Protokoll der Sitzung vom 17.10.2008

Sachsen hat insgesamt besonders gute Unterrichtsbedingungen, insbesondere im Grundschulbereich.

Sachsen weist die zweitniedrigste Wiederholerquote in Deutschland auf.

Wir sind spitze im Bereich der mittleren Abschlüsse.

Sachsen weist einen vergleichsweise niedrigen Stand des Anteils von Hauptschülern auf.

Der Anteil der Schulabgänger mit Abitur hat sich von 24 auf 31 % erhöht.

In Sachsen wechseln wesentlich mehr Schüler vom Hauptschul- in den Realschulbildungsgang. In Deutschland ist dieser Trend umgekehrt.

Bei einem Schülerrückgang von nahezu einem Drittel hat der Freistaat einen Lehrerrückgang von nur circa einem Fünftel zu verzeichnen.

Meine Damen und Herren! Das sind Fakten, die nachweisen, dass wir mit unserer Strategie und unserem Bildungssystem auf dem richtigen Weg sind. Gleichwohl müssen wir – das sehen wir genauso – unsere Anstrengungen in der Bildung weiterhin verstärken. Beispielsweise befriedigt uns nach wie vor nicht – das haben wir am Mittwoch bereits ausführlich diskutiert – die mit 8,7 % relativ hohe Zahl der Schulabgänger ohne qualifizierten Abschluss.

Der Bildungsgipfel der Bundeskanzlerin in Dresden ist aus unserer Sicht ein Auftakt für eine neue Qualität in der Bildungspolitik und ein stärkeres Zusammenwirken von Bund und Ländern. Dafür, meine Damen und Herren, brauchen wir keine Änderung des Grundgesetzes, sondern den Willen aller Beteiligten, das gemeinsam voranzubringen. Wir begrüßen deshalb das Angebot der Bundeskanzlerin, die Länder in ihren Bestrebungen nach besserer Bildung und umfassender Sicherung des lebenslangen Lernens zu unterstützen. Dabei sind die Länder selbst erfahren genug, dieses Bündnis selbstbewusst und aktiv mitzugestalten, ohne dass wir die Verantwortung an den Bund zurückgeben müssen.

Der Wettbewerb in einem föderalen Bildungssystem hat sich bewährt. Die unterschiedlichen Ansätze der Bildungspolitik der Länder zeigen, wer auf dem richtigen Weg ist. Sachsen ist auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Prof. Dr. Roland Wöller)

Meine Damen und Herren! Auch bei diesem Thema darf es nicht um die Frage der Zuständigkeit gehen. Im Zentrum unserer Bestrebungen stehen die Menschen, angefangen in den Kindertageseinrichtungen über die Grund- und Mittelschulen bis hin zu den Gymnasien, berufsbildenden Schulen, Hochschulen und Universitäten sowie den fortbildenden Einrichtungen. Deren Situation zu verbessern muss unser Anspruch sein und bleiben.

Meine Damen und Herren! Sachsen hat gute Voraussetzungen, sinnvolle Ziele und klare Vorstellungen zur Verbesserung und Weiterentwicklung unseres Bildungssystems und damit zur Vermittlung von Wissen und Kompetenzen an die nachwachsende Generation. Diese sollen beim Bildungsgipfel der Bundeskanzlerin in der kommenden Woche in Dresden ihren Eingang finden. Bei der Weiterentwicklung und Stärkung unserer Hochschulen und Universitäten erwarten wir eine stärkere Unterstützung der Bundesregierung, aber eben nicht oktroyierte Programme zur Einschränkung der Länderkompetenzen in der Bildungspolitik.

Wir wollen Partner sein in dem Bestreben, das Kapital Bildung in Deutschland zu sichern und weiterzuentwickeln. Das sind unsere Erwartungen. Ich gehe davon aus, dass wir auf diesem Weg auch ein entscheidendes und positives Signal vom Bildungsgipfel erwarten können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Abg. Dulig, SPD-Fraktion, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und ein Bildungsgipfel noch keine bessere Bildung. Von daher sollte man durchaus einmal über die Erwartungshaltung reden. Aber Reden und Handeln sind nun einmal zwei verschiedene Dinge. Genau diesen Eindruck habe ich auch heute. Warum machen wir die Debatte? Liegt es vielleicht daran, dass in der ehemaligen PDS zu viele Bildungspolitiker sind, dass man Debatten immer und immer wieder führen muss, man immer wieder Tagesordnungspunkte braucht? Wir haben heute bei der Einbringung, liebe Julia Bonk, einen einzigen Satz zum Antrag gehört, und zwar den Schlusssatz. Alles andere war die Wiederholung der Debatte vom Mittwoch. Ich weiß nicht, ob man damit der Sache wirklich dient, wenn es darum geht, bessere Bildung zu diskutieren und vor allem die konkreten Entscheidungen zu treffen. Das finde ich schade, denn man entwertet eher diese Debatte.

(Caren Lay, Linksfraktion: Wo war denn Ihr Antrag?)

Entschuldigung, Sie haben den Antrag eingebracht. Soll ich mich jetzt dafür entschuldigen, dass ich diesen Antrag nicht eingebracht habe? Das ist doch albern.

Das Zweite, was Sie gesagt haben, möchte ich zurückweisen. Sie sagen: Das ist ja nur dazu da, die CDU-Bildungspolitik zu präsentieren – ich weiß nicht genau, wie Sie es gesagt haben. Aber das ist falsch. Ich frage Sie, inwieweit die Kernsätze Aufstieg durch Bildung, bessere Bildung von Anfang an, Sprache als Schlüssel zur Bildung, bessere Ausbildungschancen für Schülerinnen und Schüler usw. eine Frage von CDU-Bildungspolitik sind. Solche Überschriften können wir doch gern gemeinsam diskutieren. Ich verstehe nicht, was diese Diskussion an dieser Stelle gerade sollte, denn die Frage ist ja, wie wir das mit Leben füllen. Es wird sicherlich Unterschiede geben, das haben wir am Mittwoch gemerkt.

Das Bestreben um bessere Bildung hat auch damit zu tun, dass wir Foren haben, in denen man Dinge wieder einmal zuspitzt. Das ist vielleicht das Positive an diesem Bildungsgipfel: dass wir die Frage, wie Bund und Länder gemeinsam diese Herausforderung annehmen, wieder einmal auf die Tagesordnung schreiben.

In den letzten Jahren hatten wir eine umgekehrte Debatte. Mit der Entscheidung der Föderalismuskommission wurde ja eher verstärkt, dass die Zuständigkeit für Bildung bei den Ländern liegt und die Möglichkeiten des Bundes, für Bildung einzutreten, reduziert wurden. Ich verrate kein Geheimnis, dass das bei den Bildungspolitikern über alle Parteien hinweg, auch von denen der Koalition, die für die Föderalismusreform gestimmt haben, durchaus kritisch gesehen wurde. Wir brauchen nicht drum herumzureden, man kann das auch unterschiedlich bewerten.

Die Entscheidung ist ja nun einmal getroffen. Wir haben nun die Entscheidung über die Föderalismusreform I. Das ist das, was mich an dem Antrag ärgert: Sie müssen es immer wieder übertreiben. Gestern haben wir zum Beispiel über das Sicherungspaket aufgrund der Bankenkrise diskutiert. Dann wurde abends noch von ihnen ein Konjunkturprogramm nachgeschoben, obwohl es an dieser Stelle gar nicht darum gehen kann. Die Konsequenzen, die daraus gezogen werden, hätten außerhalb diskutiert werden können. Genauso ist es jetzt mit dem Bildungsgipfel. Da soll über konkrete Bildungspolitik diskutiert werden, und Sie diskutieren über eine Grundgesetzänderung. Bei der Grundgesetzänderung geht es nur darum, die Entscheidung der Föderalismusreform I zurückzudrehen. Wie viel Zeit wollen Sie denn noch in Kauf nehmen, dass Entscheidungen auf die lange Bank geschoben werden? Denn die Zusammenarbeit und die notwendigen Entscheidungen stehen jetzt an. Wir brauchen deshalb diesen Gipfel.

Die 6 Milliarden Euro, die zum Beispiel im Raum stehen, sind doch gut angelegtes Geld. Wir können gern über die

Verteilung streiten und darüber sprechen, ob das ausreicht oder nicht. Nur, anstatt eine Placebo-Debatte über die Grundgesetzänderung zu führen, möchte ich doch lieber darüber reden, was wir in den Ländern konkret machen können, und das vor allem mithilfe des Bundes.

Der Vorschlag, der auf der Hand liegt, zum Beispiel Schulsozialarbeiter zu finanzieren, ist richtig. Ich unterstütze ausdrücklich, dass wir davon wegkommen, dass es bei Schulbildung immer nur um die Frage von Unterricht, Lehrern und Schülern geht, sondern dass die gesamte Frage von Bildung, Einordnung von Schule im Gemeinwesen und vor allem auch die Herausforderung von Schule außerhalb des Unterrichts beschrieben wird. Es liegt auch auf der Hand, dass wir die Ganztagsschule verstärken müssen. Das sind Ergebnisse, die wir jetzt schon für den Bildungsgipfel absehen können, und die kann ich auch unterschreiben und unterstützen; genauso die Forderung, dass der Bund trotz Föderalismusreform Formen findet, in die Finanzierung von Bildung mit einzusteigen.

Die Idee von einer Bildungsstiftung, die ein flexibles Element wäre, unterstütze ich an dieser Stelle auch als eine Möglichkeit. Vielleicht ergeben sich durch diesen Gipfel noch andere Formen. Nur, das sind die Fragen, die hier anstehen, und nicht eine Debatte über eine Grundgesetzänderung, weil sie davon ablenkt. Wir werden die Grundgesetzänderung jetzt nicht bekommen, wir werden die Föderalismusreform nicht umdrehen. Ich finde es schade, dass man hier eine Debatte nur unter dem sozialpädagogischen Prinzip führt: Schön, dass wir darüber gesprochen haben! Das ist die Sache nicht wert.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die NPD-Fraktion; Frau Abg. Schüßler, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundeskanzlerin bemühte im Juni Ludwig Erhard und forderte Bildung für alle, als sie den sogenannten Bildungsgipfel und eine Bildungsreise in den Monaten zuvor ankündigte. Frau Merkel hat damit hohe Erwartungen bei allen Beteiligten im Bildungsbereich geweckt. Ich fürchte, dass sie ihnen nicht gerecht werden kann.

Ihre Bildungsreise begann mit dem Besuch eines Kindergartens in Frankfurt am Main. Dort tätschelte sie mediengerecht die Gesichter von sogenannten Migrantenkindern. Genau dies soll auch eines der Hauptthemen des Bildungsgipfels am 22. Oktober sein. Die Abiturientenquote von Migranten sei viel zu gering, heißt es. Sie müsse dringend gehoben werden. Diese Forderung lehnen wir als NPD-Fraktion natürlich ab; denn einerseits spricht sich meine Partei für eine geordnete Rückführung von Ausländern aus, andererseits besteht die Befürchtung, dass hier ein Ausländer-Abi, vergleichbar dem ZigeunerAbitur in Tschechien, etabliert werden könnte.

Doch zurück zu Frau Merkels Bildungsreise. Die Bundeskanzlerin fuhr nicht etwa zu Problemschulen oder Universitäten mit zurückgehenden Studentenzahlen, nein, sie besuchte bis zum 9. Oktober 12 Einrichtungen, die sich durch „besonders innovative pädagogische Einsätze auszeichnen“ – –

(Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, danke. Ich gestatte keine Zwischenfrage. Frau Günther-Schmidt, Sie müssten es doch wissen.

„und als Vorbilder für die Reform des Bildungssystems dienen“. Das klingt nach Selbstbetrug und war es dann auch. Die Online-Ausgabe der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 20. August berichtet über den bevorstehenden Besuch im bereits erwähnten Kindergarten: „Jedes Fotomotiv wollen die Politiker vor dem Termin absprechen, jeder Raum soll möglichst picobello sein. Die Leute vom Kanzleramt und vom städtischen Presseamt haben schon sehr genaue Vorstellungen“, erklärt laut „F.A.Z.“ eine Erzieherin. Und weiter: „Dank des Besuchs der Kanzlerin ist es auf einmal auch ganz schnell gegangen mit den Reparaturen. Seit April hatte der Kindergarten einen Wasserschaden. Kaum stand Merkels Besuch fest, rückten die Handwerker an. Jetzt sind die Wände wieder weiß und die fehlenden Deckenplatten ersetzt, und die Kinder müssen endlich nicht mehr im Turnraum zu Mittag essen.“ Mich erinnert das fatal an die letzten Jahre der DDR, wenn die Genossen der Partei- und Staatsführung zu Besuch ins Land ausrückten.

Meine Damen und Herren! Die politische Klasse in diesem Land leidet an Selbstbetrug. Insofern ist auch von diesem Bildungsgipfel nichts zu erwarten. Was will denn die Bundeskanzlerin den Ministerpräsidenten auf dem Gebiet der Bildungspolitik auch vorschreiben? Durch die Föderalismusreform ist die Zuständigkeit für dieses Politikfeld auf die Länder übergangen. So ist zu befürchten, dass der Dresdner Gipfel tatsächlich ein Kaffeekränzchen wird, wie es die GRÜNEN in ihrem Antrag bezeichnen. Diese Befürchtung teilen wir mit den beiden Antragstellern, ebenso ihre Skepsis gegenüber den angeblichen Segnungen des Wettbewerbsföderalismus.

Worin sich die NPD-Fraktion aber unterscheidet, ist unsere Ablehnung der von den Linken geforderten Gemeinschaftsschulen und den Problemlösungsansätzen der GRÜNEN, die das Heil der Welt in Ganztagsschulen sehen. Deshalb werden wir uns auch bei beiden Anträgen der Stimme enthalten.

Die deutsche Bildungspolitik wird nicht dadurch besser, dass Frau Merkel einen Gipfel einberuft. Solche Zusammenkünfte sind Schauveranstaltungen; denn niemand kann ernsthaft annehmen, dass man sich an einem Tag mit so vielfältigen Themen wie den Kindertagesstätten, den

allgemeinbildenden Schulen, der beruflichen Bildung, Hochschulen bis zum sogenannten lebenslangen Lernen auch nur annähernd verständigen kann.

Nein, ich denke, mit dieser symbolischen Politik tragen Sie nur zur weiteren Frustration der Bürger und zur Abkoppelung der Wähler von den politischen Entscheidungsträgern bei. Uns als NPD könnte das eigentlich nur recht sein, aber es geht immerhin um die Zukunft von Kindern und Jugendlichen. Dabei gäbe es viel zu tun. Einiges haben wir in der Debatte um die Fachregierungserklärung des Kultusministers bereits angesprochen.

Wichtig erscheint mir noch eine Ergänzung zu Herrn Gansels Ausführungen, und zwar zu der Vergleichbarkeit der Leistungen bei den Bildungsabschlüssen unter den Bundesländern. Hier ist die föderale Vielfalt zu einem klaren Nachteil für viele Schüler geworden – vor allem in den SPD-regierten Ländern. Ein Zentralabitur – zunächst vielleicht nur ein sogenanntes Südabitur – wäre deshalb wünschenswert. Herr Colditz, wenn Sie, also die CDU, sich dazu entschließen könnten, nach der Evaluation die Zugangsbedingungen für das Gymnasium wieder anzuheben, würden wir das ebenfalls sehr begrüßen.

Nicht zuletzt ist auch eine Erhöhung des Bildungshaushalts auf allen Ebenen erforderlich, um insbesondere im Kita- und im Schulbereich die gezielte Förderung der Kinder und Jugendlichen voranzubringen, indem günstigere Betreuungsverhältnisse eingeführt werden. Aufgrund der demografischen Entwicklung sind wir in Sachsen dabei auf einem guten Weg. Der Rückgang der Kinderzahlen darf aber nicht mit einem ebenso drastischen Stellenabbau einhergehen, sondern muss im Sinne der Kinder und Jugendlichen genutzt werden.

Auf dem Gebiet der Hochschulen muss ebenfalls darüber nachgedacht werden, wie der Rückgang der Studentenzahlen abgewehrt und die Entwicklung zugunsten einer besseren Ausbildung genutzt werden kann. Im Vergleich zum März 2003 gab es im Jahr 2007 in Deutschland 5 % weniger Studienanfänger. Das ist eine Zahl, die zunächst überrascht, da es bundesweit zugleich 17 % mehr Abiturienten gab. Hierfür dürften verschärfte Zulassungsbedingungen und Semestergebühren eine wichtige Ursache sein.

Sachsen steht dabei im Vergleich noch relativ gut da. Doch auch an der Universität Leipzig hat sich die Zahl der Studienanfänger verringert. Dem Trend entgegensteuern will Frau Wissenschaftsministerin Stange mit dem Abwerben aus den alten Bundesländern. Die NPD hat allerdings Zweifel, dass das Prinzip „Geld folgt Studierenden“, das die Voraussetzung für eine erfolgreiche Politik in diese Richtung ist, auf dem Bildungsgipfel angesichts des Länderegoismus umgesetzt werden kann.

Insgesamt sind so also auf allen Gebieten Zweifel am Sinn und am Erfolg des Bildungsgipfels angebracht. Die NPD-Fraktion erwartet sich lediglich ein bildungspolitisches Schaulaufen.

Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Die FDP, bitte; Herr Abg. Herbst.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Bildungspolitiker in einem Landtag können wir uns eigentlich glücklich schätzen, glücklich, dass es in unserem Politikfeld relativ wenige EU-Vorschriften gibt, dass der Bund uns kaum hineinregiert und dass wir weitgehend frei sind, unser Bildungssystem nach unseren Vorstellungen zu gestalten.