Protokoll der Sitzung vom 13.03.2009

Staatsminister.

Ich bin richtig aufgeregt über das, was ich vorhin gehört habe, dass ein gesunder Geist in einem gesunden Körper wächst. Haben Sie das genauso verstanden wie ich? Können Sie mir vielleicht sagen, wie er das gemeint haben könnte, und eine Wertung abgeben?

Also, dass Herr Wöller Staatspräsident werde, davor möge man uns behüten.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Unabhängig davon habe ich das auch so gehört. Ich habe aber verstanden, dass Herr Wöller hier ein Zitat gebracht hat. Ich fand allerdings dieses Zitat an dieser Stelle wirklich sehr unpassend.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Selbstverständlich.

Bitte, Herr Nolle.

Herr Kollege, sind Sie mit mir der Meinung, dass in die Logik dieses Spruchs auch die beiden Sätze hineingehören „Arbeit macht frei“ und „Jedem das Seine“?

(Zurufe von der NPD)

Ich glaube, Herr Kollege Nolle, das brauche ich nicht zu kommentieren. Ich finde es allerdings schade, dass, wenn wir schon einmal über das Thema Sport sprechen, durch den Beitrag des Ministers jetzt eine Situation entstanden ist, die solche Zwischenfragen hervorruft. Ich hätte mich viel lieber mit konkreten Vorschlägen der Staatsregierung zur Verbesserung der Situation des Sports auseinandergesetzt. Davon war allerdings in der Rede leider nichts zu hören.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wenn Sie, Herr Minister, zu Recht auf die gestiegenen Zahlen bei den Mitgliedern und Vereinen im Landessportbund Sachsen verweisen, über die wir uns natürlich ebenfalls freuen, dann hat das so gut wie nichts mit der Politik der Sächsischen Staatsregierung zu tun, sondern das ist das Ergebnis einer engagierten Arbeit an der Basis des sächsischen Sports. Dafür gilt allen Haupt- und Ehrenamtlichen unser ganz herzlicher Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich schließe in diesen Dank – das will ich hinzufügen – ausdrücklich auch das Team des Landessportbundes Sachsen ein.

Unbestritten, Herr Kollege Wöller, gab es in Ihrer Rede eine ganze Reihe von allgemeinen Aussagen, die wir als Linksfraktion grundsätzlich teilen können, angefangen von der Bedeutung des Sports für die Gesundheit, die begrüßenswerte Kommunikation in den Vereinen, über die Rolle des Breitensports sowie die Vorbildwirkung der sächsischen Leistungssportlerinnen und Leistungssportler bis hin zur Würdigung des Ehrenamtes und der Notwendigkeit einer weiteren Förderung des Sportstättenbaus hier bei uns in Sachsen. Denn trotz unbestreitbarer Fortschritte – Sie haben die Zahlen genannt – existiert immer noch ein erheblicher Investitionsstau.

Bei aller Übereinstimmung im Grundsätzlichen gibt es allerdings im Detail auch einige Differenzen und Ergän

zungen, von denen ich heute nur wenige Punkte ansprechen kann.

Minister Wöller hat in seiner Rede ausgeführt, dass das Sächsische Staatsministerium für Kultus in den vergangenen zehn Jahren Sportfördermittel in Höhe von 460 Millionen Euro bereitgestellt hat. Eines hat er jedoch dabei vergessen zu erwähnen, nämlich, dass es nicht die Staatsregierung in ihrer grenzenlosen Weisheit war, die diesen Betrag festgesetzt hat, sondern das Parlament, also der Sächsische Landtag als Haushaltsgesetzgeber.

Wenn es ein Gebiet gab, wo es so gut wie nie zum Streit über die Mittel gekommen ist, dann war es der Sportbereich. Denn hier ist seitens der Opposition – wenn überhaupt – kritisiert worden, dass im Zweifel nicht noch mehr Mittel bereitgestellt werden konnten.

Auch wir anerkennen, dass die finanzielle Förderung im Vergleich zu anderen Bundesländern im Sportbereich in Sachsen positiv zu bewerten ist. Aber wenn man die deutlich gestiegenen Mitgliedszahlen im Landessportbund nimmt und diese zur Höhe der Zuwendungen seitens des Freistaates Sachsen ins Verhältnis setzt, dann ist festzustellen, dass die Pro-Kopf-Förderung des Sports gegenüber dem Stand von vor zehn Jahren rückläufig ist.

Auch dass sich der Anteil der in den sächsischen Sportvereinen organisierten Sachsen in den letzten 18 Jahren nahezu verdoppelt hat, hat nur sehr wenig mit der Staatsregierung, dafür aber sehr viel mit dem Engagement der Trainer und Übungsleiter und den Tausenden ehrenamtlichen Funktionären in den mehr als 4 400 Vereinen in unserem Land zu tun, die sich von der Politik allerdings immer noch allzu oft alleingelassen fühlen: sei es bei Freistellungsregelungen, sei es bei dem für die notwendige Qualifizierung erforderlichen Bildungsurlaub, sei es bei Versicherungsfragen oder auch bei steuerrechtlichen Bestimmungen. Hier gäbe es viel zu tun. Dazu haben Sie leider nichts gesagt, Herr Minister. Von einem warmen Händedruck bei der Verleihung des „Jokers im Ehrenamt“ können sich die Betroffenen nicht wirklich etwas kaufen.

Wenn der Sportminister dieser Tage durch die Landkreise reist, dann ist das ein durchaus positives Signal. Allerdings wünschen sich die Sportlerinnen und Sportler vor Ort, dass so etwas nicht nur im Wahljahr passiert. Sie erhoffen sich vom Minister auch eindeutige Antworten auf ihre Fragen. Ich habe mit vielen gesprochen, die in Ihren Veranstaltungen waren. Herr Wöller ist allzu oft diese konkreten Antworten schuldig geblieben und eine Goodwilltour ist nicht geeignet, politische Entscheidungen zu ersetzen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Sofern der Minister in seiner Regierungserklärung auf die Bedeutung des Kinder- und Jugendsports hingewiesen hat, teilen wir selbstverständlich seine diesbezüglichen Bewertungen. Natürlich begrüßen wir solche Projekte wie „KOMM! in den Sportverein“, weil wir durch die Bereitstellung von Gutscheinen durchaus einen Beitrag dazu leisten können, Mädchen und Jungen auch aus sozial

benachteiligten Familien an den organisierten Sport heranzuführen.

Die Aktion „KOMM! in den Sportverein“ wurde bekanntlich als großer Erfolg verkauft und entsprechend medienwirksam in Szene gesetzt. Bei näherer Betrachtung kann jedoch von einem wirklich großen Wurf keine Rede sein. Für eine vorläufige oder gar abschließende Bewertung der Initiative ist es ganz sicher noch zu früh. Aber ich denke, dass es ein Fehler war, dass das Kultusministerium wichtige Hinweise von Experten einfach in den Wind geschlagen hat, als es die Aktion allein auf die Klassenstufe 3 beschränkte.

(Beifall der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion)

Gerade in diesem Altersbereich haben wir ohnehin schon den höchsten Organisationsgrad überhaupt. Das bedeutet, dass das tatsächliche Potenzial für Sportneueinsteiger in dieser Altersgruppe besonders gering war und ist. In der Praxis führt dies dazu, dass die Gutscheine in den Vereinen eher von Kindern genutzt werden, die ohnehin schon Mitglied sind und die nunmehr ihren Beitrag erstattet bekommen. Doch genau das war ja mit der Aktion wohl eigentlich nicht beabsichtigt.

Insofern sollte geprüft werden, ob man die im Haushalt bereitgestellten Gelder nicht vor allem für sozial Schwache einsetzen sollte, um ihnen eine Vereinsmitgliedschaft zu ermöglichen, und zwar unabhängig von der jeweiligen Klassenstufe.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Unterstützung des Kinder- und Jugendsportes ist ganz ohne Zweifel eine wichtige Aufgabe der Landespolitik. Zugleich jedoch dürfen wir die demografische Entwicklung nicht außer Acht lassen. Sachsen ist nach statistischen Erhebungen bundesweit das Land mit dem höchsten Altersdurchschnitt. Bereits im Jahre 2006 waren 23 % der Bevölkerung älter als 65 Jahre.

Die Expertenkommission der Staatsregierung zum demografischen Wandel stellte dazu fest – ich zitiere –: „Im Jahr 2030 wird jeder dritte Bundesbürger älter als 60 Jahre sein. Sachsen ist vom demografischen Wandel besonders betroffen. Schon jetzt hat Sachsen mit 42,3 Jahren den höchsten Altersdurchschnitt aller Bundesländer, und der Anteil der Bevölkerung unter 20 Jahren nimmt von heute 16,9 % auf 14,9 % im Jahr 2020 ab. Spiegelbildlich nimmt der Anteil der Bevölkerung über 60 Jahre von gegenwärtig 28,9 % auf 36,9 % zu.“

Auf diese Entwicklung sollten auch der Sport und die Sportförderung reagieren. Die Sportstätten in unserem Land müssen also zunehmend sowohl alters- wie auch behindertengerecht umgestaltet werden.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Wenn ich schon bei diesem Thema bin, Herr Staatsminister Wöller, dann komme ich allerdings nicht umhin festzustellen: Dass Sie in Ihrer

gesamten Rede kein einziges Wort zum Behindertensport verloren haben, finde ich völlig inakzeptabel.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Das gilt, wenn ich vom Behindertensport spreche, sowohl für den Breitensport als auch für den Leistungssport in diesem Bereich.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, natürlich.

Bitte schön, Frau GüntherSchmidt.

Danke schön.

Lieber Herr Kollege Hahn, können Sie sich vorstellen, dass der Verzicht auf die Erwähnung des Behindertensports etwas damit zu tun hat, dass Minister Wöller gesagt hat: „Ein gesunder Geist wohnt in einem gesunden Körper“ und dass deswegen dieses Thema konsequent ausgegrenzt wurde?

(Zuruf: Pfui!)

Ich kann mir bei Herrn Wöller leider vieles vorstellen.

Aber ich war beim Thema Behindertensport und möchte das auch noch kurz ausführen. Der Breitensport bei den Menschen mit Beeinträchtigungen hat vor allem unter dem verbesserungswürdigen Zustand vieler Sportstätten zu leiden, und den Leistungssportlern im Behindertenbereich wiederum fehlen oft die finanziellen Mittel zum Beispiel für teure Sportgeräte, für besondere medizinische Hilfsmittel oder auch für die Teilnahme an nationalen und internationalen Meisterschaften. Hier gibt es nach wie vor einen erheblichen Nachholbedarf, und ich hätte mir gewünscht, Herr Minister, dass Sie dazu hier etwas gesagt hätten.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich weiß natürlich, dass viele Entscheidungen in Sachen Sport in kommunaler Hoheit getroffen werden. Das Land regelt nur die entsprechenden Rahmenbedingungen und trifft Festlegungen hinsichtlich der finanziellen Ausstattung. Dazu habe ich bereits einige Ausführungen gemacht. Aber auch andere politische Entscheidungen beeinflussen den Sportbereich, wenn ich zum Beispiel an die Schulschließungen der letzten Jahre denke.

Seit 1990 wurden in Sachsen bekanntlich mehr als tausend Schulstandorte dicht gemacht, und fast an jeder Schule hing auch eine Turnhalle oder zumindest ein Gymnastikraum. Diese Schulschließungen waren mit Sicherheit kein Beitrag, um die sportliche Betätigung von Kindern und Jugendlichen zu unterstützen. Schulschließungen führten leider auch zum Wegfall von Vereinen, zum Weggang von engagierten Übungsleitern; denn nicht selten sind gerade Pädagogen und eben nicht nur Sport