Protokoll der Sitzung vom 15.10.2008

Ziel all dieser Bemühungen muss es zudem sein, –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

– die Zahl der Schüler ohne Abschluss zu senken. – Ja.

Bitte.

Herr Colditz, Sie sprachen von den Zugangskriterien für das Gymnasium 2,0 oder 2,5 oder wie auch immer. Können Sie dem Hohen Haus sagen, wann Sie vorhaben, diese Zugangskriterien, die derzeit existieren, wieder zu verändern, damit wir nicht wieder so eine Katastrophe wie mit der 2,5 erleben, als Herr Flath damals innerhalb von 14 Tagen so eine Festlegung getroffen hatte?

Frau Falken, ich hatte im Prinzip schon ausgeführt: Grundlage für eine solche Entscheidung soll natürlich auch gesichertes Datenmaterial sein. Uns liegt der erste Jahrgang vor, der nach diesem Zugangskriterium den Übergang realisiert hat. Das reicht zur umfassenden objektiven Bewertung sicherlich noch nicht aus. Ich denke aber, wenn dieses Material vorliegt, dass eine gute, objektive Grundlage gegeben ist, um darüber ins Gespräch zu kommen. Signale, die wir aus den Kollegien der Gymnasien bekommen, sind eigentlich sehr eindeutig: Man will deutlich weg von dieser 2,5, gerade im Sinne der Qualität des Gymnasiums, aber auch im Sinne der Mittelschulen. Insofern ist es also doch ein zeitnaher Prozess, den wir dort im Auge haben.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Aber das schafft Ihr nicht mehr!)

Abwarten, Herr Porsch.

Meine Damen und Herren! Der statistische Vergleich mit anderen Bundesländern – ich gehe noch einmal auf die Zahl der Schüler ohne Abschluss ein – macht durchaus deutlich, dass Sachsen kein negativer Spitzenreiter ist.

Völlig unzureichend ist die Überlegung, man könne dies mit der Einführung eines Einheitsschulsystems und der Vergabe eines einheitlichen Abschlusses auf dem Papier ermöglichen. Damit ließe sich gegebenenfalls zwar die Schulstatistik schönen, aber spätestens bei der Bewältigung gesellschaftlicher und beruflicher Herausforderungen würde dieser Etikettenschwindel letztlich auffliegen.

Demgegenüber unterstützen wir Fördermaßnahmen wie die neu eingeführten Lerncamps und die schon benannten Förderangebote im Rahmen der Ganztagsangebote.

Schüler ohne qualifizierten Abschluss oder davon gefährdete Schüler müssen im besonderen Fokus der bildungspolitischen Aufmerksamkeit stehen. Gerade im Blick auf die demografische Entwicklung und den damit zunehmenden Fachkräftebedarf brauchen wir jeden Jugendlichen und müssen ihn zu einem sinnvollen qualifizierten Abschluss führen. Noch gezieltere Förderangebote, die individuelle Entwicklung von Fähigkeiten und ein verbessertes Zusammenwirken auch von Elternhaus und Schule sind dabei wichtige Grundlagen, um den Erwerb eines Abschlusses zu sichern.

Nicht zuletzt, meine Damen und Herren, sollen Schulen in ihren Kommunen als Lern- und Lebensort wahrgenommen werden. Es ist in diesem Zusammenhang eine erfreuliche und ausbaufähige Entwicklung, wenn laut dem vorliegenden Bildungsbericht mehr als 60 % aller öffentlichen allgemeinbildenden Schulen und freien Schulen Ganztagsangebote in unterschiedlichen Organisationsformen und auch in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern außerhalb der Schule entwickelt haben.

(Beifall bei der CDU)

Hier haben sich, meine Damen und Herren, Angebote entwickelt, die qualitativ hochwertig sind und einem Bedarf entsprechen, der mit einer staatlich reglementierten Einführung von Ganztagsschulen wohl nicht umzusetzen gewesen wäre.

Meine Damen und Herren! Grundlage des Erfolgs unseres Schulsystems ist und bleibt natürlich die personelle Absicherung durch Lehrerinnen und Lehrer.

(Beifall bei der CDU)

Die demografische Entwicklung hat zu einer Veränderung in der Verteilung und Zusammensetzung der Lehrerschaft geführt.

(Zurufe von der Linksfraktion)

Der Bildungsbericht hat diese Veränderungen aufgezeigt und zudem Tendenzen in der Altersstruktur bzw. auch der vorhandenen Qualifikation. Während die Altersstruktur an Grund- und Mittelschulen bedenklich ist, stellt sich die Situation an Förder- und Berufsschulen noch relativ günstig dar.

Zweifellos ist also einer Überalterung unserer Lehrerschaft insgesamt entgegenzuwirken, wenn auch nicht außer Acht gelassen werden kann, dass eine insgesamt ausgewogene Altersstruktur das Niveau der pädagogischen Arbeit in den Kollegien sehr positiv beeinflusst.

Ähnlich differenziert muss man sicher auch die Zahl der nach bundesdeutschem Recht ausgebildeten Lehrkräfte bewerten. Sie ist mit 8,6 % an Grundschulen, 7,7 % an Mittelschulen, 18,4 bzw. 15,3 % an Gymnasien und Förderschulen zwar relativ gering, aber man kann wohl trotzdem zu Recht davon ausgehen, dass sich die große Mehrzahl der Lehrerinnen und Lehrer entsprechend den neuen Vorgaben des Schulsystems qualifiziert und insbesondere ihren reichen pädagogischen Erfahrungsschatz, den man mit der Erstausbildung eben nicht automatisch erwirbt, eingebracht hat.

Es war wohl nicht allein manch unbedachte Äußerung des einen oder anderen Politikers, dass das Bild des Lehrerberufs in der öffentlichen Diskussion herabgewürdigt wurde; es waren und sind auch manche Rahmenbedingungen bei uns, die die Attraktivität des Lehrerberufs für junge Menschen eher geschmälert haben. Umso wichtiger ist es, jetzt alles dafür zu tun, um einem zukünftigen Lehrermangel entgegenzuwirken.

Mit besseren Rahmenbedingungen, zu denen auch eine Vollzeit-Beschäftigungsperspektive gehört, ist außerdem eine positive Auswirkung auf das Berufsbild verbunden. Mit der höheren Wertschätzung in der Öffentlichkeit muss es gelingen, mehr junge Menschen für den Lehrerberuf zu begeistern.

Neben der gezielten Studienberatung wird es besonders darauf ankommen, in Mangelfächern je Absolventen einen Einstellungskorridor zu garantieren.

Meine Damen und Herren! Die Entwicklung der sächsischen Schullandschaft hat sich in den zurückliegenden Jahren positiv und erfolgreich vollzogen – sei es unser Bildungs- und Betreuungsangebot im Kita-Bereich, sei es die Umsetzung eines breit gefächerten Ganztagsangebotes oder das stabile Schulnetz und kleine Klassengrößen, vieles zeichnet die Attraktivität des Bildungsstandortes Sachsen aus. Gleichwohl: Wir sind auf dem Weg und noch nicht am Ziel. Schulentwicklung kann im Blick auf die Gesellschaft nie ein abgeschlossener Prozess sein. Der vorliegende Bildungsbericht zum Beispiel hat fundamentale Rahmenbedingungen und Ergebnisse bei den Trägern von Bildungsprozessen in unserem Land aufgezeigt und bietet damit die Möglichkeit, auch neue Ziele abzustecken. Gleichzeitig sind Impulse für die zukünftige Entwicklung, wie gesagt, erlebbar.

Die CDU-Fraktion wird auch zukünftig der Tatsache Rechnung tragen, dass Bildung weiterhin einen hohen Stellenwert in unserer Landespolitik hat.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der SPDFraktion das Wort; Herr Abg. Dulig, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute Abend werden wieder Millionen das Fußballspiel Deutschland – Wales vor dem Fernseher verfolgen, werden Millionen Nationaltrainer wissen, was die richtige Taktik ist, welche Einwechslung besser wäre. Genauso viele, wenn nicht sogar noch mehr Bildungsexperten haben wir, Menschen, die denken, sie seien Experten für die richtige Bildung ist, weil sie selbst ständig in Bildungsprozessen sind, weil man Kinder oder Enkel in der Schule hat.

(Zurufe von der Linksfraktion)

Selbstverständlich ist jeder Experte für die eigene Angelegenheit, Experte für sich. Aber wenn das in dem Satz gipfelt: Mir hat es ja auch nicht geschadet!,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Ihnen schon!)

dann weiß ich nicht, ob das immer die richtige Antwort ist. Ich möchte auch nicht, dass wir uns immer nur mit uns selbst beschäftigen und froh sind, dass wir zum Beispiel im nationalen Vergleich so toll dastehen.

Also: Wer sich mit Mittelmaß zufriedengibt, der hat keine Zukunftsoption.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Bitte, gerade dann, wenn wir über Bildung reden, reden wir über die Zukunftsoption, reden wir darüber, wie wir unser Land gestalten wollen und mit wem. Und dann fragt man sich, warum andere Länder besser aufgestellt sind, warum sie mit den gesellschaftlichen Herausforderungen, mit der Globalisierung, mit einer industriellen Revolution, die sich in der Veränderung in der Wissensgesellschaft widerspiegelt, anders zurechtkommen. Davor können wir doch nicht die Augen verschließen!

Ich glaube schon, dass wir in den letzten Jahren hier in Sachsen auch richtige Entscheidungen in der Bildung getroffen haben. Ich sage selbstbewusst, dass bestimmte Entscheidungen nur durch die Koalition getroffen werden konnten. Ich glaube, dass die Familien- und Sozialpolitiker unseres Koalitionspartners wissen, was ich meine, wenn wir über frühkindliche Bildung und Förderung reden. Wir haben gemeinsam von Anfang an an einem Strang gezogen, und zwar am gleichen Ende des Stranges, um zu sagen: Da muss der Schwerpunkt gelegt werden, auf den Anfang kommt es an, wirklich zu sehen, dass wir dieses Kita-Gesetz, den Bildungsplan verbindlich gestalten konnten, dass wir, wenn wir Geld in die Hand nehmen, darauf schauen, dass wir es in den Primarbereich investieren. Ich denke da an das Schulvorbereitungsjahr, ich denke an die Vor- und Nachbereitungszeit und an die Umsetzung des Bildungsplanes. Das ist gut angelegtes Geld, und es ist der richtige Weg.

Da bin ich auch stolz und zufrieden, dass diese Schwerpunktsetzung in dieser Koalition vorgenommen wurde und sich diese Erfolge eben auch in dem Bildungsreport widerspiegeln.

(Cornelia Falken, Linksfraktion: Aber besser umsetzen!)

Ich bin jetzt möglicherweise wieder Experte in eigener Sache, wenn ich auf meine Familie schaue. Ich habe zwei Kinder in der Kita und ein Kind, das jetzt in die Schule gekommen ist, und kann sehen, wie fantastisch es ist, wenn Kinder lernen wollen und können – diese Neugier, dieser Wunsch, dieser Drang, die Welt zu entdecken und zu erleben und zum Beispiel in der Kita einen geschützten Raum dafür zu haben, auch einen geschützten Raum vor Schule. Das, was wir mit dem Bildungsplan meinen, heißt eben nicht: Verschulung des Kindergartens, sondern heißt, diese Neugier von Kindern zu wecken und zu nutzen. Sie wollen lernen, sie wollen die Welt entdecken.

Es ist eigentlich die Inspiration, die man weiter mitnehmen muss von der Kita in die Schule hinein. Ich glaube, dass deshalb auch viele Grundschulen viel weiter sind als die weiterführenden Schulen, wenn es um eine andere Schul- und Lernkultur geht, weil sie eben solche Impulse aus der Kita mitnehmen konnten, weil sie durch die gemeinsame Schuleingangsphase auch enger zusammen

arbeiten, um die Potenziale nutzen zu können, die in den Kindergärten geweckt werden.

Ich glaube also, das ist ein Erfolg, der uns in dieser Koalition wirklich als gemeinsames Projekt auf die Fahnen geschrieben werden kann.

Das Zweite: Ganztagsschule. Wir hatten vor Kurzem hier im Landtag die Diskussion über Ganztagsschulen und Ganztagsangebote. Bei dieser Gelegenheit hatte ich mich an eine Diskussion hier im Landtag in der letzten Legislaturperiode erinnert. Da gehörte ich dem Landtag zwar noch nicht an, aber als außenstehendem Beobachter hat sich mir durchaus die Argumentation sehr eingeprägt, die man damals von der CDU hören konnte. Sie hieß nämlich: die armen Familien! Ganztagsschule zerstört Familien. Da gehen die Kinder früh, wenn es dunkel ist, aus dem Haus, und wenn es dunkel wird, kommen sie nach Hause zurück.

(Zuruf des Abg. Thomas Colditz, CDU)

Die Ganztagsschule wird heute gelobt – und zwar zu Recht.

(Zurufe der Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion, und Thomas Colditz, CDU)

Wir haben nicht nur über die Frage gesprochen, ob man es will oder nicht, sondern auch darüber, dass wir in der Koalition jedes Jahr 30 Millionen Euro in die Hand genommen haben, um es mit Leben zu erfüllen.

(Zuruf des Abg. Thomas Colditz, CDU)