Protokoll der Sitzung vom 20.06.2008

Als Hebel wird hierfür der Umstand eingesetzt, dass in Deutschland regelmäßig Immobilienkredite nicht durch Hypotheken, sondern durch Grundschulden abgesichert werden. Grundschulden sind aber abstrakt und setzen – anders als Hypotheken, deren Höhe vom Bestand der Forderung selbst abhängig ist – eine Forderung nicht voraus. Sie bleiben trotz laufender Tilgung in voller Höhe bestehen. Nach den Bankbedingungen werden alle Zahlungen des Schuldners auf die persönliche Schuld und nicht auf die der Bank als Sicherheit dienende Grundschuld verrechnet.

So wurde es möglich, dass offensichtlich völlig verantwortungslose Forderungskäufer, die man ihrer inneren Geisteshaltung nach nur als kriminell bezeichnen kann, die mit übernommenen Grundschulden von dem zugrunde liegenden Kredit gelöst und diese selbstständig in voller Höhe gegen die Schuldner geltend gemacht haben. Diese wurden dadurch restlos ruiniert. Sie verloren nicht nur ihr Haus, sondern wegen der unglaublich hohen Forderung, die plötzlich gegen sie erhoben wurde, auch all ihr Erspartes und teilweise sogar ihre Altervorsorge.

Wenn wir über die derzeitige Praxis des Kredithandels reden, dann reden wir also auch über tiefstes menschliches Leid und zerstörte Existenzen und einen damit verbunden eklatanten politischen Skandal, da die etablierte Politik bislang noch keine Mittel und Wege gefunden hat, diese zum Himmel schreienden Missstände abzustellen. Auch der Gesetzentwurf, der nun im Bundestag verabschiedet werden soll, geht nicht weit genug.

Wir als NPD-Fraktion sagen deshalb ganz klar: Wir brauchen in der Frage des Kredithandels eine punktuelle Einschränkung des freien Kapitalverkehrs; denn der Staat darf nicht tatenlos dabei zusehen, wie skrupellose Profiteure die geltenden Regelungen unterlaufen und ahnungslosen Kreditnehmern sozusagen das Fell über die Ohren ziehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Die FDP, bitte; Herr Abg. Morlok.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen und Herren! Herr Kollege Delle, was Sie hier gerade betrieben haben, ist nichts als reine Angstmacherei,

(Alexander Delle, NPD: Das sind doch Tatsachen, die schon passiert sind!)

die überhaupt nicht durch Fakten untersetzt ist. Reine Angstmacherei!

(Beifall bei der FDP – Alexander Delle, NPD: Das ist doch schon geschehen!)

Dass das die Strategie der NPD in diesem Hause ist, das kennen wir. Ich hätte mir allerdings seitens der Union, die als Partei dafür bekannt ist, dass sie doch einen gewissen

wirtschaftlichen Sachverstand hat, eine etwas andere Behandlung dieses Themas gewünscht; denn letztlich haben Sie als Koalition mit diesem Antrag

(Zuruf des Abg. Heinz Lehmann, CDU)

die Basis dafür gelegt, dass man hier Angstmacherei betreiben kann.

Zu den Fakten: Laut einer Anhörung der FDPBundestagsfraktion im Februar dieses Jahres gibt es – so die Aussage der Verbraucherschutzverbände – deutschlandweit keine einzige Zwangsvollstreckung aus einer Grundschuld, wenn der in diesem Zusammenhang gewährte Kredit ordnungsgemäß bedient wurde. Keine einzige! Das, was Sie hier als Schreckgespenst an die Wand malen – dass Häuslebauer um ihr Vermögen gebracht wurden, weil man irgendwelchen Kredithaien Grundschulden abgetreten hat –, ist schlicht und ergreifend unwahr; es ist gelogen.

(Karl Nolle, SPD: Heuschreckenvertreter!)

Herr Nolle, das ist schlicht und ergreifend nicht wahr. Sie machen hier Ihr Geschäft mit der Angst der Bürgerinnen und Bürger, und das sollten Sie besser sein lassen.

(Alexander Delle, NPD: Werden Sie von Lone Star bezahlt oder von wem?)

Es ist ständige Rechtsprechung der Gerichte in der Bundesrepublik Deutschland, dass die Sicherungsabrede, die jemand gegenüber der Bank eingegangen ist, nach dem Grundsatz von Treu und Glauben auch dem neuen Grundschuldgläubiger entgegengehalten werden kann. Ständige Rechtsprechung deutscher Gerichte! Darüber sollten Sie sich mal kundig machen und nicht einfach durch diesen Antrag Ängste schüren. Ein bisschen mehr Sachverstand wäre sinnvoll gewesen.

(Beifall bei der FDP)

Es ist schon angesprochen worden, dass der Antrag viel zu spät kommt. Der Bundesrat hat schon vor drei Wochen entsprechende Beschlüsse gefasst. Da hätten Sie einmal hineinschauen können, liebe Kollegen von den Koalitionsfraktionen; dann hätten Sie auch gemerkt, dass man sich dieses Themas annimmt und dort, wo man nachjustieren kann, bereits nachjustiert hat. Aber Sie haben es nicht getan. Sie haben selbst in Ihren Antrag handwerkliche Fehler eingebaut.

Unter Punkt 2 sprechen Sie von einem „Auslaufen des Darlehensvertrages“. Ich frage Sie: Wie hoch ist die Restschuld eines Ratenkredits nach Auslaufen des Darlehensvertrages? Ich denke, wir kommen sehr bald zu dem Ergebnis, dass diese wahrscheinlich null ist.

(Lachen bei der FDP)

Dann brauchen Sie auch keine Anschlussfinanzierung. Sie haben sicherlich „nach Auslaufen der Zinsbindung“ gemeint. Dann hätten Sie das aber so in Ihren Antrag schreiben sollen;

(Beifall bei der FDP)

und wenn Sie sich den Bundesratsbeschluss, den ich schon zitiert habe, durchgelesen hätten, dann hätten Sie es nur abschreiben müssen.

Deswegen, liebe Kollegen von der Koalition, könnten wir diesem Antrag, sofern er zur Abstimmung stünde, nicht zustimmen. Hier wird Panikmache betrieben – ohne jeden Sachverstand.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Die Fraktion der GRÜNEN, bitte; Frau Abg. Hermenau.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Nun, Karl Nolle, Herrn Morlok kann geholfen werden. Ich zitiere: „Fakt ist: 2007 wurden in Deutschland Immobilienkredite im Wert von 5 Milliarden Euro gehandelt, darunter auch solche, die Zins und Tilgung stets pünktlich überwiesen haben. Tendenz steigend. Laut Studien des Instituts für Finanzdienstleistungen IFF in Hamburg waren im vorigen Jahr rund 70 Aufkäufer unterwegs.“

So viel zum Thema „Heuschrecken und Kreditverkäufe“. Du hast völlig recht, Karl Nolle, und Herr Morlok hat nicht recht.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der NPD – Dr. Jürgen Martens, FDP, steht am Mikrofon.)

Nein, danke, jetzt handele ich mal meine Sachen ab. Ich habe Ihnen gerade Bescheid gegeben. – Nachdem sich die Koalition im Bund nach langem Hickhack am Mittwochabend auf faire Regeln geeinigt hat, kann ich nur sagen: Nur gut, dass das kein großes politisches Projekt war; denn das hätten sie dann wahrscheinlich nicht gelöst.

Aber der vorliegende Antrag der Koalition hat sich noch nicht völlig erübrigt. Ich spreche jetzt von Punkt 5. Es geht um die besonderen Kündigungsrechte. Da gibt es zwei Denkschulen: Die eine möchte diese Kündigungsrechte aufnehmen, die andere nicht. Wir sind der Meinung, sie sollten hinein. Aber das Ergebnis von Mittwochabend ist, dass die besonderen Kündigungsrechte nicht aufgenommen worden sind. Jetzt müssen wir entscheiden, ob der Sächsische Landtag hier eine Meinungsbildung betreiben will – ganz in Ihrem Sinne, Herr Fröhlich, eine Diskussion –, nach der wir auf Bundesebene weiterkämpfen und sagen: „Wir wollen, dass die besonderen Kündigungsrechte als besondere Art des Verbraucherschutzes aufgenommen werden“; oder ob wir sagen: „Nein, das hat sich für uns erledigt.“

Unser Änderungsantrag bezieht sich auf alle fünf Punkte, also auch auf Punkt 5. Man könnte Punkt 5 und unseren Änderungsantrag beschließen und hätte eine Meinungsbildung, die von allen Parteien auf der Bundesebene weiter vorangetrieben werden könnte. Besonders bezieht sich das auf die Sonderkündigungsrechte. Denn wenn wir diesen Antrag und unseren Änderungsantrag annehmen

würden, könnten wir die sächsischen Sparkassen auf dem Wege einer Selbstverpflichtung mit ansprechen. Wie gesagt, die Koalition im Bund will das nicht; wir wollen es. Ich finde, das wäre eine elegante Lösung, weil die Sparkassen dem Gemeinwohl verpflichtet sind. Ihnen kann man dann auch ein bisschen mehr Verbraucherschutz abverlangen.

Gegner einer solchen Regelung befürchten einen geringen Zinsanstieg, über den sich die Banken – im speziellen Fall die Sparkassen – absichern würden. Ich glaube, dass das nicht so schlimm ist. Viele Kreditanträge – auch der Sparkassen – orientieren sich an der Zinsentwicklung der EZB. Ich halte das Risiko für begrenzt und bin der Meinung, man sollte sich auf diesen Weg begeben.

Man kann übrigens auch mal schauen, was die Sparkassen selbst dazu sagen. Die Sparkasse Meißen hat zum Beispiel im Frühjahr angekündigt, dass ein Verkauf von Krediten an Dritte bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung völlig ausgeschlossen sei. Es gibt also bereits Selbstverpflichtungen auf der Ebene der Sparkassen. Da könnten wir doch aus diesen kleinen Dingen hier in Sachsen eine Tugend machen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wird von den Fraktionen noch einmal das Wort gewünscht? – Herr Morlok, bitte.

Frau Präsidentin! Ich möchte auf die Äußerung von Frau Hermenau eines deutlich machen: Ich habe nicht behauptet, dass es keine Kreditabtretungen gegeben hätte, sondern ich habe gesagt, dass niemand, der einen Kredit ordnungsgemäß bezahlt hat, aufgrund der Losgelöstheit der Grundschuld in die Zwangsvollstreckung getrieben wurde. Das habe ich gesagt. Wer etwas anderes behauptet, der sagt die Unwahrheit. Das war meine Position.

(Beifall bei der FDP)

Dann frage ich jetzt die Staatsregierung, ob sie das Wort wünscht. – Herr Minister Prof. Unland, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag betrifft ein sehr wichtiges Thema, nämlich die Verkäufe von Kreditforderungen von Banken an Fonds und Investmentbanken. Es tangiert auf der einen Seite die Bankkunden, insbesondere die Häuslebauer, um es schwäbisch auszudrücken, aber auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Auf der anderen Seite berührt es die Banken.

Hedgefonds und Investmentbanken haben im Handel mit Forderungen ein lukratives Geschäftsfeld entdeckt. Dabei gehen die Käufer gelegentlich gegen die Schuldner sehr unnachgiebig vor. Das macht vielen Bankkunden Sorgen.

Dafür gibt es drei Ursachen: erstens eine unzureichende Information der Bankkunden über die Verkäuflichkeit ihrer Kredite – ich muss gestehen, dass ich das, bevor es publik wurde, auch nicht gewusst habe –, zweitens eine unzureichende Information über die Folgen eines Kreditverkaufes und drittens die Furcht vor unberechtigten Vollstreckungsmaßnahmen aus Grundschulden.

So gab es Fälle, in denen aus Grundschulden vollstreckt wurde, obwohl die zugrunde liegenden Forderungen zum Teil bereits getilgt waren. Andererseits ist die Möglichkeit des Kreditverkaufes ein wichtiges Instrument der Risikostreuung und des Risikomanagements der Banken. Dieses Instrument dient der Eigenkapitalentlastung der Banken und der Verbesserung der Refinanzierungsmöglichkeiten. Letzteres ermöglicht es wiederum den Banken, den Kreditnehmern Kredite zu günstigeren Konditionen anbieten zu können – also durchaus positiv für die Kunden.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?