Protokoll der Sitzung vom 11.12.2008

Ich rufe den NPD-Antrag auf, der die Anfügung eines zweiten Punktes begehrt. Das habe ich vorhin vergessen, pardon, aber er war schon eingebracht. Er liegt Ihnen vor in der Drucksache 4/14167; Dr. Müller hatte ihn in seiner Rede schon eingebracht. Wer stimmt zu? – Wer ist dagegen? – Enthält sich jemand der Stimme? – Bei Stimmen dafür ist dieser Änderungsantrag ebenfalls nicht bestätigt.

Somit kommen wir zur Abstimmung über den ursprünglichen Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD in der Drucksache 4/12794. Wer stimmt zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Bei Stimmen dagegen und Stimmenthaltungen ist dieser Antrag mehrheitlich beschlossen.

Meine Damen und Herren, wir können damit den Tagesordnungspunkt 2 beenden.

Wir treten jetzt in die Mittagspause ein und setzen unsere Beratung um 14:15 Uhr fort.

(Unterbrechung von 13:15 bis 14:15 Uhr)

Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie nach der Mittagspause wieder zur Beratung zum

Tagesordnungspunkt 3

Optionen und Verhandlungsstand der Staatsregierung zur Rettung des Chipherstellers Qimonda und seines Dresdner Standortes

Drucksache 4/13930, Antrag der Linksfraktion

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnt die Linksfraktion, danach CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung. Ich erteile Herrn Zais das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Flath, gut, dass Sie da sind – im noch leeren Haus kurz nach der Mittagspause. Ich hätte mir heute Morgen gewünscht, dass der Zweck Ihres Besuches in Brüssel auch Qimonda, besonders seiner Zukunft, gegolten hätte.

(Beifall der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

Ich hoffe, es war nur eine Vergesslichkeit, keine Grundhaltung, die ich Ihnen dennoch unterstellen muss. Während Koch oder Beck wegen ihrer insolvenzgefährdeten Opel-Werke die Bundesregierung öffentlich unter Druck setzen und an der Rettung ihrer Werke keinen Zweifel lassen, wird in Sachsen über die Presse jeden Tag eine neue Sau zum Thema Qimonda durchs Dorf getrieben.

Nach der ersten Aussage von Wirtschaftsminister Jurk – ohne die Großen geht der Standort nicht; was zumindest als Hilfe oder Prüfung zu verstehen war – äußerte wenige Tage später Ministerpräsident Tillich im „Handelsblatt“ – leider ist er jetzt nicht anwesend –, er lässt sich nicht erpressen, und präsentiert einen koreanischen Investor als Lösung. Aufatmen in der Belegschaft. Gut so! Die Staatsregierung lässt sich vom schlechten Management nicht vorführen.

Am nächsten Morgen ist diese Meldung aber auch schon wieder Makulatur: Der koreanische Konkurrent dementiert verwundert, da er doch niemals Interesse bekundet hat, da es kein Gespräch gegeben hätte.

Seine Verluste drücken auch ihn, kapitalistische Hoffnung macht sich breit, bald kann ein Stück Absatzmarkt neu verteilt werden. Ich könnte die Aufreihung der widersprüchlichen Meldungen fortsetzen, zeigt es doch: Keiner von Ihnen sagt, wo die Reise hingehen soll.

Meine Damen und Herren, was ist das für ein unglückliches, ja jämmerliches Agieren der Staatsregierung in einer

solch prekären Situation. Sie täuschen politische Aktionen vor, ohne dass Sie eine wirkliche Strategie erkennen lassen. Zwölf Jahre lang haben Sie die entstandene Chipindustrie gefeiert. Es ist Ihr Leuchtturm – der einzige in Europa –, der ganze Stolz einer damals allein regierenden CDU in Sachsen. Mit 1,5 Millionen Euro Subventionen wurde ein Technologiestandort aufgebaut, –

(Staatsminister Thomas Jurk: Milliarden!)

Milliarden, richtig, danke, Herr Wirtschaftsminister –, der heute mit 1 200 Firmen und 44 000 Arbeitsplätzen über ganz Sachsen gern als Silicon Sachsen oder Saxony ausgewiesen wird.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion – in Anbetracht der leeren Fraktionsreihen –: Der Wirtschaftsminister hat gar keine Fraktion mehr!)

Gesamtinvestitionen 9 Milliarden Euro, 270 Firmen, Forschungsinstitute, Universitäten und Hochschulen sind in dieser Kooperationsplattform vereint. Nicht alles ist in Gefahr, aber ein Herzstück steht in Dresden auf dem Spiel. Mit nunmehr 3 200 Mitarbeitern ist Qimonda spätestens noch bis Mitte nächsten Jahres der größte private Arbeitgeber in Dresden.

Ich frage mich, warum es Ihnen bei diesen Fakten schwerfällt, sich eindeutig zu diesem Standort zu bekennen, für seinen Erhalt bedingungslos zu kämpfen.

Ihre Ministerpräsidentenkollegen, Herr Tillich, zeigen zu ihren Opel-Werken eine andere Flagge.

Wir haben in den Ausschüssen seit Oktober die Prüfung aller Rettungsoptionen gefordert. Bisher wurden wir nur vertröstet. Nunmehr haben Sie ein Gutachten und können uns, aber besonders den Beschäftigten von Qimonda eine gültige Antwort geben.

Am meisten hofft die Belegschaft, der Staat möge Teilhaber werden, um damit eine Kontrolle, eine neue Form der Aufsicht und damit ein verändertes Management zu ermöglichen. Solche Aussagen sprechen für sich.

Ich leugne es nicht: Die Lage ist schwierig, die Lösung teuer und mit hohem Risiko verbunden.

Nein, Versprechen verlangen wir nicht, wohl aber die Einbeziehung des Landtages in die zu treffenden Entscheidungen. Diese ist nämlich längst überfällig.

Denken Sie daran: Wer nicht kämpft, der hat schon verloren. – Sie, Herr Ministerpräsident – jetzt sind Sie da –, und Sie, Herr Wirtschaftsminister, geben derzeit ein Verliererduo ab, weil bei Ihnen nicht der Wille zum Erhalt des Standortes Dresden erkennbar ist und von Ihnen kein klares Bekenntnis zu diesem Standort ausgeht. Entscheiden müssen Sie sich auf jeden Fall, heute, spätestens morgen. Sie entkommen dieser Entscheidung nicht.

Welche Möglichkeiten hat Sachsen? Der Weg über die EU-Beihilferegelung bleibt meines Erachtens verschlossen, trotz Gutachten des ifo-Instituts. Ein weiteres Anflehen der EU wird nicht viel bringen, Herr Tillich, obwohl

ich – wie Sie – die Hoffnung nicht aufgebe und Ihre Aktivitäten unterstütze.

Zweite Möglichkeit: Der Bund hilft. Keiner kennt das Ergebnis Ihres Gesprächs mit Wirtschaftsminister Glos. Denkt er mehr an die Mutter – Infineon –, weil sie in München sitzt? Druck der Staatsregierung auf die Bundesregierung kann kein Sachse erkennen.

Dritte Möglichkeit: Man findet mit Infineon/Qimonda selbst einen Finanzinvestor, der die neue Technologie mit Investitionen in die Produktion überführt und damit Qimonda eine Zukunft gibt. Ich sage: Das ist unwahrscheinlich, denn Qimonda sucht mit Infineon schon zwei Jahre, und so viele Interessenten gibt es nicht; das beweisen die Absagen in den letzten Tagen. Dennoch wäre das für den Freistaat aus verschiedenen Gründen die beste Lösung.

Bleibt die vierte Möglichkeit: Der Freistaat hilft über eine Beteiligung oder staatliche Hilfe und erhält – bei höchstem Risiko – den sächsischen Chipstandort. Unter „Risiko“ verstehe ich nicht nur den hoch subventionierten Markt, sondern auch die schnell wechselnden Marktbedingungen für die DRAM-Technik, die hohe Aufwendungen in der Entwicklung und der Fertigungstechnik erfordern, will man Spitze bleiben. Ich denke auch an die zuerst eingetretene harte Absatzkrise weltweit. Es ist keine günstige Zeit für einen solchen Neuanfang.

Dagegen sind die Kosten der Insolvenz aufzurechnen. Dazu zählen nicht nur die verlorenen Gelder, sondern auch der unwiederbringliche Verlust von Tausenden Arbeitsplätzen an einem Hightech-Standort, wobei wir die einseitige Leuchtturmausrichtung immer als riskant, ja als fatal kritisiert haben. Wir waren nicht gegen Leuchttürme, aber immer gegen die Art Ihrer Förderpolitik, die Sie als CDU betrieben haben. Die Leuchtturmpolitik ist eben nicht auf eine breite Branchenentwicklung ausgerichtet. Konzerne der Automobil- und der Chipindustrie wurden vorrangig mit Milliardensubventionen angelockt. Durch eine solche monostrukturierte Abhängigkeit ist Sachsens Wirtschaft heute krisenanfälliger denn je.

Nichts anderes erleben wir im Moment. Wenn die Leuchttürme beim ersten Sturm umknicken, erlauben wir Ihnen gerade jetzt die Flucht nicht. Sie sind nicht nur Opfer, sondern auch Täter. Deshalb stehen Sie in der Verantwortung.

Wenn ich heute den Erhalt einfordere, dann deshalb, weil beim Untergang von Qimonda die Folgen – wie immer – die Abwanderung hoch qualifizierter Ingenieure, ein langsames Absterben nicht unbedeutender Forschungseinrichtungen in Dresden und darüber hinaus viele Arbeitslose wären. Wir hinterließen der nächsten Generation weniger Zukunftschancen.

Darum kann Geld nicht die alleinige Entscheidungsgrundlage sein. Der Freistaat verzeichnet gegenwärtig ungeplante Mehrausgaben für den City-Tunnel, die den gewünschten 500-Millionen-Euro immer näher kommen. Hören Sie mit dessen Bau auf? Natürlich nicht. Selbst

dieser Verlust wäre nicht so tragisch wie der drohende Verlust des Chipstandortes. Die Schließung Qimondas käme einer politischen Bankrotterklärung gleich. Der Aufbau Ost nach CDU-Muster in Sachsen wäre endgültig gescheitert.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Sehr richtig!)

Wollen Sie das wirklich, Herr Tillich?

Meine Damen und Herren! Wir verlangen mit unserem Berichtsantrag eine klare Botschaft von der Staatsregierung: Wohin soll die Reise gehen? Welches Konzept verfolgt die Staatsregierung? Welche Mittel sollen zu welchem Preis eingesetzt werden? Welche Verantwortung übernimmt die Staatsregierung, um Kontrolle und Mitsprache zu sichern?

Wir fordern Mut zum Erhalt des Chipstandortes und einen Schutzschirm für die Beschäftigten bei Qimonda und seinen Zulieferern.

(Lebhafter Beifall bei der Linksfraktion)

Für die CDUFraktion spricht Herr Rasch.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es läuft so, wie man es sich vorgestellt hat. Ich bin davon ausgegangen, dass sich die Linksfraktion so, wie wir es erlebt haben, platzieren würde. Der Linksfraktion geht es nicht wirklich um die Rettung dieses Unternehmens und eine vernünftige Zukunft für die Beschäftigten, sondern darum, aus der aktuellen Entwicklung politisches Kapital zu schlagen. Das wurde am Schluss Ihrer Rede überdeutlich, als Sie die Pleite der CDU-Politik hier in Sachsen an die Wand malten, wenn denn Qimonda über den Jordan ginge.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Na klar, was denn sonst?)

Es geht um etwas ganz anderes.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Um Menschen geht es!)

Es ist schon so, dass wir vor der Aufgabe stehen, vor allen Dingen Arbeitsplätze zu retten.