Protokoll der Sitzung vom 19.06.2008

Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die Debatte abgeschlossen, und wir beenden den Tagesordnungspunkt 1.

Aufgerufen ist

Tagesordnungspunkt 2

Bericht des Petitionsausschusses (Berichtszeitraum 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2007)

Drucksache 4/12437, Unterrichtung durch den Petitionsausschuss

Das Präsidium hat dafür eine Redezeit von 10 Minuten je Fraktion festgelegt. Mir wurde signalisiert, dass die Fraktionen damit einverstanden sind, dass die Ausschussvorsitzende beginnt und die Koalitionsfraktionen folgen, danach die übliche Reihenfolge. Frau Simon, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Tu nichts Gutes, dann widerfährt dir nichts Böses.“ Als Jugendliche war ich sehr empört über diesen Spruch meiner Großmutter, den ich damals auch gar nicht so richtig verstanden habe. Seit ich mich intensiv mit Petitionen beschäftige, weiß ich, dass es im Leben nichts gibt, was es nicht gibt.

Eines dieser Beispiele will ich kurz anführen. Polizisten bemerkten bei ihrer Streife im Parkhaus des Flughafens Leipzig-Halle zehn Minuten vor Mitternacht einen Pkw mit geöffneter Seitenscheibe. Da der Fahrzeughalter offensichtlich schon abgeflogen und ein Schließen der Scheibe nicht möglich war, veranlassten sie die Sicherstellung des Pkws, um den Eigentümer vor Verlust oder Beschädigung seines Autos zu schützen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Dritte durch die offene Seitenscheibe eindringen, ist gerade auf einem Flughafen mit viel Publikumsverkehr sicherlich auch nach Ihrer Auffassung sehr hoch. Der Pkw wurde also abgeschleppt und für drei Wochen sichergestellt.

Nun raten Sie einmal, verehrte Abgeordnete, wie die Geschichte für die pflichtbewussten Polizisten ausging. Messerscharf kombiniert haben Sie des Rätsels Lösung schon gefunden, denn schließlich stehe ich hier vorn, um über Petitionen zu sprechen. Was sich im genannten konkreten Fall ereignete, können Sie selbst gern im Jahresbericht des Petitionsausschusses ab Seite 25 lesen. Es lohnt sich.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gemäß dem Ihnen vorliegenden Bericht des Petitionsausschusses wandten sich über 1 500 Bürger einschließlich der Massenpetition an den Ausschuss. Somit gingen im Jahre 2007 insgesamt 943 Schreiben ein, von denen 621 als Petitionen behandelt wurden.

Das ist ein beachtlicher Rückgang im Vergleich zu 2006, als wir 926 Petitionen zu bearbeiten hatten. Gleichfalls änderten sich die inhaltlichen Schwerpunkte. Fast gleichauf liegen Petitionen aus dem sozialen Bereich mit Beschwerden zum Justizwesen. Weit abgeschlagen mit nur noch 32 Petitionen ging der jahrelange Spitzenreiter Kultus aus dem Rennen. Ich nehme an, der bisherige und

der neue Minister werden es mit Erleichterung aufnehmen.

Im vergangenen Jahr konnten 165 Petitionen als erledigt erklärt werden. Weitere 34 Petitionen wurden an die Staatsregierung mit der Bitte um Veranlassung bestimmter Maßnahmen überwiesen, um den Petenten doch noch zu helfen. Da dies glücklicherweise öfter erfolgte, wofür der Ausschuss sehr herzlich dankt, konnte somit ein Drittel der eingereichten Petitionen ganz oder teilweise erfolgreich abgeschlossen werden.

Allerdings wurde auch 2007 in über zwei Drittel der Petitionen dem Anliegen der Petenten nicht entsprochen, da vielfach das kritisierte Verwaltungshandeln nicht zu beanstanden war oder die gewünschten Maßnahmen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht in Aussicht gestellt werden konnten.

Im Berichtszeitraum wurden 683 Petitionen abgeschlossen. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer konnte wieder etwas gesenkt werden, sodass 317 Petitionen innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten abgeschlossen wurden.

85 % aller Eingaben konnten wir innerhalb eines Jahres bearbeiten. Gründe für eine darüber hinausgehende Bearbeitungszeit waren entweder sehr komplexe Sachverhalte oder aktuelle Ereignisse, die eine neue Bewertung notwendig machten. Vielmals haben sich Ausschussmitglieder sehr tiefgründig mit dem Anliegen der Bürgerinnen und Bürger befasst und über die normale Bearbeitung hinaus zum Beispiel Akteneinsicht beantragt. Das erfolgte im Berichtszeitraum achtmal und ist stets mit einem sehr großen Aufwand verbunden, heißt es doch, stapelweise Akten zu studieren.

Genauso aufwendig, aber hoch effektiv sind die Vor-OrtTermine, um sich bei gemeinsamen Besprechungen mit dem Petenten und den beteiligten Behörden direkt vor Ort mit dem Sachverhalt zu beschäftigen. 19 solcher Termine wurden durchgeführt. Meist endeten sie mit einem Kompromiss, mit dem letzten Endes beide Seiten leben konnten.

Für all diese Initiativen möchte ich an dieser Stelle allen Mitgliedern des Ausschusses und dem Referat Petitionsdienst unter den Leitungen von Herrn Scholz und Frau Nolting sehr herzlich danken.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Jawohl, so viel Zeit muss sein.

Der Ausschuss selbst arbeitet konzentriert und häufig auch parteiübergreifend und im Sinne des Anliegens der Petenten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Referates sind dabei stets wertvolle und zuverlässige Berater. In meinen Dank, den ich sicher im Namen des gesamten Ausschusses aussprechen darf, will ich auch die Mitarbeiter in den Ministerien und den Behörden sowie die Sächsische Ausländerbeauftragte und den Datenschutzbeauftragten jeweils mit ihren Mitarbeitern einbeziehen.

Bei allem Dank will ich aber auch auf einen Sachverhalt aufmerksam machen, der für die Stellungnahmen aller Ministerien zutrifft. Diese werden in zunehmendem Maße in einem juristisch verklausulierten Beamtendeutsch verfasst, sodass es vielfach schon eine Meisterleistung ist, den eigentlichen Sinn der Sache herauszufinden. Es geht jedoch nicht darum, mit juristischen Spitzfindigkeiten oder Formulierungskünsten zu brillieren, sondern den Petenten in den für sie sehr wichtigen Angelegenheiten zu helfen. Da ist es vielfach bereits eine Hilfe, sich verständlich auszudrücken, wird doch damit schon erkennbar, dass das Anliegen des Petenten ernst genommen wird.

Lassen Sie mich dazu drei Beispiele nennen. Erstes Beispiel. Einer Stellungnahme zu einer sich auf Hartz IV beziehenden Petition war folgender behördlicher Ratsschluss zu entnehmen: „Durch die Petition erfuhr das Amt erstmals, dass der Petent wegen psychischer Belastungen und des daraus resultierenden Alkoholkonsums das anrechenbare Vermögen von rund 17 300 Euro vorzeitig verbraucht haben könnte.“

Schade, dass es erst einer Petition bedurfte, um zu dieser messerscharfen Schlussfolgerung und dem daraus resultierenden behördlichen Handlungsbedarf zu kommen!

Zweites Beispiel. Der Petent beschwerte sich über einen Abwasserrückstau nach kommunalen Baumaßnahmen unmittelbar an seinem Haus. Für den ministeriellen Bearbeiter war das offensichtlich eine willkommene Gelegenheit, über Unterschiede und Gemeinsamkeiten wasserbehördlichen und wasserrechtlichen Handlungsbedarfs zu philosophieren. Nach drei Seiten Text folgt sodann die nüchterne Feststellung, dass – ich zitiere – „die Fehlanbindung, die zum Eindringen des Abwassers geführt hat, beseitigt wurde“.

Warum nicht gleich so? Und das nächste Mal vielleicht sogar verbunden mit einer kleinen Entschuldigung gegenüber dem Petenten. Das wäre doch toll.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)

Drittes Beispiel. Dieses dritte Beispiel ist mein absoluter Spitzenreiter behördlicher Sprachkreativität. In der Petition ging es um die Neufassung der Pflanzenabfallverordnung. Im Text des Ministeriums wurde aus dem Petenten, der pflanzliche Abfälle verbrennen wollte, der „verbrennungswillige Bürger“.

(Heiterkeit)

Der Petitionsausschuss konnte glücklicherweise nicht nur dessen Überstellung an das nächstgelegene Krematorium abwenden, sondern fand auch eine günstigere Formulierung.

So weit, so gut von mir zum Thema Petitionen und zum Jahr 2007. Lassen Sie uns gemeinsam weiterhin Bürgeranliegen sehr ernst nehmen. Lesen Sie den Bericht und insbesondere die ihm beigefügten besonderen Petitionen, darunter – wie schon angesprochen – die eingangs erwähnte Petition gegen pflichtbewusste Polizisten; wie gesagt ab Seite 25.

Bitte, stellen Sie beim Lesen nicht nur erleichtert fest, dass Sie auf der Sonnenseite des Lebens wandeln, sondern fühlen Sie sich ermuntert, politischen Handlungsbedarf zu erkennen. Lassen Sie uns gemeinsam im Jahre 2008 vieles und Besseres tun. Dann wird es noch weniger Gründe für Petitionen geben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Für die Koalition wurde Frau Abg. Pfeiffer signalisiert.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hier ist der Bericht. Wir haben ihn alle.

(Angelika Pfeiffer, CDU, hält den Bericht des Petitionsausschusses in die Höhe.)

Frau Simon hat schon aufgefordert, ihn zu lesen. Er ist wirklich interessant.

Die CDU-Fraktion und auch die SPD-Fraktion freuen sich sehr, dass wir den Jahresbericht der Petitionen zu dieser Zeit hier lesen dürfen. Es ist eine sehr angemessene Zeit. Wir sind sehr froh über das Interesse.

Ich freue mich besonders, dass dadurch gerade auch die Besucher auf der Tribüne die Gelegenheit haben, von der Arbeit des Petitionsausschusses direkt erfahren zu können. Die Arbeit des Ausschusses verdient diese Aufmerksamkeit sehr und hat das öffentliche Interesse zu Recht.

Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Dem Präsidium möchte ich noch einmal danken, dass wir den Petitionsbericht jetzt auf der Tagesordnung des Plenums haben.

Liebe Kollegen! Der vorliegende Bericht gibt in eindrucksvoller Weise wieder, was über das Jahr 2007 an Bitten und Beschwerden beim Petitionsausschuss eingegangen und wie der Bearbeitungsstand der Petitionen ist.

Frau Simon hat es erwähnt: Der Petitionsausschuss hatte 722 Beschlüsse zu Petitionen gefasst, die vom Landtag auch verabschiedet werden konnten. Viele Beispiele sind darunter: von einem Bauern, der seine Kuh nicht verkaufen konnte, von einem Rentner, dem zum dritten Mal die Kur abgelehnt worden ist, von Sozialleistungen, die den Petenten ungenügend erscheinen. Wir bekommen auch viele Gnadengesuche von Inhaftierten, die sich an den

Petitionsausschuss wenden, um vielleicht doch ihrer Strafe eher entfliehen zu können.

Nach unserer Erfahrung ist die Erwartung der Bürgerinnen und Bürger hoch, sehr hoch. Sie möchten qualifizierte Antworten auf ihre Petitionsschreiben und sie bekommen sie auch. Die Bürger gehen zu Recht davon aus, für ihre Anliegen eine sachgerechte und auf den konkreten Einzelfall abgestimmte Prüfung zu erhalten. Für den Petitionsausschuss ist es der ausdrückliche Sinn des Petitionsrechts, dass die Bürger in ihrem Bedürfnis nach Aufklärung transparente und kompetente Aufklärung von uns bekommen und wir sie vehement unterstützen.

Sehr geehrte Kollegen! Meine Damen und Herren! Daher sind wir als Mitglieder des Petitionsausschusses auch immer wieder gefordert, jede einzelne Petition mit Sorgfalt zu prüfen und Aufklärung zu schaffen. Im Ergebnis legen wir einen Bericht vor, der den Erwartungen einer sachgerechten Prüfung auch standhält. Dass dieser Anspruch umgesetzt wird, belegt die Inanspruchnahme der den Mitgliedern des Petitionsausschusses per Gesetz zustehenden Befugnisse. Frau Simon sagte es auch schon. Wir haben Akteneinsichten genommen und waren bei 19 Ortsterminen zugegen.

Die Frage nach dem Anteil der positiven Erledigung der Eingaben, also derjenigen, bei denen etwas für den Petenten erreicht wurde, ist berechtigt und mehr als verständlich. Im Berichtszeitraum war festzustellen, dass 165 Petitionen erledigt werden konnten und bei weiteren 34 Petitionen eine Überweisung an die Staatsregierung erfolgte. Damit waren 27 % der Petitionen ganz oder teilweise erfolgreich. Allein die Einschaltung des Petitionsausschusses bewirkt, dass bereits mit der Stellungnahme der staatlichen Stellen die Grundlagen der Entscheidungsfindung und die Argumente eines Für oder Wider erläutert und Lösungswege aufgezeigt werden.

Der vorliegende Bericht zeigt aber auch, dass bei 495 Petitionen nicht geholfen werden konnte. Das hat viele Gründe. Oftmals sind es gesetzliche Vorgaben, die wir nicht einfach ändern können. Hier muss aber bitte auch darauf hingewiesen werden, dass dem Bürger trotzdem ein Stück weit geholfen worden ist, wenn er mit dem ihm zugesandten Bericht sehr umfänglich über die Sachlage aufgeklärt wird und wenn er nachvollziehen kann, dass man sich um seinen Fall ganz besonders bemüht hat.

Liebe Kollegen! Das Recht der Bürger, Eingaben an das sächsische Parlament zu richten, ist in Artikel 35 unserer Verfassung fest verankert und es ist ein Grundrecht. Die Bürgerinnen und Bürger machen rege davon Gebrauch, obgleich das Petitionsaufkommen gesunken ist. Aber das ist auch ein positives Zeichen und ich stelle fest, dass es in Sachsen vorwärtsgeht, und daher brauchen wir vielleicht nicht mehr ganz so viele Beschwerden wie in den Anfangsjahren.

Ich möchte immer wieder dafür werben, dass jeder Abgeordnete in diesem Hohen Haus über die Tätigkeit des Petitionsausschusses in seinem Wahlkreisbüro oder auch in vielen Gesprächen mit den Bürgern vor Ort informiert.

Noch immer ist Aufklärung über das Petitionsrecht vonnöten. Dafür soll auch der vorliegende Bericht, der als Broschüre zur Verfügung steht – ich habe ihn Ihnen gezeigt, Sie haben ihn alle vorliegen –, eine gute Grundlage sein.