Protokoll der Sitzung vom 10.09.2008

Meine Damen und Herren! Die sächsischen Bürgerinnen und Bürger erwarten von uns, dass wir uns im Landtag mit den Sorgen beschäftigen, die die Menschen im Land wirklich umtreiben. Der Ärztemangel in Sachsen gehört leider bereits zu den Alltagserfahrungen vieler Menschen. Deshalb ist ein umfassender Maßnahmenplan dagegen ein Gebot der Stunde, und ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Vorhaben.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Das war Herr Delle von der einreichenden Fraktion. Es folgt die CDUFraktion; Frau Abg. Pfeiffer, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu Beginn zwei kurze Bemerkungen machen.

Erstens. Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der NPD-Fraktion – Sie sagten es selbst –, setzt eine Kette von Aussprachen zum Thema Ärztemangel fort, wie wir sie fast zu jeder Plenarsitzung haben. Mit Reden allein kann jedoch überhaupt nichts erreicht werden. Sie selbst, Herr Delle, sprachen Ihren Maßnahmenkatalog an, der auf keinen Fall so, wie Sie ihn vorgestellt haben, umsetzbar ist.

Zweitens. Die Antworten auf Ihren Antrag finden Sie bereits in der Stellungnahme der Staatsregierung auf die Anfrage der FDP: Modellprojekte gegen Medizinermangel in Sachsen. Normalerweise müssten Sie, wenn Sie das alles lesen, Ihren Antrag für erledigt erklären.

(Jürgen Gansel, NPD: Wir wollen es umgesetzt sehen und nicht nur beschlossen! Ist das so schwer zu verstehen?)

Sehr geehrte Damen und Herren! Sachsen handelt, und das seit Jahren. Sachsen war eines der ersten Bundesländer, das konkrete Maßnahmen gegen den Ärztemangel entwickelt und auch umgesetzt hat.

Die Staatsregierung berichtet nicht nur im Plenum, sondern ebenfalls im Fachausschuss, wo Sie alle, meine Damen und Herren Kollegen, auch Sie von der NPD, Fragen stellen können. Nun habe ich mir die Arbeit gemacht und die Protokolle der letzten zwei Jahre durchgelesen. Herr Delle, Ihre Kollegen, die dort vertreten sind, haben nicht nur zum Thema Ärztemangel, sondern generell nicht einmal eine einzige Frage gestellt.

(Beifall bei der CDU, der Abg. Dr. Gisela Schwarz, SPD, und Elke Herrmann, GRÜNE – Zuruf des Abg. Alexander Delle, NPD)

Die NPD fordert unter Punkt II einen Maßnahmenkatalog; einen solchen gibt es ja schon längst. Das müssten Sie

Sechstens: Auch für die Gewinnung ärztlichen Nachwuchses sind erfolgreich Aktivitäten in Anspruch genommen worden. Es gibt jährliche Informationsveranstaltungen aller Medizinstudenten. Es gibt das Leipziger Patenschaftsmodell. Das heißt, es werden Hospitanten in den Landarztpraxen gefördert, um sie für diese Tätigkeit zu interessieren. Die Förderung beträgt in den ersten zwei Jahren 300 Euro monatlich, im dritten Jahr 400 Euro und im vierten Jahr 600 Euro. Und diese Förderung braucht nicht zurückgezahlt zu werden.

wissen, das wissen Sie auch. Aber ein bisschen Polemik, so denken Sie, schadet ja nichts.

Die Staatsregierung hat eine breit angelegte Initiative gestartet, um die medizinische Versorgung in Sachsen zu verbessern. Das gilt auch für den ländlichen Raum. Lassen Sie mich einige Fakten aufzählen.

Erstens: Stichwort Sicherstellungszuschläge. In Gebieten mit einer Unterversorgung oder einer drohenden Unterversorgung mit Ärzten erhalten Mediziner eine Zulage. Diese Zulage ist gestaffelt. Bei der Übernahme einer Praxis bekommen sie beispielsweise 60 000 Euro, bei der Neueröffnung 30 000 Euro und für die Einrichtung einer Zweitpraxis 7 000 Euro. Außerdem erhalten verbliebene Ärzte im Planungsgebiet eine Bonuszulage.

Es geht nicht allein ums Geld, dass wir mit Ärzten Probleme haben. Das wissen wir selbst. Es ist eine Sache, die nicht nur in Ostdeutschland, in den neuen Bundesländern Probleme macht. Es gibt in ganz Europa – zumindest in großen Teilen Europas – dieses Problem.

Zweitens: Ein nicht rückzahlbarer Zuschuss für die Errichtung von Arbeitsplätzen in Höhe von bis zu 200 000 Euro wird Hausärzten, Kinderärzten und Nervenärzten vom Wirtschaftsministerium gewährt. Darüber hinaus können Ärzte, die sich in offenen Planungsgebieten niederlassen wollen, für eine Übernahme oder Neugründung ein zinsverbilligtes Darlehen bei der SAB erhalten. Das Programm Gründungs- und Wachstumsfinanzierung muss in diesem Zusammenhang dringend erwähnt werden.

Siebtens: die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um gerade Ärztinnen die berufliche Verwirklichung zu erleichtern. Auch hier gibt es schon Modellprojekte.

Meine Damen und Herren! Man kann nicht auf alle aktuellen Aktivitäten und noch geplanten Projekte in Sachsen eingehen, die der Sicherung der ärztlichen Versorgung in unserem Land dienen sollen. Eines ist aber sicher: Es bedarf nicht eines Antrages der NPD.

Drittens: Daneben gelten verschiedene kommunale Unterstützungsmaßnahmen.

(Zuruf des Abg. Alexander Delle, NPD)

Das schaffen wir auch ohne Sie. Denn in der Zwischenzeit weiß auch die Bevölkerung, wie Sie einzuschätzen sind.

Viertens ist ein weiterer zentraler Punkt die Anwerbung – das haben Sie schön ausgelassen – von derzeit 1 000 Ärzten aus dem Ausland, zum Beispiel auch aus Österreich. Abschließend: Ihr Punkt III ist schon lange erledigt. Dann arbeiten Sie doch wenigstens korrekt Ihre eigenen Maßnahmen durch. (Beifall bei der CDU und der SPD – Jürgen Gansel, NPD: Dazu sagen wir noch etwas!) (Jürgen Gansel, NPD: Das ist eine Absichtserklärung!) – Ich wünsche Ihnen viel Gesundheit, Herr Gansel. Aber wenn Sie sich einmal das Bein brechen sollten, sollte Sie ein ausländischer Arzt hoffentlich gut betreuen, damit Sie auch dann zufrieden sind.

Der Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses vom 29. August 2008 sieht die Erhöhung der Ärztehonorare von 2,5 Milliarden Euro doch schon vor.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD) Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, diesen Antrag der NPD abzulehnen. Er ist nicht nur schlecht gemeint, Wir werden diese Mediziner dringend benötigen. Wir sind froh, dass sie im Land sind. Sachsen ist ein weltoffenes Land. Das wird auch so bleiben. (Jürgen Gansel, NPD: Schlecht gemeint?)

er ist auch grottenschlecht gemacht.

Danke. (Jürgen Gansel, NPD: Wie eine tibetanische Gebetsmühle immer noch einmal!) (Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN) Auch wenn Sie das nicht wollen.

(Beifall bei der CDU und der SPD) 3. Vizepräsident Gunther Hatzsch: Danke schön. – Das war die Meinung der Koalition. Die Linksfraktion? Fünftens: Über den gesetzlichen Rahmen hinaus erfolgt eine zusätzliche Förderung von Weiterbildungsassistenten der Allgemeinmedizin in Höhe von 600 Euro pro Monat maximal für 24 Monate. Voraussetzung für diese Förderung ist, dass der Weiterbildungsassistent seine Weiterbildung in einem Planungsbereich absolviert, in dem der Versorgungsgrad ohne Ärzte älter als 60 Jahre unter 75 % liegt. (Zuruf von der Linksfraktion: Nein!)

Frau Lauterbach ist aber angekündigt. – Gut, dann die Fraktion GRÜNE. Frau Herrmann, bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt haben wir erlebt, dass die NPD tatsächlich aus dem Mustopf kommt – oder sollte

man besser sagen, aus dem Hinterzimmer? – und mit uns über den Ärztemangel in Sachsen diskutieren will.

Die Mitglieder der NPD-Fraktion haben wohl die Diskussionen bisher verschlafen, die wir hier im Hohen Haus auf Antrag demokratischer Fraktionen geführt haben? Was wollen Sie eigentlich mit Ihrem Antrag erreichen?

Ich denke, es ist zweierlei. Zum einen nutzen Sie die Situation in Sachsen aus, um sich zu einem Thema zu Wort zu melden, das die Menschen in Sachsen bewegt. Sie springen also auf eine Diskussion auf, die hier schon lange läuft, und zwar ohne Sie. Damit wollen Sie den Menschen weismachen, dass Sie Konzepte haben. Aber Ihr Antrag beweist genau das Gegenteil: Sie haben keine Konzepte.

Zweitens, und das ist viel gravierender, geht es Ihnen gar nicht um die fachliche Auseinandersetzung, sondern es geht Ihnen darum, den demokratischen Fraktionen und der Staatsregierung Untätigkeit und mangelnde Kompetenz zu unterstellen. Sie wollen uns hier diskreditieren, um selbst glänzen zu können.

(Beifall bei den GRÜNEN – Jürgen Gansel, NPD: Sie diskreditieren sich durch Ihre Diskussion!)

Das haben Sie im Sinn, Sie von der NPD. Pech für Sie, dass Ihr Antrag dafür allerdings zu spät kommt.

Ganz klar – und das sagen wir auch allen Menschen in Sachsen, die sich Sorgen machen, weil ihr Hausarzt zum Beispiel schon 60 Jahre alt ist oder sie beim Facharzt lange warten müssen –: Die NPD hat hier heute keine einzige neue Idee. Alles, aber auch alles, was die NPD hier vorschlägt, wird schon praktiziert oder ist in Vorbereitung.

(Beifall bei den GRÜNEN – Jürgen Gansel, NPD: Warum merken die Menschen davon nichts?!)

Die Staatsregierung hat aus Studien des Bundesgesundheitsministeriums und aus selbst in Auftrag gegebenen Studien schon früh die nötigen Schlüsse gezogen. Es gibt ja nicht nur das Modellprojekt AGnES. Meine Kollegin Frau Pfeiffer hat eben die Maßnahmen vorgestellt, die die Staatsregierung eingeleitet hat.

Sie haben gesagt, Sie lesen die Kleinen Anfragen. Dann muss ich Sie wirklich fragen: Verstehen Sie sie auch?

(Beifall bei den GRÜNEN – Lachen der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Dann hätten Sie sich und uns diesen Antrag heute sparen können. Ganz detailliert hat die Staatsregierung alle Maßnahmen aufgelistet. Sie hat auch erklärt, wer an der Finanzierung beteiligt ist, unter anderem nämlich die Landesärztekammer, die Sie erst in den Maßnahmenplan einbeziehen wollen.

Sie fordern: Erfahrungen sind zeitnah auszuwerten. Meinen Sie, darauf sei die Staatsregierung nicht auch schon gekommen? Aber dafür müssen erst einmal Ergebnisse vorliegen und die entsprechenden Modelle eine

Weile laufen. Das Modell AGnES wird erst in diesem Jahr beendet sein.

Im Übrigen werden die Maßnahmen der Staatsregierung zum Teil aus dem ESF gefördert; Geld, das Sie gar nicht haben wollen, weil es aus Europa kommt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion – Jürgen Gansel, NPD: Das sind auch unsere Steuergelder!)

Also wo sind Ihre Ansätze? Nichts Neues schlagen Sie vor, aber unser aller Zeit schlagen Sie tot.

Ja, es ist ein Problem. Es gibt genug Ärzte. Es gibt auch genug Studenten, die Medizin studieren. Aber sie wollen nicht in Sachsen praktizieren und sie wollen auch nicht in den ländlichen Regionen praktizieren.

Herr Dr. Müller, der heute nicht anwesend ist, hat bereits in der 93. Sitzung des Hohen Hauses das Problem benannt, als er sagte, dass die weicheren Faktoren fehlen und dass Ärzte auch ein „gewisses Anspruchsniveau“, wie er es ausdrückte, an ihre Umgebung haben.