Rund zwei Millionen sächsische Bürgerinnen und Bürger nutzten im Jahr 2007 die umfangreichen Informations- und Beratungsangebote der Verbraucherzentrale Sachsen. Die steigenden Energie- und Lebensmittelpreise, eine große Bereitschaft, den Stromanbieter zu wechseln, unerträgliche und ungewollte Telefonwerbung, untergeschobene Telekommunikationsverträge, Abzocke bei vermeintlichen Gratisangeboten im Internet – das sind nur einige der vielen Schwerpunkte.
Meine Damen und Herren! Der Verbraucherschutz hat in Sachsen in den letzten Jahren eine durchaus positive Entwicklung genommen. Nachdem Sachsen im Verbraucherindex 2004 den letzten Platz aller Bundesländer eingenommen hatte, konnte sich der Freistaat im Jahr 2006 bereits um zwei Plätze verbessern und steht im Jahr 2008 auf Platz 12 der Rangliste; Frau Schmidt ist bereits sehr ausführlich darauf eingegangen. Diese Entwicklung zeigt, dass der Freistaat auf dem richtigen Weg ist. Dennoch entspräche die Verbesserung in der Schulnote nur einem Sprung von 5 auf 4. Damit sind wir nur die Einäugigen unter den Blinden.
Positiv hervorgehoben werden im aktuellen Bericht besonders die finanzielle Unterstützung der Verbraucherzentrale Sachsen, das hohe Niveau der Arbeit der Kontrollbehörden im Bereich der Marktüberwachung, der Lebensmittelkontrolle und des Eichwesens sowie ein 2007 erstmals vorgelegter umfassender Tätigkeitsbericht der Staatsregierung zum Verbraucherschutz in Sachsen.
Negativ zu Buche schlägt bei der Wertung insbesondere die Verteilung des Verbraucherschutzes auf mehrere Ressorts der Staatsregierung und die fehlende Nennung der Geschäftsverteilung sowie die uneinheitliche Zuständigkeit der Gremien des Sächsischen Landtages. In diesen Bereichen erreichte Sachsen im bundesweiten Vergleich nur jeweils den vorletzten Platz.
Der sächsische Verbraucherschutz setzt vor allem auf folgende Schwerpunkte: gesundheitlicher, technischer und wirtschaftlicher Verbraucherschutz. Der wirtschaftliche und technische Verbraucherschutz ist im Bereich des SMWA angesiedelt. Er hat zum Ziel, die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher zu wahren und ihre Positionen bzw. ihre Rechte zu stärken. Das bedeutet, Verbraucher zum einen vor Benachteiligungen durch ungenaue Messgeräte sowie nicht ordnungsgemäß gefüllte Fertigverpackungen und zum anderen vor wirtschaftlichen Fehlentscheidungen durch irreführende Angaben oder mangelhafte Information zu schützen. Diese Aufgaben werden vom Sächsischen Landesamt für Mess- und Eichwesen wahrgenommen. Gerade in diesem Bereich erreichte Sachsen im Verbraucherschutzindex 2008 den ersten Platz.
Für den gesundheitlichen Verbraucherschutz sind das Sächsische Staatsministerium für Soziales und in Teilbe
reichen – damit meine ich die Futtermittelkontrolle – das Sächsische Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft zuständig.
Der Verbraucherschutz muss in Sachsen wieder einen höheren Stellenwert erhalten. Ob Gift im Kinderspielzeug, unerlaubte Telefonwerbung, Datenhandel oder aktuell die Finanzkrise – es gibt viel zu tun;
und bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern steigt der Beratungsbedarf. Folgende Zukunftsaufgaben müssen, gebündelt in einem Ministerium, angegangen werden:
Erstens. Der Verbraucherschutz muss im gesamten Bereich der digitalen Welt stärker durchgesetzt werden.
Zweitens. Stärkung der Fahrgastrechte. Dazu gehört die Einführung eines einfachen, klaren und im gesamten Bereich des Bahnverkehrs gültigen Entschädigungsrechtes in der Form, dass am Ende nicht möglichst viel Entschädigung gezahlt wird, sondern dass die Bahn wirtschaftlich angereizt wird, möglichst pünktlich zu sein.
Drittens. Umsetzung des Verbraucherinformationsgesetzes und Ausdehnung auf alle Produkte und Dienstleistungen.
Viertens. Einführung einer klaren und übersichtlichen Kennzeichnung dessen, was in den Lebensmitteln enthalten ist.
Fünftens. Stärkung der sektorspezifischen Verbrauchervertretung. Das Land Baden-Württemberg oder auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen haben Konzepte zu den sogenannten Watch dogs vorgestellt. Dies sollte auch in Sachsen geprüft und, wenn möglich, eingeführt werden.
Sechstens. Auch Datenschutz ist ein wichtiger Bestandteil des Verbraucherschutzes. Dieser umfasst nicht nur den Handel mit Adressen und Kundendaten, wie er in den letzten Wochen leider immer wieder aufgedeckt wurde.
Der siebente und letzte Punkt ist die Aufwertung des Verbraucherschutzes in einem zentralen politischen Aktionsfeld. Effektiver Verbraucherschutz verlangt politische Verantwortlichkeiten. Wo Zuständigkeiten verschwimmen, gibt es weder politische Aktivitäten noch wirksame Kontrollen. Deshalb sollte der Freistaat Sachsen die Querschnittsaufgabe Verbraucherschutz in einem eigenen Verbraucherschutzministerium mit klaren Zuständigkeiten bündeln und die parlamentarische Kontrolle durch eigene Verbraucherschutzausschüsse einrichten.
Joachim Betz, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Sachsen e. V., sagte zu diesem Hauptdefizit in Sachsen – ich zitiere –: „Meiner Auffassung nach ist es elementar, dass nur durch die Bündelung aller Verbraucherschutzaktivitäten in einem Ministerium und in einem Landtagsausschuss Fortschritte beim Verbraucherschutz in Sachsen zu erreichen sind. Die gegenwärtige Situation, dass kein
Ministerium in diesem an Bedeutung ständig zunehmenden Politikfeld federführend Verantwortung trägt, ist nicht länger hinnehmbar. Nur die ‚Schaffung von Adressen’ in Parlament und Staatsregierung wird unseres Erachtens beim Verbraucherschutz in Sachsen etwas bewegen können.“
dass der Bedarf an Verbraucheraufklärung und -beratung weiter wachsen wird. Viele Bundesländer haben noch immer nicht erkannt, dass sie für die praktische Umsetzung des Verbraucherschutzes verantwortlich sind. Wir als SPD fordern durch unseren Antrag die Staatsregierung auf, die Ergebnisse des Verbraucherschutzindex 2008 zu beherzigen und zügig einen Masterplan „Verbraucherpolitik“ auszuarbeiten.
In diesem soll dargelegt werden, wie auf der Ebene der Ministerien und des Parlamentes eine zentrale Anlaufstelle eingerichtet werden soll, um somit den Verbraucherschutz in Sachsen zu einer Kernaufgabe des politischen Handelns zu machen.
Was immer auf Bundesebene in Sachen Verbraucherschutz beschlossen wird, läuft ins Leere, wenn es die Bundesländer nicht wirksam umsetzen und kontrollieren. Wir als SPD werden dafür sorgen, dass Sachsen diese Aufgabe in Zukunft besser wahrnimmt.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben es heute mehrfach gehört: Im Verbraucherschutzindex 2008 hat sich Sachsen um zwei Plätze nach oben gekämpft. Darüber freue auch ich mich ausdrücklich.
Für eine Erfolgsbilanz der Koalition reicht das natürlich nicht, denn vom letzten auf den drittletzten Platz und von der Note „mangelhaft“ zur Note „ausreichend“ – das ist sicherlich nicht das, womit Sie sich in der Erfolgsbilanz der Koalition nach viereinhalb Jahren Parlamentsarbeit brüsten wollen.
Aber auch ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich für die gute Arbeit der Verbraucherzentrale und der Kontrollbehörden bedanken, die im Wesentlichen dafür
gesorgt haben, dass Sachsen im Ranking des VZBV nach oben gestiegen ist. Auch von der Linksfraktion herzlichen Dank für die geleistete Arbeit!
Natürlich denken wir, dass auch wir einen gewissen Anteil daran haben, den Verbraucherschutz in Sachsen nach vorn zu bringen. Die Liste der parlamentarischen Initiativen zum Bereich Verbraucherschutz führen wir als Linksfraktion sicherlich an. Ich erinnere mich auch – es ist jetzt drei Jahre her –, dass ein Antrag von uns zwar nicht angenommen wurde, aber die Koalition die „Größe“ hatte, einen Änderungsantrag, einen Ersetzungsantrag zu unserem Antrag in der Plenardebatte 2005 zu stellen. Dieser ist angenommen worden.
Ferner haben wir beschlossen, dass es einen Verbraucherbericht in Sachsen geben soll, in dem die Eichbehörden zu Öffentlichkeitsarbeit und zur Auskunft gegenüber dem VZBV verpflichtet werden. Insofern muss ich an dieser Stelle sagen: Das ist das Ergebnis konstruktiver Oppositionsarbeit.
Meine Damen und Herren! Das darf natürlich nicht dazu führen, dass wir über die Probleme Sachsens im Bereich des Verbraucherschutzes hinwegsehen. Ich freue mich, dass die Koalition bereit ist, über Problemfelder in Sachsen zu sprechen. Allerdings – darauf werde ich im Laufe meiner Rede noch eingehen – kommt das vier Jahre zu spät.
Einen maßgeblichen Grund für das schlechte Abschneiden Sachsens sehen wir darin, dass es keine Bündelung in einem Ministerium und einem Ausschuss gibt. Verteilt ist der Verbraucherschutz über Wirtschaft, Soziales, Umwelt und Landwirtschaft. Aus unserer Sicht müsste aber auch im Bereich des SMF eine entsprechende Abteilung, ein Referat etc. zur Behandlung des Verbraucherschutzes vorhanden sein; denn spätestens seit der Finanzmarktkrise kann niemand mehr in Abrede stellen, dass gerade im Bereich der Finanzdienstleistungen ein erheblicher Beratungs- und Kontrollbedarf besteht.
Meine Damen und Herren! Wir sprechen über diese Probleme und über die Notwendigkeit, den Verbraucherschutz in Sachsen zu reformieren und anders zu strukturieren, nicht das erste Mal. Ich zitiere: „Bereits nach der letzten Studie“ – also nach der Studie 2004 – „hat die Linksfraktion Konsequenzen aus dem miserablen Abschneiden Sachsens gefordert: Dazu gehören neben einer Sicherstellung der Finanzierung der Verbraucherzentralen die Bündelung der Kompetenzen für den Verbraucherschutz in einem Verbraucherministerium, die Einrichtung eines Landtagsausschusses für den Verbraucherschutz sowie die Erstellung eines regelmäßigen Verbraucherschutzberichtes. Sachsen hätte sich diese Blamage ersparen können, wenn Staatsregierung und Mehrheitsfraktionen der Forderung der Opposition nicht mit Arroganz begegnet wären.“
Meine Damen und Herren! Das war ein Zitat aus meiner Presseerklärung vom 14. Juli 2006. Ich bedauere, dass diese Forderungen bis heute nicht an Gültigkeit verloren haben. Sie hätten Sachsen wahrscheinlich zum Spitzenreiter im Verbraucherschutzranking gemacht, wären Sie unseren Vorschlägen gefolgt. Schon im Oktober 2004, also zu Beginn der Konstituierung des Sächsischen Landtages in dieser Legislaturperiode, haben wir gefordert: ein verbraucherpolitisches Konzept für Sachsen, ein sächsisches Verbraucherinformationsgesetz, die Einrichtung eines Verbraucherschutzministeriums in Sachsen und die Aufgabe der sächsischen Blockadehaltung zum Verbraucherinformationsgesetz auf Bundesebene. Das alles war im Oktober 2004 der Fall. Wir haben die Einrichtung eines Ministeriums beantragt; wir haben in der Geschäftsordnungsdebatte – wenn ich mich recht entsinne, gemeinsam mit den GRÜNEN – beantragt, dass es einen Ausschuss im Landtag für die Behandlung des Verbraucherschutzes geben sollte.
Das zu sagen, meine Damen und Herren von der Koalition, kann ich Ihnen nicht ersparen: Sie haben das damals abgelehnt. Wir hätten in Sachsen bei dem letzten Ranking deutlich besser abschneiden können, wären Sie den Vorstellungen der Opposition damals gefolgt.
Es hat vier Jahre gedauert, bis auch die Koalition das erkannt hat. Guten Morgen! kann ich dazu nur sagen. Das war sicherlich eine späte Einsicht.
Ich habe auch gewisse Zweifel, wenn wir heute einen Prüfauftrag an die Staatsregierung verabschieden, ob das in dieser Legislaturperiode noch etwas wird. Trotzdem werden wir uns als Linksfraktion dieser wichtigen Forderung nicht verweigern, auch wenn sie vor vier Jahren auf unseren Antrag hin hätte längst beschlossen werden können.