Protokoll der Sitzung vom 13.11.2008

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

Frau Kagelmann ist bereits angekündigt; sie spricht für die Linksfraktion.

Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordneten! Was ist eigentlich in diesem Landtag los? Es ist ja nicht so, dass wir uns nicht mit dem Zustand von Natur und Umwelt im Plenum befassen würden, im Gegenteil. Herr Prof. Mannsfeld hat es angedeutet; gerade in diesem Jahr haben wir wiederholt das Thema Umweltpolitik im Freistaat anhand von Anträgen, Großen Anfragen oder jüngst dem sächsischen Umweltbericht diskutiert. In den letzten Tagen legten die Koalitionsfraktionen mit Anträgen noch einmal nach. Sogar die FDP meldete sich beim Thema Artenvielfalt zu Wort.

Angesichts dessen ist man wirklich geneigt zu fragen, ob bei jedem dieser Anträge die Einsicht in Notwendigkeiten die Feder geführt hat oder ob eher politisches Kalkül im Spiel ist. Ganz böse Zungen behaupten ja, dass in Zeiten von Finanzkrise und Wirtschaftsstagnation das Image der Landesregierung wieder durch positive Botschaften aufgehübscht werden soll. Wie dem auch sei – vielleicht hat beispielsweise die noch fast druckfrische Rote Liste der Brutvögel Deutschlands ein klein wenig Anteil an diesen Aktivitäten. Wir werden sehen, ob es der bedrohten Tier- und Pflanzenwelt hilft.

Frau Kagelmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte schön.

Herr Lichdi, bitte.

Frau Kagelmann, ich glaubte eigentlich davon ausgehen zu können, dass auch Ihnen bekannt ist, dass im Mai dieses Jahres die große Biodiversitätskonferenz in Bonn stattgefunden hat. Was die gesamte Naturschutzszene in Deutschland und darüber hinaus in diesen Fragen in Bewegung gesetzt hat, unter anderem auch meine Fraktion, ist Ihnen doch sicher bekannt?

Herr Lichdi, Sie brauchen sich überhaupt nicht angegriffen zu fühlen. Wenn Sie den nächsten Satz hören, können Sie Ihre Zweifel gleich an die Seite schieben. Er wird folgendermaßen eingeleitet: Auf die jetzt zu diskutierende Große

Anfrage der GRÜNEN trifft meine Mutmaßung ausdrücklich nicht zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie wurde bereits Ende März 2008 eingereicht. Aber die Große Anfrage beschäftigt sich zentral und sehr ausführlich mit Fragen der Bestandsentwicklung gefährdeter Vogelarten in Sachsen. Die Antworten der Sächsischen Staatsregierung sind da wenig ermutigend. Die Bestände von Rebhuhn, Feldlerche, Braunkehlchen oder Kiebitz haben danach dramatisch abgenommen. Bei anderen Arten wie dem Goldammer oder dem Neuntöter hat sich der Bestand auf niedrigem Niveau stabilisiert. Spezielle Artenschutzmaßnahmen für Vögel der Agrarlandschaft sind also unumgänglich. Dazu werden wir uns noch in dieser Woche verständigen.

Allerdings scheint die Staatsregierung zur Zeit der Beantwortung der Fragen im Mai dieses Jahres noch wenig Sensibilität für die Situation der Vögel entwickelt zu haben; denn dort verweist sie noch auf ein Projekt der Landesanstalt für Landwirtschaft Köllitsch, wonach „die derzeit übliche landwirtschaftliche Praxis für viele Vögel der Agrarlandschaft überwiegend gute Lebensvoraussetzungen schafft“. – Eine erstaunliche Erkenntnis angesichts der im Nachgang detailliert dokumentierten Bestandsentwicklung, erstaunlich auch angesichts der Warnungen aus Naturschutzverbänden.

Der NABU Sachsen beispielsweise spricht in einer Presseerklärung in diesem Jahr von einer „seit Jahren besorgniserregend zurückgehenden Bestandsentwicklung bei Arten der Agrarlandschaft“, und er benennt die Ursachen, die in der Intensivierung der Landwirtschaft und dem fortgesetzten Flächenverbrauch zu suchen sind. Verschärfend wirkt nach Aussagen des NABU auch der EU-Beschluss zur Aufhebung der Stilllegungspflicht, nachdem im rasanten Tempo ökologisch wichtige Brachflächen wieder unter den Pflug kamen. Überhaupt hält die Staatsregierung weiter gehende Naturschutzmaßnahmen noch im Frühjahr dieses Jahres für überflüssig und preist die Richtlinie „Natürliches Erbe“ als Allheilmittel.

Nun liegen die Antworten der Staatsregierung einige Monate zurück. Da regierte offensichtlich noch das Prinzip Hoffnung. Wenn wir allerdings mit dem Wissen von heute diese Antworten bewerten, ist ein Verweis auf die Möglichkeit der Förderung von investiven und wiederkehrenden Artenschutzmaßnahmen nach dieser Richtlinie geradezu zynisch. Ich habe mehrfach während vergangener Debatten dieses leidige Thema angesprochen, und Sie, Herr Staatsminister Kupfer, haben Klärung zugesichert. Aber trotz aller Beteuerung ist zumindest bis Anfang Oktober immer noch kein Geld für konkrete Landschaftspflegemaßnahmen geflossen. Inzwischen ist es für viele Projekte in diesem Jahr einfach zu spät. Das ist die traurige Wahrheit, Herr Staatsminister.

Die Linksfraktion fordert deshalb von der Staatsregierung die Zusicherung, dass die Naturschutzförderung 2009 in Bezug auf die Förderrichtlinie Natürliches Erbe reibungs

los beginnt und dass natürlich die unverbrauchten Haushaltsmittel zweckgebunden für Naturschutzmaßnahmen auf das neue Jahr vorgetragen werden.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Daneben bedarf es inhaltlicher Korrekturen in der Förderung. So sollten die Nutzungs- und Pflegemaßnahmen in Schutzgebieten und Biotopen denjenigen vorbehalten bleiben, die in den Naturschutzvereinen und Landschaftspflegeverbänden die gefährdeten Pflanzen und Tiere kennen und sich seit Jahren um deren Fortbestand kümmern, das heißt, die die entsprechende fachliche Kompetenz und Erfahrung mitbringen. Das bedeutet in der Konsequenz, dass Leistungen nur dann öffentlich ausgeschrieben werden sollen, wenn die bisher damit betrauten örtlichen Gliederungen der sächsischen Naturschutzvereine und Landschaftspflegeverbände dafür keine personellen und materiellen Voraussetzungen besitzen. Das ist nämlich meine Sorge, wenn wir in den nächsten Tagen weitere Maßnahmenpakete schnüren wollen. Wenn das SMUL bereits gegenwärtig mit der Umsetzung bestehender Naturschutzinstrumente hoffnungslos überfordert ist, wer garantiert dann die Durchsetzung neuer Artenschutzprogramme, so wichtig die auch sind?

Zurück zur Großen Anfrage. Ein weiteres Thema – das kann auch gar nicht anders sein, wenn über Biodiversität im Freistaat gesprochen wird – ist die Grüne Gentechnik. Sie kennen die klar ablehnende Position der Linksfraktion zur kommerziellen Einführung der Grünen Gentechnik. Auch die Position der Staatsregierung ist nicht neu. Sie wird in der Anfrage folgendermaßen zusammengefasst: Zwar können nachteilige Auswirkungen von gentechnisch veränderten Pflanzen auf die biologische Vielfalt nicht ausgeschlossen, aber eben auch nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, und solange das so ist, wird auch der Anbau genveränderter Organismen in Naturschutzgebieten hingenommen. Um keine Verunsicherung zuzulassen, werden anderslautende Studien nur am Rande als Kurzfassung registriert.

Meine Damen und Herren! Auch wenn Sie es nicht mehr hören können: Das hat nichts mit verantwortlicher, nachhaltiger Politik zu tun,

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

weil das nichts mit gesundem Menschenverstand zu tun hat. Der würde einem nämlich raten, beim leisesten Zweifel an der Sicherheit einer neuen Technologie auf deren Erprobung in der freien Natur zu verzichten. Das Mindeste aber, was gefordert werden muss, ist ein Verbot des Anbaus von GVO in Naturschutzgebieten und die Ausweitung des Mindestabstandes zu GVO-Anbauflächen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ein solcher Antrag der Linksfraktion wurde allerdings durch die Mehrheit in diesem Haus erst vor einigen Monaten abgelehnt, genauso wie vorher ein Antrag zu einem generellen Anbaumoratorium. Aber Sie haben noch

in dieser Woche Gelegenheit, Ihre Haltung zu korrigieren. Zu diesem Thema liegt ja ein Antrag der GRÜNEN vor, und auch der Entschließungsantrag befasst sich mit diesem Thema.

Interessant waren für mich auch die Fragen nach naturschutzfachlichen Auswirkungen von Maßnahmen des Hochwasserschutzes. Unbestritten ist die verantwortungsvolle Abwägung von berechtigten Sicherheitsinteressen der Flussanlieger mit Aspekten des Naturschutzes ein besonders neuralgischer Punkt bei der Planung und Durchführung von Hochwasserschutzmaßnahmen. Aber zahlreiche Hinweise von Umweltschützern belegen, dass durch die Landestalsperrenverwaltung gerade bei Deichbau- oder -unterhaltungsmaßnahmen eher naturschutzfachlich unsensibel geklotzt als gekleckert wird. Die Antwort der Staatsregierung auf Beeinträchtigungen für FFH- und SPA-Gebiete weist allerdings erhebliche negative Beeinträchtigungen durch solche Maßnahmen zurück, obwohl sie gleichzeitig zugibt, keine vollständige statistische Erhebung darüber zu besitzen, welche Hochwasserschutzmaßnahmen SPA- bzw. FFH-Gebiete überhaupt betreffen.

Also auch der Rückzug der Staatsregierung auf eine fehlende Datenlage ist nicht wirklich neu. Ich kann mich noch an eine inhaltlich ähnlich gelagerte Große Anfrage der GRÜNEN aus dem Jahr 2006 erinnern, als die Staatsregierung zu Entsiegelungsflächen sowie Kompensations- und Ausgleichsmaßnahmen bei Infrastrukturprojekten ebenfalls keine konkreten Aussagen treffen konnte.

Meine Damen und Herren! Natürlich erfordert die Erfassung solcher statistischer Daten einen erhöhten Verwaltungsaufwand. Aber – auch diese Kritik habe ich bereits mehrfach angebracht – wie sollen denn sonst Entwicklungstrends gerade bei solchen zentralen Fragen wie der Flächeninanspruchnahme aufgezeigt werden und, was noch wichtiger ist, wie will man sonst auf Fehlentwicklungen angemessen reagieren?

Werte Abgeordnete! Wie sagt der Volksmund so schön? – Wer keine Probleme hat, der schafft sich welche. In Bezug auf den Umweltschutz irrt der Volksmund gewaltig. Die Menschheit hat nicht nur gewaltige Probleme, sie schafft sich auch immer wieder neue – Stichwort Klimawandel, Stichwort Gentechnik, Stichwort Flächenversiegelung. Ich bin der festen Überzeugung: Wenn wir nicht bereit sind, wirtschaftliches Wachstum zu begrenzen und Lebensqualität neu zu definieren, retten uns und diese Welt bald auch keine Artenschutzprogramme mehr.

Danke schön.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Es folgt die SPDFraktion; Frau Dr. Deicke, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beim Erhalt der biologischen Vielfalt geht es um die Lebensgrundlage des Menschen. Diese Problemstellung muss national und international

gelöst werden. Dazu ist einerseits ein umfassender Ansatz nötig, der über die Erhaltung einzelner Arten hinausgeht. Andererseits erreichen wir nur Fortschritte, wenn dieses existenzielle Problem auch in den Köpfen und im Bewusstsein der Menschen angekommen ist. Deshalb ist es gut, wenn wir heute zum wiederholten Male über Biodiversität diskutieren.

Auch die Koalition selbst hat diese wichtige Frage bereits mehrfach auf die Tagesordnung gesetzt, um auch im Freistaat Sachsen weiter voranzukommen. Das betrifft Themen des Natur- und Artenschutzes und auch des Biotopverbundes. Hier können wir uns, wie mein Vorredner Prof. Mannsfeld schon ausführlich dargestellt hat, nicht zurücklehnen. Ich finde es ebenfalls sehr bedauerlich, dass bis zum heutigen Zeitpunkt noch kein Handlungsprogramm zur Umsetzung der nationalen Strategie vorliegt. Sowohl in dem Antrag der Koalition vom Mai dieses Jahres als auch in der Beantwortung der Großen Anfrage wird darauf verwiesen, dass es ein Handlungsprogramm geben soll. Wie lange sollen wir denn noch darauf warten?

Sicher ist mit der Erarbeitung eines solchen Programms sehr viel Arbeit verbunden. Aber, Herr Staatsminister, ich habe bereits in meiner Rede im Mai angemahnt, dass hierfür wenigstens ein realistischer Termin benannt wird; denn – das müssen wir hier einmal ehrlich zugeben – es wird nicht unbedingt der Eindruck erweckt, dass die Frage der Biodiversität im Freistaat Sachsen zielgerichtet angegangen wird, auch wenn wir in einigen Punkten schon vorangekommen sind.

So ist zum Beispiel nach anfänglichen Startschwierigkeiten mittlerweile die Mehrzahl der FFH-Managementpläne erstellt bzw. in Bearbeitung. Auch dies war schon mehrfach Gegenstand der Diskussion im Landtag.

Meine Damen und Herren! Einige Defizite, die durch die Große Anfrage aufgezeigt werden, haben wir als Koalitionsfraktionen bereits aufgegriffen. Zum Beispiel zeigt die Große Anfrage, dass es bestimmte Rassen von Haustieren gibt, die vom Aussterben bedroht sind. Wie Ihnen sicher bekannt ist, liegt dazu ein Antrag der Koalitionsfraktionen vor.

Nach dem Auslaufen des Programms „Umweltgerechte Landwirtschaft“ gibt es gegenwärtig kein Nachfolgeprogramm. Wir werden dazu in den Haushaltsverhandlungen einen entsprechenden Antrag einbringen, um finanzielle Vorsorge zu treffen. Ebenso liegt ein Antrag der Koalitionsfraktionen zur Stärkung des Artenschutzes charakteristischer Vogelarten im Offenland vor. Darüber werden wir morgen noch diskutieren.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Das machen wir!)

Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN greift in einem sehr detaillierten Katalog viele Bereiche und Themen auf, die einen Einfluss und Auswirkungen auf die Vielfalt der Arten haben können. In der Beantwortung der Fragen steckt eine Menge Zeit von Verwaltungsmitarbeitern.

Diese hätte man sinnvollerweise für die Erarbeitung des Handlungsprogramms nutzen können. Trotzdem gilt mein Dank den Mitarbeitern des Umweltministeriums für die sehr umfangreiche Beantwortung der Fragen. An einigen Stellen haben die Antworten allerdings keinen großen Informationsgehalt – das hatte mein Kollege Prof. Dr. Mannsfeld bereits dargelegt. Das liegt sicherlich auch an der Fragestellung.

(Andrea Roth, Linksfraktion: Es gibt keine dummen Fragen!)

Ich habe nicht von dummen Fragen gesprochen.

(Andrea Roth, Linksfraktion: Ich wollte das nur anmerken!)

Zumindest erkennen wir an, dass die Antworten eine gute Informationsgrundlage sind, um den Artenschutz in Sachsen weiter voranzutreiben.

Danke schön.

Danke schön. – Ich erteile nun der NPD-Fraktion das Wort. Diese wird vertreten durch den Abg. Despang.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Stellungnahme der Staatsregierung zur Großen Anfrage über die Biodiversität in Sachsen kann man im Wesentlichen drei Aussagen entnehmen, die aufzeigen, mit welch geringem Stellenwert der Natur- und Artenschutz im Freistaat hinter anderen Interessen rangiert.