Protokoll der Sitzung vom 13.03.2009

Herrn Zastrow gebe ich insofern recht, als die Befürchtung, die Reform gehe auf Kosten der niedergelassenen Ärzte, nicht ganz unbegründet ist. Schließlich hat in der Anhörung, die in der heutigen Debatte schon eine Rolle gespielt hat, Herr Steinborn von der AOK auf meine Frage, ob es in Zukunft noch Doppelstrukturen geben werde, geantwortet, dass die Verbindung zwischen Krankenhaus und Niederlassung enger werde, dass aber in den Städten wohl weiterhin Doppelstrukturen bestehen bleiben. Als Zeithorizont wurden 30 Jahre genannt. Das ist

sehr vage, aber immerhin. Man könnte Ihre Befürchtung, Herr Zastrow, zumindest teilen.

Die Frage ist aber, worin eigentlich die Ursache des Dilemmas liegt. Ich denke schon, das hat mit der Gesundheitsreform, im Speziellen mit dem Gesundheitsfonds, zu tun. Der Fonds führt dazu, dass die Krankenkassen keine unterschiedlichen Beiträge mehr erheben dürfen. Im Zusammenhang damit steht die Möglichkeit, dass ab 2010 Krankenkassen insolvent werden. Daher sind die Kassen darauf angewiesen, den Ärzten in etwa gleiche Honorare zu zahlen. Also ist die Honorarreform mit dem Ziel der Angleichung der Honorare eine logische Konsequenz des Gesundheitsfonds. Wir haben in Debatten zum Gesundheitsfonds an dieser Stelle immer gesagt: Das ist eine Blackbox. Niemand von uns kann so richtig sagen, was am Ende herauskommt. Genau diese Situation haben wir jetzt.

Wenn jetzt allerdings nach der Politik gerufen wird, so dürfte das mit Schwierigkeiten verbunden sein. Es gibt nun einmal die KVs, deren Vertreter von den Ärzten gewählt sind und die die Interessen der Ärzte natürlich vertreten sollen. Die KV-Vertreter waren an der Honorarreform auf Bundesebene beteiligt und wollten diese so. Jetzt kommt es darauf an, wie die einzelnen Fachärzteverbände mit den KVs vor Ort verhandeln. Das ist in Sachsen offenbar misslungen oder hat gar nicht stattgefunden. Das geht so weit, dass die Ärzte erst zum 31.12. davon unterrichtet wurden, welche Auswirkungen die Honorarreform für sie ab dem 01.01. haben wird. Damit wiederum ist die eigentlich einzuräumende Widerspruchsfrist nicht eingehalten worden. Diesem Mangel wird jetzt damit abgeholfen, dass für den Monat Januar die Honorare entsprechend dem vergangenen Jahr gezahlt werden. Damit soll Klagen der Ärzte zuvorgekommen werden. Bis heute ist nicht klar, wie das in Zukunft weitergehen soll. Die richtige Stelle, Druck auszuüben, wären also zunächst einmal die KVs, und zwar seitens der Fachärzteverbände.

(Beifall der Abg. Dr. Gisela Schwarz, SPD)

Diese müssten sich jetzt für ihre Fachärzte einsetzen und die entsprechenden Honorare aushandeln. Wir sind insofern erst einmal nicht involviert. Die Konvergenzmöglichkeit ist auf zwei Jahre angelegt. Andere Bundesländer haben angekündigt, diese Möglichkeit nutzen zu wollen. Das war in Sachsen zuerst nicht so eindeutig zu hören. Es hat durchaus Sinn, das bei einigen Ärzten auftretende Plus bzw. Minus auf 5 % zu beschränken. Diese Schwankung kann man irgendwie aushalten. Wenn man 5 % mehr hat, freut man sich. Wenn es 5 % weniger sind, geht man nicht gleich unter. Eine ähnliche Regelung könnte ich mir für Sachsen vorstellen.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die FPD-Fraktion hat noch einmal das Wort. Frau Abg. Schütz, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Gesundheitsreform und der Gesundheitsfonds lassen sich kurz zusammenfassen: Die Stärkung der niedergelassen Fachärzte ist gescheitert, die Honorarreform missglückt. Die Ärzte sind auf der Straße und die Patienten in überfüllten Wartezimmern.

(Beifall bei der FDP)

16,07 Euro ist der Betrag, mit dem in Sachsen Hautärzte die Grundversorgung für einen Patienten im I. Quartal 2009, das heißt von Januar bis März dieses Jahres, sicherstellen sollen. Dafür, meine sehr geehrten Damen und Herren, bekommen Sie noch nicht einmal ein Abo im Fitness-Center, geschweige denn eine neue Frisur beim Friseur.

In Anbetracht dieser Zahlen ist es wirklich kein Wunder, dass sich die niedergelassenen Fachärzte von der Politik alleingelassen fühlen. Daran ändert auch die Abmilderung der schlimmsten Bestandteile der Honorarreform nichts. Frau Clauß, die heute nicht da ist, war – so stand es in der Zeitung – sehr euphorisch. Doch nach dem, was man aus der Kassenärztlichen Vereinigung und auch von den Ärzten hört, wird das II. Quartal wegen der Berechnungsgrundlage des vergangenen Jahres und der Verschiebung von Ostern aus dem I. in das II. Quartal noch viel schwieriger. Die Versuche, die negativen Folgen der Reform zu begrenzen, bringen keine Erfolge.

Wer die niedergelassenen Fachärzte dauerhaft erhalten will, wird um Reformen nicht herumkommen. Mir ist natürlich klar, dass die Begriffe Freiheit, Selbstständigkeit und Leistungsgerechtigkeit in der Aktuellen Debatte nicht gerade in Mode sind. Ich sehe nicht nur zu wenige Liberale, sondern leider sind auch die Konservativen zu leise, wenn es darum geht, nicht immer laut nach Verstaatlichung, Vergesellschaftung und dem heilversprechenden Superstaat zu rufen. In dem Sinne freue ich mich natürlich, dass Frau Strempel von der CDU-Fraktion heute deutliche und klare Worte gefunden hat. Ich hoffe, das wird auch in Zukunft so sein.

(Beifall bei der FDP)

Etwa 60 bis 80 % des Gesamtumsatzes von Hautärzten – ich bleibe jetzt bei dieser Gruppe der Fachärzte – kommen aus den Einnahmen der sogenannten Regelleistungsvolumina. Das sind bei Hautärzten eben diese 16,07 Euro Behandlungsflatrate je Fall. Der Rest kommt im Wesentlichen von größeren Operationen und Laborleistungen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte schön.

Bitte, Frau Schwarz.

Frau Kollegin Schütz, was halten Sie davon, dass es gerade die Ärzte waren, die diese Honorarreform so wollten?

Ich persönlich glaube, dass die Ärzte diese Reform in der Form so nicht wollten. Sie wollten eine Reform – das ist richtig –, aber sicherlich nicht in dem Maße, dass sie mit der Abschaffung ihres Berufsstandes rechnen müssen.

(Beifall bei der FDP)

Gestatten Sie noch eine Nachfrage?

Glauben Sie, dass der Beschluss im Ausschuss von den Ärzten nicht nachvollzogen werden konnte, weil sie nicht wussten, warum sie diesem Vorschlag so zustimmten?

An der Stelle muss ich wirklich zurückfragen: Sind wir auf Bundes- oder Landesebene? Auf Landesebene kann ich Ihnen sagen, dass die Fachärzte bis heute nicht nachvollziehen können, wie die KV ihre Geldleistungen verteilt hat.

(Dr. Gisela Schwarz, SPD: Also die KV!)

Lassen Sie mich zu den 16,07 Euro zurückkommen und schauen wir uns noch einmal an, was alles darin steckt. Seit 2009 gibt es ja den einheitlichen Bewertungsmaßstab. Bei einem Erstbesuch bei einem Arzt gibt es ein Gespräch, also einen Erstkontakt, für den die sogenannte Ordinariatsgebühr fällig wäre. Schaut man jetzt in den Abrechnungskalender, kann man dafür allein 13,83 Euro berechnen. Nach Adam Ries: 16,07 Euro minus 13,83 Euro bleiben 2,24 Euro für die Behandlung. Sie sehen, fast nichts.

Zudem müssen die Benachteiligungen gegenüber ambulanten Leistungen gegenüber Krankenhäusern und auch gegenüber Hausärzten abgebaut werden. Es kann eben nicht sein, dass ein Hausarzt für dieselbe Behandlung, zum Beispiel bei einem Hautcheck, schon jetzt in Bayern mehr bekommt als ein Hautarzt, das heißt also der entsprechende Facharzt. Ich bin mir sicher, dass es nur eine Frage der Zeit ist – wahrscheinlich schon im II. Quartal –, bis wir eine ähnliche Situation auch hier in Sachsen haben. Ich unterstütze zwar Hausärzte, bin aber der Meinung, dass ein entsprechend ausgebildeter Facharzt für die gleiche Leistung die entsprechende Bezahlung erhält.

(Beifall bei der FDP)

Frau Schütz, gestatten Sie noch einmal eine Zwischenfrage?

Wir können es gern noch einmal mit dem Zwiegespräch mit Frau Schwarz probieren.

Sie hoben eben darauf ab, dass es in den Bundesländern unterschiedliche Honorarvergütungen gibt. Wie erklären Sie sich, dass das von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ist?

Frau Schwarz, ich glaube, Sie sind selbst Fachfrau genug, die weiß, wie sich die Zahlen zusammensetzen, nämlich aus den Fallwerten und dem Leistungsvolumina von 2007 und 2008. Dass diese in den Bundesländern sehr unterschiedlich waren und sich dementsprechend die Preise unterschiedlich zusammensetzen, ist logisch.

(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie mich an dieser Stelle einfach versuchen, zum Schluss zu kommen. Es ist zudem noch absurd, dass man Patienten quasi dazu verpflichtet, zuerst den Hausarzt aufzusuchen und danach den Facharzt. Natürlich kann und soll der Hausarzt eine wichtige Lotsenfunktion übernehmen, doch spekulieren offenbar einige in der Politik und auch in den Kassen darauf, dass dann nicht mehr der niedergelassene Arzt sofort aufgesucht wird, sondern die Einweisung ins Krankenhaus erfolgt. Das kann nach unserer Meinung nicht die Lösung sein.

(Beifall bei der FDP)

Zum Schluss will ich noch einmal auf die Situation eingehen. Es sind eben nicht die Ärzte, die ihre Proteste auf dem Rücken der Patienten austragen, nein, es sind Ulla Schmidt und die Politik von SPD und CDU im Bund, die ihren gesundheitlichen Barrikadenkampf auf dem Rücken von Ärzten und Patienten austragen. Der Gesundheitsfonds macht Ärzte und Patienten gleichermaßen zu Verlierern der Reform, sicherlich an der Stelle nicht alle, aber leider viel zu viele. Es wird also Zeit für eine Reform der Reform.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Die CDU-Fraktion hat noch eine Rednerin angemeldet. Frau Strempel, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Frau Lauterbach, es gibt ein Konzept. Man sollte nur einmal den Bericht der Enquete-Kommission lesen. Er ist ja auch ins Plenum eingebracht worden.

Liebe Kollegin Schwarz, ich schätze Dich ja auch sehr, aber das Bundesministerium mit der Bundesministerin Schmidt hat die Verantwortung für eine Reform. Es bleibt nun mal das verantwortende Ministerium.

Das Konstrukt dieser Honorarreform, die Begleitung der Umsetzung in dem erweiterten Bewertungsausschuss und die Steuerung liegen nun einmal in der Verantwortung dieses Bundesministeriums und nirgendwo anders. Wenn das in Sachsen wäre, würde man auch auf das Sozialministerium zeigen. Es ist nun einmal die Bundesministerin Schmidt, die diese Verantwortung trägt, und daraus kann man sie nicht entlassen.

(Beifall bei der CDU)

Fakt ist auch eines: Sachsen hat schon lange gewarnt. Deshalb gab es auch damals nicht die Zustimmung zu dem GKV-WSG. Auch in allen Reden des vorigen Jahres

ist zu lesen, dass wir vor den Folgen gewarnt haben, die durch diese Reformen kommen werden. Wir haben jetzt die Folgen. Deshalb ist es wichtig, dass man handelt. Ich habe kein Verständnis für die überstürzte Reaktion anderer Nachbarländer, die jetzt die Abschaffung der KV fordern. Das ist doch genau das, was man in Berlin will.

(Beifall bei der CDU)

Genau das spielt dem zentralistischen Wahn in die Hände. Ich frage mich wirklich: Warum ist denn das alles so überstürzt gekommen, nämlich das unerprobte Honorarsystem, das praktisch über Nacht eingeführt wurde und bei dem wirklich kein betroffener niedergelassener Arzt überhaupt nur minimal einen Einblick hatte, was er bekommt? Warum gab es diese Hektik?

Genauso ist es mit dem Gesundheitsfonds. Das haben wir aus Sachsen aber gesagt.

(Beifall bei der CDU)

Beim DRG-System im Krankenhaus hat man sich eine Übergangszeit von fünf Jahren genommen. Es ist gut gegangen. Die Häuser haben sich darauf eingestellt. Sie wissen, was sie bekommen. Sie arbeiten damit.