Protokoll der Sitzung vom 10.03.2005

Die GRÜNEN – unsere Fraktion – haben kein Interesse daran, dass hier im Sächsischen Landtag eine Koalition eine Mehrheit gewinnen könnte, die aus denjenigen besteht, die ARD und ZDF bewusst an den Kragen wollen, und denjenigen, die mit dem Überwiegen ihrer Verfassungsbedenken den öffentlich-rechtlichen Sendern einen Bärendienst erweisen. Wir stimmen deshalb dem Rundfunkänderungsstaatsvertrag zu, sagen aber mit Blick auf das Verfahren des Ministerpräsidenten und seiner Staatskanzlei: Wir stimmen diesmal zu. Aber nie wieder so!

(Beifall bei den GRÜNEN und der PDS)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Die CDU-Fraktion; Dr. Wöller, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will gern in der gebotenen Kürze auf die Vorredner eingehen. Zunächst zu Herrn Hilker, wenn da Missverständnisse aufgetreten sein sollten: Die CDU-Fraktion und die Koalition haben kein Mal die öffentlich-rechtlichen Sender angegriffen. Im Gegenteil, wir sind der festen Überzeugung, dass der öffentlichrechtliche Rundfunk eine tragende Säule dieser dualen Rundfunkordnung ist und bleiben muss und damit auch zur Stärkung unserer Demokratie und der Kommunikation in diesem Land beitragen muss.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Wichtig ist nur, dass er sich auf seinen Kernauftrag konzentriert.

Wie vorhin ausgeführt, haben wir im letzten, dem Siebten Rundfunkänderungsstaatsvertrag den öffentlichen Grundversorgungsauftrag eingrenzend definiert und damit insbesondere einen Kulturvorrang eingeräumt. Dem muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk nachkommen. Er muss sich auf seine Kernkompetenzen beschränken, so dass er in dieser dualen Säule unterscheidbar zu den Privaten bleibt und damit zur Akzeptanz in diesem Lande beitragen kann. Das zum Ersten.

Zum Zweiten, dem Kinderkanal. Die Staatsregierung hat sich vehement und erfolgreich dafür eingesetzt, dass der Kinderkanal seinen Sitz im Sendegebiet des MDR hat. Wir unterstützen den Kinderkanal und halten ihn für sinnvoll und notwendig. Allerdings soll dieser Kanal kein Vollprogramm mit 24 Stunden rund um die Uhr sein. Hierzu muss man sagen, dass die Anstalten die Sendezeit des Kinderkanals staatsvertragswidrig eigenmächtig ausgeweitet haben.

Die Frage ist doch nicht: Sitzen die Kinder vor dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen oder sitzen sie vor dem privaten Fernsehen?, sondern die Frage ist doch, ob sie auch einmal ein Buch in die Hand nehmen oder ob ihnen vorgelesen wird. Das ist doch das Entscheidende.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Hierbei müssen wir die medienpolitische Kirche im Dorf lassen.

Ich komme zum dritten Punkt, dem Thema Online. Selbstverständlich sollen die öffentlich-rechtlichen Rund

funkanstalten alle Möglichkeiten, die ihnen technisch zur Verfügung stehen, nutzen können. Das betrifft auch die Online-Angebote. Wer sich aber die Berichte durchliest, die aufgrund unserer Initiative vorgelegt worden sind, der wird feststellen, dass die Rundfunkanstalten geplant haben, die Online-Bereiche zu einer eigenständigen redaktionellen dritten Säule neben dem Radio und dem Fernsehen auszubauen. Das kann nicht im Sinne der Gebührenzahler sein. Deswegen war es notwendig, so wie wir es gemacht haben, die Online-Angebote zu begrenzen, und zwar ausschließlich programmbezogen und programmbegleitend.

Ich sehe nicht ein, warum der Gebührenzahler dafür zahlen muss, dass er sich Bratpfannen oder DDR-Trainingsanzüge über das Öffentlich-Rechtliche im Internet bestellen kann. Das ist nicht die Aufgabe des Grundversorgungsauftrages.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Ich komme zum Rechtsgutachten der Landtagsverwaltung. Ich habe Verständnis dafür, dass die NPD-Fraktion allein schon bei dem Begriff „Rechtsgutachten“ innerlich straffe Haltung annimmt.

(Beifall bei der CDU – Uwe Leichsenring, NPD: Das ist billig!)

Mit dem Blick auf die Realität befindet sich die NPDFraktion damit im Boot mit der PDS-Fraktion. Die entscheidende Frage ist doch, ob wir auf dieser dritten Stufe der Gebührenfestsetzung vom Gebührenvorschlag der KEF abweichen. Die beiden Gründe sind genannt worden. Es ist zum einen der Informationszugang und zum anderen das Vermögensinteresse des Gebührenzahlers, das wir sehr ernst nehmen. Selbst das Bundesverfassungsgericht spricht davon, dass es im Wesentlichen diese beiden Gründe sind.

Der Juristische Dienst hat ausgeführt, dass die Begründungen der Länder für die Abweichungen nicht nachvollziehbar waren. Das ist erkennbar nicht der Fall. Wer die Anhörung in diesem Hohen Haus zu diesem Thema verfolgt hat, die Begründung zum Staatsvertrag liest und die Erörterungen der Länder mit der KEF hinzuzieht, merkt, dass diese 28 % Abweichung von diesen 1,09 Euro respektive des Zuschlages für die verspätete Inkraftsetzung des Staatsvertrages klar aufgeschlüsselt sind.

Ich will es noch einmal erläutern, damit kein falsches Bild entsteht. Wir haben zum einen auf der Seite der Länder eine Kürzung von fünf Cent, weil wir die Befreiungstatbestände vom Anderthalbfachen des Sozialhilfesatzes auf den einfachen Sozialhilfesatz geändert haben. Dann haben wir fünf Cent Einsparung, da es den Öffentlich-Rechtlichen erlaubt worden ist, analoge terrestrische Frequenzen nicht mehr auszustrahlen. Gerade unser Sendegebiet wird über Satellit, über Kabel oder dann über DVB-T versorgt.

Meine Damen und Herren! Wenn etwas nicht funktionsnotwendig ist, nämlich die Kosten der Ausstrahlung, dann kann ich doch damit nicht ernsthaft den Gebührenzahler belasten. Zum Zweiten geht es um das Hotelprivileg, eine leichte Kürzung von zwei Cent. Bei den Anstal

ten selbst erbringen die Selbstverpflichtungserklärungen zehn Cent Einsparung. Die Wiederverwertung der Sportrechte bringt sechs Cent. Auch hierzu führt der Juristische Dienst aus, dass die Wiederverwertung der Sportrechte ein Eingriff in die Programmfreiheit wäre. Das ist doch erkennbar nicht der Fall.

Meine Damen und Herren, wie und auf welche Art und Weise wird in das Programm eingegriffen, wenn ich die Öffentlich-Rechtlichen bitte oder ihnen vorschreibe, dass sie die mit Gebührengeldern teuer erkauften Rechte auf dem Markt weiter veräußern? Natürlich können sie senden, sie können auch live senden. Aber mit einem wirtschaftlich so wichtigen Gut muss man sparsam und effizient umgehen. Deshalb sind die öffentlich-rechtlichen Anstalten gehalten, diese auf dem Markt teuer erkauften Rechte auch weiter zu veräußern.

Meine Damen und Herren! Damit ist die Begründung nachvollziehbar dargelegt.

Ein letzter Punkt. Der Juristische Dienst hat ausgeführt, dass diese jetzt eingeführten Programmzahlobergrenzen, um diese Dynamik zu stoppen, ein Eingriff in die Programmfreiheit wären. Meine Damen und Herren, würde man dieser juristischen Argumentation folgen, dann dürfte die Politik keinerlei medienpolitische Vorgaben für eine Programmzahl machen, dann wäre ein ZDFStaatsvertrag verfassungswidrig, weil dem ZDF vorgeschrieben wird, ein Fernsehprogramm auszustrahlen, dann wäre der Deutschlandradio-Staatsvertrag verfassungswidrig, weil Deutschlandradio bundesweit nur zwei Hörfunkprogramme ausstrahlen dürfte, dann wäre der SWR-Staatsvertrag verfassungswidrig und dann wäre auch ein hessisches Rundfunkgesetz nicht rechtskonform.

Meine Damen und Herren! Das wäre eine juristische Argumentation, die schlicht falsch ist. Sie wird auch nicht geteilt. 16 Landesregierungen bzw. Staatsregierungen haben es geprüft. Die Justitiare der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten halten den vorgelegten Staatsvertrag für verfassungskonform. Die KEF hat diese Woche noch einmal betont, dass dieser vorgelegte Staatsvertrag selbstverständlich verfassungskonform ist. Er ist sicherlich mit dem einen oder anderen Risiko behaftet, aber das ist einer verfassungsmäßigen Rechtsprechung zugängig. Der Staatsvertrag ist aber nicht, wie es das Ergebnis des Gutachtens ausweist, von vornherein verfassungswidrig. Deshalb werden wir dem Staatsvertrag zustimmen.

Noch eines. Wenn ich die Sirenengesänge vonseiten der FDP-Fraktion höre, man müsse jetzt sparen, man müsse den Gebührenzahler entlasten und es könne nicht so weitergehen, meine Damen und Herren, dann müssen Sie dem Staatsvertrag zustimmen, weil wir dort zum ersten Mal nach langen Jahren eine Dämpfung der Forderung der gesamten Entwicklung erreichen. Sich aber jetzt hinzustellen und zu sagen, wir stimmen dem nicht zu aus diesen Gründen, hat zur Folge, dass Sie die Gebührenzahler mit 400 Millionen Euro pro Gebührenperiode mehr belasten. Die Empfänger von Arbeitslosengeld II sind nicht befreit. Das ist die Konsequenz. Diese Konsequenz müssen Sie den Wählerinnen und Wählern im

Land dementsprechend vermitteln und ehrlich diskutieren.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Die Staatsregierung, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stimmen heute über den Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag ab. Wir haben aber in den letzten Wochen und Monaten gemerkt, dass es keine leichte Debatte ist. Es ist deshalb keine einfache Debatte, weil es ein Staatsvertrag aller 16 Bundesländer ist und weil es ein Vertragswerk ist, das im Vorfeld zwischen allen 16 Landes- bzw. Staatsregierungen verhandelt worden ist. Ich gebe auch zu, dass es keine leichte Debatte ist, weil wir letztendlich hier im Landtag – auch wenn es in vertretbarem Maße ist, wir sprechen über 88 Cent – über eine Mehrbelastung der Bevölkerung entscheiden müssen. Es ist auch keine leichte Debatte, wie wir heute gemerkt haben, sondern es ist eine sehr parteipolitisch geprägte und eine sehr polemische Debatte. Denn eines muss ich ganz klar feststellen, sehr geehrte Damen und Herren: Wer einmal ein sehr abwechslungsreiches literarisches Werk lesen bzw. die Zusammenstellung davon haben möchte, der lese die Plenarprotokolle mit den einzelnen Redebeiträgen, insbesondere der Fraktionen der FDP, der GRÜNEN und der PDS, der Landtage, in denen diese Parteien in der Regierungsverantwortung stehen.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der PDS)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist ein und derselbe Vertragstext, der zwischen den Ländern verhandelt worden ist. Genau in den Ländern, in denen die genannten Fraktionen Regierungsverantwortung tragen, wurde dem Vertragstext zugestimmt.

Es ist schon kurios, wenn Kollege Gerstenberg unserem sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt vorwirft, beim SMS-Papier gewissermaßen den öffentlichen Rundfunk zu vernachlässigen bzw. ihn bestimmten Kritiken auszusetzen. Ich möchte darauf hinweisen, dass Peer Steinbrück, Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, an diesem Papier selbst mitgearbeitet hat.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?

Ja, bitte.

Herr Dr. Gerstenberg, bitte.

Herr Staatsminister, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass Herr Steinbrück SPD-Mitglied ist. Das zum Ersten. Zum Zweiten ist es so, dass die GRÜNEN bundesweit – soweit ich die Stellungnahmen kenne – das Verfahren der Gebührenfestsetzung unter Einfluss der Ministerprä

sidentenrunde kritisieren, als verfassungsmäßig bedenklich bezeichnen, dagegen protestiert haben und trotzdem in einer Abwägung in den Ländern, in denen sie mitregieren, und auch in vielen Oppositionsfraktionen zu der Entscheidung gekommen sind, dem Rundfunkänderungsstaatsvertrag – –

Herr Gerstenberg, Ihre Frage bitte.

Herr Gerstenberg, noch ist in Nordrhein-Westfalen ein SPD-Mitglied als Ministerpräsident am Werk. Das ist richtig. Das ist Peer Steinbrück. Aber er ist Ministerpräsident einer rot-grünen Regierungskoalition. Die GRÜNEN haben in Nordrhein-Westfalen zugestimmt. Ich empfehle jedem, die Plenarprotokolle und speziell die Redebeiträge der dort vertretenen GRÜNEN zu lesen, die eine ganz andere Auffassung als Sie dazu haben.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der PDS)

Jetzt komme ich zur Verfassungskonformität. Dazu hat mein Kollege Wöller schon ausgiebig Stellung genommen. Aber ich möchte noch einiges hinzufügen.

Das Bundesverfassungsgericht hat 1994 in dem so genannten Gebührenurteil gesagt: Eine Abweichung ist zulässig, muss allerdings vor der Rundfunkfreiheit Bestand haben. Das heißt, jeder muss den freien Informationszugang haben und er muss ihn sich auch leisten können. Das ist ganz klar gewährleistet. Ich werde dann in dem entsprechenden Punkt noch darauf zurückkommen.

Ich möchte auch etwas zu den Rednern der NPD-Fraktion sagen. Sie sprachen davon, dass es ein Rechtsgutachten „Ihres Juristischen Dienstes“ gibt. Ich möchte darauf hinweisen, dass es nicht der Juristische Dienst der Staatsregierung ist. Natürlich hat die Staatskanzlei, natürlich hat das Justizministerium den Staatsvertrag geprüft und hat Verfassungskonformität festgestellt. Aber wir haben Gewaltenteilung. Es ist das Gutachten des Juristischen Dienstes der Landtagsverwaltung, das Sie meinten. Ich weiß nicht, ob das bei Ihnen schon angekommen ist. Aber mich wundert es, ehrlich gesagt, nicht wirklich, denn es ist ja das Grundproblem: Sie sind ja Opposition nicht im System, sondern Opposition zum System, und das ist das Grundproblem.

(Beifall bei der Staatsregierung – Uwe Leichsenring, NPD: Ihr Problem!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin davon überzeugt, dass gerade dieser Staatsvertrag die Zustimmung des sächsischen Parlamentes wirklich verdient, denn – das will ich noch einmal sagen – er trägt unverkennbar die sächsische Handschrift. Gestatten Sie mir, darauf noch einmal kurz einzugehen.

Als es vor vier Jahren zum letzten Mal um eine Erhöhung der Rundfunkgebühren ging, hat der Sächsische Landtag dem Zustimmungsgesetz zum damals Fünften Rundfunkänderungsstaatsvertrag eine Präambel vorangestellt – das haben wir heute schon gehört –, in der medienpolitische Forderungen für die Zukunft verankert

waren. Nun sind Forderungen das eine. Sie können sicher nachvollziehen, wie schwierig es ist, diese dann in der Ländergemeinschaft auch durchzusetzen. Im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion zum neuen Staatsvertrag steht immer die neue Höhe der Rundfunkgebühr. Auch ich werde im Folgenden dazu noch einiges sagen. Aber in diesem Staatsvertrag finden sich eben auch ganz wesentliche Neuregelungen, die Sachsen schon lange gefordert hat. Diese sind nun umgesetzt, sie haben bereits Auswirkungen auf die Höhe der Rundfunkgebühren und werden in Zukunft noch weitere Wirkung entfalten. Ich will einige Punkte aus der angesprochenen Präambel nennen.

Eingeführt bzw. verwirklicht wurde die Berichtspflicht. Die Berichtspflicht – alle zwei Jahre für die Anstalten – über ihre wirtschaftliche Lage wurde eingeführt. Wir haben die Situation, dass der MDR, freiwillig sogar, jedes Jahr einen Bericht vorlegt. Der Intendant und der Verwaltungsdirektor informieren den zuständigen Ausschuss. Das geschieht auch in persönlichen Gesprächen – also ein ordentliches Verfahren und eine gute Arbeitsgrundlage.

Zwischen dem Mitteldeutschen Rundfunk und den Rechnungshöfen wurde eine Vereinbarung über erweiterte Prüfmöglichkeiten geschlossen, die weit über das hinausgeht, was zum Beispiel beim Norddeutschen Rundfunk möglich ist.