Protokoll der Sitzung vom 11.07.2008

Tagesordnungspunkt 4

Unsere Kneipen existenziell schützen und unterstützen! Ein-RaumGaststätten als gemeinschaftsfördernde Treffpunkte erhalten!

Drucksache 4/12723, Antrag der Fraktion der NPD

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnt die NPD-Fraktion als einreichende Fraktion, danach die gewohnte Reihenfolge. Ich erteile der NPDFraktion das Wort. Herr Apfel, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ausschankwirtschaften waren und sind seit alters her Orte der Geselligkeit, wo nicht nur abends nach getaner Arbeit, sondern sogar sonntags nach dem Kirchgang der Durst gestillt wurde und wo vor allem die dörfliche Gemeinschaft zusammenkam, wo man Neues erfahren konnte und dem Tratsch und Klatsch gefrönt wurde.

Schankwirtschaften waren und sind über die Zeiten hinweg Treffpunkte der verschiedensten Volksschichten, ein Diskussions- und Versammlungsort mit hoher sozialer Bedeutung für alle, ideal für Menschen gleich welcher Herkunft, Religion oder Generation, der richtige Ort für Schüler und Studenten, Lehrer und Professoren. Denken Sie nur an die „Feuerzangenbowle“. Und genau das ist es, was die NPD schützen will.

Wir wollen jene Orte schützen, wo die strategischen Biertischbomben gezündet werden, wie das Herr Martens einmal so schön treffend, wenn auch in diskriminierender Absicht, ausgedrückt hat. Ob Dorfschänke oder Eckkneipe in der Anonymität der Großstadt, die Lokale waren stets Orte der Vertrautheit und der Gemütlichkeit. Das Vereinsleben fand in den Vereinszimmern der Lokale statt. Volle Kneipen gaben dem Ganzen eine lebendige Stimmung. Gaststätten waren auch mit ihren Stammtischen Orte der Begegnung und des menschlichen Austausches.

Fast jeder noch so kleine Ort hatte bis zur sogenannten Wende in Sachsen seine Gastwirtschaft, die der Dorfgemeinschaft einen lebendigen Mittelpunkt gab. Heute stirbt vor allem im ländlichen Raum auch noch dieser Restbestand ländlicher Infrastruktur immer stärker ab, was Sie natürlich als Ergebnis der Demografie schönreden, ohne dieser dramatischen Entwicklung ernsthaft entgegenzusteuern. Aber das ist ein anderes Thema.

Kosten und Preisdruck zerstören seit Jahren die über Jahrzehnte gewachsene Gaststätten- und Kneipenkultur. Die wirtschaftlichen und politischen Bedingungen der Nachwendezeit haben viele Gastwirtschaften ins wirtschaftliche Aus getrieben. Hohe Gewerbemieten, bürokratische Schikanen, billiger Fernsehklamauk auf zahlreichen Kanälen, steigende Preise im Gastronomiegewerbe haben die über Jahrzehnte gewachsene Gaststättenkultur zerstört. Damit wurde aber auch die wirtschaftliche Existenzgrundlage vieler Familienbetriebe zerstört. Dass auf der anderen Seite ausländische Billiglokale oder Edelre

staurants und Schickimicki-Bars für Reiche entstanden, ändert nichts an diesem Befund.

Die große Zahl der inhabergeführten Gaststätten steht gerade heute fortwährend unter enormem wirtschaftlichem Druck. Viele Gaststätten müssen in den nächsten Jahren zunehmend um ihre wirtschaftliche Existenz bangen. Das Problem besteht darin, dass der Gaststättenbesuch für viele inzwischen zum Luxus geworden ist, den sich arme Menschen heute gar nicht mehr leisten können. Die Gastwirte können dafür am wenigsten. Sie geben oft nur die gestiegenen Kosten weiter. Die hohen Mieten, die viele Gastronomen bis heute zahlen müssen, sind Ergebnis der Immobilienspekulation, die nach der Wende viele Mieten in astronomische Höhen stiegen ließ. Die Politiker der herrschenden Altparteien haben hier nur zugeschaut, nicht ohne Grund.

Auch für die Herrschenden war die Immobilienspekulation ein Riesengeschäft, weil die Steuereinnahmen stiegen, das Vermögen der öffentlichen Hand höher bewertet wurde und so die Veräußerungsgewinne groß waren.

Das Nichtraucherschutzgesetz tut hier nun das Übrige dazu. Und das Übrige ist hier das Schlechte. Das Nichtraucherschutzgesetz ist eventuell gut gemeint. Doch es ist mangelhaft durchdacht und an der Wirklichkeit vorbei. Gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut.

Natürlich sollten nicht so viele Menschen rauchen. Die Volksgesundheit ist ein hohes Gut. Natürlich unterstützt die NPD weitgehend das neue Nichtraucherschutzgesetz, vor allem mit Blick auf das Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden. Nicht von ungefähr war es die NPD, die mit dem Blick auf den Jugendschutz als erste Fraktion hier im Landtag ein Rauchverbot an Schulen forderte; von Ihnen damals einhellig abgelehnt.

Doch das Gesetz in seiner endgültigen Form ist in sich unschlüssig und wirklichkeitsfremd. Es benachteiligt besonders kleine Wirtschaftsbetriebe, konkret kleine EinRaum-Kneipen. Für diese Kneipen können die Auswirkungen des Gesetzes das endgültige Aus bedeuten. Denn für Nichtraucherzimmer ist dort kein Platz und für Umbaumaßnahmen kein Geld vorhanden. Wenn die Raucher nicht mehr kommen, fehlen viele der bisher zahlenden Gäste.

So können wir nur darauf hoffen, dass das durch den Sächsischen VGH auch im Hauptsacheverfahren so gesehen wird und die vorläufigen Ausnahmeregelungen Bestand erhalten.

Die NPD-Fraktion ist der Auffassung, dass es an der Zeit ist innezuhalten, um die Fakten zu prüfen, die zu einer ausgewogenen Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der Gaststätten im Freistaat befähigen. Ferner sollten wir

nicht abwarten, bis die wirtschaftlich gefährdeten kleinen Kneipen den Bach hinuntergegangen sind, sondern schnellstmögliche Unterstützungsmaßnahmen ergreifen, um dieses Schicksal abzuwenden. Diesen Zielen soll unser Antrag dienen.

Die NPD-Fraktion ersucht daher die Staatsregierung zur Unterrichtung des Landtags, wie sich die Zahl und die wirtschaftliche Lage der sächsischen Gaststätten seit 1990 bis heute entwickelt haben. Ferner: wie viele dieser Gaststätten von ihren Betreibern als Haupt- oder Nebengewerbe geführt werden, wie viele ihrer Betriebe durch Insolvenz eingestellt werden mussten und wie viele Erwerbstätige davon betroffen waren, nicht nur, aber vor allem auch mit Blick auf die Auswirkungen seit Einführung des Nichtraucherschutzgesetzes.

Wir fordern Sie auf darzulegen, welche Bedeutung Sie kleinen Gaststätten, zum Beispiel städtischen Arbeiterkneipen oder Dorfkneipen auf dem Lande, in sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht für die Gegenwart und Zukunft zumessen und wie Sie dieser Bedeutung gerecht werden wollen, damit die Gaststätten auch in wirtschaftlich schweren Zeiten als gemeinschaftsfördernde Treffpunkte erhalten bleiben.

Welche Unterstützungsmaßnahmen halten Sie für geboten, um die wirtschaftlich gefährdeten Kneipen zu erhalten, potenzielle Sozialkosten zu vermeiden und um die für den Fall des Eintretens der uneingeschränkten Rechtskraft des Nichtraucherschutzgesetzes zu erwartende Existenzgefährdung dieser Gastronomiebetriebe zu kompensieren?

Nicht zuletzt fordern wir Sie auf, eine zunächst auf zwei Jahre befristete Beihilfe für die Betreiber von Ein-RaumGaststätten in voller Höhe der abgeführten Einkommensteuer nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz zu gewähren und diese privilegierende Maßnahme nach Fristablauf einer Bewertung ihrer Wirksamkeit zu unterziehen.

Meine Damen und Herren! Ich rufe Sie dazu auf, unserem Antrag zuzustimmen, denn die vielen kleinen sächsischen Kneipen verdienen den Schutz des Staates und deshalb auch unsere Unterstützung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Ich frage die CDUFraktion, ob sie dazu sprechen möchte. – Die Linksfraktion? – Die SPD? – Herr Gerlach, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben mit Antrag vom 15.01.2007 am 25.01.2007 das erste Mal in den letzten anderthalb Jahren über die Nichtraucherproblematik gesprochen.

Dazu kam noch ein Gruppenantrag, initiiert von den GRÜNEN, vom 09.01. Dann kam das Nichtraucherschutzgesetz der GRÜNEN vom 02.02.2007, die 1. Lesung am 14.03.2007. Dazu kam noch ein Nichtrau

cherschutzgesetz der Staatsregierung vom 03.05., die 1. Lesung am 09.05.2007. Dann kam am 04.06.2007 die Anhörung, am 14.09. die Ausschusssitzung, anschließend die abschließende Lesung am 26.09.2007. Das war dann das Nichtraucherschutzgesetz.

Die FDP hakte genau zu der Problematik, die die NPD jetzt bringt, am 25.02.2008 mit einem Antrag nach, den wir am 06.03.2008 hier behandelt haben. Dann kam die FDP noch einmal mit einem Gesetzentwurf, 1. Lesung am 16.04.2008, 2. Lesung am 18.06.2008. Das heißt, alles, was zu diesem Thema gesagt werden müsste oder gesagt werden sollte, wurde bereits gesagt, nur noch nicht von jedem, nämlich nicht von der NPD.

Sie sind sich wirklich nicht zu schade, hier noch einmal mit etwas aus meiner Sicht vollkommen Sinnlosem nachzuhaken, denn es steht ja nichts drin außer Ihrer – von Ihnen vollkommen willkürlich gegriffenen – auf zwei Jahre befristeten Beihilfe in Höhe der Einkommensteuer. Das müssen Sie uns erst einmal erklären, wie das mit der Nichtraucherproblematik in irgendeiner Weise in Verbindung zu setzen ist. Es steht hier nichts drin. Sie stellen fünf Fragen, die hätten Sie auch anders stellen können.

Können Sie uns vielleicht noch am Ende erklären, was denn eine „städtische Arbeiterkneipe“ ist? Darüber wollen Sie nämlich eine Auskunft haben. Das wird der Staatsregierung schwerfallen, sollten wir zustimmen.

Wir werden dem nicht zustimmen. Sie haben gemerkt, dass Ihnen hier ein Thema davongelaufen ist. Wir haben alles abgehandelt, es ist alles ausdiskutiert worden, und jetzt kommen Sie noch einmal hinterher. Es versteht niemand, warum Sie das tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Ich frage, ob es weiteren Diskussionsbedarf gibt. – Von der NPD ist noch ein Redner gemeldet. Herr Abg. Delle, bitte.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Gerlach, ich weiß nicht, ob Sie nicht verstehen können oder wollen, dass es sich bei dem vorliegenden Antrag in erster Linie um einen Berichtsantrag handelt, mit dem wir Informationen von der Staatsregierung abfragen wollen, um auf der Grundlage der erhaltenen Antworten weitere Schritte zu unternehmen.

(Zuruf des Abg. Johannes Gerlach, SPD)

Wie Sie meinen können, dass mit der Aufzählung von Dingen, die das Thema Nichtraucherschutz betreffen, der Antrag erledigt sei, verstehe ich, ehrlich gesagt, nicht.

Die NPD hat es in den letzten vier Jahren so gehalten, dass wir jedem Berichtsantrag, von welcher Fraktion er auch kam, immer zugestimmt haben, weil – ich denke,

dass das gerade für Politiker wichtig sein müsste – zusätzliche Informationen niemals schaden können. Sie runden ein Bild ab. Man ist, wenn man die Antworten zu einem Berichtsantrag gelesen hat, immer ein Stückchen schlauer, als man es vorher war.

Ich möchte aber einen Aspekt unseres Antrages noch etwas vertiefen. Nachdem Herr Apfel Ihnen einige Argumente genannt hat, möchte ich Ihnen eine Pressemitteilung der IHK Schwerin vom 28. März dieses Jahres nicht vorenthalten. Darin wird als Reaktion auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zum Rauchverbot in inhabergeführten Ein-Raum-Gaststätten auch auf die besondere soziale Bedeutung kleinerer Dorfkneipen im ländlichen Raum hingewiesen, deren Besuch in vielen Fällen die einzige öffentliche Freizeitgestaltung im ländlich geprägten Raum ist. Der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer zu Schwerin, KlausMichael Rothe, erklärte – ich zitiere –: „Die Politik in Mecklenburg-Vorpommern muss endlich erkennen, dass den Gaststätteninhabern eine besondere soziale Funktion zukommt, die sich nicht nur in der Bereitstellung von Speisen und Getränken erschöpft. Vielerorts ist der Kneiper auch der Zuhörer und Ratgeber in allen Lebenslagen. Diese Funktion kann er jedoch dann nicht mehr ausüben, wenn seine Kunden ausbleiben und er zudem in seiner Existenz gefährdet ist.“

Ich denke, meine Damen und Herren, diese Aussage kann man eins zu eins auf Sachsen übernehmen.

Ich bitte Sie deshalb nochmals, die von uns dargelegten Argumente innerlich kurz Revue passieren zu lassen und unserem nun wirklich moderat formulierten Antrag Ihre Zustimmung zu erteilen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Ich frage, ob die Staatsregierung das Wort ergreifen möchte. – Das ist nicht der Fall. Dann frage ich die NPD-Fraktion, ob Sie das Schlusswort halten wollen. – Das hat sich mit dem Redebeitrag erübrigt.

Meine Damen und Herren! Damit kommen wir zur Abstimmung. Ich stelle die Drucksache 4/12723 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke schön. Stimmenthaltungen? – Bei Stimmen dafür ist dem Antrag mehrheitlich nicht gefolgt worden, die Drucksache wurde nicht beschlossen. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Wir kommen nun zu