Viertens – Herr Gerlach sagte das, und dafür bin ich ihm sehr dankbar: Ja, die Praxisgebühr führt zu einer Tatsache, die man nicht für möglich hält: Wenn ich schon 10 Euro im Monat bezahle, dann möchte ich so viele Überweisungen wie möglich haben, damit das im Quartal dann bei den verschiedensten Fachärzten abgearbeitet wird. Das ist unter anderem ein Grund, weshalb wir zu erheblich längeren Wartezeiten bei Fachärzten gekommen sind.
Fünftens. Ausgrenzung von Menschen mit niederem Einkommen. Herr Krauß, wenn Sie das Ganze als sozial gerecht betrachten, dann sage ich Ihnen: Für jemanden, der lediglich 351 Euro Regelsatz erhält – wenn Sie verheiratet sind, 10 % weniger –, sind 80 Euro pro Jahr nicht irgendetwas, was er als sozial gerecht betrachten kann, das will ich hier deutlich sagen. Also, ich bitte Sie, ich sage Ihnen das heute nicht zum ersten Mal: Man kann natürlich bei unserem Einkommen sehr schnell den Blick ins Leben verlieren, das will ich gern zugeben; aber für manchen sind eben auch 7 Euro im Monat nicht irgendwas.
Herr Dr. Pellmann, tut mir leid, aber erklären Sie mir das doch bitte noch einmal. Sie sagen an der einen Stelle: Ja, die Arztkontakte waren ursprünglich zurückgegangen und sind jetzt auf demselben Maß wie vorher, vielleicht sogar höher. Gleichzeitig wissen wir, dass die Zahl der Bevölkerung zurückgeht. Dann sagen Sie jedoch, es wäre deutlich, dass Menschen den Arztbesuch vermeiden. Das passt doch einfach nicht zusammen. Sie wollen das offensichtlich damit erklären, dass sich die Menschen freiwillig, nur, weil sie einmal bezahlt haben, fünf Stunden zum Augenarzt setzen – nur, damit sie einmal dort gewesen sind. Also, das ist in meinen Augen einfach nicht verständlich. Vielleicht können Sie es mir erklären.
Frau Herrmann, da ja heute viele Einzelbeispiele gefragt sind, will ich Ihnen sagen: Leider hatte ich in den letzten Monaten auch verschiedene Wartezimmerbesuche. Das hat den großen Vorteil – neben allen Krankheiten –, dass man auch Beobachtungen machen kann, und ich sage Ihnen: Es gibt Menschen – auch die gibt es; das sind nicht die meisten –, die den Arzt als ihren letzten Ansprechpartner sehen. So etwas gibt es, darauf wurde auch hingewiesen. Wenn es also sogar zu einem Anstieg der Arztkonsultationen bei sinkender Bevölkerungszahl gekommen ist, dann, will ich Ihnen sagen, hat das nichts mit der anderen These zu tun, die ich genannt hatte. Wenn es nämlich nicht dazu käme, dass viele den Arztbesuch wegen der Praxisgebühr aufschieben, dann wäre der Anstieg nämlich noch größer, das
Sechstens. Es ist ja auch so gedacht worden, dass man mit der Praxisgebühr steuern und dabei vielleicht einen Beitrag zur Abwendung des Ärztemangels leisten wollte. Genau das ist auch nicht eingetreten. Der Ärztemangel hat gerade in Sachsen in diesen vier Jahren, seitdem das alles gilt, weiter zugenommen. Darüber können Sie diskutieren, wie Sie wollen. Schauen Sie sich die Statistiken an, da steht es eindeutig drin.
Siebentens und letztens. Damit komme ich zu meinem Ausgangspunkt zurück: Wir brauchen einen Ausgleich – ich hatte auch gesagt, wie das geht – dafür, dass am 1. Januar die Krankenkassenbeiträge erheblich steigen; denn trotz Praxisgebühr sind die Kosten für die Betroffenen ja weiter gestiegen, wie Sie leicht ausrechnen können, und genau deshalb, meinen wir, sollte die Praxisgebühr abgeschafft werden. Das wäre ein Beitrag. Sie haben darauf hingewiesen, dass es viele weitere gäbe. Ich warte mit Sehnsucht auf weitere Anträge von Ihnen, die uns dann in die Lage versetzen, weitere, sozial gerechte Lösungen zu finden, damit die Kosten für die Patienten und die von Krankheit Betroffenen nicht noch weiter steigen. Das können Sie gern tun.
Ich bin in froher Hoffnung, dass wir beim nächsten Mal einen Antrag von Ihnen, Frau Herrmann, Herr Gerlach – oder von wem auch immer – in dieser Richtung diskutieren können.
Ich frage die Fraktionen: Gibt es daraufhin nochmals den Wunsch zur allgemeinen Aussprache? – Dies kann ich nicht erkennen. Frau Staatsministerin Clauß, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz im Jahr 2004 wurde die Praxisgebühr als Selbstbeteiligung der Versicherten für die beim Arzt oder auch beim Zahnarzt in Anspruch genommenen Leistungen eingeführt. Schon mehrfach haben wir – wie auch heute – über den Sinn oder auch den Zweck dieser Praxisgebühr diskutiert, und ich unterstreiche nochmals: Eine Abschaffung der Praxisgebühr wird von der Sächsischen Staatsregierung nicht befürwortet. Denn das Ziel dieser Regelung war es – es wurde jetzt auch mehrmals aufgezeigt –, die Eigenverantwortung der Versicherten zu stärken, und neben der beabsichtigten finanziellen Entlastung der Krankenkassen sollte sie, wie auch schon in der Antragsbegründung dargelegt, als Steuerungsinstrument gegen zu viele bzw. nicht notwendige Arztbesuche oder gegen das sogenannte Doktorhopping wirken. Darüber hinaus sollten die Versicherten motiviert werden, zuerst ihren Hausarzt aufzusuchen.
Es ist richtig, dass die Zahl der Arztbesuche im Jahr 2004 zunächst deutlich gesunken ist und den zitierten Studien
zufolge in den folgenden Jahren wieder stieg. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass bereits seit einiger Zeit die Häufigkeit von Arztbesuchen generell zurückgeht. Außerdem ist der Anteil der Patienten, die den Facharzt erst nach Inanspruchnahme des Hausarztes aufsuchen, wiederum gestiegen. Nach den Intentionen des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes sollte dem Hausarzt eine Lotsenfunktion für die Behandlung der Patienten zukommen. Dies scheint, abgeleitet aus der aufgezeigten Entwicklung der Arztbesuche, tendenziell auch eingetreten zu sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Staatsregierung liegen keine fundierten Kenntnisse vor, dass sozial schwächere Menschen weniger zum Arzt gehen. Im Gegenteil, die Ergebnisse dieser Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sowie der Technischen Universität Berlin widerlegen diese Behauptung. Sie widerlegen die Behauptung, dass Bürgerinnen und Bürger mit niedrigem Einkommen aufgrund dieser Praxisgebühr seltener zum Arzt gehen. Außerdem – darauf weise ich noch einmal ausdrücklich hin – sind ungebührliche Härten durch entsprechende Überforderungsregelungen abgefedert. Diese schützen die Versicherten vor unzumutbaren finanziellen Belastungen. Zudem bekommen Versicherte die Praxisgebühr komplett oder auch teilweise erstattet, wenn sie zunächst den Hausarzt aufsuchen oder an einem strukturierten Behandlungsprogramm bzw. an bestimmten präventiven Maßnahmen teilnehmen. Die Krankenkassen haben die gesetzliche Möglichkeit genutzt – und das wollten wir auch –, diese Maßnahmen in ihren Satzungen zu verankern und vorzusehen.
Meine Damen und Herren! Die Inanspruchnahme medizinischer Versorgung muss – und selbstverständlich sage ich das noch einmal – für alle möglich sein. Mit den geschilderten Maßnahmen ist sie gewährleistet. Von einer Ausgrenzung schwächerer Mitglieder unserer Gesellschaft kann deshalb keine Rede sein. Die Staatsregierung hält aus diesem Grund an ihrem Standpunkt fest: Die Einführung der Praxisgebühr ist weder falsch noch verfehlt.
Danke schön. – Gibt es daraufhin den Wunsch, die Aussprache fortzusetzen? – Das ist nicht der Fall. – Herr Pellmann, wir kommen zum Schlusswort; Herr Dr. Pellmann, pardon.
Wenn man jedes Mal die ganzen Titel aufzählen wollte, Herr Präsident, dann würde es ja noch länger dauern. –
Frau Staatsministerin, wir können uns beide sehr gut an die Debatten in den Jahren 2003 und 2004 erinnern. Damals wurde uns von der Bundesministerin für Gesundheit – es ist immer noch die gleiche – und hier von einer anderen Sozialministerin suggeriert: Ja, es kommt zu
höheren Belastungen durch Zuzahlungen und anderes, aber wir werden dafür die Beiträge senken. – Sehen Sie, ich habe das damals schon angezweifelt und heute wissen wir alle gemeinsam: Genau das Gegenteil ist eingetreten, die Bürgerinnen und Bürger, die gesetzlich Krankenversicherten sind doppelt zur Kasse gebeten worden. Auf der einen Seite haben sie mehr Zuzahlungen – eben auch die Praxisgebühr – entrichten müssen und auf der anderen Seite sind sogar die Beiträge noch gestiegen.
Also, verehrte Damen und Herren, das ist nun gerade der schlagende Beweis, weshalb wir diese Unsäglichkeit einmal beenden müssen. Wenn sich nämlich zeigt, dass eine Regelung ihren Zweck nicht erfüllt und dass sie im Übrigen unsozial ist, dann muss man endlich einmal den Mut aufbringen zu sagen: Ja, wir haben uns geirrt, die Regelung muss abgeschafft werden.
Gesetze sind doch nicht ehern. Gesetze gelten doch nur dann als sinnvoll, wenn sie auch eine Wirkung erzielen, und zwar eine positive. Davon wollen wir doch bitte schön alle gemeinsam ausgehen. Das war schon die Fehlkonstruktion von Anfang an. Hier wird immer von Selbstbeteiligung gesprochen. Ich muss dieses Thema von der Zwischenfrage vorhin noch einmal aufgreifen. Die Krankenversicherten beteiligen sich mit ihrem Krankenkassenbeitrag an der Finanzierung des Gesundheitswesens. Es ist doch eine Milchmädchenrechnung, wenn man dann sagt: Aber sie sehen nicht, ob das für ihre eigene Gesundheit gilt. – Das ist klar. Die Krankenkassenbeiträge gehen bekanntlich in ein solidarisch finanziertes Gesundheitswesen ein. Wer wirklich schwer krank ist, wird nie und nimmer die Kosten mit seinen Beiträgen
aufbringen, während andere wieder – das ist der Sinn dieser Krankenversicherung – kerngesund sind und sich auch nicht darüber aufregen dürfen, dass sie jahrelang nicht zum Arzt zu gehen brauchen, aber trotzdem die Krankenversicherungsbeiträge bezahlen müssen.
Genau deshalb komme ich zum Ausgangspunkt zurück. Vor dem Hintergrund, wie gegenwärtig mit Milliarden, mit halben Billionen jongliert wird, gibt es für mich kein vernünftiges Argument, weshalb die Praxisgebühr weiterhin bestehen bleiben soll, auch vor dem Hintergrund künftig ansteigender Krankenkassenbeiträge. Insofern kann ich Sie nur bitten, als ein erstes Zeichen unserem Antrag zuzustimmen.
Ich hoffe, dass von den anderen Fraktionen, die heute meinten, wir hätten noch anderes fordern können, künftig eigene Anträge eingebracht werden. Ich kann Ihnen, Frau Herrmann, Frau Schütz und Herr Gerlach, versichern: Wir werden solchen Anträgen, wenn sie in eine vernünftige soziale Richtung gehen, immer zustimmen. Heute bitten wir Sie nur, mit uns gemeinsam einen Anfang zu machen.
Danke schön. Das war das Schlusswort. – Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Ich rufe die Drucksache 4/12715 auf. Wer zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenstimmen? – Die Stimmenthaltungen? – Bei wenigen Enthaltungen und einer größeren Anzahl von Zustimmungen ist der Antrag dennoch mit großer Mehrheit abgelehnt worden und dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lange Zeit sah es so aus, dass der Freistaat Sachsen als einziges Bundesland standhaft bleibt und mit Vorbildwirkung eine steuerliche Benachteiligung für eine große Anzahl von Empfängern des Elterngeldes bzw. deren Partner nicht umsetzt. Laut dpaMeldung vom 05.09. dieses Jahres will die Sächsische Staatsregierung dies nun zum Nachteil der Familien in Sachsen ändern und sich den anderen Bundesländern anpassen.
Berührt sind alle Familien, hauptsächlich aber die von Erwerbslosigkeit betroffenen oder des Niedriglohnbereichs, da diese aufgrund des massiven Preisanstiegs im Bereich der Lebenshaltungskosten mit jedem Euro rechnen müssen. Dabei geht es bei unserem Antrag weniger um unzählige Millionen; es sind die symbolischen Beträ
ge, die aber ebenso den Charakter eines familienfreundlichen Systems ausmachen, jener Familienfreundlichkeit also, die Sie, meine Damen und Herren der etablierten Parteien, den Bürgerinnen und Bürgern jeden Tag suggerieren.
Tatsächlich knickten Sie auch bei diesem Thema ein, und tatsächlich betrifft es wieder einmal Familien, die bei Ihnen keine Lobby haben, nämlich finanziell Hilfebedürftige und Beschäftigte des von Ihnen massiv zu verantwortenden Niedriglohnbereichs. Mit großem Tamtam wurde das sogenannte Elterngeld als Befreiungsschlag von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen eingeführt. Wurde damit schon die Erziehungszeit drastisch gesenkt und damit verbunden eine massive Kürzung für die Familien umgesetzt, entlarvt der sogenannte Progressionsvorbehalt auch die Versprechung, das Elterngeld sei steuerfrei, als eine weitere Lüge. Der Systemsteuertrick ist einfach und war demnach für die meisten Bürger ein Lehrbeispiel etablierter Wahlversprechen, das sie erst mit
ihrem Steuerbescheid erfuhren: Während das Elterngeld selbst zwar steuerfrei gestellt ist, wird es für die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens aber herangezogen, um hiernach wieder von der Gesamtsumme abgezogen zu werden. Der durch die Progression verursachte höhere Steuersatz bleibt aber bestehen, womit ein Teil des Elterngeldes durch die Steuer tatsächlich wieder an die Finanzämter zurückfließt.
Ob man das Elterngeld dabei als Sozialleistung deklariert oder nicht, es wird durch diese Praxis verkürzt und stellt dadurch eine widersinnige Regelung dar; zumindest aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger.
Für den Steuerstaat stellt der Progressionsvorbehalt natürlich eine – wenn auch in diesem Fall bei der Besteuerung des Mindestelterngeldes kleine – Einnahmequelle dar, verdeutlicht aber deutlich die Doppelzüngigkeit der etablierten Politiker, wenn es um die Familienförderung geht.
Nun könnte man natürlich darüber philosophieren, ob das Elterngeld nach § 2 Abs. 1 i. V. mit § 22 Einkommenssteuergesetz einen nie wiederkehrenden Bezug von Einkommen darstellt oder nicht. Tatsächlich handelt es sich aber um eine steuerfinanzierte staatliche Leistung, die Müttern oder Vätern zugute kommt, die sich der Verantwortung des Elternseins stellen.
Mit dem sogenannten Progressionsvorbehalt jedoch wird die mit Einführung des Elterngeldes für den größten Teil der Bevölkerung schon drastisch verkürzte Erziehungsanerkennung einerseits zeitlicher und andererseits finanzieller Natur noch weiter abgeschmolzen.
Dieser Diskussion in diesem Hause vorbeugend, haben wir als NPD unseren Antrag, den wir zugegebenermaßen gern auf das gesamte Elterngeld ausgeweitet hätten, jedoch bewusst auf das Mindestelterngeld beschränkt. Dies hat mehrere Ursachen.
Einerseits – das haben die verschiedenen parlamentarischen Aktivitäten in anderen Bundesländern gezeigt – ist es mit CDU, Linke, SPD und FDP nicht durchsetzbar, die steuerliche Regelung für eine Besserstellung für Familien neu zu regeln. Andererseits muss natürlich dennoch ein Anfang gemacht werden. Daher zielt unser Vorstoß auf das Mindestelterngeld.
Die zu beantwortende Gretchenfrage lautet weiterhin: Stellt das Mindestelterngeld eine Lohnersatzleistung bzw. in seiner Höhe eine einkommensabhängige Leistung dar oder nicht, hier insbesondere erst recht bei demjenigen Elternteil, der aufgrund des desaströsen Arbeitsmarktes und der unsäglichen Hartz-IV-Gesetzgebung weder ein Einkommen noch eine Lohnersatzleistung vor der Zeit des Bezugs von Elterngeld erhielt? Als NPD sagen wir eindeutig, dass dies nicht der Fall ist.
Der einkommensabhängige Teil des Elterngeldes liegt über dem Sockelbetrag von 300 Euro. Damit ergibt sich, dass maximal dieser variable Teil der Steuer unterliegen könnte. Ich betone an dieser Stelle ausdrücklich „könnte“, denn er müsste es nicht, wenn es Ihnen wirklich um die