Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat greift der vorliegende Antrag ein wichtiges Thema auf, weil es um den Bestand der sorbischen Sprache und um die sorbische Kultur geht. Das ist ein zentrales Anliegen, das wiederholt auch im Sächsischen Landtag zu Recht aufgegriffen worden ist.
Hinter diesem Thema verbergen sich, wenn man es sich genau ansieht, aber Probleme, weshalb es immer wieder zu Debatten im Sächsischen Landtag kommt. Das liegt auf der einen Seite daran, dass es wirklich eine Reihe von Schwierigkeiten gibt, auf die Kollege Schiemann schon eingegangen ist; und auf der anderen Seite daran, dass gerade im Bereich der weiterführenden Schulen aus meiner Sicht nicht so viel getan worden ist.
Deshalb hat die Koalition einen Antrag gestellt, in dem die Staatsregierung ganz klar dazu aufgefordert wird – ich zitiere –, „ein langfristiges Konzept eines Schulnetzes im allgemeinbildenden Bereich zur Umsetzung der verfassungsgemäß verbrieften Rechte des sorbischen Volkes unter Einbeziehung der Vertreter des sorbischen Volkes vorzulegen.“
Dazu gab es einen auch schon ausgeführten Zwischenbericht des Kultusministeriums. Aus meiner Sicht kann dieser nicht befriedigen und auch nicht in Gänze darauf eine Antwort geben. Ein Bericht ist natürlich ein Bericht und kein Konzept; wenn aber in diesem Bericht im Wesentlichen auf die Schulnetzplanung der damaligen Landkreise Kamenz und Bautzen eingegangen wird, dann entspricht es nicht dem, was wir hier verabschiedet haben.
Deshalb muss ich erneut zitieren: „Auf der Grundlage dieser Darstellung beabsichtigt die Sächsische Staatsregierung nach Vorlage der Beschlüsse aller Landkreise im sorbischen Siedlungsgebiet zur Schulnetzplanung Ende 2007/Anfang 2008 einen Bericht mit folgendem Inhalt vorzulegen:
1. Entwicklung des sorbischen Schulwesens unter Schwerpunktsetzung auf den Zeitraum von 1992 bis 2007;
2. Schulnetzplanung im sorbischen Siedlungsgebiet bis 2015 und 2020 unter detaillierter Darstellung der Standorte der sorbischen Schulen;
Wenn man sich das ansieht, stellt man fest: Das Ganze ist noch kein Bericht. Warum ein solcher noch nicht vorgelegt worden ist, dazu kann sicherlich der Kultusminister nachher Näheres ausführen.
Wenn wir uns näher mit dem Thema beschäftigen wollen und wenn wir davon ausgehen, dass dieser Bericht nicht alles bringt und ein Konzept noch aussteht, dann ist es wichtig, dass wir uns nicht nur mit den Schulstandorten, sondern vor allem mit den Instrumenten beschäftigen, die zur Förderung der sorbischen Sprache und der sorbischen Kultur in den Schulen und durch die Schulen beitragen. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Ansatz.
Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass es – im Gegensatz zu anderen europäischen Minderheiten – die Besonderheit gibt, dass ein geschlossener Siedlungsraum fehlt. Jetzt könnte man sagen, dass es – um die Einrichtung der Schulen zu realisieren – vielleicht das Beste wäre, ein voll gefördertes sorbisches Schulwesen zu initiieren. Ich glaube aber nicht, dass das überall mehrheitsfähig wäre und dass das überall die Intentionen vor Ort treffen würde.
Wir müssen davon ausgehen, dass wir zukünftig keine rein sorbischen Schulen mehr haben werden. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Also muss es doch so sein, dass die Schule mehr Aufträge, mehr Instrumente bekommt, damit in verschiedener Form dazu beigetragen werden kann, dass Sorbisch als eine Art Muttersprache in diesen Schulen gepflegt wird. Wenn wir diese Anforderungen an die Schulen stellen, müssen wir die Frage beantworten: Welches sind die Instrumente, die wir diesen
Schulen an die Hand geben können, damit das möglich gemacht wird? – Das ist in der Tat nur durch ein Konzept umzusetzen.
Der erste Punkt – Kollege Schiemann hat dazu bereits ausgeführt – betrifft die Frage: Wie haben sich die sorbischen Schulen entwickelt? Vor allem: Wie haben sich sorbische Schulen zu modernen Schulen entwickelt? Da gibt es ein Erfolgskonzept. Das Witaj-Projekt ist erfolgreich und sollte und muss fortgeführt werden. Von dieser Stelle aus ist sicherlich schon ausreichend gesagt worden, dass man die Arbeit, die dort stattfindet, nicht genug würdigen kann. Ich hoffe, dass auch weiterhin beachtliche Erfolge vorzuweisen sind. Das Projekt muss fortgeführt werden, damit der drohende Exodus der sorbischen Sprache als gelebte Sprache gestoppt werden kann.
Zweitens müssen wir in der Tat darüber nachdenken, sorbische Schulen möglichst wohnortnah zu organisieren. Ich will einschieben: Das ist nicht nur ein sorbisches Problem, sondern im ländlichen Raum ein generelles Problem.
Die Besonderheit dieser Schulen gegenüber nichtsorbischen Schulen ist natürlich, dass sie – neben ihrer Bildungsfunktion – quasi sorbische Kulturzentren sind. Mit dieser besonderen Problemlage müssen wir uns auseinandersetzen.
Drittens. Wir müssen erreichen, dass sorbische Schulen auch einen wesentlichen Beitrag zur Sozialisation leisten können. Dabei geht es um gemeinsame Erlebnisse von sorbischen Kindern und Jugendlichen an diesen Schulen, um eine sorbische Identität auszubilden. Zur Herstellung dieser Sozialisation müssen wir große Anteile sorbischer Kultur in eine moderne, dynamische Unterrichtsgestaltung einbringen. Dann müssen wir die Jugendlichen dazu befähigen, mit dieser Sozialisation und der dadurch gewonnenen Identität auf der ganzen Welt zu agieren; ihnen muss die Welt offen stehen. Das ist wichtig.
Auch der vierte Punkt ist ganz entscheidend. Wir müssen uns überlegen, in welcher Form wir die Herausbildung dieser Identität organisieren. In diesem Zusammenhang ist die Frage zu beantworten, wie man es hinbekommt, dass unterschiedliche Generationen die Möglichkeit haben, die Identitätsbildung gemeinsam zu erleben und kontinuierlich, über Jahre hinweg, zu lernen.
Ich will auch an dieser Stelle Klartext reden: Einer dieser Ansätze besteht darin, entsprechende Angebote verstärkt im Rahmen der Gemeinschaftsschule im Sekundarbereich I zu unterbreiten. Ich weiß, dass es diesen Bündelungswunsch von sorbischen Initiativen vor Ort gab. Es ist aber auch gesagt worden: Wir sind kein Schulträger und können das deshalb nicht beantragen. – Findet man also eine Möglichkeit, dass ein sinnvolles Konzept zur Gemeinschaftsschule mit der von mir beschriebenen
Man könnte sagen: Da wir keine sorbischen Schulträger haben, ist das Problem, wenn man es ernst nimmt, nicht so einfach zu lösen. Wir können weder ein sorbisches Schulwesen installieren, noch können wir Schulen einfach nach Schulträgern beurteilen bzw. das Ganze allein der Schulnetzplanung überlassen.
Ich will kritisch anmerken: Wenn ich mir die Stellungnahme des Kultusministeriums zu dem Antrag ansehe, dann scheint mir, dass zumindest der Autor der Antwort die Besonderheit des sorbischen Schulwesens nicht ganz verstanden hat. Deshalb möchte ich die Stellungnahme zumindest in einem Punkt korrigieren: Es ist zwar richtig, dass es keines Beschlusses des Landtages bedarf, der die Staatsregierung auffordert, ein gemeinsames Konzept mit den sorbischen Interessenvertretern zu erarbeiten. Das ist aber nicht aufgrund der in der Stellungnahme dargestellten Sachverhalte richtig, sondern deshalb, weil wir bereits einen solchen Antrag beschlossen haben; in der Drucksache 4/5514 gibt es ihn längst. Insofern ist der Antrag der Koalition – mit dem versprochenen Bericht über die Schulnetzplanung der damaligen Kreise – eben nicht erfüllt. Wir haben damals nicht ohne Grund die Einbeziehung von Vertretern des sorbischen Volkes gefordert. Das meint eben nicht, dass in den Kreistagen vielleicht sorbische Mitbürgerinnen und Mitbürger vertreten sind; sondern der Wille des Landtages war es ganz klar, dass das Kultusministerium bei der Erarbeitung dieses Konzeptes auf Vertreter des sorbischen Volkes zurückgreifen soll. So sieht es der Antrag vor. Das ist, glaube ich, ein Unterschied.
Wir brauchen diesen Antrag nicht. Die heutige Debatte hat gezeigt, dass es unterschiedliche Ansätze, aber letztlich große Übereinstimmung in der Frage gibt, wie man das Problem angehen kann. Es geht an der einen oder anderen Stelle um das Instrument. Unterschiedliche Wege führen zum Ziel. Aber auch die antragstellende Fraktion muss doch Genugtuung darüber empfinden, in welcher Breite und fachlichen Fundiertheit wir uns zu dem Thema ausgetauscht haben. Insofern brauchen wir für die Aufforderung an das Kultusministerium keinen Antrag.
Danke schön. – Die NPD-Fraktion hat keinen Redner gemeldet. – Das bleibt so. Für die FDP Frau Schütz, bitte.
und Kultur sind eine Bereicherung für unseren Freistaat. Wir sollten und wir müssen Interesse daran haben, diese zu pflegen. Das gilt besonders an den sorbischen Schulen.
Herr Kosel, lassen Sie uns trotz der besonderen Dramatik an dieser Stelle nicht in Aktionismus verfallen. Diesen Eindruck könnte man gewinnen, wenn man sieht, dass Sie das Thema auf die heutige Tagesordnung des Plenums und gleichzeitig auf die Tagesordnung des Ausschusses gesetzt haben. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Das ist Aktionismus an der falschen Stelle.
Zurück zum Antrag. Es ist beeindruckend, wie viel Arbeit die Sorben in die Pflege ihrer Kultur und ihrer Sprache stecken. Beispielhaft möchte ich nur die Übersetzung von Schulbüchern und Lernmaterial in das Sorbische nennen. Wer mit Vertretern der Sorben über die Schulbildung spricht, erfährt viel über das Engagement vor Ort. Doch es ist ernüchternd, wie den Sorben in den vergangenen Jahren durch die Schulverwaltung Steine in den Weg gelegt worden sind. Daran kann auch der etwas beschönigende Bericht der Staatsregierung über die Lage des sorbischen Volkes keinen Zweifel lassen.
Lange wurden die sorbischen Schulen nicht anders bei der Schulnetzplanung behandelt als die deutschsprachigen. Das war ja der Grund, warum die sächsische Schulschließungspolitik selbst auf europäischer Ebene ins Blickfeld geriet, weil diese Schulschließungspolitik die einzigartige Kultur der Sorben als schutzbedürftige Minderheit gefährdete.
Die Schulschließungen, die wir als FDP immer kritisiert haben, hatten für den sorbischen Raum noch schlimmere Auswirkungen als für viele andere Landstriche in Sachsen. Die Wege der Kinder, die Sorbisch lernen wollten, wurden immer länger und viele Eltern entschieden sich nicht allein auch deshalb dann für eine Schule ohne sorbisches Sprachangebot.
Natürlich ist es schwierig zu argumentieren, wenn in Zeiten radikaler Schulschließungen der sorbische Bereich herausgenommen werden sollte. Da bedarf es schlicht einer politischen Schwerpunktsetzung, die hier einfach versäumt wurde. An der Stelle rächt sich auch die fehlende Autonomie von Schulen. Sollte man nicht besser bei einem Zukunftskonzept für sorbische Schulen auch Überlegungen zur Autonomie der Schulen einbeziehen? Stichwort: Schulträgerschaft. Man sollte also einen Rahmen vorgeben, innerhalb dessen die Sorben ihre Schulen selbst ausgestalten können. Das wäre nach unserer Meinung ein innovativer Ansatz, denn mit von oben kommenden Planungen wird man so manches regionale Problem nicht lösen können und noch weniger dem Problem von Minderheiten gerecht werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag ist von der Zielstellung her richtig. Er findet auch im Grundsatz unsere Unterstützung. Er ist aber so, wie er gestellt ist, viel zu pauschal, als dass wir ihn so einfach unterschreiben würden. Er wäre nach unserer Meinung sicherlich im Ausschuss besser aufgehoben. Wir werden uns daher enthalten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Entwicklung des sorbischen Schulwesens beschäftigt uns bereits seit Anfang dieser Legislaturperiode. Meine Fraktion hat schon in ihrem Antrag vom Juni 2005 die Staatsregierung aufgefordert, ihre Vorstellungen von der Entwicklung der sorbischen Schullandschaft darzulegen. Bereits damals nahm die Staatsregierung zu unserem Antrag unter anderem wie folgt Stellung:
„Alle Entscheidungen das sorbische Schulwesen betreffend, werden vor dem Hintergrund der in Artikel 6 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen und § 2 und § 4a Abs. 4 Ziffer 1 Schulgesetz verbrieften Rechte des sorbischen Volkes getroffen. Die Pflege und Entwicklung angestammter Kultur, Sprache und Überlieferung kann im sorbischen Siedlungsgebiet auch mit dem Widerruf des Freistaates Sachsen an den Eingangsklassenstufen der Mittelschulen in Panschwitz-Kuckau und Radibor an den verbleibenden sorbischen Mittelschulen in zumutbarer Entfernung und in guter Qualität gesichert werden. Eine maßvolle Anpassung des Schulnetzes ist notwendig, um die vorhandenen Ressourcen bestmöglich zum Einsatz zu bringen.“
Das, meine Damen und Herren ist die Sprache der Mehrheit gegenüber der Minderheit. Wir sehen das ausdrücklich anders. Es darf niemals eine Frage des bestmöglichen Einsatzes vorhandener Ressourcen sein, wenn es um den Erhalt einer nationalen Minderheit geht.
Ich mache mir allerdings wenig Hoffnung, dass die Sächsische Staatsregierung in ihrer jetzigen Zusammensetzung sich irgendwann einmal darauf besinnt, europäisches Minderheitenrecht umzusetzen. Schließlich wurden bislang alle Anträge der Opposition, die in diese Richtung zielten, abgelehnt.