirklich gewährleisten, wo die politische Entscheidungsgewalt der Kulturkonvente mit der fachlichen Kompetenz der ehrenamtlich agierenden Kulturbeiräte sowie das professionelle Agieren der Kulturraumsekretariate einen verantwortlichen solidarischen Umgang mit der öffentlichen Kulturförderung und einen spartenübergreifenden Gestaltungswillen erkennen lassen. Auf diese Weise ist ein öffentliches Bewusstsein für die Wirkungsmöglichkeiten der Kultur entstanden.

Diesen demokratischen Diskurs über die Bedeutung der Kultur in der Gesellschaft zu ermöglichen scheint mir eine der hauptsächlichen Aufgaben von Kulturpolitik zu sein. Weil wir diese demokratischen Strukturen für sehr wichtig halten, hatten wir auch dafür plädiert, den Vorsitzenden der Kulturbeiräte im Konvent Stimmrecht zu verleihen sowie je vier vom Kreistag gewählte Vertreter mit beratender Stimme in dieses Gremium aufzunehmen. Dieser Änderungsantrag wurde leider abgelehnt.

Mit einer gewissen Hellhörigkeit reagieren wir auch auf alle Töne, die diesbezüglich eindeutig aus der falschen Richtung kommen. Das im letzten Jahr vorgestellte Theater- und Orchestergutachten der Staatsregierung ließ für die großen Kultureinrichtungen bereits wenig Gutes erahnen; denn darin wurde ganz offen über weitere Zusammenlegungen – sprich: Einsparungen – spekuliert.

Der Bericht des Kultursenates für 2007 wies daher in eindringlicher Weise auf das Gefährdungspotenzial für die sächsischen Theater und Orchester hin, das man seinerzeit bei der Erarbeitung des Kulturraumgesetzes nicht für möglich gehalten hatte. Der Kultursenat forderte angesichts dieser Gefahren – ich zitiere – „eine inhaltliche Zusammenarbeit zwischen dem Freistaat, den Kulturräumen und den Trägern der Theater und Orchester, die auf der Basis eines gemeinsamen Konzeptes für die Theater- und Musiklandschaft in Sachsen langfristige Planungssicherheit für die Institution schafft und sie aus der Abhängigkeit von kurzfristigen Schnellentscheidungen auf kommunaler und regionaler Ebene befreit“.

Nun müssen wir im Vorblatt zum Gesetz einen merkwürdigen Satz lesen: „Im Wesentlichen wird mittelfristig nur noch jeder der künftigen Kulturräume über ein Theater und Orchester verfügen können.“ Derartige durch den Freistaat vorgenommene Festlegungen zur sächsischen Theater- und Orchesterlandschaft würden aber mit der Autonomie und Selbstverwaltungshoheit der Kulturräume kollidieren und somit einen schwerwiegenden, letztlich verfassungsrechtlich bedenklichen Eingriff darstellen, wie zu der Anhörung zum Gesetzentwurf am 3. April mehrere Sachverständige betonten.

Apropos Anhörung: Herr Heitmann hat gerade darauf hingewiesen, dass im Nachgang zu dieser Anhörung nur sparsame Ergänzungen im Gesetzestext vorgenommen wurden. Ich finde es sehr bedauerlich, dass die Koalition bei der Überarbeitung des Gesetzentwurfes eine ganze Reihe von sehr berechtigten und unisono vorgetragenen

Einwänden der eingeladenen Kulturakteure – ich nenne als Stichwort die 30-Prozent-Regel – ignorierte und damit die große Chance vergab, aus dem ursprünglich als Kulturerhaltungsgesetz angelegten Gesetz ein Kulturfachgesetz zu machen. – Auf diese verpasste Gelegenheit werde ich später im Entschließungsantrag noch einmal zu sprechen kommen.

Ungeachtet dieser Einwände liefert der vorliegende Gesetzentwurf im Großen und Ganzen die Voraussetzung dafür, dass die nunmehr 14 Jahre andauernde Erfolgsbilanz des Kulturraummodells fortgeschrieben werden kann.

Wir sollten uns aber nicht zu früh zufrieden zurücklehnen, sondern die Möglichkeiten des Gesetzes wirklich ausschöpfen und beachten, dass das Kulturraummodell einer ständigen Fortschreibung und eines stets fortzuführenden Diskurses über Inhalte, Ziele und Verfahrensweisen bedarf, um die Vitalität der Kulturarbeit zu bestärken und beharrenden Momenten entgegenzuwirken. Insofern begrüßen wir die im Gesetz aufgenommene Evaluation, die allerdings erst in sieben Jahren stattfinden wird; auch darauf hat Herr Heitmann bereits hingewiesen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Kultur ist kein Ornament. Sie ist das Fundament, auf dem unsere Gesellschaft steht und auf das sie baut. Die Pfeiler dieses Fundamentes bedürfen aber einer starken Verankerung. Das Sächsische Kulturraumgesetz ist erfreulicherweise ein solcher Anker gegen eine gefährliche Entwicklung unserer Gesellschaft, die der Berliner Schriftsteller Ingo Schulze anlässlich der Verleihung des Thüringer Literaturpreises aus meiner Sicht sehr treffend charakterisiert hat: „Die Tendenz zur Refeudalisierung des Kulturbetriebes geht einher mit einer allgemeinen Privatisierung und damit Ökonomisierung aller Lebensbereiche – des Gesundheitswesens, der Bildung, des Sports, des Verkehrssystems, der Wohnungswirtschaft, der Energiewirtschaft, bis dahin, dass private Firmen Polizeiaufgaben übernehmen.“

Besser kann man aus Sicht der Linksfraktion die Notwendigkeit für das vorliegende Gesetz nicht begründen, und zumindest von unserer Seite – das kann ich Ihnen versichern, Herr Heitmann – wird sich Ihre Hoffnung auf Zustimmung erfüllen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Herr Dr. Külow, da Sie später noch einmal sprechen werden, möchte ich Ihnen mitteilen, dass in der Geschäftsordnung steht, dass Sie sich an den Präsidenten und das Plenum zu wenden haben und nicht an die Zuschauer. – Vielen Dank für die künftige Berücksichtigung.

Jetzt spricht Herr Hatzsch für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Mir gefällt die Stimmung, wie sie im Moment im Saal ist, gar nicht so richtig. Sie ist dem, was wir spätestens in

einer Stunde verabschiedet haben werden, wahrscheinlich nicht ganz angemessen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie daran erinnern: Es war der 17. Dezember 1993 – wir waren noch gar nicht allzu lange in diesem Saal, nachdem wir aus der Dreikönigskirche hier herübergezogen sind. Wir haben in diesem Raum vor vierzehneinhalb Jahren ein Gesetz verabschiedet – ich weiß nicht, ob es noch mehr gibt –: Es war bis dato und nach meiner Erinnerung das wahrscheinlich einzige Gesetz, welches einstimmig verabschiedet wurde. Es gab etwas, was es nie wieder gab: Es wurden Blumen verteilt. Herr Dr. Gerstenberg, Ihre damalige Vorsitzende des Ausschusses für Kunst und Kultur Frau Leonore Ackermann hat dem Staatsminister Blumen überreicht und zu diesem hervorragenden Gesetz gratuliert, das wir gemeinsam verabschiedet haben.

(Beifall bei der SPD, der CDU und ganz vereinzelt bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Es war ein absolut historischer Tag, denn wir hatten und haben an diesem Tag ein schlüssiges Modell für Kulturförderung auf der einen Seite und Kulturfinanzierung auf der anderen Seite – das ist ja das Schwierige an der Sache – einvernehmlich verabschiedet. Wir Sachsen werden bundesweit von allen kulturinteressierten Bürgern darum beneidet.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Wir können stolz darauf sein.

(Zuruf von der CDU: Das sind wir auch!)

Nicht zuletzt hat die Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ das Sächsische Kulturraumgesetz als hervorragendes Beispiel interkommunaler Zusammenarbeit gelobt und weiterempfohlen.

Über die ursprüngliche Intention hinaus, nämlich die Theater- und Orchesterlandschaft zu strukturieren – so ging es nämlich eigentlich los –, gelang es mit diesem Kulturraumgesetz auch, eine breite und vielfältige Kulturlandschaft insbesondere im ländlichen Raum zu erhalten und vor allem weiterzuentwickeln. So konnten sich auf der Grundlage des Gesetzes in einigen Kulturräumen zum Beispiel Bibliotheksverbände oder Museumsverbünde herausbilden.

Ich möchte an dieser Stelle auf die Kulturraumstudie von Klaus Winterfeld verweisen, die erstmals die Wirkung des Kulturraumgesetzes in allen Kulturräumen untersucht hat. Es wird deutlich, dass dieses Modell ebenfalls die Qualität der Kulturarbeit befördern konnte. Nicht zuletzt stiftet das Kulturraumgesetz regionale Identität. Die Akteure vor Ort entscheiden selbst, welche Kultureinrichtungen und Maßnahmen sie als regional bedeutsam erachten und fördern wollen.