Protokoll der Sitzung vom 11.07.2008

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich habe es an diesem Pult schon sehr oft gesagt: Wir wollen die Reform nicht verhindern, denn die Reform ist notwendig; aber wir wollen eine bürgerfreundliche Reform, eine bessere Reform und nicht dieses bürokratische Machwerk, das am Ende nur die Landräte stärkt. Das ist nämlich der Punkt. Wir wollen eine Reform, die sicherstellt, dass diejenigen, die die politischen Vorgaben, die der Landtag beschließt, umsetzen müssen – das sind die Angestellten und die Beamten in den Verwaltungen und in den Kommunen – und deren berechtigte Sorgen, Bedenken, Kritiken, Anregungen und Vorschläge ernst genommen werden. Aber, Kollege Bandmann, diese werden eben nicht ernst genommen. Ich darf daran erinnern, dass sich die Personalräte ihre legitimen Mitwirkungsrechte erst vor dem Verwaltungsgericht erkämpfen mussten.

(Zuruf von der Staatsregierung: Das stimmt doch gar nicht!)

Selbstverständlich stimmt das! Ich darf an die Umweltverwaltung erinnern.

Deshalb war es von Anfang an klar, dass der ambitionierte Zeitplan bis zum 15. Mai mit der Namensliste derer, die in die Kommunen oder an die betreffenden Landratsämter wechseln sollten, nicht zu halten sein würde, weil die Beteiligungen mehr Zeit erfordern.

Es wurde also erst vor Gericht erstritten, dass eine Minimalform der Beteiligung gegeben ist. Dass das so kommen musste, ist einem Geburtsfehler der Reform zu verdanken. Statt einen Überleitungstarifvertrag vorzusehen, den man rechtzeitig verhandeln und abschließen muss und nicht erst kurz vor der Angst, wurde bekanntlich die gesetzliche Übergabeverfügung durch die Mehrheit des Landtages in die Gesetze eingefügt, quasi per Dekret. Am Ende haben alle Staatsministerien recht, und 4 144 Bedienstete haben zu wechseln, egal, ob sie einen kw-Vermerk haben, ob sie vor Ort gebraucht werden oder nicht. Man muss sich daher nicht über die geringen Prozentzahlen wundern. Herr Kollege Bandmann, mich

wundert es auch, dass es nicht mehr sind, aber das ist keinesfalls ein Güteausweis, das sage ich Ihnen eindeutig.

Für die neuen Kreistage ist es eine schwere Hypothek, denn das neu ankommende Personal ist keineswegs in die Landratsämter integriert; auch das wird mit Sicherheit einige Zeit dauern. Diese Defizite beim Personalübergang sind eindeutig hausgemacht durch Ihr Ministerium, Herr Dr. Buttolo. Sie haben die Zeitplanung völlig von der Realität abgekoppelt. Ihre Zeitplanung ist wie ein Kartenhaus zusammengestürzt und die Akzeptanz der Reform, wenn man sich mit Beschäftigten oder Personalräten unterhält, ist total unter die Räder gekommen.

Ein weiteres großes Problem sind die im FDP-Antrag angesprochenen Bearbeitungsrückstände, der sogenannte Antragsstau. Sie, Herr Dr. Buttolo, haben im Innenausschuss versichert, es würde alles rechtzeitig bis zum 1. August mit außerordentlichen Kraftanstrengungen abgearbeitet. Ich erinnere an solche sozialen Leistungen wie das Bundeselterngeld, das Landeserziehungsgeld, das Landesblindengeld und einige andere. Es sind exakt noch 20 Tage, einschließlich der Wochenenden. Wir werden sehen, ob Sie es schaffen und ob das für Ihr Haus und die anderen Häuser realistisch ist. Es gibt dazu verschiedene Kleine Anfragen, unter anderem von meinem Abgeordnetenkollegen Wehner. Hier sind ernste Zweifel angebracht.

Da dies so ist, wäre es viel vernünftiger, die Kreisgebietsreform von der Verwaltungs- und Funktionalreform abzukoppeln und letztere Reform erst mit dem 01.01.2009 in Kraft treten zu lassen. Davon würde die Welt nicht untergehen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Danke schön. – Für die SPD-Fraktion spricht der Abg. Brangs.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es hat mich schon ein wenig überrascht, als ich den Antrag zum ersten Mal in den Händen gehalten habe. Kollege Martens ist jetzt nicht unter uns, ich will es aber trotzdem sagen.

(Ministerpräsident Stanislaw Tillich: Er lebt noch!)

Er lebt noch! Der Holzmichl lebt noch. Gut.

(Dr. Jürgen Martens betritt den Saal.)

Kollege Martens, ich kann mich noch gut daran erinnern, dass Sie sich vor nicht allzu langer Zeit hier vorn an das Mikrofon gestellt und gesagt haben: Es kann doch nicht wahr sein, dass die Koalitionsfraktionen nichts anderes drauf haben als dauernd Berichtsanträge zu schreiben!

Jetzt schreiben Sie auch einen Berichtsantrag und man könnte sagen: Vielleicht ist ein Sinneswandel eingetreten. Das kann sicherlich sein. Es ist auf jeden Fall ein interessanter Sinneswandel oder aber es ist das schlechte Gewissen, weil Sie es bei einem so wichtigen Thema nicht

geschafft haben, mit einem konkreten Antrag zu agieren. Sie hätten auch mit Kleinen Anfragen agieren können, dann hätten wir uns den Berichtsantrag sparen können. Ich glaube, es hätte Ihnen besser zu Gesicht gestanden, wenn Sie das mit einem konkreten Antrag gemacht hätten, indem Sie das, was man ändern müsste und was Sie verändert haben wollten, ausgeführt hätten.

Es gab eine zweite Überraschung, wenn ich einen solchen Antrag in den Händen halte: Scheinbar ist die FDP jetzt die Partei geworden, die die Interessen der Beschäftigten vertreten will und die Anwältin der Beschäftigten in diesem Prozess ist.

(Zuruf von der FDP)

Die gestrige Debatte, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, hätte Ihnen die Chance gegeben, sich ein wenig zu outen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Sie hätten sich zum Beispiel bei der gestrigen Debatte – ich weiß nicht, ob immer noch die Gleichen klatschen – zum Personalvertretungsgesetz – – Und schon hört das Klatschen beim Koalitionspartner auf.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der CDU: Nein, wir klatschen auch hier!)

Beim Personalvertretungsgesetz hätten Sie sagen können, wie Sie als FDP die Mitbestimmung und die Personalvertretung, wenn Sie denn der Hüter der Interessen der Beschäftigten sind, sehen.

(Beifall bei der SPD und der CDU – Volker Bandmann, CDU: Er hat von Deregulierung gesprochen!)

Genau, er hat gestern von Deregulierung gesprochen. Das ist richtig, Kollege Bandmann.

Wenn es darum geht – das ist eine bittere Wahrheit –, dass wir Schwächen im Personalübergang haben, dann liegt das vor allem daran, dass wir im jetzigen Personalvertretungsgesetz nicht alle Fallkonstruktionen beschrieben haben, die die Verwaltungs- und Kreisgebietsreform hätten sinnvoll begleiten können.

(Beifall des Abg. Dr. Michael Friedrich, Linksfraktion)

Dazu sagen die einen: Gott sei Dank ist das so; denn dann müssen wir die Personalräte nicht beteiligen und haben weniger Arbeit. Aus der Sicht der Beschäftigten und der Personalräte wird gesagt: Wir fühlen uns über den Tisch gezogen. Insofern ist es natürlich richtig, dass es nach wie vor Sinn macht, über eine Novelle des Personalvertretungsgesetzes nachzudenken. Dass wir mit dieser Novelle nicht rechtzeitig in den Landtag gekommen sind, haben andere zu verantworten. Ich hätte mir das auf jeden Fall gewünscht. Was jedoch wichtig ist – darüber bin ich auch sehr froh –: dass wir in der Koalition gemeinsam dafür gerungen haben, Regelungen zu treffen, die zum Beispiel Übergangspersonalräte verankern und – –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Den Satz möchte ich bitte noch zu Ende sprechen.

vor allem dort, wo es Probleme mit dem Vollzug des Überganges gab und gibt, sehr konkrete Lösungsvorschläge angeboten haben.

Herr Günther, bitte.

Herr Kollege Brangs, sind Sie der gleichen Meinung wie Ihr Koalitionskollege Bandmann, dass die ausgezeichnete Reform zu den Landratswahlen durch die Wähler bestätigt wurde?

(Angelika Pfeiffer, CDU: Natürlich! – Heinz Lehmann, CDU: Ja klar, hundertprozentig!)

Bitte was? Dass die Wähler durch den Landrat...? Sorry, ich habe es wirklich nicht verstanden.

Ich erkläre es Ihnen noch einmal: Sind Sie derselben Meinung wie Ihr Koalitionskollege Bandmann, der vorhin am Pult sagte, dass die ausgezeichnete Reform durch die Wählerinnen und Wähler am 8. oder 22. Juni bestätigt worden sei?

(Beifall der Abg. Margit Weihnert, SPD – Angelika Pfeiffer, CDU: Jawohl!)

Aus seiner Sicht sowie aus Sicht der CDU ist das natürlich eine wunderbare Erklärung, die ich mir auch zu eigen gemacht hätte, wenn ich dieses Wahlergebnis erzielt hätte. In der Tat ist die Realität eine andere.

(Beifall bei der CDU)

Ich würde Ihnen jedoch gern ein Beispiel dafür nennen, wo wir sofort ganz konkret versucht haben zu helfen. Es ging im Vogtlandkreis darum, dass dieser mit keinem anderen Landkreis fusioniert und wir genau dort Probleme hatten, dass einige Spezialisten – in einem Haus, dessen Namen ich jetzt nicht nennen möchte – der Auffassung waren, dass aus diesem Grund eine Neuwahl des Personalrates stattfinden müsse und es bis zu dieser Neuwahl keine Personalvertretung geben sollte. Wir haben dann gemeinsam denjenigen, die das vertreten haben, diesen Zahn gezogen, und das Ergebnis sieht so aus, dass wir als Koalition zusammen mit dem Innenministerium erreichen konnten, dass die Interessen der Beschäftigten gewahrt wurden. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir auch in einer schwierigen Umbruchphase und einer Situation des Überganges dort, wo es Regelungslücken oder unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten gab, im Interesse der Beschäftigten gehandelt haben.

(Beifall der Abg. Margit Weihnert und Enrico Bräunig, SPD)

Sie, liebe Kollegen von der FDP – Sie sehen, ich gehe heute besonders pfleglich mit Ihnen um –, möchten in Ziffer II Härtefallregelungen. Kollege Martens, als Anwalt müssten Sie wissen, dass ein Blick ins Gesetz bekanntermaßen die Rechtsfindung erleichtert. Wenn Sie sich das Gesetz einmal genau ansehen, dann stellen Sie fest, dass wir im Rahmen eines sozialen Auswahlkataloges durchsetzen konnten, soziale Härten zu vermeiden.

(Volker Bandmann, CDU: Und Kündigungsschutz!)

Damit es im Protokoll steht und alle, die sich nicht damit befasst haben, es noch einmal hören: § 3 Abs. 6 des Gesetzes über den Personalübergang vom Freistaat Sachsen auf die kommunalen Körperschaften lautet – ich zitiere –: „Bei der Auswahl und Verteilung von vergleichbaren Bediensteten sind insbesondere folgende Kriterien zu berücksichtigen:

1. Umfang der Wahrnehmung der in Abs. 1 genannten Aufgabe bei der Auswahl von vergleichbaren Bediensteten“ – das kann man vernachlässigen. „2. Betreuungspflichtige Kinder, die bis zum 1. August 2008 das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben; 3. Erziehung von im Haushalt des Bediensteten lebenden Kindern allein durch den Bediensteten; 4. Dauerhafte Pflege einer pflegebedürftigen Person durch den Bediensteten; 5. Erwerbsminderung des Bediensteten wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit; 6. Schwerbehinderung oder eine gleichgestellte Behinderung; 7. Entfernung zwischen Wohnung und künftiger Dienststelle; 8. Familienstand.“

(Volker Bandmann, CDU: Und Kündigungsschutz!)

Damit aber nicht genug. Für Schwerbehinderte gilt der Abs. 7 sogar als allgemeine Härtefallklausel. Das heißt, auch diese ist in das Verfahren hineinverhandelt worden.