Protokoll der Sitzung vom 13.11.2008

Die derzeitige Politik der EU ist schädlich für unser Land. Sie lassen es zu, dass jährlich Milliarden Euro aus Deutschland in andere Staaten fließen. Diese Zahlen sprechen dabei eine deutliche Sprache. Wir werden diese Zahlen in jeder Debatte wiederholen, um den Menschen

zu zeigen, welche verantwortungslose Politik Sie betreiben. Von über 9 Milliarden Euro, die Jahr für Jahr von deutschen Steuerzahlern in den Agrarhaushalt der EU eingezahlt werden, fließen noch nicht einmal 6 Milliarden Euro zu den deutschen Landwirten zurück. Mit über 3 Milliarden Euro pro Jahr finanzieren wir damit die osteuropäische Konkurrenz unserer eigenen Landwirte. Nach dem Jahre 2013 wird der Rückfluss mit dem Wegfall der Direktzahlungen noch einmal viel geringer als bisher werden.

Wenn Sie sich nun hinstellen und bitterlich darüber beklagen, dass den sächsischen Landwirten in den nächsten Jahren bis zu 56 Millionen Euro verloren gehen, dann mutet das schon sehr seltsam an, wenn man bedenkt, dass Sie jährlich über 3 Milliarden Euro Agrarmittel an andere Staaten verschenken.

Es ist letztlich also weniger eine Frage, wie der Gesundheitscheck ausgestaltet ist oder mit welchen Maßnahmen man verhindern kann, dass die sächsische Landwirtschaft nach der drastischen Kürzung der Direktzahlungen ab dem Jahre 2014 und der weiteren Öffnung der Märkte noch mehr ins Abseits gedrängt werden. Viel wichtiger ist doch die Frage, ob das bei dem Konzept der sogenannten Gemeinsamen Agrarpolitik der EU, bei dem Deutschland der Hauptzahlmeister ist, so weitergeführt werden kann.

Meine Fraktion bezieht dagegen klar Position. Für uns ist es keine gottgegebene Tatsache, dass sich die sächsischen Landwirte zukünftig in einem ungesunden Wettbewerb auf einem globalisierten Markt behaupten müssen. Die Globalisierung ist kein Naturgesetz. Wir wehren uns vehement dagegen, dass immer wieder behauptet wird, die heimische Wirtschaft müsse sich gefälligst anpassen und sich blindlings in den internationalen Lohn- und Preiswettbewerb stürzen.

Es ist dringend an der Zeit, die marktpolitischen Kontrollmechanismen in der Landwirtschaft wieder auf nationaler Ebene zu organisieren und dafür zu sorgen, dass die heimischen Landwirte nicht länger diesem ungesunden EU- und weltweiten Konkurrenzkampf ausgesetzt sind. Agrarprodukte und Lebensmittel müssen endlich wieder regional im Land erzeugt und vermarktet werden. Dafür dürfen Sie gern die 3 Milliarden Euro deutsches Steuergeld verwenden, die sonst Jahr für Jahr an andere Landwirte in anderen Staaten fließen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Die FDP-Fraktion; Herr Günther, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Was Herr Despang hier erzählt hat, war wieder mal Unfug. Wird Ihnen eigentlich jede Rede hineingeprügelt?

(René Despang, NPD: Ja, ja! – Alexander Delle, NPD: Immer noch besser als Sie!)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Im Vorfeld des EU-Agrarministertreffens vor drei Wochen erneuerten mehrere Organisationen der Agrarbranche sowie einige EU-Staaten ihre Kritik an den unterschiedlichen Aspekten des Health Check. Die eigentlich bis 2013 vereinbarten Direktzahlungen an die landwirtschaftlichen Unternehmen sollen nach wie vor gekürzt werden. Gegen grundsätzliche Kürzungen von Subventionen haben wir als FDP-Fraktion nichts einzuwenden. Aber es kommt darauf an, wie man es tut.

Landwirtschaftliche Betriebe mit Direktzahlungen von über 300 000 Euro pro Jahr sollen Prämienkürzungen von 17 % hinnehmen. Unsere sächsische Landwirtschaft ist durch großbetriebliche Strukturen geprägt und die Agrarmittel sind betriebswirtschaftlich längst eingeplant. Deshalb werden die im Antrag geforderten verlässlichen agrarpolitischen Rahmenbedingungen von uns ausdrücklich unterstützt.

Die Zahlen für Sachsen bleiben brisant. Für sächsische Landwirtschaftsbetriebe würde eine Kappung der Direktzahlungen rund 76 Millionen Euro Verlust bedeuten. Über 40 % der von den geplanten Kürzungen betroffenen ostdeutschen Betriebe sind in Sachsen, darunter insbesondere jene mit Tierhaltung.

Zur Erinnerung: Diese circa 660 Betriebe beschäftigen 60 % der Arbeitskräfte in der sächsischen Landwirtschaft, bewirtschaften knapp drei Viertel der landwirtschaftlichen Nutzfläche und halten 80 % der Milchkühe. Die durch die Kürzungen bei den Direktzahlungen freigewordenen Gelder sollen in die Förderung des ländlichen Raumes fließen, zum Beispiel in den Klimaschutz und zur Wasserreinheit. Mit den Worten der EU-Kommissarin gesagt, sollen sie also nur umgeschichtet werden. Direktzahlungen bzw. deren Kürzung beeinflussen natürlich in erheblichem Umfang auch die Entwicklung im ländlichen Raum.

Der Landesbauernverband Sachsen weist zu Recht darauf hin, dass besonders flächen- und tierstarke Betriebe im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit in den ländlichen Betrieben einen stabilisierenden Faktor bilden. Vor diesem Hintergrund muss man davon ausgehen, dass die nun zu erwartenden Kürzungen bereits vor 2014 die Planungssicherheit für landwirtschaftliche Betriebe erheblich konterkarieren und hier in Sachsen mit Arbeitsplatzverlusten zu rechnen ist. Man schätzt diese auf circa 6 000.

Was sagen die Betroffenen dazu? Aus Sicht des Sächsischen Landesbauernverbandes müssen sich die Absatz- und Beschaffungsmärkte wandeln. Die Landwirtschaft muss sich in der Gesellschaft neu verankern. Dazu müssen die Landwirte alle zur Verfügung stehenden Wege zur Intensivierung nutzen. Den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts könne nur eine hochproduktive Landwirtschaft begegnen, die neueste Technikfortschritte und Methoden anwendet.

Genau diese Politik unterstützt die FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag. Auch wir lehnen eine weitere Verschärfung und Ausweitung der Cross-ComplianceRegelung ab, denn der zunehmende globale Wettbe

werbsdruck lastet schon schwer genug auf den Betrieben. Weitere Entlastungen für den Agrarbereich müssen durch einen deutlichen Bürokratieabbau und durch schlankere Verwaltungs- und Antragsverfahren erreicht werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Landwirtschaft ist Wirtschaft. Die notwendigen Kürzungen der Agrarsubventionen ab 2014 werden von uns nicht infrage gestellt. Aber bis dahin brauchen die sächsischen Landwirtschaftsbetriebe Planungssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen, um im Wettbewerb bestehen zu können. Das ist in der Landwirtschaft genauso wie in der Industrie und im Handwerk. Dem vorliegenden Antrag werden wir deshalb in allen Punkten zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Die Fraktion der Grünen; Herr Abg. Weichert, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Künftig werden der Klimawandel, steigende Temperaturen und mehr Trockenheit auch hierzulande neue Wege in der landwirtschaftlichen Produktion einfordern. Der Wasserhaushalt, der Schutz vor Bodenerosion, der Erhalt von Biodiversität, die Anpassung an den Klimawandel – all das sind Aufgaben, denen sich die Landwirtschaft stellen muss.“

Meine Damen und Herren, diese Sätze stammen nicht aus einem Flyer von Greenpeace, sondern aus der Fachregierungserklärung „Landwirtschaft im globalen Wettbewerb“ der Staatsregierung vom April dieses Jahres.

Auch im vorliegenden Antrag der Koalition heißt es: „Gleichzeitig verschließen wir uns nicht der weiteren Diskussion zum Gesundheitscheck.“

Meine Damen und Herren! Diskutieren gehört anscheinend zu den Lieblingsbeschäftigungen der Koalition, solange sich nur nichts ändert. Denn wenn Sie ernsthaft wollen, dass wir die Herausforderungen bewältigen, die beispielsweise der Klimawandel an uns stellt, können Sie sich weiteren Veränderungen der europäischen Agrarpolitik nicht verschließen. Herr Staatsminister, es gilt auch hier: Für Wunder muss man beten, für Veränderungen muss man arbeiten. Nachfolgend möchte ich Ihnen eine Arbeitsanleitung an die Hand geben, damit Sie sozusagen nicht den „grünen Faden“ verlieren.

Mit der GAP-Reform von 2003 beschritt die EU einen lange überfälligen Weg. Die einzelnen Maßnahmen umfassen das Auslaufen produktionsabhängiger Subventionen, die Vereinfachung der Direktzahlungen an Landwirte, die schrittweise Aufhebung des Quotensystems zur Marktregulation sowie die Modulation zugunsten der Entwicklung des ländlichen Raumes.

Die aktuellen Herausforderungen an die Landwirtschaft, wie Klimaschutz, Erhalt der Biodiversität, Wassermanagement, Tierschutz und Qualitätssicherung, wurden bisher nicht angemessen berücksichtigt. Aus den Reformvor

schlägen der Kommission ist ein bürokratisches Monster, aus der Reform ein Reförmchen geworden.

Die EU-Kommission deshalb zu kritisieren steht jedoch weder der Sächsischen Staatsregierung noch der Bundesregierung gut zu Gesicht. Mit aller Kraft wurde gegen jede noch so kleine Änderung gekämpft, um die Interessen der bisherigen Profiteure der EU-Agrarpolitik zu wahren.

Wir Bündnisgrünen fordern weiter gehende Veränderungen. Zunächst muss endlich die unausgewogene Verteilung der Subventionen aufgehoben werden. Eine kleine Zahl von Großbetrieben profitiert überproportional von den Zuwendungen. Die heutigen Ansprüche basieren auf dem Landbesitz und den Erträgen in der Vergangenheit. Auf die 20 % der flächengrößten Betriebe entfallen 72 % aller EU-Direktzahlungen. Anstatt auf Betriebsprämien an der Fläche zu orientieren, sollten künftig Dienstleistungen und Güter gefördert werden, die von gemeinwirtschaftlichem Interesse sind, aber eben nicht am Markt abgedeckt werden. Sinnvoll wäre und ist der Ausgleich regionaler und struktureller Benachteiligungen.

Wir fordern, die Direktzahlungen an der Arbeitsintensität der Betriebe auszurichten. Damit würde ein Anreiz für Arbeitsplätze geschaffen und die Wertschöpfung im ländlichen Raum erhöht. Mit einem ganzheitlichen Ansatz zur Entwicklung des ländlichen Raumes gewinnen auch solche Regionen wirtschaftliche Stärke, die bisher vom Wachstum abgekoppelt sind.

Meine Damen und Herren! Auch wenn Sie sich dagegen sträuben: Progressive Modulation und Degression sind sinnvoll und notwendig. Voraussetzung ist: Freigewordene Modulationsmittel verbleiben im jeweiligen Bundesland und werden für die neuen Herausforderungen in der Landwirtschaft – Klimaschutz, Wassermanagement, Biodiversität, erneuerbare Energien – verwendet. Sie dürfen nicht im Verwaltungsapparat untergehen oder für Investitionen in eine intensivere oder konzentriertere Landwirtschaft genutzt werden.

In Sachsen würde es sich zum Beispiel lohnen, in den Aus- bzw. Aufbau einer ökologischen Fachberatung zu investieren, um die Zukunftsbranche Ökolandbau wirkungsvoll zu unterstützen.

Die im Punkt 5 des Antrages geforderte Beibehaltung des Status quo bei den Cross-Compliance-Regelungen zeigt, wie ernst es den Antragstellern mit dem Umweltschutz tatsächlich ist.

Der bleibt zugunsten der Wettbewerbsfähigkeit auf der Strecke, was nicht nur kurzsichtig, sondern schlicht falsch ist. Eine Ausweisung der Cross-Compliance-Regelung kann sogar ein Wettbewerbsvorteil sein, wie ich am Beispiel des Anbaus genmanipulierter Organismen, GVOs, zeigen möchte. Würde der GVO-Anbau über Cross Compliance verboten, hätten landwirtschaftliche Produkte auf dem europäischen Markt einen ganz deutlichen Wettbewerbsvorteil. Warum? Weil die Mehrheit der

Verbraucher in den europäischen Staaten kein gentechnisch verändertes Essen auf dem Teller haben will.

Auch die Bereitstellung ökologischer Ausgleichsflächen sollte über Cross Compliance geregelt werden. Die Entkoppelung der Direktzahlung führt dazu, dass die Produktionsmengen über den Markt geregelt werden. Damit entfällt die Legitimation der Stilllegungsflächen, die bisher einen sehr wichtigen Beitrag zur Wahrung der biologischen Vielfalt leisteten. Schon heute werden rund 40 % der Stilllegungsflächen in Deutschland für den Anbau von Energiepflanzen genutzt. Wertvoller Lebensraum für seltene Pflanzen und Tierarten geht verloren. Ich erinnere an die Diskussion von heute Vormittag. Die Feldvögelbestände werden weiter dezimiert. Das haben wir morgen auch noch einmal auf der Tagesordnung. Der Bezug der Betriebsprämien sollte deshalb an die Bereitstellung von Ersatzflächen gekoppelt werden.

Meine Damen und Herren! Ohne Veränderung gibt es auch keinen Erhalt dessen, was man für unabdingbar hält. Die Bewältigung der ökologischen Herausforderung wird auch darüber entscheiden, ob unsere Betriebe künftig wirtschaftlich erfolgreich sein werden. Ich bin mir sicher, dass Sie alle eine Landwirtschaft in Sachsen haben möchten, die den Herausforderungen der Zukunft gewachsen ist. Der Antrag der Koalition bringt uns diesem Ziel nicht näher. Wir werden ihn deshalb ablehnen.

(Beifall des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Meine Damen und Herren! Wir gehen in die zweite Runde. Ich rufe jetzt die CDU-Fraktion, Herrn Abg. Schmidt, auf.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte das Thema einmal inzwischen umgangssprachlich beschreiben. Der Health Check, der mit dem Mid-Term-Review der letzten GAP-Förderperiode zu vergleichen ist, befasst sich unter anderem mit Vorschlägen zu Degression, Kappung, linearer oder progressiver Modulation der Auszahlung über InVeKos zu aktivierender und zu beantragender Zahlungsansprüche, außerdem mit der Überprüfung der Wirksamkeit von Cross Compliance und mit Vorschlägen zum „Soft landing“ beim Milchquotenausstieg.

Ich bitte bei den Stenografen um Nachsicht für diesen Satz. Dass jedoch bei der Zwischenbewertung auch einmal die sprachliche Umsetzung der Agrarreform einem Gesundheitstest unterzogen werden sollte, denke ich, macht diese Einleitung deutlich.

(Beifall bei der CDU)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Können Sie mir das eben Gesagte noch einmal mit menschlicher Sprache erklären, damit ich es auch verstehe?

Ich komme dann einmal zu Ihnen.

Danke.

(Allgemeine Heiterkeit)