Protokoll der Sitzung vom 22.01.2009

Wir fragen uns: Was wurde tatsächlich aus Italien nach Cröbern und Deuben geliefert? Vielleicht doch kein Hausmüll der Abfallschlüsselnummer 19 05 01? Das sind

erklärungsbedürftige Vorgänge, die der Minister nicht aufklärt.

Sechstens. Als weitere Zieldestination des Cröberner Italienmülls wurde auch die Deponie Zeuchfeld bei Freyburg, wiederum Sachsen-Anhalt, angegeben. Insidern mag jetzt sicher ein Licht aufgehen. Es handelt sich um die skandalumwobene Müllhalde in Sachsen-Anhalt, die sich im Visier der dortigen Müllfahnder befindet. Hier wurden im Frühjahr 2008 nach Angaben von „Frontal 21“ große Mengen einer heizwertreichen Fraktion endgelagert. Siehe da: Auch unbehandelter Hausmüll aus Italien mit aktuellen Verfallsdaten wurde dort aufgefunden.

Mittlerweile fragen sich auch die Menschen in SachsenAnhalt, was ihnen da aus Sachsen vor die Haustür gekippt wird. Nach Aussage des Sprechers des sachsen-anhaltischen Umweltministeriums in der „Mitteldeutschen Zeitung“ vom 7. Januar 2008 gibt es keine Genehmigung für die Weiterverarbeitung des Italienmülls aus Sachsen in Sachsen-Anhalt. Zudem äußerte er sich verwundert, dass Sachsen auf die Anfragen aus Magdeburg nicht antwortet.

(Zuruf des Staatsministers Frank Kupfer)

Ich weiß nicht, ob das Käse ist. Setzen Sie sich mit Ihrem Kollegen aus Magdeburg auseinander.

(Zuruf des Staatsministers Frank Kupfer)

Ja, ja.

(Staatsministers Frank Kupfer: Das wissen Sie auch!)

Nein, das weiß ich nicht. Dazu haben Sie keine Auskünfte gegeben; ach ja.

Soll ich es Zufall, Schlendrian oder Verschleierung nennen, dass die Notifizierungsbescheinigung gerade über die 50 000 Tonnen Müll, die in Neapel Gegenstand der Ermittlungen sind, in der Sondersitzung des Umweltausschusses am 5. Januar zufällig nicht aufzufinden war?

Diese Notifizierungsbescheinigung ist den Mitgliedern des Umweltausschusses bis zum heutigen Tag nicht übergeben worden. Ich habe vor ungefähr einer Viertelstunde gehört, dass jetzt angekündigt worden sei, dass uns diese Notifizierungsbescheinigung in den nächsten Tagen per Post zugehen soll.

(Staatsminister Frank Kupfer: So wird es sein!)

Wunderbar, da bin ich sehr gespannt. Ich frage mich, warum sie nicht schon lange vorliegt.

Die Notifizierung von Abfällen aus dem Ausland obliegt sachsenweit der Landesdirektion Dresden. Nach unserem Verständnis müssten die genehmigten Notifizierungen dann umgehend an die Kontrollbehörden der verschiedenen Landesdirektionen weitergeleitet werden. So könnten diese auch die ordnungsgemäße Verarbeitung der notifizierten Abfalllieferungen kontrollieren.

Die Ausführungen der Staatsregierung am 5. Januar verstärkten unsere Befürchtungen, dass die erteilten Notifizierungen lediglich abgeheftet und nur unzurei

chende oder gar keine Informationen an die Kontrollbehörden weitergeleitet wurden.

Unklar bleibt weiterhin, warum die Sächsische Staatsregierung so spät von den Unregelmäßigkeiten beim Import von italienischem Hausmüll erfahren haben will und nicht eher reagierte. Spätestens, als sich im Mai 2008 ein Journalist im SMUL zu den Vorgängen meldete, hätte das Ministerium doch aktiv werden müssen. Doch weit gefehlt. Erst die Medienberichterstattung von „Frontal 21“ am 18. November des letzten Jahres hat das Ministerium zu ebenso hektischen wie ergebnislosen Erklärungsversuchen veranlasst.

Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen hier am Beispiel der Hausmüllimporte aus Kampanien nach Sachsen aufgezeigt, wie die Genehmigung und die Überwachung von Abfallimporten in Sachsen derzeit tatsächlich funktionieren. Zusammenfassend kann ich nur feststellen: Herr Staatsminister, es existiert dabei wirklich eine wahnsinnig große Kluft zwischen Theorie und Praxis der Staatsregierung.

Meine Damen und Herren! Meine Kollegin GüntherSchmidt wird Ihnen in einem zweiten Beitrag noch weitere Dinge ins Stammbuch schreiben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion)

Das war die erste Runde der Aussprache. Ich frage jetzt noch einmal ab: Möchte die Linksfraktion im Moment sprechen? – Frau Abg. Roth, bitte.

Ja, den Entschließungsantrag bringe ich nachher noch ein. Jetzt nur kurz zu den Unterstellungen, dass wir mit der Großen Anfrage die Abfallwirtschaft skandalisieren wollen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Unerhört!)

Ich wiederhole mich, aber Wiederholung ist ja die Mutter der Weisheit.

Wir wollen, dass die Möglichkeiten illegaler Abfallablagerung, illegaler Abfallentsorgung Schritt für Schritt mit dem Ziel begrenzt werden, sie zukünftig ganz zu unterbinden.

Wir wollen, dass der Landtag und die Bürgerinnen und Bürger über die schwarzen Schafe, wie Sie sie selbst nannten, umgehend informiert werden, auch zur Abschreckung von Personen, die das schnelle Geld mit Müll machen wollen.

Wir wollen, dass der Ruf der sächsischen Abfallwirtschaft durch diese skrupellosen Personen eben nicht beschädigt wird und den Verwertungsunternehmen die Abfälle nicht entzogen werden.

Das ist der Sinn der Großen Anfrage gewesen. Deshalb weise ich diese Unterstellungen, die hier von der CDU und der FDP gekommen sind, zurück.

(Beifall bei der Linksfraktion – Tino Günther, FDP: Mit Recht!)

Ich frage die CDUFraktion, ob sie noch einmal sprechen möchte. – Dann spricht für die GRÜNEN Frau Günther-Schmidt. Bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben bereits eine Reihe befremdlicher Beispiele zum Umgang mit gefährlichen Abfällen in Sachsen geschildert bekommen. Ich möchte dieser Liste ein weiteres Beispiel hinzufügen. Kollegin Roth hat vorhin schon Bezug darauf genommen. Meine Kleinen Anfragen sind dicker gewesen als die Große Anfrage der Linksfraktion, aber es kommt ja auch auf den Inhalt an, bei Ihnen stand ja auch allerhand drin.

In Sachsen engagiert sich seit Anfang der 2000er die IMCaL-Firmengruppe im Müllgeschäft. „IMCaL“ steht für „Investitions- und Marketing-Consulting für arabische Länder“. Zu dieser Firmengruppe gehört zum Beispiel die Deponie Kodersdorf bei Görlitz. Sie erinnern sich: Hier nahm damals die Diskussion um italienischen Müll in Sachsen ihren Anfang.

Im vergangenen Jahr übernahm das Unternehmen die Firma ETU in Altbernsdorf als alleiniger Gesellschafter. Die ETU ist nach der Wende aus dem ehemaligen Trockenwerk der damaligen LPG hervorgegangen und hat sich in den 1990er-Jahren nach eigener Aussage auf die biologische Bodensanierung spezialisiert – ein kleines Unternehmen mit einem knappen Dutzend Mitarbeitern.

Das Staatliche Umweltfachamt beschrieb die Gegend, in der die ETU ihren Geschäften nachgeht, in einer Stellungnahme vom 1. September 1990 wie folgt: „Für die Umgebung der Bodensanierungsanlage liegt kein bestätigter B-Plan vor. Die tatsächliche Nutzung des Teiles des akustischen Einwirkungsbereiches der Anlage mit dem maßgeblichen Emissionsort erfüllt nach Auffassung des StUfa Bautzen die Kriterien eines Dorfgebietes.“

Für dieses Dorfgebiet hat es nun das damalige Regierungspräsidium Dresden am 12. Juni 2008 für richtig befunden, eine emissionsrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zur Zwischenlagerung von Abfällen sowie zur Behandlung ausgewählter Abfälle auf dem Betriebsgelände der ETU-GmbH in Altbernsdorf zu erteilen. Danach dürfen täglich 400 Tonnen Müll umgeschlagen werden aus einem Positivkatalog, der mehr als 300 Abfälle, davon mehr als 130 sogenannte gefährliche Abfälle, enthält. Im Lager- und Behandlungsbereich dürfen zum Beispiel folgende Abfälle gelagert werden: 48 Tonnen giftige Stoffe, 120 Tonnen umweltgefährliche Stoffe, 10 Tonnen entzündliche Stoffe, 10 Tonnen Stoffe mit anderen Gefährlichkeitsmerkmalen. Diese Stoffe sind mit R-Nummern gekennzeichnet und besagen inhaltlich folgende Gefahren: giftig beim Einatmen, giftig bei Berührung mit der Haut, giftig beim Verschlucken, sehr giftig für Wasserorganismen, entzündlich, reagiert heftig mit Wasser, entwickelt bei Berührung mit Wasser giftige Gase, kann in

Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen haben. Und das in einem FFH-Schutzgebiet im direkten Einzugsgebiet der Pließnitz, die den Berzdorfer See speist, wo das Bachneunauge und eine spezielle Unterwasservegetation, die besonders geschützt sind, zu Hause sind.

Die notwendige wasserrechtliche Genehmigung schreibt lediglich einen Kompaktabscheider für Benzin und Öl vor. Ansonsten kann das Oberflächenwasser direkt in den Weißbach geleitet werden, der in die Pließnitz fließt. Sehr merkwürdig!

Aber es geht noch besser. Die Genehmigung wurde für zwei Flurstücke erteilt, von denen eines wohl kein Industriegebiet ist. Minister Kupfer teilte mir – ich fürchte wider besseres Wissen – mit, dass es ein Industriegebiet sei. Diese Unverschämtheit ist nur noch zu übertrumpfen durch die Aussage des Landratsamtes Görlitz, welches am 8. Dezember 2008 erklärte, dass das Flurstück durch die genannte Genehmigung des damaligen Regierungspräsidiums Dresden automatisch zum privilegierten Außenbereichsvorhaben wurde.

Der Antrag wurde schnell genehmigt. Nach ungefähr zwei Monaten wurden mehr als 700 Antragsseiten zum Bestandteil der Genehmigung erklärt – eine sorgfältige und gewissenhafte Prüfung sieht anders aus.

Auch der ausgelegte Genehmigungsbescheid enthält Besonderheiten. Auf Seite 2 ist unter Punkt 4 zu lesen: „Die dem Genehmigungsbescheid als Anlagen beiliegenden, mit einem Genehmigungsvermerk versehenen und von Seite 1 bis Seite XX durchnummerierten Antragsunterlagen sind Bestandteil dieser Genehmigung.“

Auf Seite 19 lesen wir unter Punkt 7.1 in exzellentem Asterixdeutsch: „Die Auferlegung einer Sicherheitsleistung ist ein erforderliches, geeignetes und verhältnismäßiges Mittel zum Schutz des öffentlichen Interesses.“

Als wäre das alles noch nicht genug, wurde vom damaligen Regierungspräsidium Dresden am 18. Juni 2008 die sofortige Vollziehung des Bescheids erlassen. Nun weiß jeder, dass dafür ein besonderes öffentliches Interesse notwendig ist. Das RP führt aber zur Begründung unter anderem aus, dass dadurch eine verkürzte Amortisationsdauer der Investition ermöglicht würde und dass außerdem der Winter vor der Tür stehe.

Die Widersprüche der Bevölkerung werden im Übrigen immer noch geprüft – seit über fünf Monaten! Die Nachbargemeinde Schönau-Berzdorf hat mit dem heutigen Stichtag Klage gegen die Genehmigung eingereicht.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Von den Fraktionen liegen jetzt keine Meldungen zur Diskussion mehr vor. Deshalb frage ich die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Kupfer möchte sprechen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Mit der vorliegenden Großen Anfrage hat die Linksfraktion eine Reihe von aufgetretenen illegalen Abfallentsorgungen in Tongruben in anderen Bundesländern zum Anlass genommen, den Vollzug und die Überwachung des Umweltrechts in Sachsen zu hinterfragen. So weit, so gut. Aber mit vielen Vermutungen, bestärkt durch Verdachtsäußerungen Dritter, wird das rechtmäßige Handeln der sächsischen Umweltbehörden in Zweifel gezogen. Solche Unterstellungen, mit denen der Eindruck einer vermeintlichen abfallrechtlichen Anarchie in Sachsen erzeugt werden soll, weise ich zurück.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Holger Zastrow, FDP)