Protokoll der Sitzung vom 11.07.2008

Tagesordnungspunkt 5

Verwaltungsreform bürgerfreundlich umsetzen – Härten für Angestellte und Beamte vermeiden

Drucksache 4/12724, Antrag der Fraktion der FDP

Zu diesem Antrag können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnt die FDP-Fraktion als Einreicherin, danach CDU, Linksfraktion, SPD, NPD, GRÜNE und die Staatsregierung.

Ich erteile der einreichenden Fraktion das Wort. Herr Dr. Martens, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Verwaltungsreform, die wir vor sechs Monaten mehrheitlich in diesem Haus verabschiedet haben, kommt auf die Zielgerade. In etwa zwei Wochen, mitten in der Ferienzeit, muss der große Umzug von Personal und Aktenbeständen abgeschlossen sein. Der Personalübergang von insgesamt 4 144 Landesbeschäftigten ist das zentrale Element der Verwaltungsreform.

Seit dem Beschluss des Landtages zur Verwaltungsreform am 23. Januar 2008 tendiert die Auskunftsfreude der Staatsregierung zur Umsetzung dieses bedeutendsten Vorhabens in der Legislaturperiode uns gegenüber gegen null. Mit „uns hier im Haus“ – Herr Kollege Bandmann; zum Mitschreiben – meine ich nicht den Arbeitskreis VI der CDU-Fraktion, sondern das Parlament in seiner Gesamtheit.

Meine Damen und Herren! Es gibt genug Aufklärungsbedarf. Es geht hier nicht nur um Kleinigkeiten oder Verfahrensfragen, sondern um über 4 000 Beschäftigte, die zu den Landkreisen, den kreisfreien Städten und zum Kommunalen Sozialverband wechseln sollen. Da wollen wir schon wissen, ob das funktioniert, ob das so abläuft, wie es die Staatsregierung nach dem Motto „Leben Sie, wir kümmern uns um die Details“ angekündigt hat.

Nicht anders kann man es verstehen, wenn die Staatsregierung auf die Kleinen Anfragen, die bisher gestellt wurden, zum Beispiel antwortet: „Die Staatsregierung geht davon aus, dass zum 01.08.2008 der Personalübergang und die Arbeitsfähigkeit bei den kommunalen Körperschaften gewährleistet sind.“ Da möchten wir schon nachfragen, was dieses etwas kryptische „wir gehen davon aus“ bedeutet. Wir wollen nicht nur wissen, ob die Staatsregierung davon ausgeht, dass es klappt, sondern wollen wissen: Klappt es nun oder klappt es nicht, und wo sind die bei einer solchen Umsetzung zu erwartenden Schwierigkeiten aufgetreten?

(Beifall bei der FDP)

Dass es solche Schwierigkeiten gibt, nehmen wir an und wissen es aus Gesprächen vor Ort. Die Schwierigkeiten

werden anscheinend nicht kleiner, sondern drängender, je näher der 1. August 2008 rückt. Was man in den letzten Monaten aus vereinzelten Pressemitteilungen erfahren konnte, lässt befürchten, dass der Personalübergang nicht in allen Punkten eine reine Erfolgsgeschichte ist.

Erwähnt sei hier der Rückschlag vom 14. März 2008. Da hat das Verwaltungsgericht Dresden der Staatsregierung ins Stammbuch geschrieben, dass die Mitbestimmungsrechte des Hauptpersonalrats im Innenministerium nicht ausreichend berücksichtigt worden sind. Die daraus folgende notwendige Beteiligung der Personalräte hat natürlich dann zu Verzögerungen geführt.

Wir wollen wissen: Wie groß sind diese Verzögerungen? Wie hoch sind die Folgeschäden? Welche Nachteile ergeben sich hieraus bei der Behördenarbeit? Welche Nachteile kommen auf die Bürger im Land bei der Umsetzung der Verwaltungsreform zu? In wie vielen Fällen funktioniert das Personalübergangsgesetz nicht so, wie es sich die Staatsregierung vorgestellt hat? Beispielsweise konnten die Namenslisten, die bis zum 15. Mai 2008 für den Personalübergang zusammengestellt sein sollten, doch nicht rechtzeitig fertiggestellt werden, sondern sie sollten erst im Juni vorliegen. Ob sie am 16. Juni 2008 vorhanden waren, wissen wir bis heute nicht.

Meine Damen und Herren! Die Folgen, die wir befürchten und von denen wir vereinzelt hören, sind eine unnötige Hektik beim Personalübergang und Beschäftigte, die in ihren Dienststellen zu spät von dem unterrichtet werden, was im Zusammenhang mit dem Vollzug der Verwaltungsreform auf sie zukommt.

Stückchenweise erfahren wir zum Beispiel die Antwort auf die Frage, wie die betroffenen Beschäftigten einbezogen wurden. Im Innenausschuss erhielten wir den Abdruck eines Schreibens vom 20. Juni, in dem das Innenministerium davon ausgeht, dass im mittleren und technischen Dienst der Vermessungsverwaltung nur fünf sogenannte Zwangsverteilungen erfolgen müssten. Am 28. Juni wird der Staatsminister des Innern in der „Freien Presse“ damit zitiert, dass im Bereich der Vermessungsverwaltung dann doch zwölf Mitarbeiter ihren Dienst nicht freiwillig an der vorgesehenen neuen Dienststelle antreten wollten. Gleichzeitig wird für den Bereich der gesamten Verwaltung angegeben, dass sich nur 90 Angestellte und Beamte gegen die Versetzung wehren würden, während nach anderen Informationen der „Sächsischen Zeitung“ vom 5. Juli dies nur in etwa 15 Fällen der Fall gewesen sein soll.

Meine Damen und Herren, wir wollen wissen, wie der aktuelle Stand ist und wie sich der freiwillige Personalübergang gestaltet. Ist er wirklich freiwillig, sind hier Gespräche geführt worden, oder war das aus Zeitgründen gar nicht mehr möglich? Und wir wollen wissen, meine Damen und Herren: Wie gestaltet sich der Aufgabenübergang oder der Übergang der Verwaltungsvorgänge?

Wir haben bereits im letzten Jahr zum Beispiel mit Kleinen Anfragen festgestellt, dass es im Bereich des Landesblindengeldes und im Bereich der Anerkennung von

Schwerbehinderteneigenschaften etliche Tausend nicht abschließend bearbeitete Anträge gab. Dieser Antragsstau ist – entgegen der Ankündigung der Staatsregierung – nicht bis April 2008 abgearbeitet worden, sondern er soll sich zumindest im Bereich von Anträgen des Sächsischen Landesamtes für Familie und Soziales weiter aufgebaut haben. Die Stadt Dresden rechnet aufgrund dieses Staus jetzt schon mit einem erheblichen Mehrbedarf an Personal, der nicht durch einen Mehrbelastungsausgleich gedeckt ist.

Dresden hat übrigens bereits am 8. Februar 2008 ein Schreiben an das SMI geschickt und auf Bearbeitungsrückstände in Bereichen der Umwelt- und der Sozialverwaltung hingewiesen. Nach einer Unterrichtung des Stadtrats seitens der Stadtverwaltung Dresden ist bis 1. Juli 2008 auf dieses Schreiben seitens der Staatsregierung nicht einmal reagiert worden. Das ist ein Umgang, den wir kritisieren, wobei wir ebenfalls feststellen wollen, wie das wirklich läuft.

Meine Damen und Herren, der Übergang der Akten auf die neuen zuständigen kommunalen Stellen ist wohl in etlichen Fällen weniger geglückt. Wir wollen mit diesem Antrag Klarheit schaffen und dazu beitragen, dass manches, was jetzt noch klemmt, vielleicht doch noch einmal nachgefragt wird. Es wird bis 1. August nicht alles funktionieren, aber wir wollen wissen, welche Bemühungen die Staatsregierung unternimmt, damit es wenigstens so weit wie möglich funktioniert.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Danke schön. – Das war die einreichende Fraktion. Nun die CDU; Herr Kollege Bandmann, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine gute, leistungsfähige Verwaltung braucht gute, leistungsfähige, aber auch hoch motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Deshalb ist es sehr wichtig, die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Prozess dieser Verwaltungsreform mitzunehmen. Wir, die Koalition, haben uns frühzeitig dafür eingesetzt und im Reformgesetz die notwendigen Rahmenbedingungen dafür geschaffen.

Seit Langem planen die Fachleute die Vollzugsphase. Die vom Landtag beschlossene Reform befindet sich mitten in der Umsetzung. Am 16. Juni 2008 wurden die Listen mit den konkreten Vorschlägen zum Wechsel des Personals der kommunalen Seite übergeben. Staatsminister Dr. Buttolo hat uns, als er nach dem Zeitplan des Personalüberganges gefragt wurde, mitgeteilt, dass zum 1. August 2008 der Personalübergang und die Arbeitsfähigkeit in den kommunalen Körperschaften gewährleistet werden. Die Staatsregierung hat daran mit Hochdruck gearbeitet.

Die Personalvertretungen wurden in den Prozess der Erarbeitung der Fragebögen für den Personalübergang

ausdrücklich einbezogen. Die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hatten die Möglichkeit, bei der konkreten Abordnungs- bzw. Übergangsverfügung die Personalvertretung erneut einzubeziehen. Etwa ein Viertel hat davon Gebrauch gemacht.

Im Ergebnis – und das ist aus heutiger Sicht mehr als erfreulich – werden weniger als 2 % der Fälle in ein Einigungsverfahren gehen müssen – und das bei mehr als 4 000 Beschäftigten. Beim Schiedsstellenverfahren sind es derzeit weniger als 1 %. Die Vermutung, zu der Sie aufgrund vereinzelter Fälle kommen, kann sich also in der Tat nur auf seltene Einzelfälle beziehen.

Ich möchte noch einmal ausdrücklich auf den Entschließungsantrag der Koalition aus CDU und SPD hinweisen. Unter der Drucksachennummer 4/8817 haben wir einen Antrag zu den Auswirkungen der Verwaltungs-, Funktional- und Kreisgebietsreform gestellt. Uns kommt es eben genau auf die Zukunftsfähigkeit der Verwaltung an.

Herr Dr. Martens, bei aller Zulässigkeit des Antrages muss ich sagen: Zum jetzigen Zeitpunkt die Verwaltung mit diesem Katalog von Fragen zu überziehen ist eben keine Unterstützung für die Verwaltung, sondern genau das Gegenteil. Sie irren auch in der Annahme, dass wir das hier im Hohen Haus beschlossen haben. Formal ist diese Formulierung zwar richtig, aber Sie haben die Reform bei der Beschlussfassung nicht unterstützt, sondern Sie haben, wenn ich das richtig sehe, dagegen votiert.

(Dr. Jürgen Martens, FDP: Das ist kein Geheimnis!)

Das heißt, es war in der Tat die Koalition, die dieses Reformvorhaben getragen hat. Wir sehen in diesen wenigen Schiedsstellenverfahren, dass die Umsetzung bis jetzt ausgezeichnet läuft.

Neben dem Personalübergang ist der Übergang der ITgestützten Aufgaben sicherzustellen. Daran arbeiten eine Projekt- und eine Steuerungsgruppe. Die CDU-Fraktion geht davon aus, dass hinsichtlich des SGB-IX-Verfahrens alle Bandbreiten zur Verfügung stehen und es keine technischen Probleme geben wird. Es muss sichergestellt werden, dass es nicht zu einer Verzögerung für die betroffenen Bürger bei der Bearbeitung ihrer Anträge kommt.

Ich denke, die Staatsregierung ist hinreichend sensibilisiert, dies aus eigenem Interesse im Auge zu haben. Staatsminister Dr. Buttolo hat uns ja im Innenausschuss dazu berichtet, dass es auch im Sozialbereich derzeit einen Rückstau gibt. Die Landräte haben bei dem Gespräch mit dem Staatsminister darauf aufmerksam gemacht. Genau in diesem Bereich ist daraufhin eine Verstärkung der Abteilungen sichergestellt worden.

Es muss eine Einigung zwischen der kommunalen und der staatlichen Seite herbeigeführt werden; denn nicht alle Anträge werden bis zum Übergang der Aufgabe abgearbeitet sein. Das hängt nicht zuletzt mit der Laufzeit dieser Verfahren zusammen.

Dass die Bürgerinnen und Bürger die Reform als notwendig ansehen und ihr auch eine Zukunftschance geben, haben sie mit ihren Wahlergebnissen bei der Kommunalwahl im Juni hinreichend dokumentiert. Die Landräte haben durch die Reform eine große Verantwortung übertragen bekommen.

Mit dem Wahlergebnis ist allerdings auch eines deutlich geworden: Die Menschen im Lande trauen am ehesten den CDU-Landräten zu, diese Verantwortung zu schultern.

(Beifall des Abg. Dr. Martin Gillo, CDU)

Dies sehen wir im Übrigen ganz genauso. Deshalb halten wir Ihren Antrag heute und hier für überflüssig und werden ihn ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. – Für die Linksfraktion ist Herr Dr. Friedrich angekündigt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Bandmann, alles wird gut, aber nichts ist gut. Der Antrag der FDP-Fraktion ist vollauf berechtigt und hochaktuell. Das darf ich gleich zu Beginn sagen. Wir werden ihm zustimmen.

Ich muss jedoch vor einer Illusion warnen. Selbst die tollste Berichterstattung – angenommen, Herr Staatsminister Buttolo, Sie treten ans Pult und berichten entsprechend dem Antrag – wird die aus unserer Sicht misslungene Reform nicht retten.

Ich darf an die letzten Tage im Januar dieses Jahres erinnern, als es Marathonsitzungen des Plenums gab. Auf diesen Sitzungen wurden die beiden großen Reformpakete beschlossen. Auch die harmlosesten Änderungsanträge der demokratischen Oppositionsfraktionen – DIE LINKE hat allein 23 beigesteuert –, die von der Koalition mit milbradtscher Sturheit zum Durchhalten, komme, was da wolle, diszipliniert worden sind, wurden abgewiesen. Zugelassen wurde lediglich ein völlig folgenloser Zwergenaufstand einiger Regional-Abgeordneter, die sich noch nicht einmal miteinander verbündet hatten, sodass ihr Anliegen, diese oder jene Änderung, wie zum Beispiel die Kreissitzfrage, doch noch zu klären, völlig erfolglos blieb.

Fazit: Die Reform ist alles andere als bürgerfreundlich und schon gar nicht ist sie mitarbeiterfreundlich. Daran kann auch jede noch so tolle Berichterstattung nichts ändern. Etwas ändern daran kann höchstens noch die Normenkontrollklage der Linksfraktion und die Klage des Muldentalkreises. Ich darf daran erinnern, dass zwar drei kommunale Verfassungsklagen, nämlich die von Plauen, von Aue und von Grimma, von den Verfassungsrichtern in Leipzig als offensichtlich unzulässig abgelehnt worden sind, aber unsere und die des Muldentalkreises wurden nicht abgelehnt. Hier wird es nach unserer Information Anfang oder Mitte September zur mündlichen Verhand

lung kommen. Warten wir doch einmal ab, wie die Verfassungsrichter entscheiden.

Herr Staatsminister Buttolo, Sie sollten etwas mehr Demut vor den Verfassungsrichtern haben. Vor einigen Tagen haben Sie in einem Interview geäußert, dass die Klage der Linken destruktiv und rückwärts gewandt wäre und Sie davon ausgehen, dass wir unterliegen werden. – Schauen wir doch einmal, was dabei herauskommt.

Ich sage hier: Unsere Klage ist keineswegs destruktiv und schon gar nicht rückwärts gewandt. Es ist unser gutes demokratisches und parlamentarisches Recht, dass wir als stärkste Oppositionsfraktion die Klagemöglichkeit in Anspruch nehmen. Was daraus wird, werden wir sehen. Wer sonst, wenn nicht die stärkste Oppositionsfraktion im Landtag, sollte klagen? Dafür müssen wir uns nun wirklich nicht rechtfertigen.

(Beifall bei der Linksfraktion)