Protokoll der Sitzung vom 21.01.2009

und des „Drei-Generationen-Vertrages“ mit Ihrer Verteufelung nichtehelicher Lebensgemeinschaften jungen Menschen Lust auf Familie machen? Oder denken Sie nicht, dass Sie sie vielleicht davon abschrecken, indem Sie hier Ansprüche formulieren, die wirklich aus der Mottenkiste stammen, die aus dem vorletzten Jahrhundert sind?

(Beifall bei der Linksfraktion – Zuruf des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)

Wir als Linke bleiben dabei: Der Staat darf sich nicht einmischen in die individuellen Lebensentscheidungen der Menschen und er darf sie auch nicht von oben herab bewerten.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Sehr richtig!)

Darüber, meine Damen und Herren, ist die Zeit längst hinweggegangen, insbesondere in den ostdeutschen Ländern. Sie haben selbst die entsprechenden Statistiken zitiert.

(Beifall der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion)

Meine Damen und Herren von der CDU, wenn Sie es plötzlich ernst meinen würden mit den Ansprüchen, die Herr Patt am Schluss seiner Rede zu Recht formuliert hat – wir müssen Kinderarmut insbesondere bei Alleinerziehenden und Mehrkindfamilien bekämpfen –: Ja, warum tun Sie es denn nicht?

(Zuruf von der CDU: Machen wir doch!)

Sachsen ist eines der Länder mit den höchsten Kinderarmutsquoten. Das muss an dieser Stelle auch einmal gesagt werden.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Hört, hört!)

Meine Damen und Herren! Ich sage das auch insbesondere deshalb, weil ich sehe, dass viele junge Menschen hier die Debatte verfolgen: Seien Sie beruhigt, der Bericht der Enquete-Kommission ist in seinen Kernaussagen nicht so konservativ wie die Rede von Herrn Patt. Sie haben sich nicht mit Ihren Positionen durchgesetzt, noch nicht einmal in der CDU-Fraktion. Und das ist auch gut so.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Damit ist die Debatte der Fraktionen beendet. Ich frage die Staatsregierung, ob noch jemand das Wort ergreifen möchte. – Bitte, Herr Staatsminister.

Danke schön, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Damen! Sehr geehrte Herren! Für die Vorlage des Berichts der Enquete-Kommission möchte ich mich im Namen der Sächsischen Staatsregierung bei allen Mitgliedern der Kommission recht herzlich bedanken.

Der vorgelegte Bericht der Kommission zur demografischen Entwicklung dokumentiert die umfangreiche und gründliche Auseinandersetzung, wie die Herausforderungen des demografischen Wandels hier in Sachsen gemeistert werden können. Der Bericht zeigt eindrucksvoll die vielfältigen Auswirkungen, auch die Auswirkungen auf die ganz persönlichen Lebensbereiche der Menschen. Der Bericht weist Wege des politischen Handelns, und Landes- wie Kommunalpolitiker werden ermuntert, weiterhin nachhaltige, mutige und auch neue Lösungen zu suchen, die den Menschen freie Entfaltungsmöglichkeiten und Chancengerechtigkeit in Sachsen garantieren.

Politik, meine Damen und Herren, muss den Menschen in Sachsen bei der Bewältigung des demografischen Wandels Hilfestellung geben. Der Bericht wie auch die Aussprache zum Bericht zeigen, dass es keine handelsübliche Gebrauchsanweisung gibt, wie man dem demografischen Wandel die Chancen für gesellschaftliche Veränderungen entlockt und wie sie genutzt werden können.

Oft werden von Landes- und Kommunalpolitikern einfache Antworten und Lösungen für diese mehr als komplexe Materie erwartet, die es allerdings, wie wir wissen, nicht gibt. Frische Ideen zu entwickeln, Spaß an Veränderungen aufzuzeigen und die Menschen auf dem Weg von Umstellungen und eigenverantwortlichen Handlungsmöglichkeiten zu helfen ist nach meiner Meinung unverzichtbar. Die Sachsen sind kreativ! Die Sachsen sind pfiffig! Die Veränderungen in den letzten 20 Jahren haben sie bravourös gemeistert!

(Beifall bei der CDU)

Als erste in Deutschland hat die sächsische Politik den demografischen Wandel aufgegriffen. Vor welchen Herausforderungen und Chancen wir in Sachsen stehen, hat der Bericht zum demografischen Wandel herausgearbeitet. Analysen, Prognosen und Beschreibungen liegen nun auf dem Tisch. Allein der Schritt der Problemerkenntnis und eine lineare Anpassung an die Folgen des demografischen Wandels werden in den nächsten Jahren nicht ausreichen. Durchhaltevermögen und Weitsicht sind bei der Problemlösung gefragt.

Die Staatsregierung, meine sehr verehrten Damen und Herren, dankt dem Parlament. Das Parlament hat das Thema ernsthaft aufgegriffen, grundlegend fast eine ganze Legislaturperiode angegangen und es heute gründlich diskutiert. Herr Dulig hatte darauf verwiesen, dass Sachsen zwei Kommissionen zum demografischen Wandel hatte. Der demografische Wandel ist das Zukunftsthema – wenn nicht das entscheidende Thema – in Deutschland und Sachsen. Gehen wir es mit den Menschen in Sachsen gemeinsam an!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Damit ist die Aussprache zum Bericht der Enquete-Kommission beendet.

Es liegen Entschließungsanträge vor. Zunächst kommen wir zum Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit der Drucksachennummer 4/14472. Frau Hermenau wird den Antrag einbringen. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Die Frage des Geburtenrückgangs ist eine emotionale Frage. Das haben wir in der heutigen Debatte gemerkt.

Wir haben in unserem Entschließungsantrag versucht, wesentliche Konsenspunkte aus der Arbeit der EnqueteKommission zusammenzufassen. Wir hatten gehofft, es würde noch einmal ohne großen ideologischen Schlagabtausch funktionieren. Eines ist aber klar: Die freiheitliche Grundordnung, auf deren Boden der große Teil dieses Parlamentes und der Bevölkerung lebt, erlaubt es nicht, einen Geburtenplan aufzustellen. Das, was man machen kann, ist – das war der Konsens der Enquetekommission – , eine auf Kinder- und Frauenfreundlichkeit orientierte Politik zu machen. In Sachsen gibt es durchaus noch Verbesserungsmöglichkeiten. Das muss ich so trocken aus weiblicher Sicht formulieren.

(Beifall bei den GRÜNEN, vereinzelt bei der SPD und der Linksfraktion)

Wir haben einen sehr hohen Anteil von Alleinerziehenden in diesem Land. Es gibt sehr viele Kinder in Sachsen, die außerhalb der Ehe geboren werden. Das habe ich nicht zu kommentieren. Das steht mir nicht zu. Natürlich kann es sein, dass die Familie von der Verfassung in einem Artikel geschützt wird. Das ist mir bekannt. Es gibt aber auch einen landläufigen Anwaltsspott, der darin gipfelt, dass mehr Ehen deswegen zusammenhalten, weil sie ein gemeinsames Haus haben, und nicht wegen des gemeinsamen Kindes. Ich fand die ideologische Auseinandersetzung am Schluss wenig hilfreich.

Natürlich gibt es die Tendenz in der Gesellschaft – Herr Kollege Patt, ich nehme das genau so wahr wie Sie –: eine Art Renaissance der Familie. Es ist aber eine Art von Renaissance der Familie als Gemeinschaft, als eine Art persönlicher Lebenssicherheit, die man in dieser Welt und diesem Leben sucht. Es ist auch eine Art von Misstrauen gegenüber der Politik und dem Staat. Das möchte ich ganz deutlich konstatieren.

Es ist eben nicht die einfache Rückkehr zu der von Ihnen geschilderten Dreigenerationenfamilie. Es leben sehr viele ältere Leute in Sachsen, deren Kinder und Kindeskinder woanders aufwachsen. Diese werden nie in einer Dreigenerationenfamilie unter einem Dach leben. Deswegen bin ich sehr zurückhaltend und würde es weniger engagiert und stark vortragen. Sie haben über die CDU-Politik und nicht über die Enquete-Kommission und ihre gemeinsamen konsensualen Ergebnisse gesprochen.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Ich nehme auch wahr, das möchte ich noch als kleinen Nachtrag aus meiner Parteiensicht hinzufügen, dass es natürlich auch – ich begrüße das zum Teil – eine gewisse Relativierung des überforderten Individualismus gibt. Es ist Zeit, einen überforderten Individualismus ein wenig zu relativieren. Ich empfinde es als wichtig. Die Frage ist nur, mit wie viel Augenmaß man vorgeht. Die Rückkehr in die Sechzigerjahre ist kein Augenmaß. Es ist nur eine Rückkehr. Ich glaube, dort setzt neue und moderne Politik an. Das wird eine lustige, interessante und vielleicht auch emotional bewegende Debatte in vielen hier folgenden Diskussionen.

Unser Entschließungsantrag hat versucht, die konsensualen Ergebnisse der Enquete-Kommission noch einmal zusammenzufassen. Es ist im Prinzip die Kurzfassung der Kurzfassung. Wir haben ihn auf drei Seiten komprimiert. Es geht natürlich noch einmal um die Fachkräftebildung, die Organisation der Zuwanderung und die Milderung der Abwanderung.

Es geht zugleich auch um das Leitbild der Barrierefreiheit, meiner Meinung nach ein wichtiger Punkt in unserer Bevölkerung. Wenn Sie einmal überlegen, dass 2020 der Altersdurchschnitt ungefähr bei 49/50 Jahren liegt – was heißt das?

Es geht auch um Anpassungsinvestitionen in den Rückbau überdimensionierter Netze – ohne Häme sage ich das aus Sicht der GRÜNEN. Es geht auch um die Festschreibung eines Demografiebudgets in den öffentlichen Haushalten. All diese Instrumente sind geeignet, die Kommunen und Kreise zu einer stärkeren inhaltlichen Auseinandersetzung zu zwingen, weil man dieses Instrument dann benutzen muss. Darauf kommt es an. Dieses Bewusstsein kommt nicht von selbst. Die Entscheidungsträger werden es nur in ihre Arbeit aufnehmen, wenn es Instrumente gibt, die sie dazu zwingen. Ein Demografiebudget ist ein solches Instrument. Das geht auch vor Ort. Deswegen muss man betonen, dass es Möglichkeiten gibt.

Wir haben an den Entschließungsantrag einen Nachtrag angehängt, dass wir die Staatsregierung ersuchen, einen Bericht vorzulegen. Wir sind der Meinung, dass wir die eingeleiteten Maßnahmen auch begleiten sollten. Wir haben vier Jahre lang darüber diskutiert, was man tun kann, und dann werden die eingeleiteten Maßnahmen nicht diskutiert. Das ist absurd. Wir beginnen jetzt mit einem gemeinsamen Controlling-Prozess. Das betrifft sowohl die Vorschläge des Parlaments als auch die der Arbeitsgruppe bzw. der Regierungskommission. Ich denke, es ist ein wichtiger Punkt, dass wir Parlamentarier nicht nur darauf achten, dass dieser Prozess angeschoben wurde, sondern dass wir ihn auch kontrollieren. Es ist ganz wesentlich für den Zustand und den Alltag vor Ort. Viele Leute werden die Qualität der Politik daran messen, ob wir in der Lage sind, vernünftig und mit Augenmaß demografisch zu agieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Möchte sich dazu jemand äußern? – Für die CDU-Fraktion möchte sich Herr Dr. Rößler dazu äußern. Bitte.

Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir bitten um die Ablehnung dieses Entschließungsantrages aus einem ganz einfachen Grund: Unser Vorsitzender hat beschrieben, wie wir den Bericht der Enquete-Kommission gestaltet haben. Wir analysieren die Situation und geben Handlungsempfehlungen ab: mit Mehrheit, mit großem Konsens und andere als Minderheitsvoten. Es würde die Handlungsempfehlungen im Bericht relativieren, wenn Einzelne das, was sie im Plenum nicht durchbekommen haben, noch einmal als Entschließungsantrag einbringen würden.

Wir bitten deshalb um Ablehnung des Entschließungsantrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und auch um Ablehnung des Entschließungsantrages der Linksfraktion. Wir meinen, dass die Handlungsempfehlung im Bericht der Enquete-Kommission das ist, worauf wir uns als Entschließungs- und Handlungsanleitung verständigt haben – oder nicht. Deshalb sind diese Entschließungsanträge im Lichte des Berichtes der EnqueteKommission nicht hilfreich. Wir bitten nochmals um Ablehnung.

(Beifall bei der CDU)

Gibt es weiteren Diskussionsbedarf? – Frau Lay, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Rößler, es ist natürlich schade, dass die Konstruktivität und das Aufeinanderzugehen schnell wieder vorbei sind, sobald man sich im öffentlichen Raum der Plenardebatte befindet. Ich möchte eigentlich an der konstruktiven Kultur, die wir in der Enquete-Kommission gepflegt haben, festhalten und sagen, dass ich den Entschließungsantrag der GRÜNEN in sehr vielen Punkten als außerordentlich richtig erachte. Das gilt vollständig für die Punkte, die Sie in I und III formulieren. Es gilt auch für 14 der 16 Punkte, die Sie im Abschnitt II formuliert haben. Aber Sie wissen, dass wir in der Enquete-Kommission genau in den beiden verbleibenden Punkten einen Dissenz hatten. Das betrifft die Frage der Umstellung auf das Leitbild der Subjektförderung als Zielstellung der Förderpolitik.

Das ist uns zu undifferenziert. Ich glaube, dass das für die verschiedenen Förderbereiche anders gesehen werden muss. In der Arbeitsmarktpolitik argumentieren wir seit Jahren das Gegenteil. Hier sagen wir, anstatt dauernd Einzelne durch ABM-Maßnahmen, Ein-Euro-Jobs etc. zu fördern, wäre es sinnvoller, Gelder in die Schaffung von Arbeitsplätzen und deren Strukturen zu stecken. Deshalb ist uns das zu grob gesprochen. Wir hatten es in der Debatte schon angesprochen.

Auch Ihrer Interpretation des Leitbildes der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse können wir so nicht folgen. In vielen anderen Punkten besteht Einigkeit. Es wäre aber

schön gewesen, wenn sich die CDU hätte überwinden können, dem auch zuzustimmen.

Frau Präsidentin! Auch vor dem Hintergrund, dass DIE LINKE noch einen eigenen Entschließungsantrag einbringen wird, bitte ich um Einzelabstimmung über die Punkte I, II und III.

Gibt es weiteren Diskussionsbedarf dazu? – Das ist nicht der Fall. Ich frage noch einmal die Fraktion DIE LINKE: Stimmen Sie der punktweisen Abstimmung zu? – In Ordnung.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf den Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 4/14472, und bitte bei Zustimmung zu Punkt I um Ihr Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Bei Stimmen dafür und Stimmenthaltungen ist Punkt I mehrheitlich abgelehnt.

Ich lasse über Punkt II abstimmen. Wer stimmt zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Bei Stimmen dafür und Stimmenthaltungen ist Punkt II mehrheitlich abgelehnt.

Ich rufe Punkt III auf. Wer stimmt zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Bei Stimmen dafür und Stimmenthaltungen ist auch Punkt III nicht zugestimmt worden.