Protokoll der Sitzung vom 12.12.2008

Was Sie hier betreiben, ist reines politisches Krisenschmarotzertum. Ich will es noch deutlicher machen: Nicht nur Rentner und Arbeitslose zahlen bei uns keine Einkommensteuer, sondern auch Familien mit zwei Kindern sind bis zu 37 500 Euro im Jahr steuerbefreit. Steuersenkungen in dieser Lage sind ökonomischer Unfug; denn diejenigen, die davon profitieren, haben jetzt schon Geld auf den Konten, und sie haben auch die

höchsten Sparquoten. Das, was Sie hier fordern, ist unverantwortlich, es ist reiner Wahlkampf.

Um das einmal „nacktzuscannen“ und einfach zu entkleiden und auf das zurückzuführen, worum es geht: Es ist eine klare Umverteilungspolitik, die Sie fordern, die Arm und Reich in Deutschland noch weiter auseinanderziehen würde.

Ich will klar sagen, was Steuersenkungen, also Ihre Forderungen, am Ende bedeuten: weniger Lehrer, weniger Polizisten, weniger Sozialarbeit, weniger Jugendhäuser, weniger Busverbindungen auf dem Lande. Und es gibt auch mehr: Es gibt mehr Schlaglöcher in den Straßen, mehr Einsamkeit, weil der Seniorennachmittag ausfällt, mehr Kinder, die ohne Abschluss die Schule verlassen. Steuersenkungen sind falsch, wenn man die Konjunktur ankurbeln will. Und wenn ich das einmal auf den Punkt bringen darf: Wenn der Populismus der Linken und der Rechtsaußen dieser Welt die Hälften eines Hinterns sind, dann sind die abstrusen Ideen der FDP das, was da in der Mitte herauskommt.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort; Herr Delle.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP will sich also wieder einmal zum Anwalt des Volkes machen und ruft populistisch nach Steuersenkungen. Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur werden pauschal als umständlich diffamiert und als Krisenaktionismus bezeichnet.

Es ist allerdings – so finde ich – schon eine Frechheit, wenn sich jetzt ausgerechnet die FDP als finanzpolitische Feuerwehr aufspielt, nachdem sie mit ihren neoliberalen Konzepten mit dafür gesorgt hat, dass dieses Land in die heutige katastrophale ökonomische Lage geraten ist.

(Beifall bei der NPD)

Wer hat denn, meine Damen und Herren, über Jahrzehnte hinweg im Bund die Finanz- und Wirtschaftspolitik maßgeblich bestimmt? Das war doch die FDP. Oder irre ich mich da etwa?

Aber nun zu den geforderten Steuersenkungen: Auch die NPD ist natürlich der Auffassung, dass gezielte Steuersenkungen ein wichtiger Impulsgeber für die lahmende Konjunktur sein können. Aber wenn Steuersenkungen, dann bitte richtig und nicht mit dem steuerpolitischen Rasenmäher nach Art der FDP.

Wir als NPD befürworten in erster Linie eine Senkung der Mehrwertsteuer, weil sie allen Bürgern zugutekommt, im Gegensatz zur Lohn- und Einkommensteuer also auch der zunehmenden Schicht der ärmeren Menschen in unserem Land. Denn es ist vor allem eine große Breitenwirkung der Steuersenkungen wichtig, wenn davon tatsächlich Impulse für die Konjunktur durch die Steigerung der

Binnennachfrage und damit indirekt für das Investitionsklima ausgehen sollen.

Zugleich gilt es aber zu überlegen, ob die Mehrwertsteuersenkung für alle Produkte und Hersteller gleichermaßen sinnvoll ist. Das Problem ist doch heute, dass durch die Internationalisierung der Wirtschaft die Auflösung der deutschen Volkswirtschaft so weit getrieben wurde, dass konsumfördernde staatliche Maßnahmen nur noch sehr bedingt der deutschen Wirtschaft nützen. Das erkennt man zum Beispiel daran, dass trotz der Schrumpfung der deutschen Wirtschaft im dritten Quartal um 0,5 % die Importe um 3,8 % zunahmen.

Schon heute tragen leider die wenigsten Deutschen auch nur ein einziges Kleidungsstück, das in Deutschland hergestellt wurde. Deutsche Möbel und Einrichtungsgegenstände gibt es nur in der absoluten Luxusklasse, und immer mehr Lebensmittel sind anonymisierte Importe. Auch die wenigsten höherwertigen technischen Konsumprodukte, wie Fernseher, Computer, Drucker, Scanner, Handys, Softwareprogramme etc., kommen überhaupt noch aus deutscher Produktion.

Die Wirtschaftskrise wird gerade deshalb im Einzelhandel zu einem verstärkten Verdrängungswettbewerb führen. Diese wird noch stärker als bisher die deutschen Produkte aus den Regalen der Supermärkte zugunsten von billiger Importware verdrängen. Zu dieser haben wiederum in erster Linie die großen Discounter Zugang, die direkte Verträge mit ausländischen Lieferanten abschließen können. Wal Mart in den USA hat es ja „super“ vorgemacht. Das benachteiligt kleine Anbieter und deutsche Produkte. Letztere haben nur noch dann eine Chance, wenn sie zu Kosten hergestellt werden, die mit osteuropäischen, portugiesischen oder auch chinesischen konkurrenzfähig sind.

Die Folgen liegen klar auf der Hand: weiterer Verlust von Arbeitsplätzen in der deutschen Konsumgüterindustrie, Lohndumping, um mit den Niedriglohnländern konkurrenzfähig zu bleiben, weitere Pleiten kleinerer Einzelhändler zugunsten der großen Handelsketten.

Deswegen besteht natürlich in der Tat Handlungsbedarf, um deutsche Betriebe und Arbeitsplätze zu sichern. Wirtschaftsfachleute rechnen gerade für den Einzelhandel mit einer dramatischen Zuspitzung der Lage schon ab Januar, und der Bundesverband der Insolvenzverwalter geht für das Jahr 2009 von einer starken Zunahme der Insolvenzen in dieser Branche aus.

Darüber hinaus, meine Damen und Herren, geht es natürlich auch darum, die Lebenshaltungskosten der Familien in Grenzen zu halten.

Also, was ist zu tun? Die NPD unterstützt aus den genannten Gründen die Forderung nach einer deutlichen Senkung der Mehrwertsteuer. Aber damit diese auch zur Sicherung der Arbeitsplätze in Industrie- und Handwerksbetrieben in Deutschland führt und nicht nur zum Füllen der Taschen der Handelsketten, Großhändler und Impor

teure, muss sie selektiv gestaltet werden, nämlich so, dass sie heimische Hersteller und Dienstleister begünstigt.

Aber – so höre ich Sie jetzt sagen – das würde ja gegen EU-Wettbewerbsrecht verstoßen. Ja, natürlich würde es das. Aber dieses sogenannte Recht, meine Damen und Herren, ist in Wirklichkeit ein Unrecht, weil es gerade im Konsumbereich unsere heimische deutsche Wirtschaft vernichtet und/oder zu wettbewerbsbedingtem Lohndumping führt.

(Beifall bei der NPD)

Die NPD-Forderung lautet also: generelle Mehrwertsteuersenkung für einheimische Produkte, übrigens ergänzt durch eine Mehrwertsteuersenkung für Produkte und Leistungen, die in einer Region in Deutschland hergestellt bzw. von einheimischen Unternehmen angeboten und in derselben Region verkauft werden.

Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass es die NPD-Fraktion in diesem Hause war, die bereits im April 2006 eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf 7 % bei arbeitsintensiven und konsumnahen Dienstleistungen gefordert hat, was Sie, meine Damen und Herren, und natürlich auch die FDP, einhellig abgelehnt haben.

Da es neben der gezielten Senkung der Mehrwertsteuer auch anderer wirtschaftspolitischer Maßnahmen bedarf, die vom Staat finanziert werden müssen, sollten auf der anderen Seite Steuererhöhungen für Reiche kein Tabu mehr sein. Wer über Jahre von den explodierenden Börsenkursen profitiert hat, muss nach Auffassung der NPDFraktion jetzt seinen Beitrag zur konjunkturellen Gesundung der Wirtschaft leisten. Hier ist zum Beispiel an die Vermögensteuer zu denken. Außerdem müssen dringend die zahlreichen steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten für die Großkonzerne abgeschafft werden, die ja insbesondere SPD und GRÜNE während ihrer Koalition im Bund erst geschaffen haben.

Unser Land braucht eine völlig neue und vor allem gerechte Steuerpolitik. Was wir nicht brauchen, ist der billige liberale Populismus der FDP. Wir als NPD sagen: Steuern runter, aber richtig!

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion GRÜNE das Wort; Herr Weichert, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe heute früh schnell einmal die Pressemitteilungen der FDP-Bundestagsfraktion des letzten halben Jahres durchgesehen und dabei festgestellt, dass es nahezu unmöglich ist zu erfahren, was die FDP eigentlich genau meint, wenn sie landauf, landab fordert: Steuern senken, Bürger entlasten!

(Beifall der Abg. Bettina Simon, Linksfraktion)

Welche Steuern sie meint, an welche Volumina sie dabei gedacht hat und wie sie das Ganze finanzieren will, bleibt

in den meisten Pressemitteilungen der FDP aus dem Bundestag im Dunkeln.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion, der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Aber, meine Damen und Herren, gestern Abend hat dann Herr Brüderle endlich reinen Wein eingeschenkt. Reden wir also über diese Pressemitteilung. Tut mir leid, mehr liegt mir nicht vor.

(Zuruf des Abg. Holger Zastrow, FDP)

Erste Botschaft: Die FDP will für ihr Antirezessionsprogramm 27,3 Milliarden Euro Schulden im Bund aufnehmen.

(Dr. Monika Runge, Linksfraktion: Hört, hört!)

Jedenfalls klingt die Pressemitteilung von Herrn Brüderle so. Er macht keine Angaben, woher das Geld kommen soll. Ich finde das interessant. Hier wollen Sie das Verschuldungsverbot in die Verfassung schreiben, im Bund aber weiter munter Schulden aufnehmen.

(Holger Zastrow, FDP: Das steht doch gar nicht drin!)

Das passt nicht zusammen. Denn wenn Sie hier wegen der Generationengerechtigkeit für ein Schuldenverbot in der Verfassung sind, dann kann Ihnen im Bund die Generationengerechtigkeit nicht plötzlich egal sein.

Kommen wir zu den einzelnen Positionen. Für rund 10 Milliarden Euro wollen Sie die Sozialversicherungsabgaben senken, sprich: Rentenbeitrag um 0,3 % runter, Gesundheitsfonds stoppen. Auch wir wissen, dass wir bei den Lohnnebenkosten in Deutschland ein Riesenproblem haben. Aber wir wollen im Gegensatz zu Ihnen ein grünes Progressionsmodell bei den Sozialabgaben, das ganz gezielt die unteren Einkommen in einem stufenlosen Tarif bis 2 000 Euro Monatsbrutto entlastet.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Das wirkt nämlich viel zielgenauer als eine allgemeine Beitragsentlastung, die Sie wollen. Machen wir uns doch nichts vor: Entlasten wir auch die Bezieher der höheren Einkommen, steigt bei denen in Krisenzeiten wie heute nur die Sparquote, ohne dass irgendetwas für die Binnennachfrage oder die Konjunktur gewonnen wäre. Das wissen wir, das wissen Sie: Das ist ökonomischer Konsens.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Es sind aber die kleinen bis mittleren Einkommen, die gerade jetzt eine Entlastung brauchen. Denn gerade die Bezieher der Niedrigeinkommen sind von den enormen Preissteigerungen bei Energie, Lebensmitteln und durch die Mehrwertsteuererhöhung besonders betroffen worden. Kleine Einkommen haben eine sehr niedrige Sparquote, konsumieren also einen hohen Anteil ihres Einkommens, wenn sie nicht sogar Schulden für ihren Lebensunterhalt aufnehmen müssen. Es ist daher viel besser, diese Bevöl

kerungsgruppe zu entlasten, wenn wir konjunkturelle Impulse setzen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Entlasten wir gezielt die niedrigen Einkommen, haben die Menschen und Unternehmen im Freistaat viel mehr davon; denn wir haben hier überproportional viele Geringverdiener und wenige Besserverdiener. Wenn wir also gezielt die Sozialabgaben der unteren Einkommensklassen entlasten, haben diese mehr Netto zum Konsum in der Tasche, was sie auch für den Konsum nutzen werden. Obendrein sichern wir die Beschäftigung, weil die Arbeit dieser Menschen billiger würde, wovon die Arbeitgeber profitieren und damit in unseren schwierigen Zeiten nicht entlassen müssen.