Protokoll der Sitzung vom 22.01.2009

(Tino Günther, FDP, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Herr Petzold, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage.

Das findet die ausdrückliche Zustimmung der NPDFraktion. Es ist grundsätzlich ein Missverhältnis, dass in der BRD etwa nur ein Drittel der Kfz- und verkehrsbezogenen Einnahmen wieder in den Verkehr zurückfließt und der überwiegende Teil in den Weiten der Haushaltsmittel versickert.

Die geforderten Auskünfte der Staatsregierung mögen auch insofern zu einer parlamentarischen Kontrolle führen, als nicht bei gleichzeitigem Rückgang der Unfall- und Todeszahlen dennoch eine unangemessene Bürgerbe

lastung durch eine übertriebene Kontrolldichte zum Zwecke der Haushaltssanierung herbeigeführt wird.

In diesem Sinne schließt sich die NPD-Fraktion dem im vorliegenden Berichtsantrag zum Ausdruck kommenden Auskunftsverlangen an und erteilt ihre Zustimmung.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Wer spricht für die GRÜNEN? – Der angekündigte Redner scheint nicht da zu sein. – Herr Dr. Gerstenberg springt in die Bresche.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir als GRÜNE möchten, dass die Mittel für Verkehrssicherheit zumindest verstetigt und wenn möglich erhöht werden. Vor dieser Aufgabe stünden wir übrigens auch, wenn die Bußgelder nicht erhöht worden wären. Mit dem ziemlich populistisch daherkommenden Antrag der FDP haben wir dennoch einige Probleme.

Sie wissen natürlich genau wie ich, meine Dame und meine Herren von der FDP, dass im Sinne des Haushaltsrechts die Bußgelder in den allgemeinen Haushalt einfließen und keine Zweckbestimmung möglich ist. Deshalb ist es ja Aufgabe von Haushaltsverhandlungen, die Ansätze für Ausgaben der Verkehrssicherheit im Landeshaushalt zu erhöhen. Ich habe aber keinen Änderungsantrag der FDP-Fraktion wahrgenommen, die beschlossenen 400 000 Euro nach oben zu setzen. Das wäre die sauberste Lösung gewesen, um dem Anliegen gerecht zu werden, und die jetzt umgesetzten Bußgelderhöhungen sind ja auch damals schon bekannt gewesen.

Ich habe deshalb auch meine Schwierigkeiten mit diesem Antrag, weil er den Bericht von Altbekanntem einfordert. Die Handlungsschwerpunkte der Verkehrssicherheit in Sachsen sind dem Verkehrssicherheitsprogramm des Freistaates aus dem – hören Sie! – Jahre 1993 zu entnehmen. Hätten Sie jetzt einen Antrag geschrieben, der eine Neuformulierung dieses etwas angestaubten Programms gefordert hätte, und hätten Sie das vielleicht sogar noch etwas mit eigenen Vorstellungen angereichert, in welche Richtung das gehen soll, dann hätten Sie uns möglicherweise voll auf Ihrer Seite gehabt.

Der Handlungsbedarf ist nämlich unstrittig. Pro Tag sterben 21 Menschen auf Deutschlands Straßen, rund 1 400 werden verletzt. Die Automobilität fordert einen Blutzoll wie keine andere menschengemachte Technik. 45 000 Menschen sterben pro Jahr auf Europas Straßen, und das in Friedenszeiten. Immer mehr Sicherheitsexperten wollen diesem Sterben ein Ende bereiten und arbeiten an einer Vision – „Vision Zero“ –: null Verkehrstote.

„Der Mensch muss sich anpassen. Der Verkehr ist so, wie er ist.“ So lautet die Prämisse herkömmlicher Verkehrssicherheitsarbeit. Trotz aller Erfolge dank Airbag, Tempolimit und Intensivmedizin ist dies aber auf lange Sicht ein Holzweg. Deshalb unterstützen wir eine Verkehrssicherheitsarbeit mit der „Vision Zero“. Nachhaltige Verkehrs

konzepte sorgen nicht nur für mehr Sicherheit, sondern schonen auch Umwelt und Klima. Mit wenigen Instrumenten ließen sich schon deutliche Verbesserungen erreichen. Tatsächlich aber verzichten wir weltweit als einzige Industrienation auf ein Tempolimit auf Autobahnen.

(Beifall bei der FDP – Tino Günther, FDP: Zum Glück, zum Glück!)

Dieser Beifall aus der FDP-Fraktion ist bezeichnend. Dabei sind überhöhte Geschwindigkeiten Unfallursache Nummer eins.

Eine höhere Verkehrssicherheit erhalten wir unter anderem durch Tempolimit, durch eine Null-Promille-Grenze, eine verbesserte Verkehrserziehung und eine höhere Priorität für den öffentlichen Verkehr oder Konzepte für Shared Space.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Aber, meine Dame und meine Herren von der FDP, auch strengere Kontrollen und höhere Strafen für verkehrswidriges Verhalten sind an sich schon Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und keine „Abzocke“ oder „Pflichtübung“, wie Herr Kollege Morlok Ende vergangenen Jahres laut einer dpa-Meldung nahelegte. Sie bemühen in diesem Zusammenhang auch wieder das Wort vom Autofahrer als „Melkkuh der Nation“. Hier sind Sie wieder ganz FDP, so wie wir Sie kennen.

Dabei ist es doch ganz einfach: Wer sich vorschriftsmäßig verhält, zahlt keine Bußgelder. Insofern kann man sich – anders etwa als bei der tatsächlichen Abzocke durch die Energiekonzerne – diesem Zugriff entziehen und gleichzeitig einen ganz eigenen und selbstbestimmten Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit leisten.

Ihr Antrag, liebe Kollegin und liebe Kollegen, ist bestenfalls gut gemeint, er richtet sicher auch keinen Schaden an. Aber wie so vieles von der FDP bleibt er an der Oberfläche.

Wir werden uns deshalb der Stimme enthalten.

(Beifall bei den GRÜNEN – Tino Günther, FDP: Knallhart!)

Meine Damen und Herren! Das war die Aussprache der Fraktionen. Jetzt spricht der Staatsminister des Innern; Herr Dr. Buttolo, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der FDP-Fraktion ist abzulehnen.

Mögliche Mehreinnahmen möchten Sie aus dem Bußgeld nicht in den allgemeinen Haushalt fließen lassen, sondern für Maßnahmen der Verkehrssicherheit einsetzen. Ich möchte es noch einmal deutlich sagen: Es gibt keine Einflussmöglichkeit der Staatsregierung auf die Verwendung möglicher Mehreinnahmen.

Bedenken Sie bitte, dass ein Grundsatz der Gesamtdeckung im kommunalen Haushalt der ist, dass alle Einnahmen grundsätzlich zur Finanzierung aller Ausgaben verwendet werden dürfen. Ausnahmen existieren nur dann, wenn eine Kommune von außen eine bestimmte Verwendung vorgeschrieben bekommt. Das kann durch ein Gesetz geschehen oder durch Auflagen des Geldgebers. Eine solche Zweckbindung besteht bei Einnahmen aus Bußgeldern nicht. Sie wäre ein gravierender Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung.

Die Finanzhoheit der Gemeinden und Landkreise findet vor allem in der Selbstbestimmung der Ausgabenpolitik ihren Ausdruck. Einschränkungen wären nur aus zwingenden sachlichen Gründen zulässig.

Wenn Sie, Herr Morlok, die Situation in der Stadt Leipzig beklagen und dabei selbst sagen, dass Sie Stadtrat sind – dann hätten Sie eben im Stadtrat dafür sprechen müssen, dass die eingenommenen Mittel so zu verwenden sind, wie es im Antrag formuliert wird.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion und der SPD – Volker Bandmann, CDU: Sehr richtig!)

Kommunen ist es grundsätzlich freigestellt, Einnahmen aus Bußgeldern natürlich zur Verbesserung der Verkehrssicherheit einzusetzen. Dies – ich möchte es nochmals betonen – ist aber eine Entscheidung der Kommune selbst. Sie hat die Verantwortung. Sie hat die Finanzhoheit.

Die Forderung im Antrag, Bußgeldeinnahmen nicht für Zwecke der Haushaltssanierung einzusetzen, kollidiert in der Tat mit der normalen Tätigkeit bei Haushaltssanierungen. Die Kommunen sind angehalten, die Einnahmen, die sie haben, wenn sie sich in der Haushaltskonsolidierung befinden, vordergründig tatsächlich für Konsolidierungsmaßnahmen zu verwenden.

Aufgrund der Abhängigkeit vom zukünftigen Verhalten der Verkehrsteilnehmer sind absolut keine Prognosen zu Mehreinnahmen aufgrund der Anhebung der Bußgeldregelsätze möglich.

Gestatten Sie mir an dieser Stelle noch eine Bemerkung. Im Jahr 2008 hatten wir bundesweit 4 600 Verkehrstote zu beklagen. Das Ziel der am 1. Februar in Kraft tretenden Neuregelung ist es, die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Wir müssen Maßnahmen einleiten, die dazu beitragen, der Empfehlung der Europäischen Union zu folgen und die Zahl der bei Verkehrsunfällen Getöteten, basierend auf den Zahlen des Jahres 2000, bis zum Jahr 2010 zu halbieren. Wir haben bis zum Jahr 2007, bezogen auf das Jahr 2000, lediglich einen Rückgang von 46,8 % zu verzeichnen.

Die Erwartung, dass die angehobenen Bußgeldregelsätze verkehrserzieherische Wirkung entfalten und sich die Verkehrsteilnehmer zunehmend normenkonform verhalten werden, halte ich für richtig. Ansonsten wäre über Bußgelder überhaupt keine Veränderung zu erzielen.

Soweit im Antrag gefordert wird zu berichten, welche Handlungsschwerpunkte bei der Verkehrssicherheit in Sachsen bestehen, Herr Morlok, möchte ich Sie auf die jährliche Veröffentlichung unserer Verkehrsunfallstatistik hinweisen. Dort können Sie in der Tat feststellen, wo die Handlungsschwerpunkte liegen.

Ich möchte aus diesen Gründen dem Parlament empfehlen, den Antrag abzulehnen, denn die Punkte gehen ins Leere.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Danke schön. – Gibt es daraufhin noch einmal den Wunsch nach einer allgemeinen Aussprache? – Das kann ich nicht sehen. Dann kommen wir zum Schlusswort. Herr Morlok, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Staatsminister Dr. Buttolo, Sie haben den Sachverhalt eben ganz ruhig und sachlich dargestellt und erklärt, wie sich das hinsichtlich der Regelungen der kommunalen Haushalte verhält. Ich nehme Ihnen auch ab, dass Sie den Sachverhalt verstanden haben. Vielleicht nutzen Sie aber die Gelegenheit, weil Herr Jurk gerade neben Ihnen sitzt, dass Sie es ihm einmal erklären. Herr Jurk hat es offensichtlich nicht verstanden. Wie sonst könnte er denn im Rahmen der Verkehrsministerkonferenz verlautbart haben, dass eben genau das, nämlich die Zweckbindung, das Einsetzen dieser Mittel für Verkehrssicherheitsmaßnahmen, gefordert wird?

(Christian Piwarz, CDU: Als Empfehlung, Herr Morlok!)

Genau, Herr Piwarz. – Sie kritisieren uns wegen unserer Pressearbeit. Wenn aber ein Minister, obwohl er weiß, dass eine Zweckbindung besteht, lauthals verkündet und fordert, die Mittel für die Verkehrssicherheit einzusetzen, um diese Gebühren zu verbrämen, um das in einem besseren Licht erscheinen zu lassen, dann nenne ich das Populismus.

(Beifall bei der FDP – Staatsminister Thomas Jurk: Ach du meine Güte! – Mario Pecher, SPD: Es geht um Bußgelder, nicht um Gebühren!)

Das Gleiche gilt für Kollegen Tiefensee. Sie wissen es genau, erwecken aber in der Öffentlichkeit einen anderen Eindruck.

Herr Kollege Pecher, ich kann verstehen, dass Sie sich hier so aufblasen.

(Zurufe der Abg. Mario Pecher und Dr. Gisela Schwarz, SPD)

Wenn ich in der Situation wäre, dass eine andere Partei am letzten Wochenende 7 % gewonnen, während die eigene Partei 13 % verloren hat, dann kann ich verstehen, Herr Kollege Pecher, dass die Nerven etwas blank liegen.

(Beifall bei der FDP – Widerspruch bei der SPD – Christian Piwarz, CDU: Mit solchen Anträgen schaffen Sie das in Sachsen nicht noch mal!)