Protokoll der Sitzung vom 22.01.2009

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Antrag will die FDP-Fraktion von der Staatsregierung wissen, wie sich die Einnahmen des Landes, der Landkreise und der Gemeinden durch Verwarnungs- und Bußgelder für Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten von 2005 bis 2007 entwickelt haben. Dieser Teil der Frage wurde mit der Antwort auf die Kleine Anfrage von Herrn Martens hinreichend beantwortet und kann demzufolge im Antrag entfallen.

Erstens. Nimmt man die Entwicklungstendenz der Bußgeldeinnahmen für die drei Großstädte Sachsens in Augenschein, stellt man fest, dass Leipzig zwar in absoluten Zahlen an der Spitze der Großstädte steht, dass aber seit 2005 die Einnahmen aus Geldbußen in Leipzig im Unterschied zu Dresden und Chemnitz, wo sie tendenziell gestiegen sind, systematisch zurückgehen.

(Sven Morlok, FDP, tritt ans Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Im Moment nicht.

Insofern ist die von dpa verbreitete Mitteilung in der „LVZ“ vom 19. Januar 2009 eine klassische Fehlmeldung. Darin heißt es, die Erlöse aus Bußgeldern seien in Leipzig im Jahr 2008 um 400 000 Euro auf nunmehr rund 10,1 Millionen Euro gestiegen. Das ist nach den Angaben der Staatsregierung schlicht falsch. Vielmehr sind die Einnahmen aus Bußgeldern in der Stadt Leipzig von 11,38 Millionen Euro im Jahr 2005 auf 10,1 Millionen Euro im Jahr 2008 deutlich abgesunken. Ist das nun böswillige Absicht, Leipzig schlechtzureden, oder ein einfaches Versehen von dpa?

Hinzu kommt, dass der abstrakte Vergleich zwischen den Großstädten und den Landkreisen, nach dem Sie, Herr Morlok, fragen, eben auch hinkt. Es werden weder verschiedene Bevölkerungszahlen noch Autobesitzerzahlen genannt, noch wird die Wohndichte pro Quadratkilometer

in Anschlag gebracht. Insofern sind die absoluten Zahlen nur bedingt vergleichbar; denn bei Bußgeldern für Falschparken müssen schon die Struktur und die Wohndichte einer Stadt mit in Anschlag gebracht werden.

Zweitens wollen Sie nun wissen, mit welchen jährlichen Mehreinnahmen das Land Sachsen, die Landkreise und die Gemeinden aufgrund der Änderung des Bußgeldkatalogs im Jahr 2009 rechnen können, obwohl die Bußgelderhöhungen erst ab Februar 2009 in Kraft treten. Mithin können auch keine empirischen Daten vorliegen, die Ihre Neugier befriedigen. Also, wir sollten schon das Jahr 2009 abwarten. – So viel zur Seriosität des Antrages und zur Fragestellung der FDP-Fraktion.

Drittens begehren Sie, dass die künftigen Einnahmen aus Geldbußen beim Land, bei den Landkreisen und den Gemeinden nicht mehr in den allgemeinen Haushalt eingestellt, sondern eben zweckgebunden für die Verkehrssicherheit ausgegeben werden sollen. Was die Einnahmen des Landes angeht, hätten Sie im Zusammenhang mit der Haushaltsberatung eine gute Gelegenheit gehabt, mit uns Abgeordneten darüber zu debattieren, wofür die Einnahmen, die nämlich tatsächlich in den allgemeinen Verkehrshaushalt eingestellt worden sind, am besten ausgegeben werden können. Aber von Ihrer Seite, von der FDP, habe ich diesbezüglich keine Verlautbarung gehört.

Was nun aber die Landkreise und Gemeinden anbelangt, gehen Sie so weit, dass von Landesseite aus in die kommunale Selbstverwaltung der Landkreise und Städte eingegriffen werden soll, und das kann doch wohl nicht Ihr tatsächliches Ansinnen sein! Insofern wäre Ihre Rede im Stadtrat von Leipzig angebracht. Dort können Sie sich auf Teufel komm raus mit den anderen Fraktionen darüber streiten, für welche Zwecke die Bußgelder am besten verwendet werden können. Aber hier ist einfach nicht der richtige Ort dafür.

Frau Dr. Runge, wie steht es jetzt mit einer Zwischenfrage?

Immer noch nicht. – Die FDP will weiter wissen, welche Handlungsschwerpunkte zur Verkehrssicherheit in Sachsen bestehen? Nun gut, Herr Verkehrsminister, dazu können Sie heute vielleicht noch etwas aufklären, obwohl Sie uns im Ausschuss bereits teilweise zum Thema „Ausweitung des Überholverbotes von Lkws auf zweispurigen Autobahnen“ erst kürzlich unterrichtet haben. Der Antrag der FDP-Fraktion zeugt von wenig Seriosität, von Schlampigkeit,

(Tino Günther, FDP: Gar nicht wahr!)

von der Neigung zu populistischen Themen unter dem Stichwort Abzockerei und will in die Selbstverwaltung der Kommunen eingreifen.

(Dr. Jürgen Martens, FDP: Bußgeldkatalog!)

Aus diesen Gründen ist es uns einfach nicht möglich, Ihrem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Thomas Colditz, CDU)

Danke schön. – Die SPD-Fraktion; Herr Pecher, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag ist ein typischer FDPAntrag. Er ist irrational, irreführend und populistisch, oder auch ganz einfach wie die FDP: falsch, dumm und populistisch.

(Stefan Brangs, SPD: Ah!)

Ich möchte dies anhand von drei Argumentationslinien nachweisen. Der Antrag verdreht bewusst Ursache und Wirkung. Er gibt Tätern das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden. Liest man die Überschrift Ihres Antrages, könnte man glatt vergessen, dass einem verhängten Bußgeldbescheid ein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung vorausgegangen ist,

(Tino Günther, FDP: Da brauchen wir die Todesstrafe!)

und mein Mitleid mit zum Beispiel einem alkoholisierten Autofahrer hält sich jedenfalls in Grenzen. Mir persönlich wäre es lieber, wenn Betrunkene nicht am Straßenverkehr teilnehmen würden und damit auch keine Menschenleben gefährden.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Mein Mitleid mit Rasern, Dränglern oder Parkern auf Behindertenparkplätzen oder einfach nur denen, die wegen Faulheit auf dem Fußweg vor irgendeinem Laden parken, hält sich genauso in Grenzen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Aber offensichtlich mausert sich Ihre Partei nun zum Rächer der rücksichtslosen, unbelehrbaren oder einfach nur bequemen, ja faulen Straßenverkehrssünder, und das ist nicht die Mehrheit der Teilnehmer am Straßenverkehr.

Ein zweites Stichwort, das Sie nannten: Haushaltssanierung, Löcher stopfen.

Erstens wollen die Kollegen der FDP künftig ernsthaft über die Verwendung der kommunalen Einnahmen bestimmen. Ich weiß zwar nicht, was zum Beispiel Ihr Parteikollege Herr Günther aus Crimmitschau dazu sagen würde; ich kann mich darüber nur wundern, und Sie wissen auch, dass es nicht geht. Aber was heißt denn „keine Haushaltssanierung“ oder „keine Löcher stopfen“? Reden wir doch mal Klartext. Wenn wir die Pflichtaufgaben in den Kommunen abziehen, dann sind wir doch im Bereich der freiwilligen Leistungen. Ihre Aussage heißt demnach schlicht, am Beispiel von Zwickau festgemacht: keine kommunale Vereins- und Sportstättenförderung, weil freiwillig; keine kostenlose Schülerbeförderung, weil freiwillig; keine Schulbudgets zur Entlastung der Eltern von Lernmittelkäufen, kein kostenloses Essen im Kita

Bereich, kein zusätzliches kostenloses Kita-Jahr, kein Sozialpass, keine Zuschüsse für Kunst, Kultur und Theater, weil freiwillige Leistung.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Jedes Knöllchen zur Finanzierung in diesem Bereich ist letztendlich ein gutes Knöllchen, ein sehr gutes Knöllchen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: … und jeder Verstoß eine gute Tat!)

Ich möchte noch einen zweiten Aspekt in die Waagschale werfen: Was ist denn mit den Vorhaltekosten der Kommunen für Rettungsdienst, für Leitstellen und die Feuerwehr, die dann die Verkehrschaoten aus den Leitplanken schneiden oder vom Lichtmast kratzen kann?

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Einen dritten Aspekt möchte ich nennen: Sie suggerieren mit dem Antrag, dass die Kommunen und der Freistaat nicht genug für die Verkehrssicherheit und zur Erhaltung der kommunalen Straßen tun. Ja, Sie suggerieren sogar, in Sachsen seien die Straßen marode.

(Widerspruch des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Hallo?! Die sächsischen Kommunen haben mit diesem Doppelhaushalt so viel für den kommunalen Straßenbau getan wie seit Langem nicht mehr. In Summe stellt der Freistaat für den Bereich Straßenbau 500 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Dazu kommen die Eigenanteile der Kommunen. Nun erklären Sie einmal Ihren westdeutschen Kollegen, die diese Aufbauleistung hier mitfinanzieren, dass es in Sachsen nur marode Straße gebe! Das ist doch blanker Unfug!

(Tino Günther, FDP: Das machen wir schon, keine Angst!)

Sie beschimpfen und diskreditieren die Solidar- und Aufbauleistungen der Menschen in ganz Deutschland und insbesondere derjenigen im Osten mit diesem Antrag auf übelste Art und Weise.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Jetzt tobt der Kampf um die Koalition! – Heiterkeit bei der FDP)

Zum Abschluss: Folgt man Ihrer Argumentation, ist dann die Verurteilung vor unseren Gerichten zu Geldstrafen oder gemeinnütziger Arbeit Abzocke? Ist die Bereitstellung dieser Mittel an soziale Vereine und Institutionen dann auch das Stopfen von Haushaltslöchern? Kommt dazu dann auch noch ein Antrag von Ihnen? Ich hoffe ganz stark, dass Sie uns in Zukunft mit diesem Blödsinn verschonen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und des Staatsministers Thomas Jurk)

Die NPD-Fraktion; Herr Petzold, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Zustimmung des Bundesrates zum neuen Straßenverkehrsgesetz tritt nun ab Februar der neue Bußgeldkatalog in Kraft. Mit der Erhöhung mancher Bußgelder um zum Teil das Doppelte handelt es sich um die bisher schärfste und umfassendste Bußgelderhöhung. Als Grund dafür wurden die gestiegenen Unfallzahlen, insbesondere die von tödlichen Unfällen, genannt, die dadurch gesenkt werden sollen.

Im Jahr 2007 verunglückten aufgrund zu schnellen Fahrens fast 2 000 Menschen tödlich. Das Fahren unter Alkoholeinwirkung kostete 565 Menschen das Leben. Vergleiche mit Staaten mit einer besseren Unfallbilanz zeigen, dass dort erheblich höhere Geldsanktionen vorgesehen sind. Insofern sind höhere Bußgelder für diejenigen Bereiche, die eindeutig als Hauptunfallursachen gelten, auch für die NPD-Fraktion nachvollziehbar.

Dennoch lassen gewisse Relationen des neuen Bußgeldkataloges nachvollziehbares Augenmaß vermissen. Ich möchte hierfür vergleichend folgende zwei Beispiele anführen: Das Überfahren einer Ampel bei „Spätgelb“ wird selbst ohne Entstehung einer Gefährdungssituation mit 90 Euro geahndet, aber das Missachten der Vorfahrt kostet ebenfalls nur 100 Euro. Oder ein zu geringer Sicherheitsabstand bei einer Geschwindigkeit von mehr als 130 km/h kann 600 Euro Strafe, vier Punkte in der Verkehrssünderdatei und drei Monate Fahrverbot nach sich ziehen, während das Organisieren illegaler Autorennen mit gerade einmal 500 Euro zu Buche schlägt.

Positiv zu bewerten ist, dass Bußgelder auch gegen EUAusländer zu vollstrecken sind. Aber der vorliegende Antrag zielt einerseits auf eine sächsische Datenerhebung ab, die als Diskussionsgrundlage dienen soll, das zweite Antragsziel sicherzustellen, dass nämlich die Einnahmen aus der Straßenverkehrsordnungswidrigkeit ausgabenseitig wieder in die Verkehrssicherheit zurückfließen.

(Tino Günther, FDP, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)