Protokoll der Sitzung vom 13.11.2008

Die Zeit von der Festsetzung der Tagesordnung bis heute war lang genug, dass Sie den Änderungsantrag früher

hätten einreichen können. Ich finde, es ist der Debatte im Hohen Haus nicht angemessen, dass wir heute Morgen einen so umfangreichen Änderungsantrag auf den Tisch bekommen.

(Beifall des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Worauf Herr Pellmann überhaupt nicht eingegangen ist, das ist, dass die Basis der Anpassungsformel, die Bedarfsgemeinschaften, Teil eines umfangreichen Paketes ist, das in diesem Jahr abgestimmt worden ist und auf das Herr Rößler hingewiesen hat.

In dieses Paket ist zum Beispiel eine Wohngeldreform einbezogen und darüber hinaus auch eine Unterstützung der Kommunen bei der Grundsicherung. Der Bund will sich nämlich im Jahre 2009 mit 13 %, im Jahre 2010 mit 14 % und im Jahre 2015 mit 16 % an der Grundsicherung beteiligen. Das haben Sie hier alles nicht erwähnt.

Die Beibehaltung der Anpassungsformel ist also ein Deal, der getroffen worden ist. Dazu kann man stehen, wie man will, aber es ist auf alle Fälle wichtig, das in diesem Zusammenhang zu sehen.

Wenn Herr Rößler an der Stelle gesagt hat, dass sich bei einer Veränderung der Zahl der Bedarfsgemeinschaften auch der Bundeszuschuss verändert, dann muss man sehen: Was ist denn der Grund dafür, dass sich die Zahl der Bedarfsgemeinschaften geändert hat? Der Grund liegt unter anderem darin, dass unter 25-Jährige gezwungen werden, bei den Eltern zu leben. Wir haben das hier wiederholt aus familienpolitischen Gründen kritisiert. Jetzt hat genau diese Vorgehensweise des Bundes, nämlich Kinder zu zwingen im Haushalt der Eltern zu leben, dazu geführt, dass der Bundeszuschuss im kommenden Jahr auf 25,4 % sinkt.

Was man insgesamt an diesem ganzen Kuddelmuddel sehen kann: Die Ziele, die wir mit dem SGB II ursprünglich einmal verfolgt haben, werden verfehlt: Die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zum Arbeitslosengeld II sollte der besseren Betreuung und Förderung Langzeitarbeitsloser dienen. Aber darüber hinaus sollten die Kommunen von bestimmten Ausgaben befreit werden. Die Neuordnung der Leistungsträger sollte übersichtlicher sein. Das Ganze sollte für die Kommunen dann auch weitgehend kostenneutral stattfinden. Um die Kommunen zu überzeugen, sollten sie jährlich mit 2,5 Milliarden Euro entlastet werden. Diese Entlastung ist schon in der Vergangenheit nicht eingetreten. Mit den nun ins Auge gefassten Berechnungen bzw. der sich ergebenden Kürzung des Bundeszuschusses wird sie erst recht nicht eintreten.

Was man also sehen kann, ist: Auch mit der fünften Änderung des SGB II werden die ursprünglichen Ziele aufgegeben. Bisher hat noch jede Änderung des SGB II dazu geführt, dass positive Ziele und Ansätze geopfert worden sind. Die Frage ist, warum im Bundesrat auch die Sächsische Staatsregierung diesem Deal insgesamt zugestimmt hat, der für die Kommunen dazu führen wird, dass ihre Kosten steigen.

Wir wissen aus verschiedenen Gründen, warum die Kosten der Unterkunft steigen. Ich will das hier an dieser Stelle nicht noch einmal im Einzelnen debattieren.

Ihr Antrag wäre eine intensivere Beratung wert gewesen. Dazu wäre aber die Voraussetzung gewesen, dass wir den Änderungsantrag rechtzeitig erhalten hätten. Wir werden uns deshalb aus Verfahrensgründen zu diesem Antrag enthalten und nicht, weil wir inhaltlich nicht dazu stehen. Die Zeit war einfach zu kurz.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wird weiter von den Fraktionen das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Möchte die Staatsregierung sprechen? – Herr Minister Kupfer, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Rößler von der CDU-Fraktion hat das Thema eingehend und gründlich beleuchtet. Etwas anderes kann ich im Auftrag und im Namen der Staatsregierung auch nicht sagen. Deswegen gebe ich die Rede zu Protokoll.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Das Schlusswort hat jetzt noch die Linksfraktion. Herr Abg. Pellmann, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist sehr tragisch, dass die Staatsregierung zu diesem wichtigen Thema nicht in die Debatte eingegriffen hat. Vielleicht ergeben sich, wenn ich dann das Protokoll gelesen habe, Nachfragen. Aber ich kann sie heute nicht stellen.

Ich hätte schon gern einmal gewusst, warum die Staatsregierung ganz offensichtlich am 07.11. dem fünften Änderungsgesetz zum SGB II zugestimmt hat, wenn doch Herr Dr. Rößler hier eigentlich unseren Antrag unterstützt. Er hat argumentativ deutlich gemacht, wie wichtig es wäre, dass wir diese Sache endlich einer Prüfung unterziehen.

Dass Herr Brangs das dann natürlich ganz anders gesehen hat – möglicherweise ist er seinem Arbeitsminister in Berlin beigesprungen –, diese Differenz habe ich sehr wohl zwischen den Zeilen gehört.

Im Übrigen ist völlig klar: Die Sache ist für 2009 gelaufen, ob wir das wollen oder nicht. Genau deshalb haben wir ganz bewusst diesen alten Antrag auf die Tagesordnung gesetzt.

(Stefan Brangs, SPD: Sie haben uns heute Morgen erst den Änderungsantrag gegeben!)

Herr Brangs, ich habe ja die Chance, lauter reden zu können als Sie, weil ich verstärkt werde. Das ist der große Unterschied.

Aber ich sage Ihnen eins: einfach deshalb, um Ihnen nachzuweisen, was es bringt, wenn Sie wichtige und dringliche Anliegen unserer Fraktion ablehnen, wie Sie das im vorigen Jahr getan haben. So war es.

(Stefan Brangs, SPD: Das machen wir immer!)

Ja. Dann sage ich Ihnen eines: Sie sind doch mit der Materie vertraut. Insofern dürfte es Ihnen doch nicht schwerfallen, einen Antrag zu begründen und Ihre Meinung dazu zu sagen, auch wenn Sie ihn erst früh erhalten.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Kommen Sie mir nicht mit diesem Quatsch!

Eines steht fest: – –

(Staatsminister Frank Kupfer: Das ist also für Sie Quatsch? – Stefan Brangs, SPD: Wir haben demokratische Verhältnisse bei uns! Das machen wir nicht allein!)

Hätten Sie einen Beitrag zur Thematik gehalten, dann wäre das besser gewesen als ein Zwischenruf.

Folgendes: 30 Millionen Euro werden es sein, die die Kommunen weniger erhalten, und ich garantiere Ihnen: Angesichts der Wirtschaftslage wird es noch mehr sein; und dann werden wir uns wieder treffen und uns verständigen, und ich frage: Was hat die Staatsregierung wirklich getan, außer von Anfang an zuzustimmen? – Nichts.

Herr Pellmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Rößler?

Bitte.

Herr Pellmann, ist Ihnen bekannt, dass Prognosen unsicher sind, insbesondere, wenn sie die Zukunft betreffen?

(Heiterkeit bei der CDU)

Ist Ihnen außerdem bekannt, Herr Kollege Pellmann, dass wir im vorigen Jahr auch befürchtet haben, dass 28 Millionen Euro weniger zur Verfügung stehen und dass es – das sagte ich vorhin – am Schluss 3,2 Millionen Euro mehr waren?

(Beifall bei der CDU)

Herr Dr. Rößler, das Jahr ist noch nicht zu Ende.

(Dr. Matthias Rößler, CDU: Eben!)

Wahrscheinlich haben Sie hellseherische Fähigkeiten, aber mit Prognose hat das nichts zu tun. Wir wissen es doch noch gar nicht, wie viel in den nächsten zwei Monaten noch gezahlt werden muss, und im Übrigen – auch dies sei Ihnen deutlich gesagt – ist es doch völlig klar, dass angesichts der drohenden Weltwirtschaftskrise ganz anders vorausgesagt werden kann und muss, als dies im

vorigen Jahr der Fall war. Das will ich Ihnen deutlich sagen.

Noch eine Bemerkung, Herr Brangs:

(Stefan Brangs, SPD: Ja, bitte?)

Wollen Sie mir etwa einreden, dass Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz günstigere Bedingungen als Sachsen hatten, was Sozialhilfebezug und Ähnliches betrifft? Wenn Sie das nachweisen können, dann, sage ich Ihnen, bekommen Sie einen Orden.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Wenn Sie hier Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gegenüber Sachsen armrechnen wollen, dann sind Sie Meister. Insofern kann ich Sie nur dringend auffordern, unserem Antrag zuzustimmen; denn sonst sind wir im nächsten Jahr wieder hier, wie Herr Dr. Rößler zu Recht gesagt hat, stehen mit leeren Händen da und die Kommunen bleiben im Regen.

(Beifall bei der Linksfraktion – Dr. André Hahn, Linksfraktion, steht am Mikrofon.)

Noch zur Diskussion? – Das geht nach dem Schlusswort nicht mehr.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Eine Richtigstellung!)