Protokoll der Sitzung vom 11.09.2008

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte schön.

Bitte schön.

Herr Colditz, mit welchem Recht klagt denn dann die Wirtschaft in Sachsen über nicht ausbildungsreife Lehrlinge, die die Schulen verlassen?

Wir sind gerade in Sachsen auf einem guten Weg, uns mit der Wirtschaft zu verständigen, was die Anforderungen an die Auszubildenden anbelangt.

Ich habe auch nicht gesagt, dass wir in Sachsen alle Wünsche, die in der Wirtschaft existieren, schon erfüllen. Das ist nicht das Thema. Das ist auch etwas völlig anderes als das, was Sie gesagt haben, Frau Günther-Schmidt. Sie sprachen von „Gefälligkeitsgutachten“, die die Wirtschaft über die Bildung hier erstelle. Wenn man diese Behauptung zu Ende denkt, dann stellt sich heraus, dass sie großer Blödsinn ist. Das muss ich einfach so sagen.

(Beifall bei der CDU – Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Wir sollten vielleicht in der Pause weiterdiskutieren.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Nein. – Frau Günther-Schmidt, Sie sprachen die individuelle Förderung von Leistungsschwächeren an. Sie wissen genau, dass das in der letzten Sitzung des Schulausschusses Thema war. Wir haben von den Vertretern des Kultusministeriums sehr eindrucksvoll vermittelt bekommen, welche Maßnahmen auch für das neue Schuljahr konkret geplant sind, um leistungsschwachen Schülern noch besser zu entsprechen. Ich gehe nur stichpunktartig darauf ein; greifen Sie bitte auf Ihre eigene Erinnerung zurück.

Ich denke an die Camps für versetzungsgefährdete Schüler, die bislang sehr erfolgreich praktiziert werden und im kommenden Schuljahr aufgestockt werden sollen.

Ich denke an die Festlegungen der Förderrichtlinie zu Ganztagsangeboten, in der explizit ausgewiesen ist, dass die Schulen an ihren Einrichtungen individuelle Förderangebote für leistungsschwächere Schüler anbieten können, wenn es notwendig ist.

Ich denke schließlich an das Projekt „Praktisches Lernen für abschlussgefährdete Hauptschüler“. Durch praktische Begegnungen mit der Arbeitswelt in Betrieben sollen die Schüler zum Abschluss geführt bzw. ein Stück weit auf die Berufsausbildung vorbereitet werden.

Das alles sind Maßnahmen, um dem Anspruch auf individuelle Förderung von leistungsschwächeren Schülern noch besser gerecht werden zu können, als es bislang geschieht. Sie pauschalisieren Ihre Beispiele ganz einfach.

Liebe Frau Günther-Schmidt, wir können das Problem auch deutschlandweit betrachten. Schauen Sie nach Hessen! Dort werden große Aktivitäten unternommen, auch aus Sachsen Lehrer abzuziehen. Wissen Sie, warum das so ist? Weil dort unter Ihrer Mitverantwortung in der damaligen Regierung in Größenordnungen Lehrerstellen abgebaut worden sind, die jetzt wieder aufgebaut werden müssen. Das ist das Problem.

(Beifall bei der CDU)

Da treten Sie wirklich allen Ernstes hier nach vorn und wollen unserer Staatsregierung und der CDU-Fraktion unterstellen, wir hätten im eigenen Land eine falsche

Personalpolitik betrieben. Kehren Sie, was diese Frage angeht, wirklich erst einmal vor Ihrem eigenen Haus!

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte. Aber das geht nicht ständig so weiter, Herr Präsident. – Das ist nicht ganz fair.

Bitte, Frau Günther-Schmidt.

Herr Kollege Colditz, Herr Koch ist ja nun schon sehr lange an der Regierung und hat damals mit Ausländerfeindlichkeit seinen Posten erlangt. Das war schon Ende der Neunzigerjahre so. – Ich würde jetzt aber gern von Ihnen Folgendes wissen wollen: Welche Gründe spielen für junge Lehramtsabsolventen eine Rolle, nicht in Sachsen eine Anstellung zu suchen, sondern nach Hessen oder in andere westliche Bundesländer zu gehen?

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Weil sie keine Perspektive haben!)

Ich würde Ihnen die Frage gern beantworten; das habe ich gestern schon getan.

Könnte es daran liegen, dass dort keine befristeten Verträge ausgereicht werden und die Verbeamtung oder überhaupt eine sichere Anstellung in Aussicht gestellt wird?

Frau Günther-Schmidt, Sie schiffen sich sehr intelligent an der Feststellung vorbei, die ich gerade zu Ihrer Politik in Hessen getroffen habe. Diese Politik wirkt so lange nach, dass selbst wir zurzeit noch damit zu tun haben.

(Lachen bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Natürlich ist es so, dass wir auch in Sachsen Voraussetzungen schaffen und Rahmenbedingungen setzen müssen, um die Lehrer im Land zu halten. Das ist richtig, das gestehe ich voll ein. Darüber haben wir gestern Abend sehr ausführlich diskutiert. Wenn Sie zugehört hätten, wüssten Sie, dass wir auch entsprechende Vorschläge gemacht haben.

Herr Herbst, was Ihre Aussagen anbelangt, will ich zwei Anmerkungen machen. Sie sagten, der Ministerpräsident habe sich für längeres gemeinsames Lernen ausgesprochen. Das ist eine Unterstellung und stimmt so nicht. Er hat sich für mehr Durchlässigkeit in unserem Schulsystem ausgesprochen. Das ist etwas ganz anderes. Wir brauchen keine Gemeinschaftsschulen in Sachsen, um auch noch Spätstarter zum Ziel zu führen. Die Durchlässigkeit in unserem vorhandenen System ermöglicht es uns, diesen speziellen Anforderungen gerecht zu werden. Wenn wir an das neue Schuljahr denken, wissen wir, dass auch in der 6. Klasse die Fremdsprache angeboten wird. Damit besteht auch für Mittelschüler die Möglichkeit, nach der 6. Klasse an das Gymnasium zu wechseln. Das waren die Intentionen des Ministerpräsidenten.

(Beifall bei der CDU)

Ich komme zum Schluss. Herr Herbst, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass es an einigen Schulen im Regionalschulamtsbezirk Dresden Probleme gab. Diese kann man nicht wegdiskutieren; das wollen wir auch gar nicht. Es waren wohl konkret drei Schulen.

Wenn man sich allerdings vergegenwärtigt, welche Probleme dort aufgetreten sind, dann war es eben objektiv so, dass nicht alles kurzfristig vorher absehbar war. Es war ganz einfach so, dass bestimmte Lehrkräfte, die im Lehreraustauschverfahren nach Sachsen wechseln sollten, aus bestimmten Gründen nicht gekommen sind. Es war so, dass im Regionalschulamtsbezirk Dresden kurzfristige Kündigungen eingegangen sind. Es war auch so, dass Lehrkräfte kurzfristig das Altersteilzeitmodell in Anspruch genommen haben.

(Cornelia Falken, Linksfraktion: Das geht ja gar nicht!)

Das waren die Ursachen dafür, dass das alles so stattgefunden hat. Wir sollten uns wirklich davor hüten – das sage ich auch in Richtung von Frau Falken –, solche konkreten Fälle zu pauschalisieren.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Prof. Dr. Roland Wöller)

Ich frage die Fraktion der SPD, ob noch Redebedarf besteht. – Das ist nicht der Fall. NPD? – Nicht mehr. FDP? – Auch nicht. GRÜNE? – Ebenfalls nicht.

Dann bitte Frau Falken für die Linksfraktion.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Zum planmäßigen Unterrichtsausfall hat er nichts gesagt! Das ist wohl alles normal?)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Colditz, ich glaube, Pauschalität kann man mir nicht wirklich vorwerfen. Ich habe nicht gesagt – auch nicht in der Ausschusssitzung –, dass es an allen Schulen so ist, sondern ich habe ganz konkret und exakt einzelne Schulen genannt. Herr Colditz, wenn Sie hier die Äußerung treffen, dass es zu Beginn des Schuljahres „aus verschiedenen Gründen“ Probleme gegeben habe, dann sollten Sie einmal darüber nachdenken und die Gründe konkret benennen.

Die Lehrerinnen und Lehrer haben nicht im September, sondern zum Ende des Schuljahres gekündigt, das heißt zum 31. Juli. Da hatte das Schuljahr noch nicht begonnen und man hätte noch neu planen oder zumindest überlegen können, ob man neue Lehrer einstellen kann.

Sie sprachen auch von „kurzfristiger Altersteilzeit“. Herr Colditz, bitte! Zwei Jahre mindestens, sechs Jahre höchstens. Wenn der Vertrag abgeschlossen wird, dann steht darin das Datum, zu dem die Altersteilzeit beginnt. Wir sollten also ein bisschen bei der Wahrheit bleiben.

Aber jetzt zu den konkreten Beispielen, von denen ich heute nur zwei – im Schulausschuss waren es mehr – nennen möchte. Die Probleme bestehen nach wie vor.

Erstens. Klassen sind zusammengelegt worden. Wir haben vor den Ferien ausführlich hier im Landtag darüber debattiert. Die FDP hatte dazu einen Antrag gestellt. Wir haben ihn ausdiskutiert. Herr Wöller hat gesagt, Einzelfälle werden einzeln geprüft. Das ist formal korrekt, absolut richtig. Wir unterstützen das auch so. Aber was sind denn Einzelfälle?

Schulen, in denen rechnerisch ohne Verletzung des Schulgesetzes zusammengelegt werden konnte, sind zusammengelegt worden. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Grundschule in Miltitz: 1. Klasse 28 Schüler, davon sind zehn Schüler auffällig in verschiedenster Art und Weise. Zehn Schüler brauchen von diesen 28 eine besondere individuelle Förderung. Das ist von der entsprechenden Klassenlehrerin nicht zu leisten. Wir haben das mit der Bitte angesprochen, zwei erste Klassen daraus zu machen. Das Schulgesetz ist nicht verletzt, aber das Problem existiert. Mit diesen zehn Schülern schafft das die Lehrerin nicht, denn sie möchte sich ja auch noch um die anderen 18 kümmern. Herr Wöller, ich weiß, es ist zynisch, was ich jetzt sage, aber ich sage es trotzdem, weil mich das wahnsinnig ärgert: Das sind übrigens Ihre Kandidaten für Ihr Bildungscamp, die Sie schon anmelden können. Ich weiß, es ist zynisch, aber ich glaube, es geht hier nicht mehr anders.

Zweitens. Nehmen Sie die Schule Am Rabet in Leipzig. Ich habe das erläutert – zumindest den Kollegen, die im Schulausschuss gewesen sind –, dass das eine Schule mit sehr hohem migranten Anteil ist. Das ist toll, richtig und gut. Wir hatten an dieser Schule zum Ende des Schuljahres drei zweite Klassen. Zum neuen Schuljahr sollten daraus zwei dritte Klassen mit je 28 Schülern gemacht werden. In den Klassen sind jeweils 18 Migranten. Wir haben das im Schulausschuss diskutiert. Wir haben darüber ausführlich mit dem Ergebnis beraten, es ist nicht notwendig. Das Schulgesetz wurde nicht verletzt. Die Schule hat ein Schreiben vom Kultusministerium bekommen, in dem steht, dass sie hervorragende Pädagogen haben, und diese werden das schon schaffen. Die Eltern, die Lehrer und die Schulleiterin sowie die Schulreferentin im Regionalschulamt haben gesagt, wir können das nicht verantworten. Was haben sie getan? Sie haben die drei Klassen belassen.

Eigentlich müsste ich mich jetzt richtig freuen, denn es hat funktioniert. Aber ich freue mich überhaupt nicht, weil die Schule den gesamten Ergänzungsbereich, den sie zugewiesen bekommen hat, dazu verwenden muss, diese Klassenbildung vorzunehmen. Das heißt, im gesamten Schuljahr hat diese Schule keinen Ergänzungsbereich mehr und kann demzufolge mit diesem Ergänzungsbereich notwendige Aufgaben nicht auffangen. Das verstehe ich nicht unter optimaler Entwicklung von Grundschülern.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich muss jetzt alles sehr schnell abhandeln, weil ich nicht mehr genügend Zeit habe.

Integration: Schüler werden diagnostiziert, bekommen in der Diagnose eine Festlegung, wie viel zusätzliche Stunden notwendig sind, um eine erfolgreiche Integration von Schülern mit Förderbedarf durchzuführen. Herr Flath hat hier lang und breit erklärt, dass wir mehr Integration durchführen wollen. In diesem Schuljahr sind an den Grundschulen für ein Integrationskind 1,5 Stunden zugewiesen worden, egal welche Diagnostizierung vorliegt. Für den Förderschullehrer, der dazugehört, wurden wöchentlich 0,25 Stunden vorgesehen. Das heißt, der Förderschullehrer kann eine Stunde im Monat einmal zu dem Kind schauen, ob die Fördernotwendigkeit weiter besteht oder ob es zusätzlicher Hilfen bedarf.

Zum Schluss der absolute Knaller: Ich darf nichts hochhalten; ich werde das auch nicht tun. Die Personalräte haben im August einen Brief bekommen, in dem ihnen vom Freistaat Sachsen mitgeteilt wurde, dass ab sofort keine Gelder mehr zur Verfügung stehen, weil die Haushaltsstelle im Haushalt ausgeschöpft ist. Die Gelder, die sie für Fahrtkosten noch brauchen, sollen sie bitte selbst auslegen, und zwar von September bis Dezember, weil diese dann im Januar vom neuen Haushalt erstattet werden können. Das ist de facto ein Lahmlegen aller Personalräte hier im Freistaat Sachsen an den öffentlichen Schulen.