Meine Damen und Herren! Vielleicht noch etwas zum Arbeitsmarkt: Es ist ja eigentlich für die Betroffenen erfreulich: Bereits 2006 übersteigt die Zahl der Berufsaustritte die der Berufseinsteiger, ganz einfach deshalb, weil sich die Absolventenzahlen von Berufsausbildung und Hochschulen halbieren. Lehrstellenmangel verwandelt sich in den nächsten Jahren in Lehrlingsmangel. Der Mangel an hoch qualifizierten Fachkräften ist jetzt schon spürbar. Leider bleibt die strukturelle Arbeitslosigkeit von niedrig Qualifizierten trotzdem sehr hoch.
Meine Damen und Herren! Wichtige Gegenstrategien zu dieser Entwicklung sind die Steigerung der Arbeitsproduktivität und die Stabilisierung der Erwerbsquoten durch Einbeziehung der Frauen in einen familienfreundlichen Arbeitsmarkt und die lange Integration älterer Arbeitnehmer. Hier geht es nicht nur um das Hinausschieben des Renteneintritts, sondern auch um lebenslanges Lernen durch verstärkte Weiterbildung.
Wenn man gerade den Niedrigqualifizierten Alternativen bieten will, brauchen wir einen staatlich subventionierten Niedriglohnsektor durch Kombilöhne. Auch dies ist ein wichtiges Thema.
Meine Damen und Herren! Zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik in Sachsen stärkt die exportorientierten Wachstumsregionen Chemnitz, Dresden und Leipzig mit ihrer Vernetzung von Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft im Bereich des Fahrzeugbaues, der Mikroelektronik und der Biotechnologie. Hier entstehen dann wirklich die so ersehnten Bereiche eines selbsttragenden Aufschwungs. Wir haben diese Wachstumsregionen mit leistungsfähiger Infrastruktur mit unseren ländlichen Regionen verbunden. Es kommt darauf an, dass diese am Aufschwung teilhaben können. Diese Regionen haben, wenn der Aufschwung stattfindet, natürlich auch die Verpflichtung zur Solidarität mit unseren strukturschwachen ländlichen Regionen in Sachsen.
Meine Damen und Herren! All die geschilderten Anpassungsstrategien an die alternde und schrumpfende Gesellschaft reichen allein nicht aus. Die Gesellschaft braucht einen grundlegenden Einstellungswandel zu Kindern und
zum Alter. Kinder sind das größte Geschenk und als unverzichtbarer Wert für unsere Gemeinschaft zu empfinden,
und zwar nicht nur als Kostenfaktor – so klingt das manchmal – und bloße Investition in Humankapital. Sie sollen aufwachsen verbunden mit der aktiven Generation ihrer Eltern, den Großeltern und zunehmend auch den Urgroßeltern. Starre Altersgrenzen lösen sich zugunsten viel längerer Aktivitäten im Erwerbsleben und in der Bürgergesellschaft auf. Die Gestaltung der alternden Gesellschaft – das sollten wir uns alle zu Herzen nehmen – und ihre Stabilisierung ist nur möglich, wenn Politiker und jedes einzelne Glied unserer Gesellschaft über die eigene Lebensspanne hinaus denken.
Ich erteile der Linksfraktion das Wort. Wird das noch gewünscht? – Es wird nicht mehr gewünscht. Dann, bitte, die CDU-Fraktion; Frau Dombois.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gesundheit und soziale Sicherungssysteme waren ein eigenständiges und sehr interessantes Thema, aber natürlich auch so komplex, dass man es nur anreißen kann. Ich darf auf unseren dicken Bericht verweisen, wenn Sie noch Fragen haben.
Die Menschen werden immer älter. Die Lebenserwartung einer Frau liegt derzeit bei 82 Jahren und die eines Mannes bei 76 Jahren. Viele werden auch über 90 oder sogar 100 Jahre alt. Diese Tatsache wird in der Gesellschaft sehr unterschiedlich aufgenommen. Viele sprechen von einer alternden Gesellschaft, in der junge Menschen keine rechte Zukunft mehr haben, sondern die Pflege und Betreuung älterer Menschen im Vordergrund stehe. Wir sehen diese Entwicklung durchaus positiv und betrachten sie als Chance und Herausforderung bei der Gestaltung vieler neuer, in die Zukunft gerichteter Aufgaben. Der kontinuierliche Anstieg der Lebenserwartung, der sich in allen Altersgruppen vollzieht, ist das Ergebnis einer gewachsenen hoch technisierten Medizin und auch eines steigenden Gesundheitsbewusstseins, wie zum Beispiel gesunde Ernährung, sportliche Betätigung und Verzicht auf gesundheitsschädigende Konsummittel sowie viele Präventivmaßnahmen und gute Aufklärungsarbeit über bestehende Zusammenhänge.
Die Frage nach der Gesundheit im Alter ist von erheblicher individueller wie gesellschaftlicher Bedeutung. Für jeden Einzelnen verbindet sich mit der steigenden Lebenserwartung natürlich auch die Hoffnung auf ein langes und gesundes Leben, während sich für die Gesellschaft die Herausforderung stellt, älteren Menschen die Teilhabe am sozialen, kulturellen und politischen Leben zu ermöglichen und im Krankheits- und Pflegefall eine bedarfsgerechte Versorgung zu gewährleisten. Es gilt nun weiterhin,
die gerade in den letzten Jahren stark verbesserte gesundheitliche Situation der Bevölkerung bis in das hohe Alter zu beeinflussen. Deshalb müssen wir uns weiterhin mit den gesundheitlichen Risiken, den notwendigen präventiven Maßnahmen, einer bedarfsgerechten Entwicklung und der medizinischen Versorgung in allen Altersgruppen beschäftigen. Ebenso sind der Bedarf an sozialen Diensten und die Lage der zukünftigen älteren sowie jüngeren Generation einzuschätzen.
Es gibt eine ganze Reihe von Publikationen und Untersuchungen; was uns fehlt, sind genauere Auswertungen der gesundheitlichen Situation im Kinder- und Jugendbereich, aber auch bei den älteren Menschen für Sachsen. Das heißt, wir müssen für das Land Sachsen dringend die Datenlage für die wissenschaftliche, aber auch die regionale Auswertung verbessern, insbesondere in der Erforschung der Ursachen von Erkrankungen, die mit einem erheblichen Verlust an Lebensqualität, an Lebensjahren oder Erwerbsfähigkeit für die Patienten einhergehen oder eine sehr lange Zeit von Pflegebedarf nach sich ziehen. Insgesamt wird in den sehr hohen Altersstufen eine Zunahme von Behandlungs- und Pflegebedarf eintreten. Das ist einfach so, wenn man so alt wird. Ältere Menschen sind meist von Mehrfacherkrankungen betroffen. Das heißt, dass diese auch zur Pflegebedürftigkeit führen können. Deshalb sind Dienste zur Betreuung pflegebedürftiger Menschen ein wichtiger Bestandteil der Infrastruktur.
Von besonderer Bedeutung für das Krankheitsgeschehen sind aber auch soziale Faktoren, wie die persönliche materielle und physikalische Umwelt und die sozialen Beziehungen. Es ist nachgewiesen, dass ärmere Bevölkerungsschichten einem viel höheren Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind. Schlechte Wohn- und Arbeitsbedingungen, fehlende Zukunftsperspektiven und vor allem geringe Bildung sind oftmals Faktoren, die die gesundheitlichen Risiken erhöhen. Bereits im Kindes- und Jugendalter bilden sich gesundheitsrelevante Einstellungen und Verhaltensmuster heraus, die sich im weiteren Lebensverlauf verfestigen und dann nur noch schwer beeinflussbar sind. Deshalb muss so eine Auseinandersetzung mit der gesundheitlichen und sozialen Situation bereits bei Kindern und Jugendlichen beginnen, da sich die gesundheitlichen Beeinträchtigungen im weiteren Lebensverlauf negativ auswirken können und sich damit das Krankheitsrisiko im Alter erhöht. Auch zu diesen Fragen brauchen wir genauere und bessere Erkenntnisse.
Prävention erlangt in der medizinischen Versorgung eine wachsende Bedeutung. Die Nutzung der Präventionspotenziale im Kindes- und Jugendalter und die Förderung eines gesunden Aufwachsens lassen sich deshalb als wesentliche Voraussetzungen für eine nachhaltige Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung ansehen. Sie nimmt insbesondere Einfluss auf die Reduktion von Risikofaktoren, wie zum Beispiel Übergewicht, Bewegungsarmut, psychische Erkrankungen oder Substanzmissbrauch. Sie führt darüber hinaus zu einer wesentli
Die medizinische Infrastruktur für Kinder und Jugendliche, wie zum Beispiel Einschulungs- und Schuluntersuchungen, zahnmedizinische Kontrollen in Kindergärten und Schulen, Frühförderung, Kinder- und Jugendpsychiatrie, wurde in Sachsen immer weiter ausgebaut. Dennoch gilt es, Lücken bei fehlenden Pädiatern im Bereich Kinderheilkunde, besonders in den ländlichen Räumen, sowie bei Kinder- und Jugendpsychiatern zu schließen. Auch die Angebote in der Kinder- und Jugendhilfe sind weiter konsequent auszubauen. Die Zusammenarbeit der Kinder- und Jugendhilfe mit Bildungseinrichtungen unter Einbeziehung der Eltern sollte in Form eines präventiven und integrativen Programms zur kommunalen Familienpolitik gefördert werden.
Eine Verhaltens- und Verhältnisprävention muss so früh wie möglich eingeführt werden und sollte grundsätzlich informeller Bestandteil in den Schulen, den Betrieben, den Medien und bei Kampagnen von Kostenträgern sein. Bereits im Kindes- und Jugendalter sind chronische Erkrankungen ansteigend und keine Seltenheit. Sachsen hat sich an einem Forschungsprojekt für chronisch kranke Kinder und Jugendliche an allgemein bildenden Schulen beteiligt. Eine Auswertung liegt dazu in Berichtsform seit 2006 vor. Als Schirmherrin dieses Projektes habe ich mich sehr intensiv in die inhaltlichen Fragen einzubringen versucht. Deshalb kann ich nur empfehlen, dass diese Daten dringend in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Gerade in den ländlichen Räumen ist eine verstärkte Anstrengung zur Absicherung medizinischer Betreuungsleistungen notwendig. Versorgungs- und Kompetenzzentren, die auch beratende und Weiterbildungsaufgaben der Hausärzte oder ambulant tätigen Fachärzte übernehmen, sollten weiter gefördert werden. Eine Verzahnung von ambulanter, stationärer und rehabilitierender Versorgung muss deutlich verbessert werden, um insbesondere in strukturschwachen Regionen Versorgungsangebote aufrechtzuerhalten.
Auch im Bereich der ärztlichen Versorgungssituation – wir haben hier schon sehr oft darüber gesprochen – sind bereits heute über- und unterversorgte Bereiche sichtbar. Diese bereits angestrebten Initiativen, wie zum Beispiel die finanzielle Besserstellung oder günstige Kreditierung, haben unseres Erachtens noch nicht den notwendigen Erfolg gebracht.
Bei allen Anstrengungen, die durch das Land, die Städte und Gemeinden zur Absicherung der Gesundheitsversorgung geleistet werden, wird das bürgerschaftliche Engagement weiterhin einen wesentlichen Anteil zum Erhalt der sozialen Infrastruktur darstellen. Gerade nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben fördert die ehrenamtliche Tätigkeit in der offenen Altenhilfe, in kulturellen, Bildungs- und Sportangeboten, die eigene Lebensfreude zu erhalten und Wissen an andere weiterzugeben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die soziale Sicherung im Alter wird wesentliche Diskussionsgrundlage für die kommenden Jahre sein. Auch wenn die Rentengesetzgebung vorwiegend Bundesrecht ist, gibt es ausreichende Möglichkeiten, die Rahmenbedingungen im Land zu verbessern. Es ist bereits jetzt absehbar, dass sich die Alterseinkommen insbesondere durch die sich verändernden Rentenbiografien stark verändern. Die heutigen Bestandsrentner, vor allem in den neuen Bundesländern, sind im Durchschnitt noch vergleichsweise gut abgesichert. In Zukunft aber wird es aufgrund veränderter Beschäftigungsverhältnisse und Arbeitslosigkeit eine stärkere Differenzierung von Alterseinkünften geben. Diese betreffen insbesondere Personen in Teilzeitarbeit, Menschen mit niedrigem oder gar fehlendem Schul- oder Berufsabschluss sowie allein erziehende Frauen.
Stabile Beschäftigungsverhältnisse im ersten Arbeitsmarkt, qualifizierte Abschlüsse und eine auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf ausgerichtete Familienpolitik sind die besten Instrumente für eine gute Zukunftssicherung. Wir brauchen Anreize für zusätzliche Altersabsicherung und höhere Hinzuverdienstgrenzen, eine Förderung altersgerechter Arbeitsplätze und längerer Erwerbstätigkeit für einen selbstbestimmten, gleitenden Übergang in den Ruhestand auch noch im höheren Alter.
Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich noch einmal für die Zusammenarbeit bei allen Kolleginnen und Kollegen bedanken, die konstruktiv gearbeitet haben. Ich muss ehrlich sagen: Auch für mich war es eine ganz neue Erfahrung, wie man gemeinsam nach Lösungen suchen und diese auch gemeinsam umsetzen kann. Ich würde gern, wenn es möglich ist, in der neuen Legislaturperiode mit Ihnen zusammen weiter an diesem Thema arbeiten.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die Aufgabe, über Familie zu sprechen. Dies ist ein Thema, welches in der EnqueteKommission nicht einheitlich ausgeprägt war und diskutiert wurde. Jeder hat einen anderen Lebensentwurf, den wir gegenseitig respektieren. Ich möchte Ihnen einen großzügigen Entwurf der CDU-Fraktion vorstellen.
Der Grundsatz der Kommission, Sachsen soll ein kinder- und familienfreundliches Land sein, ist einheitlich beschlossen worden. Familie definieren wir als Dreigenerationenvertrag, also als ein Beziehungsgefüge zwischen Kindern, Eltern und Großeltern, die in auf Dauer angelegten Gemeinschaften zusammenleben und von Emotionalität, Hilfe, Fürsorge und Solidarität getragen werden.
Wie ist nun der Zustand in unserem Land? Wir haben mithilfe des Statistischen Landesamtes festgestellt, dass der Kinderwunsch in Sachsen überdurchschnittlich hoch ist und die Kinderliebe in Sachsen bundesweit an der Spitze liegt. Deswegen ist die Kinderlosigkeit in Sachsen auch nicht so verbreitet wie in den anderen Bundesländern, insbesondere in den alten Bundesländern, wohl aber die Einkindfamilie. Wir haben hier ein Problem mit Geschwisterkindern. Wir haben auch festgestellt, dass unser demografisches Problem zu einem Drittel nur aus Abwanderung und zu zwei Dritteln aus den fehlenden Jahrgängen seit der Wende besteht, als sich das Erstgeburtsalter von vielleicht 19 Jahren auf 30 Jahre verschoben hat. Wir haben also ein Problem der Unterjüngung. Nicht die Alten sind bei uns das Problem, sondern wir haben ein Problem der Unterjüngung, also fehlender Kinder.
Daraus leiten sich auch die Ziele der sächsischen Union ab. Wir wollen Geburten fördern, wir wollen, dass Kinder in intakten Familien aufwachsen, in denen sie stabile Werte zur Orientierung erfahren, und wir halten die Ehe für das dazu geeignete Instrument.
Aber wir verkennen auch nicht, dass die Menschen in einer Fülle von Paar- und Familienbeziehungen und Arrangements leben. Aus christlicher Sicht möchte ich auf die Widersprüchlichkeit in solchen – ich sage einmal – Ehen auf Probe hinweisen; denn hinter Bindungslosigkeit steckt oft Misstrauen, und auf Misstrauen wächst nichts Gutes. Oder hinter solchen Ehen auf Probe steht eine Beliebigkeit, und auch das bietet den Kindern keinen verlässlichen Rahmen für die eigene Entwicklung. Familie ist dort, wo trotz vieler Pflichten füreinander dem Einzelnen die Freiheit bleibt. Diese Bindung in Freiheit ist Familie; und das ist es, was unsere Verfassung schützt und fordert.
Betonen möchte ich, dass für die Union Kinder aller Lebensformen gleichermaßen förderungswürdig sind.
aber fast zwei Drittel der Kinder wachsen später in Ehen auf. Ein Drittel der Ehen werden geschieden, Tendenz abnehmend – bei zunehmender Heiratsneigung. Im alten Bundesgebiet sind es 44 %.
Das heißt also, zwei Drittel der Ehen halten stabil bis zum Ende. Junge und alte Menschen suchen Stabilität, Vertrauen und Verlässlichkeit.
Noch eine sehr traurige Feststellung möchte ich machen: Auf 1 000 Lebendgeburten kommen 200 Abtreibungen, 200 Kindstötungen. Dafür gibt es sehr viele, sehr individuelle und nicht leichtfertige Gründe, aber leider auch manche Bequemlichkeiten, und nur wenige können wir akzeptieren.
Meine Damen und Herren! Für die CDU sind Ehe und Familie die wichtigsten Formen des Zusammenlebens. Wir fühlen uns dem Schutz von Ehe und Familie in besonderer Weise verpflichtet. Aus dieser Position heraus sind alle großen familienpolitischen Leistungen unter Führung der Union entwickelt und durchgesetzt worden. Ob Erziehungsgeld, Anerkennung von Erziehungszeiten in der Rentenversicherung, Freistellung zur Pflege kranker Kinder und, und, und – die Liste ist lang –, all das sind Ergebnisse unserer Familienpolitik.
Andere Parteien relativieren diesen Stellenwert von Ehe und Familie. Dies geht auch aus dem Minderheitenvotum des Kommissionsberichtes deutlich hervor. Die Opposition fordert das Neutralitätsgebot des Staates gegenüber privaten Beziehungen ein und setzt auf die Pluralisierung der Lebensformen.