Protokoll der Sitzung vom 12.12.2008

Ich stelle den Antrag in der Drucksache 4/13900 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist dieser Antrag einstimmig beschlossen worden.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

Tagesordnungspunkt 3 kann beendet werden.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 4

Erhöhung des Kindergeldes auch für Hartz-IV-Betroffene

Drucksache 4/13901, Antrag der Linksfraktion

Hierzu können die Fraktionen wieder Stellung nehmen. Es beginnt die Linksfraktion. Danach folgen CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung.

Ich erteile Herrn Abg. Neubert für die einreichende Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei dem, was wir Ihnen heute vorlegen, geht es scheinbar um sehr wenig: um ganze 10 bzw. 16 Euro im Monat. Für manche in diesem Land ist das aber sehr viel, insbesondere für diejenigen, um die es hier und heute geht: die Familien, die von Hartz IV leben müssen.

Wenn am 1. Januar 2009 das Kindergeld um bescheidene 10 Euro – ab dem dritten Kind um 16 Euro – steigen wird – ich gehe davon aus, dass es nächste Woche so im Bundesrat beschlossen wird –, ist das gewiss kein tolles

Konjunkturprogramm für Deutschland und auch keine besondere Sternstunde für Familien. Es ist weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein.

Aber es gibt in Deutschland viele Familien, bei denen selbst dieser kleine Tropfen nicht ankommt. Ich rede von den über 10 000 Kindern in Sachsen, die von ALG II oder Sozialgeld leben müssen. Für ein Kind bis 14 Jahre erhalten diese Familien gerade einmal 208 Euro pro Monat für Nahrung, Kleidung, Spielzeug, Weihnachtsgeschenke, Schulmaterial und alles, was ein Kind sonst braucht.

Allein dieser Sachverhalt ist beschämend für ein reiches Land. Aber es wird noch beschämender, wenn diesen Kindern die kleine Steigerung des Kindergeldes, die ja insgesamt mit den steigenden Lebenshaltungskosten begründet wurde, vollständig wieder abgezogen wird.

Es soll sich bitte niemand damit herausreden, dass dies eben die Logik der deutschen Sozialgesetzgebung sei. Eine solche Logik ist nicht gottgegeben. Sie wird dadurch Wirklichkeit, dass die verantwortlichen Parlamente sie immer wieder praktizieren.

Sehr geehrte Damen und Herren! Praktisch seit dem Zeitpunkt, als Hartz IV eingeführt wurde, ist bekannt, dass der Bedarfssatz von 208 Euro monatlich für Kinder nicht ausreichend ist. Es ist heute unbestritten, dass für Kinder nicht einfach 60 % des Bedarfssatzes eines Erwachsenen herangezogen werden dürfen, sondern dass es, wenn man schon in der Logik des Hartz-IV-Systems bleibt, mindestens eines eigenständigen, an den tatsächlichen Bedürfnissen von Kindern orientierten Bedarfssatzes bedarf.

(Beifall bei der Linksfraktion und der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Das ist, wie gesagt, seit Langem bekannt. Es ist auch wiederholt durch den Bundesrat eingefordert worden. Alles wartet jetzt auf die Ermittlung des Bedarfssatzes für Kinder – niemand weiß, wie lange noch.

So lange jedoch wird diese schlimme Form der „permanenten Kindeswohlgefährdung“ – so wird es in einigen Studien genannt – in Deutschland weiter praktiziert. Was wir heute hier beantragen, ist leider noch nicht dieser neue kinderspezifische Bedarfssatz. Es ist erst recht noch keine allgemeine Kindergrundsicherung, wie wir sie als DIE LINKE weiterhin prinzipiell einfordern.

Vielmehr handelt es sich bei dem heute Beantragten um eine Notmaßnahme. Die Notmaßnahme heißt: Wir erhöhen den Bedarfssatz für Kinder jetzt schnell um den Betrag der Kindergelderhöhung, damit diese Kindergelderhöhung niemandem wieder abgezogen wird. Das ist zugegebenermaßen keine besonders originelle Idee. So ist im Prinzip schon bei der Kindergelderhöhung 1999 verfahren worden, damals noch bezogen auf die alte Sozialhilfe. Jetzt geht es zunächst einmal darum, dass wir dieser Problematik zum 1. Januar 2009 abhelfen.

So wollen wir wiederum verfahren wie 1999. Dabei braucht die Staatsregierung im Bundesrat nicht einmal besonders aktiv und auch nicht besonders kreativ zu werden. Sie braucht am nächsten Freitag im Bundesrat nur für den Antrag des Landes Berlin zu stimmen. Das Land Berlin schlägt nämlich genau das von uns heute vorgeschlagene Prozedere bzw. den von uns dargestellten Ansatz vor. Sie brauchen nur zuzustimmen. Um diese Zustimmung wollen wir heute bitten, diese Zustimmung wollen wir als Sächsischer Landtag heute einfordern.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Sehr geehrte Damen und Herren! Einen Punkt möchte ich in diesem Zusammenhang unbedingt noch ansprechen. Parallel wird im Bundesrat über die Einführung eines 100-Euro-Schulbedarfszuschusses für Hartz-IV-Betroffene beraten – eine ebenfalls überfällige Maßnahme, die wir unterstützen. Nicht ohne Grund haben wir auch hier, im

Rahmen der Haushaltsverhandlungen, über dieses Thema gesprochen.

Schlecht wird mir aber, wenn ich höre, dass einige diese Leistung als Kompensation für das nicht erhöhte Kindergeld betrachten, ganz nach dem Motto: für die Mehrheit das Kindergeld, für die Armen die Sachleistungen; für die Mehrheit 120 bzw. 192 Euro im Jahr, für die Armen gerade einmal 100 Euro. – Da frage ich mich schon: Welche Abwege wollen wir denn in der deutschen Familien- und Sozialpolitik noch alle nehmen?

DIE LINKE wird jedenfalls ein solches Gegeneinanderausspielen der Mehrheit gegen die Ärmsten nicht mitmachen. Wir stehen für eine solidarische Gesellschaft. Deshalb bitten wir Sie heute um Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion und der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Für die CDUFraktion spricht jetzt Herr Krauß.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Von den Musikern „Die Prinzen“ gibt es ein Lied, bei dem es im Refrain heißt: „Das ist alles nur geklaut, das ist alles gar nicht meine; das ist alles nur geklaut, doch das weiß ich nur alleine. Das ist alles nur geklaut und gestohlen, nur gezogen und geraubt, Entschuldigung, das hab’ ich mir erlaubt.“

Das trifft auch auf diesen Antrag zu. Herr Neubert hat es schon gesagt, das sei keine originelle Idee. Das ist Ihr Zitat. Den Antrag haben Sie bei den Kollegen in Brandenburg abgeschrieben. Nichtsdestoweniger setzen wir uns gern mit dem Antrag auseinander, auch wenn Sie sich ihn nicht selbst ausgedacht haben.

In dem Lied von den „Prinzen“ heißt es dann weiter: „Ich will dich gern verführen, doch schon bald merke ich, das wird nicht leicht für mich.“

Insofern wollen wir es Ihnen heute auch nicht allzu leicht machen, sondern eine inhaltliche Erwiderung geben.

(Beifall bei der CDU)

Herr Krauß, Sie gestatten sicher eine Zwischenfrage.

Ich möchte über eine Zwischenfrage etwas richtigstellen. Stimmen Sie mir zu, dass der Antrag aus Berlin an den Bundesrat später gekommen ist und dass wir uns auf 1999 bezogen haben, wie ich in meiner Rede schon ausgeführt habe? Ich habe das auch in unserem Lösungsvorschlag mit dargelegt.

Ich habe doch kein Problem damit, wenn Anträge von anderen freundlich übernommen werden.

(Falk Neubert, Linksfraktion: Sie haben das doch so ausgelegt!)

Ich glaube, er wäre ja nicht besser gewesen, wenn Sie sich ihn selbst ausgedacht hätten.

Sie bringen bei dem Antrag zwei Sachverhalte durcheinander. Wir reden auf der einen Seite vom Kindergeld und auf der anderen Seite über Hartz IV.

Jetzt reden wir über das Kindergeld. Sie haben schon gesagt, wie hoch das Kindergeld ist. Es beträgt zurzeit 154 Euro und soll im nächsten Jahr um 10 Euro bzw. ab dem dritten Kind um 16 Euro steigen.

Sie haben schon angesprochen, dass am 19. Dezember 2008 im Vermittlungsausschuss darüber gesprochen werden wird, wie man sich mit der Bundesregierung noch über das eine oder andere einigt. Ich bin davon überzeugt, dass die Familien ab 01.01.2009 mehr Kindergeld erhalten werden. Das ist eine sehr positive Nachricht auch für die sächsischen Familien.

Was ist nun das Ziel des Kindergeldes? Das Ziel ist, dass das Existenzminimum steuerfrei sein soll. Das heißt, dass man auf das Existenzminimum auch eines Kindes keine Steuern zahlt. Das ist so im Einkommensteuergesetz festgelegt.

In erster Linie geht es darum: Wenn Eltern arbeiten, dann soll die Familie für Nahrung, Kleidung und Wohnung keine Steuern zahlen müssen. Damit das eingehalten wird, zahlt man den Eltern das Kindergeld. Das richtet sich nach dem, was man im Existenzminimumbericht ermittelt hat, in dem man nachfragt, was man für Nahrung, Kleidung, Wohnung und Krankenversicherung ausgibt. Das darf der Staat nicht wegsteuern.

Das heißt, das Kindergeld ist kein Geschenk an Familien. Das müssen Sie sich so vorstellen, als wenn Sie in den Supermarkt gehen und für 35 Euro einkaufen, einen 50Euro-Schein hingeben und 15 Euro zurückgezahlt bekommen. Die 15 Euro sind kein Geschenk, sondern ein Anspruch, den Sie haben. Das ist die Systematik des Kindergeldes. Das ist Geld, das die Eltern quasi zu viel an Steuern gezahlt haben und das ihnen zusteht.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Krauß, könnte es sein, dass Sie gerade Kindergeld und steuerlich zu berücksichtigende Kinderfreibeträge miteinander vermengen?

(Beifall bei der Linksfraktion)

Nein, beides gehört natürlich zusammen. Sie wissen ja, dass die Eltern die Wahl haben, je nachdem, wie viel sie verdienen. Wenn Sie einmal § 31 des Einkommensteuergesetzes nachlesen, werden Sie feststellen, dass das, was ich Ihnen erzählt habe, dort steht.