Ja, meine Damen und Herren, der IT-Standort Sachsen muss neu aufgestellt werden. Es reicht nicht mehr aus, darauf zu verweisen, was man bisher gefördert hat und so weiter fördern will wie bisher. Wenn andere Länder Staatsfonds in diesen Bereichen haben, zeigt dies zumindest einen Weg. Der Wirtschaftsraum Sachsen, der Wirtschaftsraum Deutschland und auch der Wirtschaftsraum Europa brauchen eine eigene IT-Industrie. In immer mehr Produkten steckt Chiptechnologie, in immer mehr Technologien, wie beispielsweise der Umwelttechnologie, wird genau die Chipindustrie gebraucht. Sie brauchen Prozessoren, Speicher und auch die Bioinformatik. Die Chipindustrie verschmilzt mit anderen Technologiebereichen.
So sage ich: Sowohl die Staatsregierung als auch die Bundesregierung und die EU sind gefordert. Ansonsten werden wir den Mikroelektronikstandort Dresden nicht halten können.
im Rahmen dieser Aktuellen Debatte über den IT-Standort Sachsen sprechen, und aus dem Mund von CDU- und SPD-Fraktion hört es sich natürlich so an, als wenn es der weltbeste Standort überhaupt wäre. Dies mag aus Sicht einer regierungstragenden Koalition nachvollziehbar sein, doch bewies man meiner Meinung nach wenig politisches Geschick und Fingerspitzengefühl, die Debatte ausgerechnet auf die heutige Plenarsitzung zu setzen, nachdem man vor circa vier Wochen erfahren durfte, dass die Deutsche Post ihren IT-Standort Dresden schließen wird. Davon sind immerhin 68 Beschäftigte betroffen und, meine Damen und Herren, von Qimonda möchte ich gar nicht erst anfangen.
Außerdem muss man zum Arbeitstitel dieser Aktuellen Debatte „IT-Standort Sachsen“ hinterfragen, wo demnach bisher Sachsen als ganzes Bundesland als solcher Standort stattfindet. Ein bereits flüchtiger Blick auf die regionale Verteilung geförderter Projekte bzw. des Fördermittelabflusses zeigt auf, dass es sich beim IT-Standort Sachsen standortpolitisch überwiegend um Leuchtturmpolitik handelt. Mehr als zwei Drittel der Technologieförderung entfallen auf das vormalige Regierungspräsidium Dresden. Darüber hinaus scheint der NPD-Fraktion die sächsische Technologieförderung trotz – wenn ich mich nicht irre – neun diesbezüglicher Förderrichtlinien keineswegs auf unterschiedlich große Unternehmensstrukturen ausgewogen ausgerichtet zu sein.
Dies trifft insbesondere aufgrund der im Februar vergangenen Jahres vorgenommenen Änderung der Richtlinie zum Technologietransfer zu. Bis dahin traten die Technologiezentren als Antragsteller auf, was nun auf die KMU als Technologienehmer übertragen wurde.
Was zeichnet sich nun in der Praxis ab? Die Technologiezentren können – und ich betone hier bewusst – theoretisch zwar im Rahmen der neu gefassten Technologieförderung den KMU Dienstleistungen in Rechnung stellen, für welche seitens der KMU dann beispielsweise für externe Beratung Förderanträge gestellt werden. Doch ich habe nicht den Eindruck, dass dies in der Praxis umgesetzt wird. Obwohl eine massive Bewerbung seitens des SMWA stattgefunden hat, wofür meines Wissens sogenannte EU-Gelder aus der technischen Hilfe verbrannt wurden, konnte offensichtlich keine nennenswerte Inanspruchnahme der KMU verzeichnet werden.
Nachdem hier folglich die Mutmaßung nahe liegt, dass die Richtlinienkomposition und das Förderkonstrukt nicht auf die Bedürfnisse insbesondere der Technologienehmer kleinerer Unternehmensstrukturen zugeschnitten sind, sollte bald eine bereits eingeforderte Überprüfung der gegenwärtigen Praxis erfolgen, um schnellstmöglich neue Rahmenbedingungen zu schaffen, die bedarfsgerecht, ausgewogen und natürlich effizient sein sollten. Besonders die Effizienz von wirtschaftspolitischer Förderung ist eine interessante Frage, und auch wenn das heutige Debattenthema nicht die allgemeine Wirtschaftsförderung im Freistaat betrifft, sondern speziell auf den IT-Standort abzielt, wäre es nach Ansicht der NPD-Fraktion falsch,
deshalb eine ausschließlich partikulare Betrachtung vorzunehmen. Schließlich ist die Frage danach politisch legitim, ob man die standortpolitischen Schwerpunkte, beispielsweise auf exportorientierte Branchen mit schnellen Innovationszyklen an ausgesuchten Orten legt oder einer binnenkonjunkturell orientierten Branchenvielfalt in der Fläche des ganzen Freistaates den Vorzug erteilt.
So möchte ich noch einige Worte zum Thema Nanotechnologie in Sachsen verlieren, die häufig als ein Lieblingskind des SMWA erscheint. Man scheint dieser Branche im Freistaat unter den Leuchttürmen der Staatsregierung außerordentlich zugetan zu sein, da in den Jahren 2006 und 2007 im Bereich der Nanotechnologie und der Mikrosystemtechnik nicht ein einziger Förderantrag abgelehnt wurde. Selbstverständlich kann man sich jetzt seitens der Staatsregierung hinstellen und dies als herausragendes Standortkriterium hervorheben. Aber ebenso, meine Damen und Herren, kann man Lobbyismus kritisch hinterfragen, der möglicherweise zulasten anderer Bereiche geht.
Meine Damen und Herren! Ich möchte diesbezüglich heute keine abschließende Behauptung aufstellen. Jedoch auf eines möchte ich als Vertreter der Opposition schon hinweisen: In den beiden von mir soeben benannten Jahren wurde allein im Bereich der Nanotechnologie Projektförderung in Höhe von mehr als 55,5 Millionen Euro bewilligt. Ich kann nur hoffen, dass diese Förderfreudigkeit nicht nur eine hervorragende Standortpolitik im Sinne der unternehmerischen Bilanzkennzahlen, sondern vor allem im Sinne einer nachhaltigen Beschäftigungspolitik war. Aber, meine Damen und Herren, um gleich Missverständnissen vorzubeugen, selbstverständlich werden wir weiterhin positive Meldungen, sei es von SAX-IT, dem KITD, der GeSiS, dem Silicon Saxony und anderen sogenannten Clustern jederzeit erfreut aufnehmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! In der sächsischen Mikroelektronik sind in 1 200 Unternehmen über 44 000 Mitarbeiter beschäftigt. Jeder zweite europäische Chip wird in Deutschland produziert, und 70 % der Mitarbeiter in der Halbleiterindustrie in Deutschland sind in Dresden beschäftigt. Sicherlich ist richtig, dass bei Qimonda jetzt 950 der 3 200 Arbeitsplätze wegfallen. Das ist bedauerlich, insbesondere für die Mitarbeiter, die auf der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz sein werden und die Unsicherheit haben, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Aber, und das muss auch gesagt werden, das stellt den IT-Standort Dresden nicht infrage.
Wir haben bei dem anderen Unternehmen, bei AMD, den Standortwettbewerb mit dem Staat New York verloren und wir wissen auch, dass AMD Prozessorproduktionen in Taiwan plant. Aber schauen wir uns einmal die Gründe für Standortentscheidungen an, auch die für Dresden.
An erster Stelle steht doch das qualifiziertere Personal, das wir nach wie vor hier in Sachsen haben. Wir haben auch eine exzellente Infrastruktur, eine Verkehrsanbindung, die bestehen bleibt; und wir haben natürlich auch einen Kostenvorteil gehabt, der im internationalen Wettbewerb geringer wird; dies müssen wir zur Kenntnis nehmen. Sicher haben auch Subventionen für die Ansiedlung hier in Sachsen den Ausschlag gegeben. Doch – dies ist hier bereits angesprochen worden – mit Anbietern billiger Löhne können wir – und ich sage auch: sollten wir – nicht dauerhaft konkurrieren wollen.
Wir können auch diesen Kostennachteil nicht dauerhaft durch Subventionen ausgleichen. Dauersubventionen in nicht wettbewerbsfähige Arbeitsplätze hemmen Innovationen. Was wir brauchen, sind ja gerade Innovationen, damit wir als Sachsen im nationalen Wettbewerb mit neuen Technologien führend sind und Arbeitsplätze schaffen können.
Das Problem ist weniger die Tatsache, dass in einem Unternehmen, Qimonda, 950 Arbeitsplätze wegfallen. Die Frage ist doch vielmehr, wie schnell die betroffenen Menschen einen neuen Arbeitsplatz finden, auch wenn natürlich – ich hatte es bereits angesprochen – ein Arbeitsplatzverlust immer schmerzlich ist. Wenn es uns gelingt, diese Menschen in kurzer Zeit wieder in Lohn und Brot zu bringen, dann haben wir, wenn Sie nach Sachsen schauen, gute Chancen, dass es so sein wird. Das Unternehmen SolarWorld aus Freiberg sucht 500 Mitarbeiter. Hier gibt es eine große Chance, dass Mitarbeiter aus Dresden in Freiberg einen neuen Arbeitsplatz finden, und diese Beschäftigung in einem Unternehmen mit wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen ist allemal besser als die Beschäftigung in einem Unternehmen mit dauersubventionierten Arbeitsplätzen.
Wir haben in der EU eine Subventionsbegrenzung mit einem Höchstsatz von 28 %. Von dieser Regelung hat Sachsen in diesem Jahr profitiert, weil der Satz in Sachsen deutlich höher war als in anderen Bereichen Europas. Wenn wir nun Änderungen im Beihilferecht der EUSubventionspolitik fordern, dann sollten wir gut überlegen, was wir tun; denn alle Unternehmen, die erheblich investieren oder eine große Anzahl von Arbeitsplätzen schaffen oder bei denen eine entsprechende Anzahl verloren gehen könnte, stehen im internationalen Wettbewerb. Wenn wir nun einen Ausnahmetatbestand für alle Unternehmen schaffen, die im internationalen Wettbewerb stehen, dann schaffen wir einen Ausnahmetatbestand für wirklich alle, und wir haben einen Subventionswettlauf –
Dabei muss man auch sehen, dass die IT-Branche eine ganz bestimmte Branche mit bestimmten Rahmenbedingungen ist. Wir haben sehr, sehr kurze Investitionszyklen, in diesen Unternehmen sind ständige Modernisierungen erforderlich. Dies unterscheidet die IT-Unternehmen von anderen Branchen. Deswegen sollten wir darüber nachdenken, ob nicht gerade für diese Branche die EUBeihilferegelungen zu eng sind. Darauf weist zum Beispiel das Ifo-Institut in Dresden in der Studie vom April 2008 hin: dass man gerade bei Unternehmen mit diesen kurzen Innovationszyklen Ausnahmen schaffen sollte. Das ist vollkommen richtig. Wir sollten uns in diesem Hause gemeinsam auf der europäischen Ebene für eine Überprüfung, auch eine Lockerung der entsprechenden Beihilferegelungen einsetzen; aber bitte nur für diese Branche und nicht insgesamt und nicht für alle, denn dabei können wir nur verlieren.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, mal ganz ehrlich: Wenn Sie die Schlagzeilen dieser Woche gekannt hätten, dann hätten Sie diese Aktuelle Debatte wahrscheinlich nicht gewählt.
Es ist ja so: Sachsen wirbt seit Jahren mit Hochglanzbroschüren für das IT-Land „Sachsen – der perfekte ITStandort“, und auch die Außensicht ist so. Der Branchenverband Bitkom sagt: „Von den neuen Bundesländern ist Sachsen die Nummer eins für jobsuchende Informatiker.“ Ich werde diese Situation überhaupt nicht zerreden; denn die Zukunftsperspektiven dieser Branche, in der ich lange gearbeitet habe, liegen mir auch persönlich am Herzen.
Die Vorteile, die dieser Standort bietet, was die Ausbildung der Menschen sowie die Situation des Forschungsumfeldes und der außeruniversitären Forschung, aber auch die Situation von Kultur und Natur betrifft – ganz wichtig für das Gewinnen von Spitzenforschern und -managern –, sind bereits beschrieben worden. Herr Bolick, Sie haben eine richtige Beurteilung der guten Chancen und der guten Ausgangssituation gegeben; aber wer von Chancen spricht, darf doch zu Risiken und Nebenwirkungen nicht schweigen und darf dies auch nicht ins Kleingedruckte und Schnellgesprochene verdrängen.
Die Erfolgsgeschichte ist ins Trudeln gekommen. Der Vergleich zum Jahr 2007 zeigt bei den Arbeitskräften bei Qimonda den Abbau um ein Drittel. Das ist kein Abbau mehr, das ist ein Abbruch. Infineon baut ein Viertel seiner Arbeitskräfte ab, AMD immerhin auch noch 10 %. Nur die kleine alte ZMD-Schmiede ist unter Einrechnung der verkauften X-Fab nahezu stabil. Das halte ich nicht für einen Zufall; dort werden anwendungsspezifische Schaltkreise, ein sehr sicheres Segment, produziert.
Schauen wir einmal auf die Ursachen. Nehmen wir das Beispiel Qimonda: Der Markt für DRAMs ist seit Jahren heikel. Das hat er so an sich. Auch bei neuen Chipgenerationen ziehen Billiganbieter in relativ kurzer Zeit nach. Einen Nachfrageschub könnten neue 64-BitBetriebssysteme bei Computern mit ihrem größeren Adressraum bringen; aber auf diesem Softwaregebiet haben wir eine sehr langsame Entwicklung in der Anwendungsakzeptanz. Speicherfabriken für DRAMs, nicht nur bei Qimonda, sind ein Beispiel dafür, dass dort bei neuen Generationen oft die Stilllegung einer technologischen Erneuerung vorgezogen wird – also ein heikles Gebiet.
Beispiel AMD: AMD ist seit Jahren in den roten Zahlen. Der derzeitige technologische Rückstand gegenüber dem Konkurrenten Intel führt zu geringen Gewinnen. Der Kauf der Grafikschmiede ATI ist aus meiner Sicht technologisch und perspektivisch sehr vielversprechend, hat aber die Bilanzen enorm belastet. In dieser Situation war der Kauf der Dresdner Fabriken durch die Investitionsgesellschaft aus Abu Dhabi ein ausgesprochener Befreiungsschlag. Endlich steht wieder Kapital zur Verfügung, um die dringend notwendigen Investitionen durchzuführen. Das ist gut für den Mikroelektronikstandort Dresden, es ist auch gut für die Käuferinnen und Käufer und Anwender; denn AMD ist als Alternative zu Intel notwendig, um preissenkend zu wirken. Bei dem Jubel dürfen wir nicht verschweigen: Wir haben den Subventionswettlauf gegen New York um das neue Werk verloren. Die Debatte über Subventionsgrenzen können wir gern führen.
Ich möchte noch einige Beispiele aufführen, wie wir Risiken minimieren und Sachsen weiterhin als dynamisches Bundesland entwickeln können.
Erstens. Ein perfekter IT-Standort braucht einen exzellenten Bildungsstandort. Die Forschungsstärke der TU Dresden ist bekannt, aber wir können uns nicht darauf ausruhen. Fachkräftemangel ist in der IT-Branche ein schlagendes Wort. Die Anwerbung von Studenten aus den alten Bundesländern und dem Ausland ist nicht nur eine Frage der Hochschulpolitik, sondern auch eine Frage der Zukunft der IT-Branche, und ich will hier nicht nur von den Hochschulen sprechen, sondern gerade auch in diesem Bereich die Berufsakademien erwähnen. Die Forderung der IHK Südwestsachsen, keine weiteren Einschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit im Zuge der EU-Osterweiterung vorzunehmen, ist ebenfalls ein Beitrag zur Stärkung der IT-Branche.
Zweitens. Innovationsstandort Sachsen: Reine Fertigungsstätten wandern schnell in Billiglohnländer ab,
wenn die Investitionsbindungen abgelaufen sind. Bestand hat, was FuE-intensiv ist. Wir brauchen noch intensivere Kooperationen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Stärkere Forschungsförderung, sowohl einzelbetrieblich als auch im Verbund, kann hier helfen. Solidarpaktmittel wären an dieser Stelle als zukunftssichere Investition eingesetzt.
Unter diesem Gesichtspunkt wird viel zu wenig über die Ansiedlungserfolge des Dresdner Maskenzentrums oder des Forschungszentrums für Nanoelektronische Technologien gesprochen, die als gemeinsame Unternehmen von mehreren Mikroelektronikherstellern betrieben werden. Das sind wichtige Erfolge.
Drittens. IT ist nicht die einzige Zukunftstechnologie. SolarWorld bietet Qimonda an, Arbeitnehmer zu übernehmen. Das ist ein Beispiel dafür, dass wir viel stärker als bisher vom Solarstandort Sachsen sprechen müssen.
Viertens und letztens. Green IT ist gut für den Standort Sachsen – eine Informationstechnologie, die in der Herstellung frei von Giftstoffen ist und stromsparende Produkte erzeugt. Die Prognose spricht von einem stark steigenden Strombedarf durch IT-Anlagen. Gegenüber 2000 wird bis 2020 eine Verdoppelung des CO2Ausstoßes in diesem Bereich prognostiziert. Das ist gegen alle Klimaschutzziele. Wer also energieeffiziente und stromsparende Anwendungstechnologien voranbringt, – –
– tut etwas für das Klima und für zukunftssichere Arbeitsplätze, und in dieser Hinsicht ist der große Erfolg – –