Protokoll der Sitzung vom 22.01.2009

Herr Günther, ist Ihnen aufgefallen, dass der Minister in besagter Sondersitzung des Ausschusses und in der darauffolgenden regulären Sitzung sehr wohl zugeben musste, dass es offenbar Verschiebungen von Müll gibt, die nicht ausreichend deklariert sind, und dass das wohl rechtswidrig ist?

Welche Sondersitzung meinen Sie? Meinen Sie die, aus der Herr Lichdi davongerannt ist?

Ich möchte von Ihnen die Frage gern inhaltlich beantwortet bekommen!)

Sehr geehrte Frau GüntherSchmidt! Wir hatten zwei Sondersitzungen des Ausschusses. War es die erste oder die zweite?

Es geht zum Beispiel um die Verschiebung nach Sachsen-Anhalt ohne entsprechende Notifizierung. Ist das legal oder illegal gewesen? Was hat der Minister dazu gesagt?

Danach wird noch geforscht.

Das scheint gut überwacht zu sein! Danke.

Das Ergebnis werden wir irgendwann hören.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist gut, dass wir uns mit diesem Thema auseinandersetzen, aber bitte auch sachlich. Für mich ist der Abfallbereich ein gutes Beispiel für den Einklang von ökonomischem und ökologischem Denken. Dies spiegelt sich in einem ausgeprägten Kosten- und Umweltbewusstsein wider. Die Sensibilisierung und die Bewusstseinsbildung sind bei den Bürgerinnen und Bürgern und bei den Behörden sowie den Anlagenbetreibern gerade in diesem Bereich sehr wichtig, und sie funktionieren. Aber auch die anlagetechnischen Abläufe, die Abfallströme und Entsorgungswege werden durch die Behörden gut erfasst. Pauschale Unterstellungen beschädigen die Verwertungsbranche, nicht die angeblichen Versäumnisse und Schwächen in der Praxis. Abfälle

müssen und sollten als Ressourcen verstanden werden, deren energetische Verwertung weiterentwickelt und deren stoffliche Verwertung ausgebaut werden muss, um der hohen Nachfrage am internationalen Rohstoffmarkt zu begegnen. Um in Sachsen nach wie vor eine schnelle, unkomplizierte und materialgerechte Abfallentsorgung zu gewährleisten, sollten folgende Ziele im Abfallgeschäft im Fokus bleiben:

Erstens. Eine weitere Deregulierung und ein Abbau von unnötigen Regelungen.

Zweitens. Anwenderfreundlichkeit mit praxisnahen Neuregelungen.

Drittens. Eine Berücksichtigung von wirtschaftlichen Interessen.

Viertens. Erweiterung der kommunalen Spielräume durch weitere Aufgabenübertragung von den Landkreisen an die Kommunen.

Doch in einem Punkt, sehr geehrte Abgeordnete der Linksfraktion, gebe ich Ihnen recht. Eine Sache gefällt mir auch nicht, und zwar, dass die Staatsregierung die 1999 gebotene Änderung im Abfallrecht hinsichtlich der Verwertung und Lagerung von asbesthaltigen Abfällen erst 2006 angepasst hat. Diese Art Abfälle hätten tatsächlich trotz aller rechtlichen Schwierigkeiten nicht mehr in dem Tagebau Dresden-Lockwitz eingebaut werden dürfen. Aber die restlichen Schlussfolgerungen in Ihrem Entschließungsantrag finden wir grundfalsch und deshalb lehnen wir den Entschließungsantrag dann auch ab.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion GRÜNE Herr Lichdi, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema „Praxis und Überwachung der Entsorgung von Abfällen“ ist sehr wichtig, gerade auch, weil die Staatsregierung hier keine Probleme erkennen mag.

Als Kontrast, wie die sächsische Abfallwirtschaft im bundesweiten Rahmen gesehen wird, möchte ich nur einmal das Wirtschafts- und Finanzmagazin „Kapital“ zitieren. Dort heißt es: „Die neuen Länder verkommen zu einem gigantischen Müllklo, weil windige Geschäftemacher in den rechtlichen Grauzonen operieren, die Aufsichtsbehörden wegschauen und der Bundesumweltminister diese Zustände schönredet.“

Sie werden nun möglicherweise behaupten, das gelte vielleicht für Sachsen-Anhalt oder Brandenburg, aber keinesfalls für das Musterland Sachsen. Doch glauben können wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das nicht mehr, denn Sachsens Behörden haben Müllimporte als Beispiel offensichtlich nicht im Griff. Das kann ich Ihnen anhand der Müllimporte aus Kampanien nach Sachsen durchaus auch beweisen.

Schon zu Beginn des Jahres 2008 stellte meine Fraktion im Plenum und im Umweltausschuss Fragen zu Gefahren, die durch die Müllimporte aus Kampanien entstehen könnten, denn schon damals berichteten Medien, dass sich Teile der Abfallwirtschaft der Region Neapel in den Händen der Camorrha befänden. Aber Umweltminister Wöller beruhigte, Sachsen habe die Abfallströme unter Kontrolle. Nach seinen Aussagen sei die italienische Staatstransportfirma Ecolog ein Garant für die richtige Deklaration der Abfälle und die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen. Leider informierte er das Hohe Haus aber nur über einen Teil der Haushaltsabfälle aus Kampanien.

Ein Außenstehender hätte nun erwartet, dass nach den Anfragen die Alarmglocken im Ministerium läuteten und die Überwachung besonders sorgfältig vorgenommen werden würde, schon um der misslichen Opposition keinen Anlass zu weiteren Nachfragen zu bieten. Doch leider weit gefehlt. Dem war mitnichten so.

Ich weiß nicht, wie man das Verhalten im sächsischen Umweltministerium nennen soll. Ist es eingeschliffene Machtarroganz oder totale Unfähigkeit? Ich tendiere zur ersten Interpretation.

Meine Damen und Herren! Ich möchte das Hohe Haus an dem derzeitigen öffentlichen Erkenntnisstand der Hausmüllimporte aus Italien teilhaben lassen.

Erstens. Umweltminister Wöller informierte das Hohe Haus nur über einen Teil des nach Sachsen importierten Hausmülls aus Kampanien. Keine Auskünfte erteilte er zu zwei Notifizierungen mit der Schlüsselnummer 19 05 01 über zusätzliche 150 000 Tonnen aus Kampanien. Gerade diese Lieferungen sind es, die im Visier der italienischen Staatsanwaltschaft stehen und nun auch Ermittlungsgegenstand der Staatsanwaltschaft Leipzig wie auch der Generalstaatsanwaltschaft in Dresden sind. Zufall oder Absicht?, fragt sich hier jeder unbefangene Beobachter.

Zweitens. Die Staatsfirma Ecolog war nicht, wie von Ihrem Amtsvorgänger, Herr Kupfer, nämlich dem damaligen Minister Wöller, behauptet, ein sicherer Garant für einen sicheren Transport von Müll nach Sachsen. Nach Berichten von „MDR exakt“ vom 25. November des letzten Jahres haben die italienischen Behörden verantwortliche Manager dieser Staatsfirma mittlerweile wegen krimineller Machenschaften in Haft genommen. Das Nachrichtenmagazin berichtete ebenfalls davon, dass ein Müllzug mit dem Ziel Cröbern von italienischen Behörden zurückgehalten wurde, denn dem Hausmüll waren toxische Industrieabfälle und schwach radioaktive Substanzen untergemischt.

Drittens. In den Müllcontainern, die im Entsorgungsstandort Cröbern ankamen, war auch schwach radioaktiver Müll enthalten. Aber der gehört nun unstrittig nicht dorthin, auch wenn der Kollege Günther gerade versucht hat, diesen Sachverhalt ins Lächerliche zu ziehen.

Dieser wurde in der MBA in Cröbern von Menschen behandelt. Ich bin schon der Auffassung, dass selbst

schwach radioaktiver Abfall nicht in Berührung mit Menschen kommen sollte, die dadurch möglicherweise in ihrer Gesundheit gefährdet werden könnten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Weiter ging die Reise der schwach verstrahlten Abfälle nach Radefeld in eine Anlage der Kreiswerke Delitzsch. Auch hier bemerkte man die Verstrahlung nicht. Erst im Industriekraftwerk in Rüdersdorf in Brandenburg wurde die Strahlenbelastung bemerkt.

Meine Damen und Herren! Es tröstet mich wirklich wenig, dass die Strahlenbelastung zum Glück offenbar sehr gering war.

Viertens. Die der Kenntnis des Hohen Hauses vorenthaltenen Hausmüllmengen aus Kampanien mit der Notifizierung 19 05 01 und dem Ziel WEV Cröbern wurden nach aktueller Datenlage größtenteils überhaupt nicht in Sachsen behandelt.

Herr Lichdi, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ohne Genehmigung wurden über 106 000 Tonnen italienischen Mülls in eine Müllbehandlungsanlage in Deuben bei Zeitz weiter verschoben. Wohlgemerkt, der Sinn und Zweck einer Notifizierung nach europäischem Abfallrecht ist es gerade, Endverbleibsort und Abfallbehandlungsart verbindlich und kontrollierbar festzulegen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ein Weiterimport ist schlicht und ergreifend unzulässig. – Ja, bitte.

Bitte.

Vielen Dank. Meine Frage bezieht sich auf einige vorherige Satztendenzen von Ihnen. Ich wollte Sie noch einmal fragen, ob Sie mir zustimmen, dass es so ist, dass nach der Strahlenschutzverordnung des Bundes gar keine Forderung besteht, an Abfallbehandlungsanlagen entsprechende Kontrollen durchzuführen, sodass also die von Ihnen geäußerten Verdachtsmomente für die dort Beschäftigten letztlich gar keine gesetzliche Grundlage haben, aber bei energetischen Verwertungen sehr wohl eine solche Prüfung stattfindet und deswegen in Rüdersdorf auch diese geringfügigen und niedrigstrahlenden Substanzen gefunden wurden.

Wir können also nicht davon ausgehen, dass hier ein Versäumnis vorliegt. Deswegen meine Frage, ob Sie – und ich zitiere letztlich aus der Antwort des Ministers zu Ihrer eigenen Frage 22 – das akzeptieren.

Herr Kollege Mannsfeld, ich akzeptiere, dass die Darstellung Ihrer Rechtslage richtig ist. Allerdings weiß ich nicht, ob es die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Cröbern tatsächlich beruhigt. Denn der

Fakt, um den es geht, ist, dass Müll, Bestandteile von Müll, nämlich hier radioaktiv verstrahlter Müll, so gering es auch war, wie sich nachher herausgestellt hat, schlicht und ergreifend nicht in diese Tranche hineingehört. Genau das ist der Fakt, um den es geht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion)

Der Umstand, dass sich im Nachhinein herausgestellt hat, dass es offensichtlich nicht gesundheitsgefährlich war, ist wirklich ein Glück, aber keinesfalls Verdienst der Aufsichtsbehörden, die diesen Transport notifiziert haben, und offensichtlich auch nicht der Erfolg der Ecolog-Firma und auch nicht der Erfolg der Behörden, der deutschen Zollbehörden oder anderer Behörden, deren Aufgabe es eben gewesen wäre, entsprechende Gefährdungen auszuschließen.

Darf ich noch eine Nachfrage stellen, wenn der Abgeordnete gestattet?

Dann würde ich gern noch von Ihnen wissen, ob Sie mir zustimmen, dass im Sinne der deutschen Rechtslage kein Versäumnis auf sächsischem Gebiet dabei vorliegt, sondern – sage ich mal – beim Exportland Italien, das es zugelassen hat, dass dort solche Abfälle untergemischt werden; oder ob Sie das dann auch anders sehen.

Nach bisherigem Erkenntnisstand scheint es so zu sein, dass auf jeden Fall Versäumnisse auf italienischer Seite vorliegen. Ob deshalb damit keine Versäumnisse auf deutscher Seite vorliegen, ist für mich noch ungeklärt. Denn wir haben auch Hinweise, dass beispielsweise durch den österreichischen Zoll deutsche Behörden tatsächlich vorgewarnt wurden. Die sächsischen Behörden sind insbesondere aufgrund ihrer Notifizierungstätigkeit und ihrer allgemeinen Überwachungstätigkeit wenigstens nach meinem Verständnis gehalten, dafür zu sorgen, dass solche Gefährdungen schon im Ansatz nicht entstehen können.

Fünftens. In Deuben bei Zeitz, Sachsen-Anhalt, erlebte der Müll – wohlgemerkt in Sachsen-Anhalt, nicht in Sachsen – dann eine zauberhafte stoffliche Verwandlung. Aus den 106 000 Tonnen 19 05 01, nämlich nicht kompostierbare Fraktion von Siedlungs- und ähnlichen Abfällen, entstanden unter anderem 48 000 Tonnen Abfälle mit der Schlüsselnummer 19 12 09. Das sind Mineralien. Der Umweltminister hat diesen nun wirklich erklärungsbedürftigen und wundersamen Vorgang in der Sondersitzung des Umweltausschusses am 5. Januar eingeräumt, konnte aber auch keine schlüssige Erklärung für die stoffliche Wandlung des Hausmülls in mineralischen Müll geben.

Wir fragen uns: Was wurde tatsächlich aus Italien nach Cröbern und Deuben geliefert? Vielleicht doch kein Hausmüll der Abfallschlüsselnummer 19 05 01? Das sind